Das Elektrofahrzeug Eld des norwegischen Formula-Student-Teams Revolve NTNU verfügt über 66 selbst entwickelte Leiterplatten und mehr als 300 Sensoren. Innerhalb eines Jahres haben die Teammitglieder ein vernetztes elektronisches System entworfen, gefertigt und validiert. Die konstruktionsbezogenen Entscheidungen basieren auf der Überzeugung, dass ein robustes, maßgeschneidertes System industrielle Lösungen übertreffen kann.

Vorgehensweise

Revolve NTNU ist eine unabhängige Studentenorganisation an der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie. Das Team besteht aus 64 Mitgliedern, die parallel zum Vollzeitstudium neue Rennwagen entwickeln. Die Mitglieder stammen aus 13 technischen Fachbereichen und allen Studienjahren. Im jedem Jahr entwickelt und baut ein neues studentisches Team von Grund auf einen neuen Rennwagen. Im Laufe des jeweiligen Projekts schließt das Team einen kompletten Produktentwicklungsprozess ab, um einen einsatzbereiten Rennwagen für den internationalen Konstruktionswettbewerb Formula Student zu entwerfen und zu bauen.

Zum Projektbeginn legt das Leitungsteam der Gruppe die Gesamtpläne, die Schwerpunktbereiche, die notwendigen Kompetenzen, die Organisationsstruktur und die Budgets fest und rekrutiert weitere Studenten. Der Entwurfsprozess beginnt mit der Erfassung der Probleme und der Konzeptentwicklung sämtlicher Systeme, bevor es an die Simulation und die Konstruktion geht. Nach Abschluss aller Entwürfe folgt die Fertigung und Montage. Acht Monate lang laufen die Projekttests und die kontinuierlichen Verbesserungen, um sich auf den Wettbewerb vorzubereiten. Das Projekt wird durch europäische Wettbewerbe im Sommer abgeschlossen.

Die wichtigsten Ziele von Revolve NTNU für die Saison 2017 im Bereich der Elektronik waren eine erhöhte Zuverlässigkeit und Wartungsfreundlichkeit sowie umfangreiche Eigenentwicklungen und verbesserte Funktionalität gegenüber den bisherigen Systemen. Eld, das Elektrofahrzeug des Jahres 2017, verfügt über 66 intern entwickelte Leiterplatten und mehr als 300 Sensoren. Die wichtigsten elektronischen Systeme sind das Akkumanagementsystem (AMS), die Fahrzeugsteuerung (VCU), die Wechselrichter und das Datenerfassungssystem. Diese Systeme werden alle vom gleichen Mikroprozessortyp gesteuert, um die Entwicklung und Wartung eines gemeinsamen Software-Frameworks zu ermöglichen.

Die Software für diese Systeme ist in der Programmiersprache C geschrieben. Das Echtzeit-Betriebssystem FreeRTOS ermöglicht die einfache Planung und Verwaltung mehrerer Aufgaben. Für eine effiziente Codeentwicklung und effektive Teamarbeit erfolgt die Versionskontrolle mit der Software Git.

Die Verteilung der elektronischen Systeme im gesamten Fahrzeug wird durch reduzierte Komplexität und eine modulare Gesamtkonstruktion leichter implementiert. Das vereinfacht den Test- und Debugging-Prozess der einzelnen Systeme. Das AMS ist dabei ein gutes Beispiel für ein vollständig verteiltes System.

Akkumanagement

Da der Akkumulator aus 280 Lithiumpolymer(LiPo)-Akkus besteht, deren Spannungen und Temperaturen präzise geregelt werden müssen, ist ein System notwendig, das diese Parameter mit großer Genauigkeit und hoher Frequenz überwachen kann. Dies geschieht mit dem vollständig selbst entwickelten AMS, Bild 1, das als verteiltes System aus zwölf Überwachungsplatinen zusammengesetzt ist, die über eine Daisy-Chain mit dem Master-Steuergerät verbunden sind, Bild 2. Jede Überwachungsplatine ist mit zwei Akkumodulen verbunden, die jeweils aus zwölf Paaren von in Serie geschalteten Zellen bestehen. Dadurch wird eine hundertprozentige Messung der Zellentemperaturen und Spannungen ermöglicht. Das AMS ist auch für die Überwachung anderer Messpunkte des Akkus verantwortlich, wie beispielsweise des vom Akku bereitgestellten Stroms und des Ladezustands (State of Charge, SoC). Das AMS-Master-Steuergerät nutzt den Mikroprozessor ATSAME70N21 von Atmel, um alle Messwerte abzurufen, die Gesamtspannung und die Leistung zu berechnen sowie diese Informationen an eines der beiden Daten-Netzwerke, die CAN-Busse des Fahrzeugs, weiterzugeben.

Bild 1
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Der Akkumulator-Management-System-Master-Controller sorgt für die Überwachung des Zustands des Akkumulator-Systems (© Revolve NTNU)

Bild 2
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Akkumulator mit 12 verteilten Überwachungskarten (© Revolve NTNU)

Durch diesen Prozessor in Verbindung mit einer für die Akkumanagementsysteme entworfenen anwendungsspezifischen integrierten Schaltung (ASIC) war es möglich, mit einer Frequenz von 10 Hz genaue Spannungsmessungen mit einer Abweichung von nur ±1,2 mV sowie Temperaturmessungen von ±2 °C mit einer Frequenz von 1 Hz vorzunehmen. Das AMS misst den aus- und eingehenden Strom durch einen Stromwandler mit einer Abtastrate von 2000 Hz. Damit können sowohl die eingesetzte Leistung berechnet als auch alle Stromtransienten erfasst werden, um so sicherzustellen, dass die Batteriezellen nicht zu hoher Belastung ausgesetzt sind und ein hohes Maß an Sicherheit gewährleistet ist. Außerdem verwendet das Team eine externe Ausgleichsplatine, um ein passives Balancing der Zellen zu ermöglichen und jeden Akku im perfekten Ladezustand zu halten sowie das Systemgewicht zu optimieren.

Sensoren

Die Messdaten werden über Sensoren aufgenommen, die am ganzen Fahrzeug angebracht sind. Der umfangreiche Zugriff auf die Sensortechnik ist ein außerordentlicher Vorteil, um das volle Potenzial des Fahrzeugs auszuschöpfen. Dedizierte, selbst entwickelte Schaltungen sind für die meisten Messungen im und am Fahrzeug verantwortlich. Die Sensoren zur Messung der dynamischen Fahrzeugreaktionen, des Fahrer-Inputs und der externen Fahrzeugtemperaturen sind auf drei verschiedene Schaltkreise verteilt, von denen sich zwei vorne und einer hinten im Fahrzeug befinden. Diese Schaltkreise lesen analoge und digitale Sensoren aus, um eine gründliche Analyse von Fahrzeugverhalten und -zustand abseits der Strecke zu ermöglichen. Dadurch kann mithilfe eines selbst entwickelten Drehmomentvektor-Algorithmus der gewünschte, volldifferenzielle Allradantrieb ermöglicht werden [1].

Für eine effiziente Nutzung des Drehmomentvektors sind grundsätzlich mehrere verschiedene Sensoren notwendig. Zunächst gibt es die Gaspedal-Positionssensoren (APPS), die an das Fahrzeug übermitteln, wie viel Drehmoment der Fahrer anfordert. Die Höhe des Drehmoments für jeden Motor wird dann durch mehrere Faktoren bestimmt, einschließlich der Dämpferpositionen (um die normale Kraft auf jedes Rad zu schätzen) und der Lenkposition. Ein weiterer Faktor ist der Bremspedalsensor, der eine differenzielle Motorbremsung mithilfe des KERS-Systems (zur Rückgewinnung der kinetischen Energie) ermöglicht, ohne dass ein mechanisches Bremsen notwendig wäre.

Fahrzeugsteuerung

Die Kontrolle der Fahrzeugbewegung erfolgt durch das Fahrzeugsteuergerät (VCU, fungiert als elektrisches Äquivalent zu einem ECU bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor), bei dem es sich um eine weitere selbst entwickelte Schaltung handelt, mit der die Fahrzeugfunktion an den Drehmomentvektor angepasst werden soll. Das Steuergerät bietet in einem relativ kleinen Gehäuse eine Vielzahl von Funktionen. Durch die Zusammenstellung der Daten aus dem Sensorsystem des Fahrzeugs und dem AMS führt es Plausibilitätsprüfungen durch, ob sich das Fahrzeug in einem sicheren Zustand befindet und KERS und TV aktiviert werden können. Es ist auch direkt mit der IMU verbunden, einem Trägheitsnavigationssystem mit GPS-Funktion (INS/GPS), das jede Bewegung auf zehn Achsen misst. Dazu wird eine Kalman-Filterung mit GPS-Daten verwendet, um die Sensordaten zwecks präziser Kartierung und Geschwindigkeitsschätzung zusammenzuführen. Durch Kombination aller dieser Messungen kann eine präzise Zustandsschätzung vorgenommen werden, die eine optimale Fahrzeugsteuerung ermöglicht.

Ungeachtet dieser anspruchsvollen Funktionsvorbereitungen kann ein Betrieb des Fahrzeugs mit Höchstleistung nur sichergestellt werden, wenn erfahrene Fahrer geschult und die Parameter auf Basis realer Beobachtungen und des Fahrer-Feedbacks angepasst werden. Auch wenn dies äußerst zeitaufwendig ist, können die meisten Funktionen der VCU nur mithilfe numerischer Parameter eingestellt werden. Sie können — auch auf der Strecke — einfach mithilfe des drahtlosen Telemetriesystems im Fahrzeug ständig aktualisiert werden.

Datenerfassung

Das Datenerfassungssystem funktioniert in Echtzeit und ermöglicht die Überwachung und Auswertung des Fahrzeugs. Es besteht aus einem Messwertsammler und einem Telemetriesystem. Der Messwertsammler speichert jede Nachricht, die über das Datennetz des Fahrzeugs (CAN-Busse) gesendet wird, auf einer SD-Karte. Der Mikroprozessor verfügt über eine Hochgeschwindigkeits-Multimediakarten-Schnittstelle (HSMCI), die den Zugriff auf die SD-Karte unterstützt. Die durchschnittliche Schreibgeschwindigkeit der Erfassung beträgt 2 MB/s und die Daten werden auf eine Weise formatiert, die von der intern entwickelten Datenanalyse-Software Revolve Analyze unterstützt wird, Bild 3. Die Daten werden durch Abnehmen der Speichereinheit extrahiert, die sich hinter dem Armaturenbrett des Fahrzeugs befindet. Die gespeicherten Daten fungieren als Sicherungskopie, falls das Telemetriesystem ausfällt.

Bild 3
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Dämpferposition und Drehmomentausgänge als Zeitfunktion (Simulation in Revolve Analyze) (© Revolve NTNU)

Das Telemetriesystem ist für die drahtlose Datenübertragung zwischen Fahrzeug und Basisstation verantwortlich. So wird über Revolve Analyze ein direkter Zugriff auf die Fahrzeugdaten ermöglicht. Dies ist in Wettbewerben ein grundlegendes Werkzeug und sehr nützlich während der Tests. Für Testzwecke wird ein WLAN-basiertes System mit kurzer Reichweite verwendet, während für Wettbewerbe und längere Reichweiten ein Funksystem eingesetzt wird, das auf eine Kommunikation mit größerer Reichweite in schwierigen Übertragungsumgebungen ausgelegt ist. Da die vom Fahrzeug versendeten Daten sehr wertvoll sind, wurde ein modularer Ansatz gewählt, um die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls zu mindern. Aus diesem Grund ist der Messwertsammler unabhängig vom Telemetriesystem implementiert worden.

Motorsteuerung

Eines der wichtigsten Ziele für das Revolve NTNU Team 2017 war es, eine umfangreiche interne Entwicklung durchzuführen. Eines dieser Entwicklungsprojekte war der intern entwickelte, zweistufige Spannungsquellen-Wechselrichter (VSI) auf Basis von [2]. Der Wechselrichter steuert und regelt die von den einzelnen Motoren abgerufene Stromstärke. Die erforderlichen Sollwerte werden aus der ECU abgeleitet. Die Stromstärke wird über die Rückmeldung der Hall-Effekt-Sensoren geregelt.

Der gesamte Wechselrichter wird von Revolve NTNU entworfen und gefertigt. Das gilt für Hardware und Software. Die Hardware ist ein modularisiertes System, das aus drei Leiterplatten besteht: der Leistungs-, Gatetreiber- und der Steuerplatine. Die Modularisierung bietet Vorteile bei Debugging und Tests. Sie ermöglicht eine intuitive Trennung der Niederspannungs-Steuerelektronik und der mit hoher Spannung betriebenen Leistungselektronik.

Auf der Leistungsplatine befinden sich die 900-V-Silizium-Carbid-Mosfets (SiCMOS), die als Leistungstransistoren zur Umwandlung von Gleich- in Wechselstrom verwendet werden. Dies ist eine relativ neue und ungetestete Technologie, die in der Automobilbranche nicht häufig genutzt wird. Bisher werden von der Automobilbranche bevorzugt isolierte Gate-Bipolartransistoren (IGBT) eingesetzt. Der Hauptvorteil der SiCMOS besteht darin, dass sie eine erhebliche Verringerung der Schaltverluste ermöglichen. Dadurch kann die Schaltfrequenz erhöht werden, was zu einer präziseren Motorsteuerung führt und die Wärmeerzeugung stark reduziert. Durch den Einsatz von SiCMOS anstelle von IGBTs kann die Schaltfrequenz um bis zu 525 % verbessert werden. Sie sind in der Regel zudem leichter als konventionelle IGBT-Module.

Die Gatetreiberplatine ist so ausgelegt, dass die Spannungspegel am Gate-Terminal der SiCMOSs gesteuert werden. Die Gatetreiberplatine verstärkt die Impulsbreitenmodulationssignale, die von der Steuerplatine ausgesendet werden, um das Schalten der SiCMOSs zu steuern und in Bezug auf Drehmoment und Geschwindigkeit eine korrekte Ausgabe auf die Motoren zu erreichen. Die Gatetreiberplatine verfügt außerdem über Steckverbinder für Stromwandler, um ein Feedback an die Steuerplatine zurückzusenden.

Die Steuerplatine enthält die gesamte Steuerungslogik mit zwei ATSAME70N21 MCUs pro Steuerplatine, eine für jeden Wechselrichter. Die MCUs beinhalten die Software für die Regelschleife, die Fehlerbehandlung und die Sensorablesung. Jede Steuerplatine verwendet einen Altera Max10 feldprogrammierbares Gate-Array (FPGA), um die Winkelposition der Encoder einzulesen, die sich auf den Motoren des Fahrzeugs befinden. Die Position wird dann über SPI an die MCU übertragen, die anschließend die Geschwindigkeit der Motoren berechnet und den phasengerichteten Strom für die Motoren ausgibt.

Das fertige Wechselrichtersystem wird einschließlich Gehäuse und Kühlung schätzungsweise 4,5 kg wiegen [2]. Dies ist eine Reduzierung von 7 kg gegenüber der früheren Konstruktion, was einer 60-prozentigen Gewichtsreduktion für das System und einer Senkung des Fahrzeuggesamtgewichts um 4 % entspricht. Simulationen zeigen, dass dies zu einer Verbesserung von bis zu 10,5 s während des Ausdauerwettbewerbes führen könnte.

Fazit

Innerhalb eines Jahres entwerfen, fertigen und validieren die Mitglieder von Revolve NTNU ein vernetztes, technisch modernes elektronisches System. Die konstruktionsbezogenen Entscheidungen basieren auf der Überzeugung, dass ein robustes, maßgeschneidertes System industrielle Lösungen übertreffen kann. Dieser Wunsch nach Zuverlässigkeit und Innovation bringt ein Fahrzeug mit vielen modularisierten Systemen hervor, bei denen mehr als 95 % der Schaltungen vollständig intern entwickelt wurden. Das Fahrzeug weist innovative Lösungen und komplexe Konstruktionen auf, um Traktion, aerodynamische Eigenschaften, Datenerfassung und Fahrzeugsteuerung zu optimieren sowie das Gewicht zu minimieren und die bestmögliche Streckenleistung zu erreichen.