Beim Platooning bewegen sich mehrere Lastkraftwagen hintereinander automatisiert in einer Kolonne, was geringere Abstände zwischen den Fahrzeugen und damit Kraftstoffeinsparungen erlaubt. Wichtig sind der Austausch über die einzelnen Positionen sowie die Stabilität des Platoons insgesamt. IPG Automotive beschreibt, wie dafür benötigte Algorithmen mithilfe von Simulation entwickelt und abgesichert werden können.

Platooning bezeichnet ein System zur Kopplung mehrerer Fahrzeuge ohne mechanische Verbindung. Insbesondere im Nutzfahrzeugbereich ist es ein vielversprechendes Assistenzsystem, das sich seit einigen Jahren in der Entwicklung befindet. Die Fahrzeuge kommunizieren untereinander (Vehicle-to-Vehicle, V2V) und folgen dem Führungsfahrzeug des Platoons (voll-)autonom. Relevante Daten wie Bremssignale, Lenkbefehle, Geschwindigkeit und Beschleunigung werden direkt auf die nachfolgenden Fahrzeuge übertragen. Sie können so ohne Zeitverzögerung reagieren und deutlich geringere Abstände einhalten, als es aus Sicherheitsgründen bei von Menschen gelenkten Fahrzeugen erforderlich wäre.

Die geringeren Abstände der Fahrzeuge zueinander reduzieren den Luftwiderstand für die Folgefahrzeuge, womit deutliche Kraftstoffeinsparungen einhergehen. In Zeiten von großem Fahrermangel und hohen Personalkosten ergeben sich zudem speziell für Nutzfahrzeuge weitere Vorteile. So können die Folgefahrzeuge entweder nur mit einer sicherheitsfahrenden Person oder bei entsprechender Systemreife sogar vollautonom, also komplett ohne menschlichen Fahrenden, operieren. Für Speditionsunternehmen ließen sich so Kosten und Aufwand reduzieren. Darüber hinaus kann mit Platooning der vorhandene Verkehrsraum auf der Autobahn effizient genutzt werden, was weniger Staus und erhöhte Verkehrssicherheit bedeutet.

Um Platooning zu ermöglichen, sind im Wesentlichen zwei Voraussetzungen zu erfüllen. Erstens müssen die Systeme der einzelnen Fahrzeuge untereinander in Echtzeit ihre Positionen und Abstände zueinander zuverlässig austauschen. Zweitens muss gewährleistet sein, dass die zugrunde liegenden Regelalgorithmen die Stabilität des Platoons als Einheit, die sogenannte String Stability, sicherstellen. Deshalb müssen sowohl die Kommunikation als auch die Regelsysteme während der Entwicklung kontinuierlich und ausführlich getestet werden.

Wie bei allen Assistenzsystemen sollte auch für Platooning die Entwicklung und Erprobung im virtuellen Fahrversuch erfolgen, indem simulationsbasierte Gesamtfahrzeugtests in virtuellen Fahrszenarien durchgeführt werden. So lässt sich zum einen frühzeitig eine hohe Testabdeckung und -tiefe erreichen und zum anderen sämtliche Sicherheitsrisiken in der Simulation ausschließen - etwa die Instabilität des Platoon-Reglers, die schlimmstenfalls zu einem Unfall während der Erprobung führen könnte.

Testlayout

Für die Regelung der Fahrzeuge in Längsrichtung kommt ein einfacher Proportional-Integral-Differenzial(PID)-Regler zum Einsatz. Dieser wird in Matlab/Simulink modelliert und anschließend als virtuelles Steuergerät in die offene Integrations- und Testplattform TruckMaker von IPG Automotive eingebunden und getestet, Bild 1. Die Simulationslösung ermöglicht es, reale Testszenarien detailgetreu in die virtuelle Welt zu übertragen und sämtliche Tests gefahrlos durchzuführen. Die virtuellen Prototypen - exakte virtuelle Abbilder realer Fahrzeugprototypen − werden durch Gesamtfahrzeugmodelle von 40-Tonnern (Zugmaschine inklusive Anhänger) simuliert. Da die Umgebungswahrnehmung beziehungsweise Ungenauigkeiten bei der Detektion des Abstands der Fahrzeuge nicht im Fokus der Untersuchung stehen, werden für diesen Zweck Ground-Truth-Informationen verwendet.

Bild 1
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Platooning-Fahrzeuge in der Simulationsumgebung TruckMaker (© IPG Automotive)

Im Rahmen eines exemplarischen Tests wird die String Stability unter Berücksichtigung der Parametrierung des PID-Reglers überprüft. Zu diesem Zweck wird der stabilitätsoptimierte PID-Regler zunächst mit identischen Lkws getestet, dann erfolgt ein Vergleich mit einer geänderten Zuladung von 10 t. Auf diese Weise lässt sich der Einfluss von geänderten Fahrzeugmassen auf die String Stability ermitteln.

Im Anschluss erfolgt die Simulation einer V2V-Kommunikation. Auch hier wird der Einfluss von Übertragungsverzögerungen auf die Stabilität der Längsregelung untersucht, indem künstliche Übertragungsfehler beziehungsweise -verzögerungen simuliert werden. In diesem Kontext werden Fehler in der Distanzermittlung sowie Übertragungsverzögerungen von 10, 100 und 500 ms simuliert und deren Einfluss auf die Regelgüte analysiert.

Abschließend wird die Stabilität der Regelung im zähfließenden Verkehr untersucht. Insbesondere Stop-and- Go-Verkehr stellt einen kritischen Testfall für die String-Stability dar. Innerhalb des Tests wird das Führungsfahrzeug periodisch angehalten und wieder in Bewegung versetzt, sodass die Regelgüte der Folgefahrzeuge in Reaktion auf die Anregung beurteilt werden kann.

Die Gesamtfahrzeugsimulation innerhalb des Testszenarios zeichnet sich durch mehrere vernetzte Simulationsinstanzen aus. Jedes Fahrzeug wird dabei von einer eigenen TruckMaker- Instanz simuliert, sodass die Fahrdynamik jedes einzelnen Fahrzeugs in Echtzeit mit der erforderlichen Detailgenauigkeit simuliert werden kann. Die verschiedenen Instanzen sind − je nach benötigter Rechenleistung − auf einen oder mehrere Rechner verteilt und kommunizieren über Netzwerkverbindungen in Echtzeit miteinander. So kann die Simulationsumgebung synchron berechnet werden. Sofern ausreichende Rechenkapazitäten zur Verfügung stehen, kann die Simulationsberechnung auch in mehrfacher Echtzeitgeschwindigkeit erfolgen. Dadurch ist es möglich, mehrere Sekunden simulierter Zeit in einer Sekunde Echtzeit zu berechnen.

Ergebnisse

Bild 2 zeigt die Regelabweichung der Distanz sowie die Absolutgeschwindigkeit der drei Folgefahrzeuge zueinander. Bei Verzögerungen sind keine Unterschiede in der Regelabweichung zwischen den unbeladenen und den beladenen Fahrzeugen erkennbar. Nach einer initialen Einregelung des Abstands entsteht während der starken Verzögerung im Zeitpunkt 40 s nur eine sehr geringe Regelabweichung. Im Beschleunigungsfall sind die Regelabweichungen bei beladenen Fahrzeugen deutlich größer. Insbesondere das dritte Folgefahrzeug hat Schwierigkeiten, dem Platoon zu folgen, wenn es über eine höhere Zuladung verfügt. Ein Überschwingen, also eine deutliche Verringerung des Abstands zum Sollabstand, tritt hingegen nicht auf. Während beziehungsweise nach Abschluss der Beschleunigung zeigen sich kleine Knicke im Geschwindigkeitsverlauf, die nicht auf mangelnde Regelgüte, sondern auf Schaltvorgänge der Folgefahrzeuge zurückzuführen sind.

Bild 2
figure 2

Abstandsregelabweichungen und Geschwindigkeiten der drei Folgefahrzeuge im Vergleich mit und ohne Zuladung (© IPG Automotive)

Bei näherer Betrachtung zeigt sich die Ursache für die Abweichung im Beschleunigungsvorgang unter Berücksichtigung des Verlaufs der Motorleistung der Fahrzeuge in Bild 3. Die beladenen Fahrzeuge erreichen schneller ihre Leistungsgrenze, sodass Regelabweichungen auftreten. Insofern handelt es sich in diesem Fall um keine Instabilität − eine Änderung der Zuladung führt lediglich dazu, dass sich das Führungsfahrzeug an den Leistungsgrenzen des schwächsten Folgefahrzeugs orientieren muss. Außerdem führt jeder Gangwechsel zu einer Unterbrechung der Beschleunigung. Dieser Umstand ist ebenfalls im Zusammenhang mit der Zuladung zu betrachten, da eine geänderte Zuladung eine andere Schaltstrategie erfordert und somit die Geschwindigkeitsprofile der Fahrzeuge stärker voneinander abweichen.

Bild 3
figure 3

Geschwindigkeit und Motorleistung der Folgefahrzeuge im Vergleich mit und ohne Zuladung (© IPG Automotive)

Im Stop-and-Go-Verkehr zeigt sich auch bei unterschiedlicher Anregung durch das Führungsfahrzeug keine kritische Regelabweichung, wie in Bild 4 erkennbar ist. Allerdings deutet sich im Zeitpunkt 75 s eine Unterschreitung des Sollabstands an, die umso größer ausfällt, je weiter hinten sich das jeweilige Folgefahrzeug im Platoon befindet. Bei noch größeren Platoons besteht die Möglichkeit, dass es zu kritischen Unterschreitungen des Abstands bis hin zum Auffahren eines Folgefahrzeugs kommt. Dies ist insbesondere bei der Auslegung der Aktorik sowie von Übertragungs- und Reaktionszeiten der Kommunikation des Platooning-Systems zu berücksichtigen. Zu beachten ist auch hier, dass es eventuell wie zuvor beschrieben durch Schaltvorgänge zu Abweichungen im Geschwindigkeitsprofil kommen kann. Diese können nicht direkt durch die Aktorik ausgeregelt werden, sodass gegebenenfalls Instabilitäten auftreten können.

Bild 4
figure 4

String-Stability im Stop-and-Go-Verkehr (© IPG Automotive)

Aus diesem Grund wurde ebenfalls eine realistische V2V-Kommunikation mit entsprechenden Übertragungslatenzen und Rauschen simuliert. Die Ergebnisse sind in Bild 5 dargestellt. Interessanterweise zeigt sich bereits zu Beginn der Simulation die Auswirkung einer verzögerten Synchronisation dahingehend, dass die nachfolgenden Fahrzeuge zunächst bremsen, wodurch sich ein Rückstand während der ersten 30 s entwickelt. Das Führungsfahrzeug bremst daraufhin, was wiederum eine stark verringerte Bremsreaktion der Folgefahrzeuge bewirkt, je nachdem, wie ausgeprägt die Übertragungslatenzen sind.

Bild 5
figure 5

Einfluss unterschiedlicher Übertragungszeiten (T) auf die Regelgüte (© IPG Automotive)

Wenn initial kein größerer Abstand aufgebaut worden wäre, würde der verzögerte Abbau der Geschwindigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit im Zeitpunkt 40 s zum Aufprall des Folgefahrzeugs auf das Führungsfahrzeug führen. Auch eine deutliche positive Regelabweichung, das heißt in diesem Fall ein stark vergrößerter Abstand, ist negativ zu bewerten. Bei den hier auftretenden Abständen von 80 m von Fahrzeug zu Fahrzeug ist damit zu rechnen, dass sich unbeteiligte Verkehrsteilnehmer zwischen den Folgefahrzeugen einordnen.

Dieser Fall ist beim Platooning nicht vorgesehen und erschwert die Absicherung, da das Fremdfahrzeug keine Informationen an die Platoon-Fahrzeuge sendet und somit der Abstand zwischen Platoon-Fahrzeug und Fremdfahrzeug den gesetzlichen Rahmenbedingungen entsprechen muss. Dadurch könnte das Folgefahrzeug, dass durch das Fremdfahrzeug getrennt ist, den Anschluss an den Platoon verlieren und im schlimmsten Fall manövrierunfähig werden. Somit stellen auch vergrößerte Abstände eine zu vermeidende Regelabweichung dar, die vor allem durch die Latenzen hervorgerufen werden.

Insgesamt verringert sich die Regelgüte durch die Latenzen und das künstliche Rauschen deutlich. Dies unterstreicht, wie notwendig eine realistische Simulationsumgebung selbst bei der anfänglichen Auslegung der Regelungsalgorithmen ist.

Bewertung und Fazit

Im Rahmen dieses Artikels wurden die Entwicklung und Absicherung von Platooning-Systemen für Nutzfahrzeuge simulativ untersucht. Es zeigte sich, dass eine geänderte Zuladung eines Folgefahrzeugs zu Problemen führt, starken Beschleunigungen des weniger beladenen Führungsfahrzeugs zu folgen. Eine daraus resultierende Instabilität hingegen wurde nicht festgestellt. Entsprechende Regelungskriterien sind folglich einfach auszulegen.

Bei der Analyse, welchen Einfluss eine realistische V2V-Kommunikation hat, wurde deutlich, dass eine leistungsstarke Simulationsumgebung notwendig ist. Insbesondere die Übertragungsverzögerung und das damit einhergehende Rauschen der Abstandsbestimmung tragen dazu bei, dass die Regelungsgüte deutlich reduziert ist. Der Einsatz von Simulation ermöglicht es, diese Eigenheiten des Systems zu analysieren und frühzeitig und robust gegenüber Übertragungsfehlern und -latenzen auszulegen. So können in frühen Entwicklungsstadien bereits Fehler beseitigt und Auslegungsfragen geklärt werden, noch bevor die ersten realen Prototypen zur Erprobung zur Verfügung stehen.