Vierzig Jahre lang war die konventionelle Chromosomenanalyse mithilfe der QFQ- oder GTG-Bänderung der Goldstandard in der Pränataldiagnostik. In den 1990er Jahren erweiterte die Möglichkeit, spezifisch Chromosomen und Chromosomenabschnitte durch In-situ-Hybridisierung mit markierten Sonden darzustellen, erheblich das diagnostische Spektrum in der Pränataldiagnostik. Die hochauflösende Ultraschalldiagnostik mit immer genauerer Darstellung fetaler Strukturen machte jedoch die Einführung eines hochauflösenden Verfahrens zur Erkennung chromosomaler Imbalancen in die Pränataldiagnostik notwendig, wie sie mit der Microarray-CGH zur Verfügung steht. Trotz zahlreicher Vorteile hat sich die Methode wegen des Fehlens stringenter Indikationskriterien, Bedenken der Interpretierbarkeit der Ergebnisse und der Möglichkeit der Erkennung von pathogenen Befunden, die nicht im Zusammenhang mit der Fragestellung stehen, nur schwer in der Pränataldiagnostik etablieren können [6, 8].

Festlegung von Indikationskriterien zur Anwendung der Microarray-CGH in der Pränataldiagnostik

Als Grundlage für die Festlegung der Kriterien für die Anwendung der Microarray-CGH in der Pränataldiagnostik dienten die Ergebnisse der Auswertung von 4626 in unserem Labor routinemäßig durchgeführten pränatalen Chromosomenanalysen. Nach konventioneller zytogenetischer Diagnostik ergab sich der höchste Anteil an pathologischen Chromosomenbefunden bei Feten mit einer Wachstumsretardierung (IUGR) und sonographisch zusätzlich nachweisbarer Fehlbildung. In absteigender Reihenfolge kamen danach Feten mit nachweisbaren Fehlbildungen an zwei oder mehr Organen, Feten mit früh einsetzender Retardierung ohne im Ultraschall nachweisbare Strukturanomalien und Feten mit einer im Ultraschall (US) nachweisbaren schweren oder komplexen Fehlbildung an nur einem Organ [6].

Unter der Annahme, dass entsprechend den Ergebnissen nach konventioneller Karyotypisierung, auch nach Microarray-CGH-Diagnostik in den beschriebenen Patientengruppen die höchste Erfassungsrate für einen auffälligen Befund bestünde, wurden 3 vom Ultraschallbefund abhängige Indikationsstellungen zur Durchführung einer Microarray-CGH-Diagnostik festgelegt:

  1. 1.

    Feten mit Auffälligkeiten an ≥ 2 Organen im Ultraschall

    Dieser Gruppe wurden auch Feten mit einer IUGR und sonographisch zusätzlich nachweisbarer Fehlbildung zugeordnet, wobei die Retardierung neben der Fehlbildung als zweite Ultraschallauffälligkeit gewertet wurde.

  2. 2.

    Feten mit früh einsetzender Retardierung (vor der 22. SSW) ohne im Ultraschall nachweisbare Strukturanomalien

  3. 3.

    Feten mit komplexen Fehlbildungen an einem Organ

    Als weitere, vom Ultraschallbefund unabhängige Indikationskriterien wurden auffällige zytogenetische Befunde gewählt, die einer weiteren Klärung bedurften. Hierbei wurden ebenfalls 3 Indikationsstellungen festgelegt:

  4. 4.

    Markerchromosomen de novo

  5. 5.

    balancierte Chromosomentranslokationen de novo

  6. 6.

    Strukturaberrationen de novo mit nicht sicher einzuschätzender Wertigkeit

Ergebnisse der Microarray-CGH-Untersuchungen nach Indikationsgruppen

Von insgesamt 14.766 pränatal durchgeführten zytogenetischen Untersuchungen (davon 12.954 Fruchtwasser- und 1812 Chorionzottenuntersuchungen) wurden nach den genannten Indikationskriterien 324 Fruchtwasser-, 9 CVS und 4 fetale Blutproben (anstelle des gleichzeitig vorhandenen Fruchtwassers) mittels Microarray-CGH untersucht.

Als „First-tier“-Diagnostik wurden in allen Fällen ein molekularer Schnelltest (QF-PCR) zur Detektion von Triploidien und Aneuploidien der Chromosomen 13, 18, 21, X und Y sowie bei Proben bis zur 18. Woche eine konventionelle Karyotypisierung durchgeführt. Bei Fruchtwasserproben nach der 18. Woche erfolgte die Durchführung der Microarray-CGH parallel zur konventionellen Karyotypisierung. Die Untersuchung wurde an DNA entweder aus nativen Fruchtwasser-/Chorionzottenzellen oder nach Zellkultur mit einem 105-k- oder 180-k-Oligomicroarray (Fa. Agilent, Santa Clara, CA 95051, USA) durchgeführt [6].

Die Tab. 1 und 2 zeigen die Ergebnisse nach Microarray-CGH-Diagnostik in den jeweiligen Indikationsgruppen. Nicht aufgelistet wurden als sicher harmlos eingestufte CNV.

Tab. 1 Häufigkeit der Untersuchungen in der Indikationsgruppe „auffälliger Ultraschallbefund“
Tab. 2 Häufigkeit der Untersuchungen in der Indikationsgruppe „auffällige Zytogenetik“

Bewertung der Indikationskriterien

Indikationsgruppen 1–3: Auffälliger Ultraschallbefund

Das Hauptproblem bei der Beurteilung von pränatal erhobenen Ultraschallbefunden liegt in deren genetischer Bewertung. Unabhängig davon, ob Auffälligkeiten an einem oder mehreren Organen beobachtet werden, liegt die Bewertung zunächst einmal beim durchführenden Ultraschalldiagnostiker. Spricht der Ultraschallbefund für das Vorliegen z. B. einer Skelettdysplasie als Ursache einer Verzögerung im Wachstum des Fetus, ist eine molekulare Karyotypisierung nicht indiziert. Der Verdacht auf das Vorliegen einer monogenen Störung ist deshalb als Ausschlusskriterium zu sehen. Mehr noch als in der postnatalen Diagnostik, ist in der pränatalen Diagnostik eine besonders enge Abstimmung/Zusammenarbeit zwischen anforderndem Arzt und durchführendem Labor notwendig [4]. In der Praxis ist dies nicht immer gegeben. Voraussetzungen für eine zielführende Diskussion mit dem anfordernden Arzt sind deshalb das Vorliegen des detaillierten Ultraschallbefundes und Kenntnisse des durchführenden Humangenetikers in der Interpretation fetaler Ultraschallbefunde.

Indikationsgruppe 1: Auffälliger Ultraschall ≥ 2 Organe

Der Anteil der Feten mit gesichert pathogenen CNV (Beispiel Abb. 1) entsprach mit 7,7 % einem nach der Literatur zu erwartenden Anteil. Werden die Feten mit potenziell pathogenen CNV berücksichtigt, liegt der Anteil mit 10,3 % ebenfalls im zu erwartenden Bereich von 6–11 % [2, 1012].

Indikationsgruppe 2: Intrauterine Wachstumsretardierung (IUGR)

In dieser Gruppe wurden nur Feten mit früh einsetzender Wachstumsretardierung (vor der 22. SSW) ohne weitere Ultraschallauffälligkeiten berücksichtigt (Beispiel Abb. 2). Die frühe Wachstumsretardierung, wie sie z. B. für die Chromosom-18-Trisomie typisch ist, ist immer pathologisch, wobei sorgfältig zwischen dem kleinen Kind (SGA ≤ 10er Perzentile, perzentilenparalleles Wachstum) und der früh einsetzenden Wachstumsretardierung (asymmetrische oder symmetrische IUGR, Zurückbleiben hinter dem vollen Wachstumspotenzial mit einem Schätzgewicht <5er Perzentile) zu differenzieren ist. Eine enge Kooperation mit dem Ultraschalldiagnostiker ist deshalb hier unerlässlich. Nach Ausschluss der häufigen Trisomien oder einer Triploidie ergaben sich in dieser Gruppe in 5 von 49 Fällen gesichert pathogene CNV (10,2 %). Auch in dieser Gruppe liegt der Anteil in einem zu erwartenden Bereich [2, 10, 11].

Indikationsgruppe 3: Komplexe Fehlbildungen, 1 Organ

Isolierte Fehlbildungen, wie z. B. isolierte Extremitätenfehlbildungen, werden sowohl nach konventioneller als auch nach molekularer Karyotypisierung mehrheitlich einen normalen Befund ergeben. Komplexe im Ultraschall nachweisbare Fehlbildungen an nur einem Organ sind hingegen mit einem deutlich erhöhten Risiko für eine chromosomale Imbalance verbunden. So konnten bei 74 Feten in 5 Fällen (6,8 %) gesichert pathogene CNV und bei weiteren 13 (17,6 %) potenziell pathogene CNV nachgewiesen werden. Bei diesen 18 Feten waren 10-mal komplexe Herzfehler oder Gefäßanomalien und 5-mal das Vorliegen komplexer Hirnfehlbildungen Grund für die Durchführung der Diagnostik. Der Anteil der Feten mit gesichert pathogenen CNV entsprach mit 6,8 % dem nach der Literatur zu erwarteten Anteil [2, 10, 11].

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Anteil der beobachteten gesichert pathogenen CNV in der Indikationsgruppe auffälliger Ultraschallbefund (Untergruppen 1–3) dem in der Literatur beschriebenen Anteil von 6–9 % entspricht [2, 1012]. Werden auch die potenziell pathogenen CNV mitgerechnet, würde der Anteil deutlich darüber liegen. Der hohe Anteil an CNV mit nichtgesicherter klinischer Relevanz mit durchschnittlich 6,4 % ist auf die erhöhte Rate an potenziell pathogenen CNV in der Untergruppe komplexe Fehlbildung an einem Organ (17,6 %) zurückzuführen. Den hohen Anteil in dieser Gruppe interpretieren wir so, dass v. a. bei der Hirn- und Herzentwicklung zahlreiche Gene eine Rolle spielen und die Interaktion der beteiligten Gene in Abhängigkeit von der Gendosis noch nicht hinreichend bekannt ist. Zu diskutieren ist, ob mit zunehmender Erfahrung sich dieser Anteil reduzieren lässt. Die Bewertung allein in de novo als mutmaßlich pathogen und familiär als mutmaßlich benigne ist aufgrund der aktuellen Datenlage wahrscheinlich nicht mehr aufrechtzuerhalten [9].

Indikationsgruppen 4–6: Auffällige Zytogenetik

Indikationsgruppe 4: Markerchromosomen de novo

Markerchromosomen sind überzählige, kleine, strukturell abnorme Chromosomen (sSMC), die durch konventionelle Bänderungsmethoden nicht identifiziert oder zweifelsfrei charakterisiert werden können. Einige sSMC verursachen einen abnormen Phänotyp, allerdings sind etwa 70 % harmlos [7]. Die Entdeckung von Markerchromosomen stellt in der pränatalen Diagnostik eine besondere Herausforderung dar, da aus Zeitgründen eine schnelle Identifizierung sowie Bestimmung des Euchromatinanteils notwendig ist. Ein zusätzliches Problem ergibt sich aus dem häufig vorliegenden Mosaikstatus. Der zu erwartende Phänotyp hängt damit nicht nur von der Herkunft und dem Euchromatinanteil ab, sondern auch vom Anteil der Zellen mit Markerchromosom in den jeweiligen Geweben.

Die Microarray-CGH Analyse ergab bei 11 von 13 untersuchten Markerchromosomen (84,6 %) die Einschätzung als sicher pathogen. Dieser hohe Anteil ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass es sich um Markerchromosomen de novo handelte, die über einen auffälligen Ultraschallbefund zur Untersuchung kamen. Das Potenzial der Microarray-CGH bei der Untersuchung von Markerchromosom wurde im Fall einer sonographisch unauffälligen Zwillingsschwangerschaft deutlich, in der bei einem Fetus ein von Chromosom 18 abstammender Marker nach konventioneller und FISH-Diagnostik als sicher pathogen, nach Microarray-CGH-Diagnostik jedoch als wahrscheinlich harmlos mit jeweils im Grenzbereich zwischen kritischer und unkritischer Region für Duplikationen liegenden Bruchpunkten eingestuft wurde. Die Schwangerschaft wurde ausgetragen; die Nachuntersuchung beider Kinder nach einem Jahr ergab für beide eine unauffällige Entwicklung.

Indikationsgruppe 5: balancierte Translokationen de novo

Die Inzidenz von Translokationen de novo in der pränatalen Diagnostik wurde auf der Basis von 377.357 dokumentierten Fruchtwasseruntersuchungen mit 1/2000 geschätzt [13]. Diese Zahl ist mit der von uns beobachteten Häufigkeit von 10/14.766 pränatalen Diagnosen vereinbar. In der Gruppe der Feten mit einer Translokation de novo beträgt die Häufigkeit einer größeren Fehlbildung ca. 6 % [13]. In der Literatur werden verschiedene Mechanismen (Disruption von Genen am Ort der Bruchpunkte, Positionseffekte oder submikroskopische DNA-Zugewinne oder -Verluste im Bereich der Bruchpunkte) als Ursache für das erhöhte Fehlbildungsrisiko diskutiert [3, 5]. Einem Verlust oder Zugewinn von Genen kommt v. a. dann mit hoher Wahrscheinlichkeit eine pathogene Bedeutung zu, wenn Gene beteiligt sind, die in einem kausalen Zusammenhang mit der beobachteten Fehlbildung diskutiert werden.

In einer Serie von 14 Pränatalfällen mit de novo balanciert erscheinenden Translokationen wurden keine Imbalancen beobachtet [5]. Dies steht in Übereinstimmung mit den von uns untersuchten 10 De-novo-Fällen, die alle keine Auffälligkeiten im Ultraschall aufwiesen. In einer großen Studie mit 189 pränatal diagnostizierten balanciert erscheinenden Translokationen (familiär oder de novo) fanden sich hingegen in 7,9 % submikroskopische Imbalancen an den an der Translokation beteiligten Chromosomen [9].

Die Daten zur Langzeitentwicklung von Kindern mit einer Translokation de novo sind in der Literatur derzeit noch unbefriedigend [13], sodass v. a. zur Frage psychomentaler Defizite keine sichere Aussage getroffen werden kann. In einer größeren Studie konnte gezeigt werden, dass bei Patienten mit einem chromosomalen Phänotyp bei einem Zweibruchereignis in etwa 20 % eine chromosomale Imbalance an den Bruchstellen vorlag [5]. Eine weitere Studie ergab, dass bei 18 % der Fälle mit offenbar balancierten Translokationen de novo komplexe „rearrangements“ (> 3 Bruchpunkte) vorlagen [3]. Auch wenn sich diese Daten nicht auf die pränatale Diagnostik übertragen lassen, da die Patienten postnatal nach einem modifizierten De-Vries-Score [5] erfasst worden waren, muss die Möglichkeit einer chromosomalen Imbalance bei De-novo-Translokationen bedacht werden.

Auch wenn bei unauffälligem Ultraschall und balanciert erscheinenden Chromosomentranslokation de novo bei Zweibruchereignissen mehrheitlich von einer günstigen Prognose ausgegangen werden kann, erscheint aufgrund der aktuellen Datenlage eine Überprüfung mithilfe der Microarray-CGH indiziert.

Indikationsgruppe 6: Unklare De-novo-Strukturaberrationen/Varianten

Strukturaberrationen de novo, die nach konventioneller Zytogenetik unbalanciert erscheinen, sind mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem abnormalen Phänotyp assoziiert. Häufig ist aber die Größe eines deletierten oder die Herkunft und Größe eines duplizierten Segmentes mit konventionellen Methoden nicht zu bestimmen, sodass keine Aussage über den zu erwartenden Phänotyp gemacht werden kann. Bei unauffälligem Ultraschallbefund, aber auch wenn nur diskrete sonographische Auffälligkeiten bestehen, ist es für die Schwangere und ihren Partner unbedingt notwendig, frühzeitig eine möglichst präzise Aussage über die mutmaßliche Prognose zu bekommen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass einige Fehlbildungen nur schwer oder, wie z. B. in der Mehrheit aller Fälle von Mikrozephalie, nicht vor der 27. Woche im Ultraschall zu erkennen sind.

In 35 Fällen mit unklaren Strukturaberrationen nach konventioneller/FISH-Diagnostik ergab sich in 22 Fällen (62,9 %) ein gesichert pathologischer Befund, in 11 Fällen (31,4 %) handelte es sich um balancierte Befunde (meist Inversionen) und in 2 Fällen (5,7 %) um Varianten.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Anteil der beobachteten gesichert pathogenen chromosomalen Imbalancen in der Indikationsgruppe auffällige zytogenetische Befunde (Untergruppe 4–6) mit durchschnittlich 56,9 % etwas höher ist als der in einer prospektiven Studie mit in etwa vergleichbarem Kollektiv beschriebene Anteil von 42,6 % [2].

Werden die Indikationsgruppen 1–6 zusammengefasst, ergibt sich ein Anteil von 16,3 % mit klinisch relevanten Imbalancen, die mithilfe der konventionellen Zytogenetik nicht oder nicht hinreichend diagnostiziert werden konnten. Dieser hohe Anteil der detektierten Imbalancen spricht für die Wirksamkeit der gewählten Indikationskriterien.

Soziale, ethische und rechtliche Aspekte

Vor allem Bedenken der Interpretierbarkeit der Ergebnisse und die Möglichkeit der Erkennung von pathogenen Befunden, die nicht im Zusammenhang mit der Fragestellung stehen, waren der Grund dafür, dass sich die Microarray-CGH nur schwer in der Pränataldiagnostik etablieren konnte. Ein weiterer Grund waren die relativ hohen Investitions- und Verbrauchskosten. Allein letzterer Grund spricht auch jetzt noch gegen die Einführung der Microarray-CGH als First-tier-Diagnostik. Zur schnellen molekularen Diagnostik der häufigsten Chromosomenaberrationen hat sich als First-tier-Diagnostik der sog. Schnelltest etabliert. Die QF-PCR als rasche und außerordentlich kostengünstige Technik detektiert in Abhängigkeit von der Fragestellung 60–85 % aller mit konventioneller Zytogenetik zu erkennenden chromosomalen Imbalancen und erlaubt gleichzeitig auch eine Aussage hinsichtlich einer maternalen Kontamination der fetalen Zellen [6]. Sie ist aus diesen Gründen in unserem Labor allen anderen Untersuchungen stets vorangestellt.

Beschränkt man die Microarray-CGH-Untersuchung auf diejenigen Fälle, die den genannten Indikationskriterien entsprechen, betrifft dies etwa 2–3 % aller pränatalen Proben. Der potenzielle Nachteil einer Entdeckung von CNV mit unklarer Bedeutung wird unseres Erachtens in dieser Situation bei Weitem durch die Vorteile aufgewogen, unbalancierte Chromosomenaberrationen mit hoher Sicherheit auch im submikroskopischen Bereich zu erkennen, auch ohne zuvor eine zweitaufwendige Zellkultur durchführen zu müssen.

Wesentlich schwerwiegender zu bewerten sind pathogene Befunde, die nicht im Zusammenhang mit der Fragestellung stehen und Auswirkungen auf die Gesundheit der Schwangeren oder ihres Partners haben könnten. Neben den psychologischen Auswirkungen müssen hier auch Gendiagnostikgesetz und Bundesdatenschutzgesetz berücksichtigt werden. Bei den 337 durchgeführten pränatalen Microarray-CGH-Untersuchungen haben wir einmal eine Duplikation im DMD-Gen und einmal eine Deletion im COL4A1-Gen beobachtet. Entsprechend der S2-Leitlinie [4] halten auch wir es deshalb für unumgänglich, dass vor der Diagnostik mit der Schwangeren und ihrem Partner geklärt wird, welche Befunde ihnen mitgeteilt werden sollen und welche nicht. Im Regelfall sollte man sich darauf einigen, dass nur eindeutige Befunde mitgeteilt werden, die in einem klaren Bezug zur Fragestellung stehen. Befunde, die Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der Schwangeren, ihres Partners oder Kinder des Paares haben könnten, sollten in einer gesonderten Beratung besprochen werden, wobei vor Beginn der Beratung geklärt sein sollte, über welche Art von Befunden (z. B. erhöhtes Risiko für spätmanifeste dominante Erkrankungen bei einem der beiden Partner, geschlechtsgebunden rezessive Erkrankung bei Kindern) eine Aufklärung gewünscht wird.

Ein zusätzliches Problem ergibt sich aus der neueren Rechtsprechung. Aus der Neufassung des Patientenrechtegesetzes (§ 630 h BGB) resultiert eine Verpflichtung für den behandelnden Arzt, über alle auf den Krankheitsfall bezogenen relevanten therapeutischen oder diagnostischen Verfahren aufzuklären, unabhängig davon, ob es sich hierbei um ein Verfahren handelt, dass durch die gesetzlichen Krankenkassen abgedeckt ist. So liegt ein grober Behandlungsfehler auch dann vor, „wenn es der Behandelnde unterlassen hat, einen medizinisch gebotenen Befund rechtzeitig zu erheben oder zu sichern, soweit der Befund mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis erbracht hätte, das Anlass zu weiteren Maßnahmen gegeben hätte, und wenn das Unterlassen solcher Maßnahmen grob fehlerhaft gewesen wäre“ (§ 630h Abs. 5 BGB, Bundesgesetzblatt 2013 Teil I Nr. 9).

So fragte in einem anhängigen Gerichtsverfahren der Richter „Was hätte man sehen können, sollen, müssen?“ und verlangte eine Erklärung dazu, warum in dem gegebenen Fall bei einem Fetus mit einer Fehlbildung eine Microarray-CGH zur Aufklärung der bestehenden und mit konventionellen Methoden nur schwer erkennbaren interstitiellen Deletion nicht angeboten worden sei. Entsprechendes würde sicher gefragt werden, wenn postnatal eine im Rahmen der Pränataldiagnostik als balanciert eingestufte Chromosomentranslokation de novo sich als unbalanciert oder als ein komplexes Rearrangement erweist.

In der internationalen Literatur wird die Microarray-CGH auch zunehmend als First-tier-Diagnostik bei Altersrisiko empfohlen [1, 9, 12]. Der Anteil gesichert pathologischer CNV liegt in zwei größeren Studien zwischen 0,3 % und 0,5 %. Der Anteil potenziell pathogener CNV wird mit 2,3 % und 1,3 % angegeben [9, 12]. Jenseits der enormen Kostensteigerung ist zu berücksichtigen, dass der Anteil der Fälle mit gesichert pathologischen CNV deutlich geringer ist als der Anteil der Fälle mit unklaren CNV, sodass der klinische Benefit zweifelhaft erscheint. Darüber hinaus müsste in diesen Fällen die Aufklärung unter Berücksichtigung des GenDG wesentlich umfangreicher erfolgen, da keine spezifische Indikationsstellung für die Durchführung der Microarray-CGH vorliegt.

Wir denken, dass mit den angegebenen Indikationsstellungen zur Durchführung einer Microarray-CGH in der Pränataldiagnostik ein vernünftiger Kompromiss zwischen dem Angebot der Microarray-CGH als First-tier-Diagnostik und dem gänzlichem Verzicht auf diese Diagnostik gefunden wurde, der die verschiedenen medizinischen, sozialen, ethischen und juristischen Aspekte ausreichend berücksichtigt.

Fazit für die Praxis

  • Die Microarray-CGH erkennt auch in der Pränataldiagnostik (ohne eine obligate Anzüchtung fetaler Zellen) mit hoher Sicherheit Veränderungen in der Kopienzahl weit unterhalb des Auflösungsvermögens der konventionellen Chromosomenanalyse.

  • Wegen der Möglichkeit, bei der Diagnostik CNV unklarer Bedeutung zu detektieren, sollte die Methode nicht als First-tier-Diagnostik, sondern nur nach strenger Indikationsstellung angewendet werden.

  • Voraussetzungen für die Durchführung einer pränatalen Microarray-Diagnostik sind eine enge Abstimmung zwischen anforderndem Arzt und durchführendem Labor, das Vorliegen des Ultraschallbefundes und Kenntnisse des Humangenetikers, diesen zu interpretieren.

  • Vor Durchführung einer pränatalen Microarray-CGH-Untersuchung muss mit der Schwangeren und ihrem Partner unter Berücksichtigung des GenDG der Umfang der Untersuchung und der Befundmitteilung sowie der Umgang mit Zusatzbefunden geklärt und schriftlich dokumentiert werden. Im Regelfall sollten nach GenDG nur CNV mitgeteilt werden, die in einem direkten Zusammenhang mit der Indikationsstellung stehen.

  • Nach unserer Erfahrung besteht bei Anwendung der von uns gewählten Indikationsstellungen eine hohe Wahrscheinlichkeit, genomische Imbalancen zu detektieren.

  • Durch die von uns vorgeschlagenen Indikationsstellungen lässt sich die Anzahl der pränatal durchzuführenden Microarray-CGH-Untersuchungen auf ein den medizinischen und rechtlichen Anforderungen genügendes, wirtschaftlich vertretbares Maß begrenzen.

Abb. 1
figure 1

Ergebnis der Array-CGH (180K-Oligo Array; Fa. Agilent, Santa Clara, CA 95051, USA) an kultivierten Fruchtwasserzellen nach Punktion in der 22. SSW wegen IUGR (Schätzgewicht < 3er Perzentile) und ≥ 2 US-Auffälligkeiten beim Fetus (Zystenniere li., „mega cisterna magna“, Foramen ovale oder ASDII, milde Retrognathie, tief ansetzende Ohren, Stirnödem): submikroskropische interstitielle 5,2-Mb-Deletion (dn) in 21q22.11q22.12 (> 30 Gene). Deletionen in 21q22.11q22.12 sind in der Literatur mehrfach beschrieben und u. a. assoziiert mit pränatal auffallender Wachstumsretardierung, Herzfehler und zerebralen Anomalien. Der auffällige Ultraschallbefund ist durch den Array-CGH-Befund gut erklärbar. Links Ideogramm in der Übersicht, rechts vergrößerte Darstellung der unbalancierten Chromosomenregion; Punkte Array-Sonden, die eine Deletion (grün), Duplikation (rot) bzw. einen balancierten Zustand (schwarz) anzeigen

Abb. 2
figure 2

Ergebnis der Array-CGH (180K-Oligo Array, Agilent, Santa Clara, CA 95051, USA) an kultivierten Fruchtwasserzellen nach Punktion in der 16. SSW wegen extremer isolierter IUGR (Schätzgewicht < 3er Perzentile) beim Fetus: submikroskropische 7,3-Mb-Deletion in 5q35.2q35.3 (> 40 Gene) und 5,1-Mb-Duplikation in 8p23.3p23.2 (13 Gene) als Folge einer unbalancierten Segregation einer zuvor unbekannten familiären Translokation. Die frühe Wachstumsretardierung ist durch die genomische Imbalance zahlreicher dosissensitiver Gene gut erklärbar. Links Ideogramm in der Übersicht, rechts vergrößerte Darstellung der unbalancierten Chromosomenregion; Punkte Array-Sonden, die eine Deletion (grün), Duplikation (rot) bzw. einen balancierten Zustand (schwarz) anzeigen