1 Einleitung

Durch die seit der Bologna-Reform verstärkten leistungs- und indikatorbasierten Verfahren sowohl bei der Akkreditierung von Studiengängen als auch bei der Mittelzuweisung im Hochschulwesen ist das Thema „Studienerfolg“ verstärkt in den hochschulpolitischen Fokus gerückt (z. B. Alesi et al. 2005; Klöpping et al. 2017). Vor dem Hintergrund steigender Studierendenzahlen bei gleichzeitig hohen Quoten an Studienabbrüchen (Mühlenweg et al. 2010; Heublein und Schmelzer 2018) gewinnt das Thema Studienerfolg zusätzlich an Bedeutung. Insbesondere für naturwissenschaftlich-technische Studiengänge zeigen sich, im Vergleich zu anderen Studiengängen, sowohl in Deutschland als auch international relativ hohe Studienabbruchquoten (Heublein et al. 2010; Ulriksen et al. 2010; OECD 2011). Hinzu kommen die Warnungen vor einem drohenden Fachkräftemangel vor allem in Bezug auf Akademikerinnen und Akademiker aus den naturwissenschaftlich-technischen Fächern (Allmendinger und Ebner 2006), sodass die Untersuchung des Studienerfolgs gerade in diesen Studiengängen eine besondere Relevanz erhält. Neben diesem in erster Linie institutionellen und gesellschaftlichen Blickwinkel lässt sich das Thema Studienerfolg auch unter einer stärker individuellen Perspektive betrachten (Schröder-Gronostay 1999). Damit werden unter anderem Fragen der Studieneignungsdiagnostik angesprochen, für die das Wissen über relevante Prädiktoren auf Seiten des Individuums für Erfolg und Misserfolg im Studium unerlässlich ist (Schuler und Hell 2008).

Bisherige Untersuchungen zum Studienerfolg sind überwiegend fachunspezifisch, sehr unterschiedliche Studiengänge betreffend oder aber sehr punktuell auf einzelne Fächer oder Studiengänge bezogen angelegt. Der multiplen Bedingtheit von Studienerfolg tragen diese Untersuchungen nur teilweise Rechnung, was die Beurteilung der relativen Bedeutsamkeit einzelner Einflussgrößen nur schwer möglich macht. Darüber hinaus wird Studienerfolg meist im Querschnitt und damit in der Regel retrospektiv untersucht. Hinzu kommt, dass Studienerfolg beziehungsweise -misserfolg in der Forschung auf höchst unterschiedliche Dimensionen wie beispielsweise Studienabbruch, aber auch Studiendauer, Studiennoten oder Studienzufriedenheit bezogen wird, was eine vergleichende Bewertung erschwert. Bisher fehlen systematisch angelegte fachspezifische und fächervergleichende Untersuchungen des Studienerfolgs, die neben einer querschnittlichen Betrachtung auch eine längsschnittliche Modellierung des Studienerfolgs ermöglichen (Sarcletti und Müller 2011). Dies sind wegen der hohen Abbruchquoten insbesondere in den naturwissenschaftlich-technischen Fächern spezifische Desiderate in diesen Studiengängen.

Ziel des vorliegenden Beitrages ist die Untersuchung des Studienabbruchs in der Eingangsphase naturwissenschaftlich-technischer Studiengänge in einer längsschnittlichen Perspektive. Hierbei werden zu Beginn des Studiums, in einem explorativen Vorgehen, kognitive und motivationale Eingangsvoraussetzungen der Studierenden als Prädiktoren eines späteren Studienabbruchs fachspezifisch identifiziert und im Fächervergleich untersucht. Den empirischen Analysen liegt ein heuristisches Rahmenmodell des Studienerfolgs zu Grunde, welches verschiedene bisherige Studienerfolgsmodelle integriert und sowohl auf psychologische Merkmale von Studierenden als auch auf die spezifischen Besonderheiten naturwissenschaftlich-technischer Studiengänge fokussiert.

2 Ausgangslage

Das vorzeitige Beenden eines Studiums als eine zentrale Dimension des Studienerfolgs beziehungsweise -misserfolgs wird häufig mit unterschiedlichen Begrifflichkeiten umschrieben, die sich auf verschiedene Arten von Fluktuation und Mobilität im Hochschulsystem beziehen und sich unter dem Begriff Schwund subsumieren lassen (Heublein und Wolter 2011). Zentral ist hierbei die Unterscheidung zwischen tatsächlichem Studienabbruch auf der einen Seite und anderen Gründen für den Schwund von Studierenden wie Studienfach- und Hochschulwechsel oder auch Studienunterbrechung auf der anderen Seite. Als Studienabbrecherinnen und -abbrecher im engeren Sinne werden Personen bezeichnet, die ihr Studium ohne ersten Abschluss beenden und es nicht zu einem späteren Zeitpunkt oder an einer anderen Hochschule wieder aufnehmen (Schröder-Gronostay 1999; Heublein und Wolter 2011). Da es methodisch und bisher auch aus datenschutzrechtlichen Gründen in Deutschland nur schwer möglich ist, fachbezogene Studienabbrecherinnen und -abbrecher nach dieser Definition valide zu identifizieren, werden in der Praxis häufig studiengangs- oder hochschulbezogene Schwundquoten betrachtet und damit Studienabbrecherinnen und -abbrecher quasi im weiteren Sinne untersucht (Kolland 2002) oder es wird die Abbruchneigung untersucht, die als früher Indikator für einen späteren tatsächlichen Studienabbruch gilt (z. B. Mashburn 2000; Mäkinen et al. 2004; Blüthmann 2012).

Besondere Bedeutung gewann die Forschung zum Studienabbruch im Zuge der strukturellen Veränderungen im deutschen Hochschulwesen im Zuge der Bologna-Reform, mit der unter anderem eine Verringerung der Studienabbruchquoten erreicht werden sollte (Alesi et al. 2005). Die neusten Untersuchungen des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) zeigen, bezogen auf die Studienanfänger 2012/2013 in Deutschland, Abbruchquoten von 32 % in den Bachelorstudiengängen an Universitäten insgesamt. Diese liegen bei 41 % in der Mathematik und den Naturwissenschaften sowie bei 35 % in den Ingenieurwissenschaften, wobei zwischen den einzelnen Studiengängen durchaus Unterschiede bestehen (Heublein et al. 2010; Heublein und Schmelzer 2018). Die Abbruchquote in den Ingenieurwissenschaften hat damit über die letzten sechs Jahre mit 13 Prozentpunkten deutlich abgenommen, während sie in der Mathematik und den Naturwissenschaften in diesem Zeitraum praktisch unverändert hoch bleibt.

Die Mehrzahl der Studienabbrüche erfolgt bereits in den Anfangssemestern: So beenden 30 % aller Studienabbrecherinnen und -abbrecher ihr Studium während der ersten beiden Semester und weitere 20 % im dritten beziehungsweise vierten Semester (Lewin 1999). Die Gründe hierfür sind vielfältig und untereinander verknüpft. So sind frühe Studienabbrüche häufig auf mangelnde Studienmotivation oder Leistungsprobleme zurückzuführen, während spätere Studienabbrüche (nach dem 4. Semester) in der Regel auf Krankheit, Prüfungsversagen sowie finanzielle oder familiäre Probleme zurückzuführen sind (Cordier 1994; Heublein et al. 2010, 2017). Dies deutet darauf hin, dass insbesondere die Studieneingangsphase für einen erfolgreichen Studienabschluss bedeutsam ist (Haarala-Muhonen et al. 2017). So äußern Studierende zu Beginn ihres Studiums häufig Sorgen über das Knüpfen sozialer Kontakte, die Arbeitsbelastung und das Leistungsniveau sowie Schwierigkeiten hinsichtlich des selbstbestimmten Lernens (Gibney et al. 2011).

3 Studienerfolgsmodelle

In vielen empirischen Arbeiten werden allgemeine, fachunspezifische Prädiktoren des Studienerfolgs untersucht, der wiederum an sehr unterschiedlichen Dimensionen wie Studiennoten, Studiendauer, Studienabbruchsintention oder auch Studienzufriedenheit festgemacht wird (York et al. 2015). Unterschiedliche Dimensionen des Studienerfolgs führen dabei zu unterschiedlichen Ergebnissen: So besitzen beispielsweise Schulnoten in erster Linie prognostische Validität für die Dimensionen Studiennoten und Studienabbruch, während motivationale Variablen und Persönlichkeitsmerkmale für eine größere Anzahl von Studienerfolgsdimensionen prädiktiv sind (Trapmann 2008).

Grundlage der verschiedenen Modelle zur Studienerfolgsprognose (z. B. Rindermann und Oubaid 1999; Kuh et al. 2007; Thiel et al. 2008; Heublein et al. 2010) sind die Ergebnisse einer Vielzahl von in der Regel fachübergreifenden Studien (für einen Überblick siehe Robbins et al. 2004; Trapmann et al. 2007; Sarcletti und Müller 2011; Richardson et al. 2012; Vedel 2014; Schneider und Preckel 2017). Zu den in diesen Modellen zentralen Prädiktoren zählen unter anderem das fachspezifische Vorwissen, erfasst über Fachwissenstests, fachspezifische Schulnoten oder die Abiturgesamtnote (Trapmann et al. 2007; Trapmann 2008; Pixner und Schüpbach 2008). Der Abiturgesamtnote wird dabei die höchste Prognosekraft für Studienerfolg zugeschrieben, sie korreliert mit Prüfungsleistungen für alle Studienfächer im Mittel zu r = 0,53 (Trapmann et al. 2007). Die Berücksichtigung einzelner Fachnoten bringt hingehen kaum inkrementelle Validität gegenüber der Abiturgesamtnote (Heine et al. 2006). Die Validität von Schulnoten wird allerdings in Frage gestellt, da die Notengebung vom Bundesland, der Schule sowie der Lehrkraft abhängt (Rindermann 2005). Die prognostische Güte von Fachwissenstests nimmt mit steigender inhaltlicher Übereinstimmung von Test- und Studieninhalt zu (Heine et al. 2006) und erreicht bei fachspezifischen Studierfähigkeitstests, die große Anteile an fachlichem Vorwissen erfassen, eine ähnliche Größenordnung wie die der Abiturgesamtnote (Trost 2003). Für naturwissenschaftlich-technische Studiengänge erweist sich insbesondere das mathematische Wissen als prädiktiv für den Studienerfolg erfasst über Studiennoten (Buschhüter et al. 2016; Müller et al. 2018). Zudem beeinflusst die Art des Vorwissens die Abbruchsintention (Hailikari und Nevgi 2010).

Ausgehend von zahlreichen Arbeiten zum Einfluss kognitiv-motivationaler Konstrukte auf das selbstregulierte Lernen sowie die Persistenz und Lernleistung von Lernenden hauptsächlich im schulischen Kontext (z. B. Pintrich und De Groot 1990; Eccles und Wigfield 2002) liegt es nahe, die prädiktive Kraft derartiger Variablen auch im Kontext des akademischen Lernens zu untersuchen. Hinzu kommt – wie in Abschn. 2 angesprochen – dass die meisten Studienabbrüche bereits frühzeitig in den ersten Semestern erfolgen und von den Betroffenen hierfür neben Leistungsproblemen vor allem motivationale Defizite als Gründe angeführt werden (Heublein et al. 2017). Als prädiktiv für Studienerfolg erwiesen sich hierbei insbesondere die Erwartungs- und Wertkomponente der Motivation, persönliche Ziele und Interessen, das Engagement im Studium (Cordier 1994; Müller 2001; Schaufeli et al. 2002; Mäkinen et al. 2004; Neuville et al. 2007; Dresel und Grassinger 2013; Heublein et al. 2010, 2017) sowie Fähigkeitsselbsteinschätzungen (Giesen et al. 1986; DeWitz et al. 2009). Hinzu kommen Lernstrategien (Richardson et al. 2012), Persönlichkeitsmerkmale, beispielsweise Gewissenhaftigkeit (Komarraju et al. 2009; Van Bragt et al. 2011; Vedel 2014) sowie die Studienzufriedenheit, die als eine Dimension des Studienerfolgs (Trapmann et al. 2007; Thiel et al. 2008, 2010; Blüthmann 2012), gleichzeitig aber auch als Prädiktor für andere Dimensionen des Studienerfolgs oder Misserfolgs aufgefasst werden kann, beispielsweise für einen späteren Studienabbruch (Meulemann 1991; Brandstätter et al. 2006).

Die Komplexität und multiple Bedingtheit des Studienerfolgs werden in Modellen zur Studienerfolgsprognose zwar berücksichtigt, in empirischen Untersuchungen wird ihnen jedoch nur teilweise durch entsprechende multivariate Analyseverfahren Rechnung getragen. Daher lassen sich derzeit nur schwer Aussagen zur relativen Bedeutung einzelner Prädiktoren im Vergleich zur Vielzahl potenziell relevanter Einflussgrößen treffen.

Auf Basis vorliegender Modelle und zahlreicher, überwiegend allgemeiner, fachunspezifischer Detailergebnisse wurde in der DFG-Forschungsgruppe ALSTER (Akademisches Lernen und Studienerfolg in der Eingangsphase von naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen; z. B. Fleischer et al. 2017; Müller et al. 2018) ein konzeptuelles Rahmenmodell zu Wirkzusammenhängen des Studienerfolgs entwickelt (siehe Abb. 1), welches zum einen auf spezifische Anforderungen naturwissenschaftlich-technischer Studiengänge und zum anderen auf individuelle Eingangsvoraussetzungen von Studierenden fokussiert. Ein weiterer Fokus liegt auf der Untersuchung von Studienabbrüchen in der Eingangsphase der betrachteten Studiengänge, sodass das Modell vor allem auf leistungsbezogene sowie auf motivationale Variablen als Prädiktoren des Studienerfolgs rekurriert, ohne jedoch Aussagen über den spezifischen Erklärungsbeitrag einzelner Konstrukte zu treffen.

Abb. 1
figure 1

Konzeptuelles ALSTER-Rahmenmodel zu Wirkzusammenhängen des Studienerfolgs

Auf Seite der Prädiktoren wird in diesem Modell zwischen stabilen und variablen Merkmalen der Studierenden unterschieden. Stabile Merkmale sind zum einen kognitive Grundfähigkeiten (inklusive der Abiturgesamtnote) und zum anderen Persönlichkeitseigenschaften. Zu den im Laufe des Studiums veränderbaren Prädiktoren zählen das fachliche Vorwissen, Wissen über Metakognition und Lernstrategien, akademisches Selbstkonzept und Erwartungen an das Studienfach sowie fachliches Interesse und weitere motivationale Variablen. Der Studienerfolg wird operationalisiert über Klausurnoten, die Studienzufriedenheit, das Fachwissen beziehungsweise den fachlichen Wissenszuwachs sowie den Verbleib im Studium. Es wird angenommen, dass die Prädiktoren sowohl direkt auf die Dimensionen des Studienerfolgs wirken als auch vermittelt über geeignete Lernstrategien und ein adäquates Ressourcenmanagement sowie über die Studienzufriedenheit. Darüber hinaus wird angenommen, dass sowohl die direkten als auch die indirekten Effekte durch die spezifischen Anforderungen des jeweiligen Studienfachs beeinflusst werden (vgl. Sumfleth und Leutner im Druck).

Da, wie bereits angesprochen, ein tatsächlicher Studienabbruch aus methodischen und datenschutzrechtlichen Gründen nur schwer von anderen Gründen für den Schwund von Studierenden (z. B. Studienfach- und Hochschulwechsel) zu trennen ist, werden im vorliegenden Beitrag Studienabbrecherinnen und -abbrecher im weiteren Sinne untersucht und Personen als solche definiert, für die spätestens nach dem zweiten Fachsemester eine Exmatrikulation vorliegt. Den Annahmen der Theorie des geplanten Verhaltens folgend (z. B. Ajzen 1991), wonach die Verhaltensabsicht einer der besten Prädiktoren für das tatsächliche Verhalten darstellt, wird darüber hinaus die Studienabbruchs- beziehungsweise Wechselintention als weitere Dimension des Studienerfolgs beziehungsweise -misserfolgs betrachtet (Mashburn 2000; Fellenberg und Hannover 2006).

4 Fragestellungen

Der vorliegende Beitrag untersucht Prädiktoren des Studienabbruchs in der Eingangsphase naturwissenschaftlich-technischer Studiengänge. Dabei wird zum einen der explorativen Frage nachgegangen, welche Merkmale der Studierenden, zu Beginn des Studiums erhoben, geeignet sind, die Studienabbruchsintention zum Ende des ersten Fachsemesters in den betrachteten Studiengängen vorherzusagen, und inwiefern die Effekte dieser Variablen durch die Studienzufriedenheit mediiert werden (Forschungsfrage 1). In einem zweiten Schritt wird überprüft, inwiefern die Studienabbruchsintention zum Ende des ersten Fachsemesters einen Indikator für den späteren tatsächlichen Studienabbruch nach dem zweiten Fachsemester darstellt (Forschungsfrage 2). Darüber hinaus wird geprüft, inwiefern der tatsächliche Studienabbruch durch dieselben Variablen wie zuvor bei der Studienabbruchsintention vorhergesagt werden kann (Forschungsfrage 3). Bei der Untersuchung dieser Fragestellungen wird zudem geprüft, inwiefern sich Unterschiede zwischen den betrachteten Studiengängen zeigen und die Effekte somit durch die Art des Studiengangs moderiert werden.

5 Methode

5.1 Stichprobe

An der Studie nahmen zu Beginn des WiSe 2016/2017 N = 751 Erstsemesterstudierende der Universität Duisburg-Essen (n = 315) und der Ruhr-Universität Bochum (n = 436) der Bachelor-Studiengänge Biologie (n = 162, 64,8 % weiblich), Chemie (n = 275, 37,5 % weiblich), Bauingenieurwesen (n = 208, 35,1 % weiblich) und Physik (n = 106, 23,6 % weiblich) teil. Damit wurde, bezogen auf die Grundgesamtheit aller Studierenden in den betreffenden Studiengängen, die tatsächlich ihr Studium aufgenommen haben, eine Ausschöpfungsquote von durchschnittlich 71,1 % (Bauingenieurwesen: 53,7 % – Physik: 90,6 %) erreicht. Ein Vergleich der Stichproben mit der jeweiligen Grundgesamtheit an Studierenden in den betreffenden Studiengängen hinsichtlich Alter, Geschlecht, Muttersprache, Abiturgesamtnote sowie vorheriger Studien- und Berufserfahrung zeigte keine statistisch bedeutsamen Unterschiede (t ≤ −2,91; padjustiert ≥ 0,06), sodass von repräsentativen Stichproben in den betrachteten Studiengängen ausgegangen werden kann. Zum Ende des WiSe 2016/2017 nahmen noch N = 666 Studierende an der Studie teil, was einer durchschnittlichen Verbleibquote von 88,4 % in der Studie entspricht (Physik: 82,1 % – Biologie: 93,2 %).

5.2 Instrumente

Für den vorliegenden Beitrag wurden Daten der DFG-Forschungsgruppe ALSTER herangezogen. Die im Rahmen von ALSTER erfassten Variablen und eingesetzten Instrumente werden im Folgenden dargestellt.

Kognitive Variablen wurden in Form von Schulleistungen, kognitiven Grundfähigkeiten, fachlichem Vorwissen sowie mathematischem Wissen zu Beginn des ersten Fachsemesters (WiSe 2016/2017) erhoben. Schulleistungen wurden in Form der Abiturgesamtnote (M = 2,37, SD = 0,67) erfasst. Kognitive Grundfähigkeiten wurden mit Hilfe der beiden Subskalen V2 Wortklassifikation und N1 Figurenklassifikation des Kognitiven Fähigkeitstests (KFT 4–12 + R; Heller und Perleth 2000; 50 dichotome Items; M = 0,58, SD = 0,13; α = 0,80) erhoben. Die Erfassung des fachlichen Vorwissens erfolgte über eigens konstruierte IRT-skalierte studiengangspezifische Fachwissenstests in den Fächern Biologie (36 dichotome Items; M = 0,02, SD = 0,70; relEAP = 0,79), Chemie (vgl. Freyer et al. 2014; 30 dichotome Items; M = 0,07, SD = 1,00; relEAP = 0,82), Bauingenieurwesen (37 dichotome Items; M = 0,04, SD = 0,74; relEAP = 0,74) und Physik (vgl. Riese et al. 2015; 33 dichotome Items; M = −0,01, SD = 0,96; relEAP = 0,80). Um die Vergleichbarkeit der Fachwissenstests über die Fächer hinweg zu gewährleisten, wurden bei der Itemkonstruktion die schwierigkeitsbestimmenden Dimensionen nach ESNaS (Evaluation der Standards in den Naturwissenschaften) für die Sekundarstufe I berücksichtigt (Walpuski et al. 2010). Die Erfassung des mathematischen Wissens erfolgte über einen fächerübergreifenden IRT-skalierten Mathematiktest (Müller et al. 2018; 41 dichotome Items; M = −0,24, SD = 1,56; relEAP = 0,89).

Darüber hinaus wurden folgende Variablen jeweils zu Beginn des ersten Fachsemesters erhoben: Persönlichkeitseigenschaften in Form der Big-Five mit dem NeoFFI ergänzt um Items des NEO-PI‑R (Borkenau und Ostendorf 1993; Ostendorf und Angleitner 2004; jeweils 5‑stufige Likert-Antwortskala: 1 = starke Ablehnung bis 5 = starke Zustimmung; Neurotizismus: z. B. „Ich bin nicht leicht beunruhigt“; 12 Items; M = 1,73, SD = 0,72; α = 0,87; Extraversion: z. B. „Ich führe ein hektisches Leben“; 12 Items; M = 2.24, SD = 0.59; α = 0,80; Offenheit: z. B. „Ich bin sehr wissbegierig“; 12 Items; M = 2,55, SD = 0,55; α = 0,73; Verträglichkeit: z. B. „Die meisten Menschen, die ich kenne, mögen mich“; 12 Items; M = 2,52, SD = 0,53; α = 0,75; Gewissenhaftigkeit: z. B. „Ich arbeite zielstrebig und effektiv“, 48 Items; M = 2,52, SD = 0,42; α = 0,91), Lern- und Leistungsmotivation im Studium (Spinath et al. 2002; jeweils 4‑stufige Likert-Antwortskala: 1 = stimmt nicht bis 4 = stimmt genau; Lernziele: z. B. „Im Studium geht es mir darum, neue Ideen zu bekommen“, 8 Items; M = 2,41, SD = 0,43; α = 0,83; Annäherungs-Leistungziele: z. B. „Im Studium geht es mir darum, zu zeigen, dass ich bei einer Sache gut bin“, 7 Items; M = 1,46, SD = 0,55; α = 0,80; Vermeidungs-Leistungziele: z. B. „Im Studium geht es mir darum, dass niemand merkt, wenn ich etwas nicht verstehe“, 8 Items; M = 0,85, SD = 0,59; α = 0,89; Arbeitsvermeidung: z. B. „Im Studium geht es mir darum, nicht so schwer zu arbeiten“, 8 Items; M = 0,77, SD = 0,57; α = 0,89), fachbezogenes akademisches Selbstkonzept (Schöne et al. 2002; 11 Items mit jeweils 5‑stufiger Likert-Antwortskala: z. B. „Wenn ich mir angucke, was wir im Studium können müssen, halte ich mich für …“, 1 = nicht begabt bis 5 = begabt; M = 3,17, SD = 0,61; α = 0,91), studiumsbezogene Selbstwirksamkeitserwartungen (Abele et al. 2000; 6 Items mit jeweils 4‑stufiger Likert-Antwortskala: 1 = stimmt nicht bis 4 = stimmt genau; z. B. „Ich weiß genau, dass ich die an mein Studium gestellten Anforderungen erfüllen kann, wenn ich nur will“; M = 2,99, SD = 0,50; α = 0,75), Lernstrategien im Studium (Wild und Schiefele 1994; 77 Items mit jeweils 5‑stufiger Likert-Antwortskala: 1 = sehr selten bis 5 = sehr oft; z. B. „Ich präge mir den Lernstoff von Texten durch Wiederholen ein“; M = 3,34, SD = 0,43; α = 0,94), Selbstregulation (Schwarzer 1999; 10 Items mit jeweils 4‑stufiger Likert-Antwortskala: 1 = stimmt nicht bis 4 = stimmt genau; z. B. „Ich kann mich lange Zeit auf eine Sache konzentrieren, wenn es nötig ist“; M = 2,99, SD = 0,40; α = 0,74), fachbezogenes Studieninteresse (Schiefele et al. 1993; 27 Items mit jeweils 4‑stufiger Likert-Antwortskala: 1 = stimmt nicht bis 4 = stimmt genau; z. B. „Ich habe mein jetziges Studium vor allem wegen der interessanten Studieninhalte gewählt“; M = 1,91, SD = 0,45; α = 0,92), Studienmotivation (Kosovich et al. 2015; jeweils 4‑stufige Likert-Antwortskala: 1 = stimmt nicht bis 4 = stimmt genau; Erwartung: z. B. „Ich weiß, dass ich den Stoff in meinem Studienfach lernen kann“; 3 Items; M = 3,34, SD = 0,56; α = 0,88; Wert: z. B. „Ich schätze mein Studienfach“; 3 Items; M = 3,54, SD = 0,52; α = 0,86; Kosten: z. B. „Die Arbeit für mein Studienfach erfordert zu viel Zeit“; 3 Items; M = 2,50, SD = 0,67; α = 0,67) sowie Engagement im Studium (Schaufeli und Baker 2003; 9 Items mit jeweils 4‑stufiger Likert-Antwortskala: 1 = stimmt nicht bis 4 = stimmt genau; z. B. „Während meines Studiums bin ich voll überschäumender Energie“; M = 1,76, SD = 0,52; α = 0,87).

Die Erfassung der Zufriedenheit mit den Studieninhalten (Westermann et al. 1996; 6 Items mit jeweils 4‑stufiger Likert-Antwortskala: 1 = stimmt nicht bis 4 = stimmt genau; z. B. „Insgesamt bin ich mit meinem jetzigen Studium zufrieden“; M = 2,94, SD = 0,54; α = 0,86) erfolgte Mitte des ersten Semesters.

Als Outcomevariablen wurde zum einen die Studienabbruchsintention zum Ende des ersten Fachsemesters erhoben (Blüthmann et al. 2011; Fellenberg und Hannover 2006; 3 Items: mit jeweils 4‑stufiger Likert-Antwortskala: 1 = stimmt nicht bis 4 = stimmt genau; „Ich denke ernsthaft daran, das Studium abzubrechen“, „Wenn ich eine gute Alternative hätte, würde ich das Studium abbrechen“ sowie „Ich überlege mir häufig, das Fach zu wechseln“; M = 1,94, SD = 0,90; α = 0,87) sowie der tatsächliche Studienabbruch (dichotom) spätestens nach dem Ende des zweiten Fachsemesters erfasst. Hierzu wurde für die Stichprobe der Universität-Duisburg-Essen über die Zentralverwaltung der Universität erfragt, ob sich ein Studierender bis spätestens nach diesem Semester exmatrikuliert (Kategorie: 1) oder für das dritte Fachsemester (WiSe 2017/2018) erfolgreich zurückgemeldet hat (Kategorie: 0)Footnote 1.

5.3 Vorgehen und statistische Analysen

Die Datenerhebung erfolgte im Rahmen von Lehrveranstaltungen im Wahlpflichtbereich beider Universitäten in einer Kombination aus papier- und bleistiftbasierten sowie computerbasierten Onlineerhebungen, wobei lediglich die Studienabbruchsintention online erhoben wurde. Dadurch konnten die Veranstaltungen optimal in den Stundenplan integriert werden und standen nicht in Konkurrenz zu anderen Lehrveranstaltungen. Für die freiwillige Teilnahme an der Studie erhielten die Studierenden bei Bearbeitung aller Tests und Fragebogen neben einer Probandenvergütung (150 €) auch Leistungspunkte für die entsprechende Lehrveranstaltung (3 Credit Points).

Zur Vorhersage der Studienabbruchsintention zum Ende des ersten Fachsemesters (Forschungsfrage 1) wurden zunächst, explorativ, getrennt für alle betrachteten Studiengänge, bivariate Korrelationen mit allen potenziellen Prädiktoren der Abbruchsintention berechnet. Im Anschluss wurden mit den Variablen, für die sich signifikante Zusammenhänge mit der Abbruchsintention zeigten, fachspezifische Regressionsanalysen durchgeführt. Mit den Variablen, für die sich in diesen Analysen signifikante Effekte in mindestens einem der untersuchten Studiengänge zeigten, wurden im letzten Schritt Mehrgruppen-Pfadmodelle spezifiziert. Hierbei wurde geprüft, inwiefern die Zufriedenheit mit den Studieninhalten die Rolle eines Mediators bei der Vorhersage der Abbruchsintention einnimmt. Hierzu wurden für die indirekten Effekte der Prädiktoren über ein Bootstrapping-Verfahren (bias-korrigierter Bootstrap) die 95 %-Bootstrap-Konfidenzintervalle bestimmt und die Effekte somit auf statistische Signifikanz geprüft (MacKinnon 2008). Ferner wurde geprüft, ob Unterschiede in den Pfadkoeffizienten zwischen den Studiengängen vorliegen und der Studiengang somit die Rolle eines Moderators einnimmt. Hierzu wurden schrittweise Gleichheitsrestriktionen über die Studiengänge für die einzelnen Pfadkoeffizienten eingeführt und geprüft, inwiefern diese zu einer substanziellen Verschlechterung des Modellfits führten. Eine Veränderung von −0,010 oder mehr des CFI (Comparative Fit Index) sowie von 0,015 oder mehr des RMSEA (Root-Mean-Square Error of Approximation) wurden dabei als substanzielle Verschlechterung des Modellfits gewertet (Cheung und Rensvold 2001; Chen 2007). Alle Variablen wurden für die Analysen innerhalb der Studiengänge beider Universitätsstandorte z‑standardisiert. Abschließend wurde ebenfalls über Mehrgruppen-Pfadmodelle geprüft, inwiefern die Ergebnisse über die beiden betrachteten Universitäten hinweg generalisierbar sind.

Zur Vorhersage des tatsächlichen Studienabbruchs nach dem zweiten Fachsemester (Forschungsfrage 2) wurden binäre logistische Regressionsanalysen durchgeführt (Hosmer und Lemeshow 2000). Da nur für die Studierenden der Universität Duisburg-Essen Daten zum Immatrikulationsstatus vorlagen und damit eine wesentlich kleinere Stichprobe die Grundlage für die Analysen bildete, wurde auf die Durchführung von Mediationsanalysen sowie die Spezifizierung von Mehrgruppen-Modellen verzichtet. Es wurde zunächst geprüft, inwiefern die Studienabbruchsintention zum Ende des ersten Fachsemesters geeignet ist, das Risiko eines tatsächlichen Studienabbruchs nach dem zweiten Fachsemester vorherzusagen. Im Anschluss wurde untersucht, ob das Risiko eines Studienabbruchs durch dieselben Variablen wie zuvor die Studienabbruchsintention vorhergesagt werden kann (Forschungsfrage 3). Die Regressionskoeffizienten der logistischen Regression β werden zur besseren Interpretierbarkeit als Effektkoeffizienten Exp[β] angegeben (Odds-Ratio). Ein Odds-Ratio gibt den Faktor an, um den sich das Risiko für einen Studienabbruch verändert, wenn sich die entsprechende Prädiktorvariable um eine Einheit (in diesen Fall um 1 SD) erhöht oder erniedrigt (Hosmer und Lemeshow 2000).

Die Analyse der Daten erfolgte mit den Softwarepaketen SPSS 25 und Mplus 8.2 mit Hilfe des FIML-Ansatzes zur Berücksichtigung fehlender Werte (Muthén und Muthén 1998–2012).

6 Ergebnisse

Tab. 1 gibt die Reliabilitäten sowie die Interkorrelationen der Variablen an, die sich in den folgenden Regressions- und Pfadmodellen als relevante Prädiktoren der Studienabbruchsintention in den einzelnen Studiengängen erwiesen haben.

Tab. 1 Reliabilitäten (EAP-Reliabilitäten und Cronbachs α in der Hauptdiagonalen) und Interkorrelationen der Variablen (getrennt nach Studiengang)

Abb. 2 stellt die Ergebnisse des Mehrgruppen-Pfadmodells zur Vorhersage der Studienabbruchsintention zum Ende des ersten Fachsemesters in den naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen dar (Forschungsfrage 1). Prädiktoren mit statistisch nichtsignifikanten Pfadkoeffizienten in einem Studiengang wurden für das finale Modell in dem entsprechenden Studiengang nicht berücksichtigt. Durch das Einführen von Gleichheitsrestriktionen wurden die Pfadkoeffizienten über die Fächer hinweg auf nummerisch gleiche Werte geschätzt, sofern der Modellfit dies goutierte.

Abb. 2
figure 2

Mehrgruppen-Pfadmodell zur Vorhersage der Studienabbruchsintention zum Ende des ersten Fachsemesters (alle Variablen innerhalb der Studiengänge z‑standardisiert). Angabe der Koeffizienten in der Reihenfolge: Biologie (n = 153), Chemie (n = 254), Bauingenieurwesen (n = 183), Physik (n = 90). Für alle Koeffizienten gilt: p < 0,01

Es zeigen sich direkte Effekte des fachlichen Vorwissens, des mathematischen Wissens, des fachbezogenen Studieninteresses und der Erwartungskomponente der Motivation (jeweils Anfang des Semesters erhoben) auf die Abbruchsintention der Studierenden zum Ende des ersten Fachsemesters. Ein Teil der Effekte des mathematischen Wissens, des Studieninteresses und der Erwartungskomponente der Motivation auf die Abbruchsintention wird dabei über die Zufriedenheit mit den Studieninhalten (Mitte des Semesters erhoben) mediiert, während der Effekt des Engagements im Studium vollständig mediiert wird und somit nach Kontrolle der Zufriedenheit mit den Studieninhalten kein direkter Effekt des Engagements auf die Abbruchsintention mehr gezeigt werden kann. Die entsprechenden indirekten Effekte mit den zugehörigen 95 %-Bootstrap-Konfidenzintervallen sind in Tab. 2 dargestellt.

Tab. 2 Mediationsanalyse zur Vorhersage der Studienabbruchsintention vermittelt über die Zufriedenheit mit den Studieninhalten (getrennt nach Studiengang)

Darüber hinaus zeigen sich Unterschiede in den Pfadkoeffizienten zwischen den betrachteten naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen. So hat beispielweise das fachliche Vorwissen in der Biologie und in der Chemie einen signifikanten direkten Effekt (β = −0,17, p < 0,01) auf die Abbruchsintention in diesen Studiengängen, während sich für das fachliche Vorwissen im Bauingenieurwesen und in der Physik kein entsprechender Effekt zeigen lässt (siehe Abb. 2). Umgekehrt leistet das mathematische Wissen im Bauingenieurwesen und in der Physik einen signifikanten Beitrag zur Vorhersage der Abbruchsintention (β = −0,25, p < 0,01), der in der Biologie und in der Chemie nicht gezeigt werden kann. Derartige Moderationseffekte der Studiengänge zeigen sich nicht nur bei den direkten, sondern auch bei den indirekten Effekten. So hat das Studieninteresse in der Biologie keinen signifikanten direkten Effekt auf die Abbruchsintention, jedoch einen signifikanten indirekten Effekt mediiert über die Zufriedenheit mit den Studieninhalten (β = −0,19, 95 %-KI = −0,25/−0,13), der in der Chemie, im Bauingenieurwesen und in der Physik mit β = −0,06 (95 %-KI = −0,10/−0,03) wesentlich geringer ausfällt (siehe Tab. 2). Diese Unterschiede führen auch zu Unterschieden in den aufgeklärten Varianzen, die im Bauingenieurwesen mit R2 = 28 % geringer ausfallen als in den anderen Studiengängen (R2 = 37–41 %; siehe Abb. 2).

Abschließend durchgeführte Mehrgruppen-Pfadmodelle für die beiden Stichproben der Universität Duisburg-Essen und der Ruhr-Universität Bochum zeigen keine signifikanten Unterschiede der Koeffizienten zwischen beiden Stichproben. Die dargestellten Ergebnisse sind somit über beide Universitätsstandorte hinweg generalisierbar.

Zur Beantwortung von Forschungsfrage 2 wurde jeweils getrennt für die betrachteten Studiengänge der Universität Duisburg-Essen geprüft, welchen Einfluss die Abbruchsintention der Studierenden zum Ende des ersten Fachsemesters auf den tatsächlichen Studienabbruch nach dem zweiten Fachsemester hat. Wie Tab. 3 zu entnehmen ist, unterscheiden sich die Abbruchquoten zwischen den betrachteten Fächern: Für die Physik und das Bauingenieurwesen liegt die höchste (20,5 % bzw. 20,0 %) und für die Chemie die niedrigste Abbruchquote vor (16,1 %). Wie Tab. 3 ferner zu entnehmen ist, zeigt sich in allen betrachteten Studiengängen ein signifikanter Effekt der Studienabbruchsintention zum Ende des ersten Fachsemesters auf das Risiko eines späteren tatsächlichen Studienabbruchs nach dem zweiten Fachsemester. Erhöht sich beispielweise die Abbruchsintention bei Studierenden der Biologie um eine Standardabweichung, erhöht sich das Risiko eines Studienabbruchs nach dem zweiten Fachsemester um den Faktor 4,29. Bei Studierenden der Chemie (Odds-Ratio = 2,15, p < 0,01) verdoppelt sich das Risiko und bei Studierenden der Physik verneunfacht es sich sogar (Odds-Ratio = 9,08, p < 0,05).

Tab. 3 Abbruchquoten und Ergebnisse der binären logistischen Regression zur Modellierung des Studienabbruchs (getrennt nach Studiengang)

Auch für die Variablen, die sich bereits in den Analysen zur Vorhersage der Abbruchsintention zum Ende des ersten Fachsemesters als prädiktiv erwiesen haben, lassen sich, bivariat betrachtetFootnote 2, signifikante Effekte auf das Risiko eines tatsächlichen Studienabbruchs nach dem zweiten Fachsemester zeigen, wie Tab. 3 weiter zu entnehmen ist (Forschungsfrage 3), und auch hier zeigen sich wieder Unterschiede zwischen den betrachteten Studiengängen. So haben das fachliche Vorwissen und das mathematische Wissen bei Studierenden der Chemie und bei Studierenden der Physik einen signifikanten negativen Effekt auf das Risiko für einen Studienabbruch, während sich für die anderen Studiengänge keine signifikanten Effekte dieser Variablen ergeben. In der Biologie zeigen die motivationalen Variablen Studieninteresse, Erwartungskomponente der Motivation und das Engagement im Studium jeweils signifikante negative Effekte auf das Risiko für einen Studienabbruch. Darüber hinaus lassen sich noch für das Studieninteresse signifikante Effekte in der Chemie und im Bauingenieurwesen und für das Engagement im Studium lediglich ein signifikanter Effekt in der Physik zeigen. Für die Studienzufriedenheit (Mitte des Semesters erfasst), die bei der Vorhersage der Abbruchsintention die Rolle eines Mediators einnimmt, lassen sich (mit Ausnahme des Bauingenieurwesens) auch bei der Vorhersage des Risikos eines tatsächlichen Studienabbruchs signifikante Effekte zeigen.

7 Diskussion

Ziel des vorliegenden Beitrags war die Identifikation von Prädiktoren des Studienabbruchs in der Eingangsphase naturwissenschaftlich-technischer Studiengänge. Hierzu wurden die Studienabbruchs- beziehungsweise Wechselintention der Studierenden zum Ende des ersten Fachsemesters sowie der Immatrikulationsstatus nach dem zweiten Fachsemester als Outcomevariablen erhoben. Damit wird nicht zwischen tatsächlichem Studienabbruch und anderen Gründen für den Schwund von Studierenden wie beispielsweise Hochschulwechsel oder Studienunterbrechung differenziert, was methodisch ohnehin nur schwer möglich ist, da letztendlich nie ganz ausgeschlossen werden kann, dass eine Person, die ihr Studium abgebrochen hat, nicht doch zu einem späteren Zeitpunkt erneut ein Studium aufnimmt. Als relevante Prädiktoren für die Studienabbruchsintention zum Ende des ersten Fachsemesters konnten das fachliche Vorwissen, das mathematische Wissen, das fachbezogene Studieninteresse, die Erwartungskomponente der Studienmotivation, das Engagement im Studium (jeweils zu Beginn des ersten Fachsemesters erhoben) sowie die Zufriedenheit mit den Studieninhalten (Mitte des ersten Fachsemesters erhoben) identifiziert werden. Die Zufriedenheit mit den Studieninhalten stellt dabei einen Mediator dar, über den der Effekt des Engagements im Studium vollständig und die Effekte des mathematischen Wissens, des Studieninteresses und der Erwartungskomponente der Motivation teilweise vermittelt werden (Forschungsfrage 1; siehe Abb. 2). Es zeigen sich hierbei sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede zwischen den betrachteten Studiengängen: So hat das fachliche Vorwissen in der Biologie und in der Chemie einen signifikanten Effekt in identischer Größenordnung (β = −0,17). Gleiches gilt für den Effekt des mathematischen Wissens im Bauingenieurwesen und in der Physik (β = −0,25) sowie für die, über die Zufriedenheit mit den Studieninhalten vermittelten, indirekten Effekte der Prädiktoren in der Chemie, im Bauingenieurwesen und in der Physik (siehe Tab. 3). Im Vergleich der Studiengänge untereinander zeigen sich jedoch auch Unterschiede in der Bedeutung der einzelnen Prädiktoren: So spielt das mathematische Wissen lediglich im Bauingenieurwesen und in der Physik eine Rolle bei der Vorhersage der Abbruchsintention, während hingegen das fachliche Vorwissen nur in der Biologie und in der Chemie einen signifikanten Beitrag zur Vorhersage leistet. Das Studieninteresse erweist sich in der Chemie, im Bauingenieurwesen und in der Physik als prädiktiv, nicht jedoch in der Biologie. In der Biologie wiederum spielt die Zufriedenheit mit den Studieninhalten eine wesentlich wichtigere Rolle bei der Vorhersage der Abbruchsintention (β = −0,58) als dies in den anderen naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen der Fall ist (β = −0,19).

Die Abbruchsintention kann in allen untersuchten Studiengängen als früher Indikator eines späteren Studienabbruchs identifiziert werden (Forschungsfrage 2, siehe Tab. 3), auch wenn sich die Stärke des Effekts zwischen den Studiengängen unterscheidet: So lässt sich in der Physik das Risiko für einen Studienabbruch nach dem zweiten Fachsemester wesentlich besser durch die Abbruchsintention zum Ende des ersten Fachsemesters vorhersagen, als dies in den anderen Studiengängen der Fall ist. Insgesamt erweisen sich bei der Vorhersage des Risikos eines Studienabbruchs dieselben Variablen als prädiktiv wie bereits bei der Vorhersage der Abbruchsintention (Forschungsfrage 3). Aber auch hier zeigen sich wiederum sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede zwischen den Studiengängen: So erweisen sich das fachliche Vorwissen und das mathematische Wissen sowohl in der Chemie als auch in der Physik als prädiktiv für das Risiko eines Studienabbruchs, nicht jedoch im Bauingenieurwesen. Ein Befund, der insofern verwundert, als zuvor gezeigt werden konnte, dass das mathematische Wissen im Bauingenieurwesen einen deutlichen Beitrag zur Vorhersage der Abbruchsintention zu leisten vermag. Bei Betrachtung der einzelnen Studiengänge fällt insbesondere auf, dass sich, neben der Abbruchsintention, im Bauingenieurwesen lediglich das Studieninteresse als prädiktiv für das Risiko eines Studienabbruchs erweist.

In der Gesamtschau bestätigen die vorliegenden Befunde die Ergebnisse früherer Studien zur Bedeutung sowohl von kognitiven, leistungsbezogenen Merkmalen als auch von motivationalen Faktoren im Sinne von Eingangsvoraussetzungen der Studierenden für die Studienabbruchsintention sowie für das Risiko eines späteren tatsächlichen Studienabbruchs (z. B. Gold 1999; Robbins et al. 2004; Brandstätter et al. 2006; Schiefele et al. 2007). Die Ergebnisse stehen unter anderem im Einklang mit Befunden von Brandstätter et al. (2006) zur prognostischen Validität der Studienzufriedenheit für den Studienabbruch auch unter Kontrolle von leistungsbezogenen Merkmalen. Entgegen der Befunde von Brandstätter et al. (2006) verdeutlichen die vorliegenden Ergebnisse auch die Rolle der Abbruchsintention als frühen Indikator für das Risiko eines späteren Studienabbruchs. Wie die Befunde aus Studierendenbefragungen zeigen, ist insbesondere die Studieneingangsphase für ein erfolgreich verlaufendes Studium relevant (Gibney et al. 2011; Haarala-Muhonen et al. 2017). Die dargestellten Ergebnisse verdeutlichen, dass sich bereits zu Beginn des ersten Fachsemesters Faktoren identifizieren lassen, die geeignet sind, sowohl die Studienabbruchsintention nach dem ersten Semester als auch das Risiko eines tatsächlichen Studienabbruchs nach dem zweiten Semester vorherzusagen.

Die vorgestellte Untersuchung liefert damit einen wichtigen Beitrag zu Studienerfolgsprognose und erweitert die Befunde früherer Studien (z. B. Robbins et al. 2004; Neuville et al. 2007; Trapmann 2008) vor allem in dreierlei Hinsicht: Zum einen, indem die Wirkzusammenhänge unterschiedlicher Prädiktoren eingehender und in einer längsschnittlichen Perspektive in den Blick genommen werden. Zum anderen, indem die Rolle der Studienzufriedenheit als Mediator, über den sowohl der Effekt des mathematischen Wissens als auch die Effekte motivationaler Eingangsvoraussetzungen der Studierenden auf die Abbruchsintention vermittelt werden, explizit modelliert wird. Darüber hinaus ermöglichen sie die Beurteilung der relativen Bedeutung einzelner Prädiktoren im direkten Vergleich verschiedener naturwissenschaftlich-technischer Studiengänge. Unter praktischen Gesichtspunkten könnten diese Erkenntnisse mittel- und langfristig gewinnbringend für die Studienberatung genutzt werden sowie für die frühe Identifikation von Studierenden mit erhöhtem Abbruchrisiko.

Über die Gründe für die mitunter deutlichen Unterschiede zwischen den betrachteten Studiengängen in der Bedeutung der einzelnen Prädiktoren für die Abbruchsintention und für das Risiko eines tatsächlichen Studienabbruchs lassen sich auf Basis der verwendeten Daten keine Aussagen treffen. Es scheint daher zunächst notwendig, die spezifischen Anforderungen der einzelnen Studiengänge stärker zu beleuchten, um auf Grundlage der vorliegenden Ergebnisse begründete Konsequenzen für Studienberatung und Fördermaßnahmen ableiten zu können. Eine zentrale Einschränkung der Aussagekraft der dargestellten Ergebnisse ist darüber hinaus in den relativ geringen Stichprobengrößen einzelner Fächer, insbesondere der Physik, zu sehen. Dies verringert zum einen die statistische Power der durchgeführten Analysen und verhindert zum anderen die Berücksichtigung von Messfehlern der erhobenen Variablen im Rahmen einer latenten Modellierung der Wirkzusammenhänge. Bei der Vorhersage des Risikos für einen tatsächlichen Studienabbruch kommt hinzu, dass diese Analysen auf geringen Stichprobengrößen basieren und bisher nur an der Universität Duisburg-Essen durchgeführt werden konnten. Es bleibt somit abzuwarten, inwiefern sich die Befunde an einer größeren Stichprobe replizieren und auf andere Universitäten übertragen lassen.

Bei der Modellierung der Abbruchsintention konnte gezeigt werden, dass die Ergebnisse mit der Ruhr-Universität Bochum auf einen weiteren Universitätsstandort übertragbar sind, sodass zu vermuten ist, dass dies auch bei der Vorhersage des Risikos für einen tatsächlichen Studienabbruch der Fall ist. Dennoch bleibt die Frage, inwiefern die Ergebnisse auch über weitere Universitäten mit unterschiedlichen Einzugsbereichen, unterschiedlichen Schwerpunkten und unterschiedlichen Traditionen in den betrachteten Studiengängen generalisierbar sind. Um auf Grundlage der vorliegenden Ergebnisse begründete Konsequenzen für Studienberatung und Fördermaßnahmen ableiten zu können, ist es darüber hinaus notwendig die Befunde an einer weiteren Studierendenkohorte zu replizieren. Zudem scheint es vielversprechend, die untersuchte Stichprobe über den Verlauf ihres Studiums weiter zu befragen, um somit spätere Studienabbrüche, die Veränderung der Studienabbruchsintention und letztendlich Prädiktoren für den erfolgreichen Abschluss des Bachelorstudiums untersuchen zu können. Diese Punkte werden derzeit in Folgeprojekten adressiert, deren erste Ergebnisse Ende des Jahres vorliegen werden.