1 Einleitung

Der Studieneingangsphase kommt für den weiteren Studienverlauf und -erfolg eine entscheidende Rolle zu, denn der Übergang ins Studium kann schnell zu Überforderung auf fachlicher und sozialer Ebene führen und damit in letzter Konsequenz zum Abbruch des Studiums (Brahm et al. 2014; Bargel 2015; Trautwein und Bosse 2016). Gerade in ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen gehen hohe Abbruchquoten einher mit Klagen der Lehrenden über die mangelnde Studienvorbereitung und unzureichende Mathematikkenntnisse der Studierenden (Büning 2004; Weinhold 2014). Die Gründe für hohe Abbruchquoten werden nicht selten bei den Studierenden selbst und insbesondere bei Studierenden aus den sogenannten „nicht-traditionellen“ Zugangswegen gesucht. Die Zugangswege zur Studienberechtigung sind vielfältig und 43 % aller Studienanfängerinnen und Studienanfänger der Ingenieurwissenschaften haben vor dem Studium eine Berufsausbildung absolviert oder die Hochschulzugangsberechtigung nicht an einer allgemeinbildenden gymnasialen Oberstufe erworben (Schindler 2014; Tieben und Knauf 2019). Nicht-traditionelle Studierende berichten häufig fachliche Herausforderungen beim Einstieg in das Studium und setzen diese mit ihren Bildungswegen in Verbindung (Barnat et al. 2017). Die Hochschulen reagieren auf Defizite in der Studienvorbereitung mit Angeboten, wie z. B. Brückenkursen und speziellen Beratungsangeboten. Obwohl sich in den letzten Jahren einige deutschsprachige Studien mit der Effektivität solcher Angebote beschäftigt haben (Abel und Weber 2014; Haase 2014; Voßkamp und Laging 2014; Greefrath und Hoever 2016; Greefrath et al. 2017), ist wenig darüber bekannt, wer diese Angebote wahrnimmt und aus welchen Gründen dies geschieht. Darüber hinaus fehlen insbesondere Studien, die sich dem Zusammenhang zwischen einer Brückenkurs-Teilnahme und dem Studienabbruch widmen. Obwohl die Kurse recht deutlich auf die Kompensation von fachlich-inhaltlichen Wissenslücken von Studienanfängerinnen und Studienanfängern ausgerichtet sind, haben die institutionellen Investitionen in der Regel das (übergeordnete) Ziel, einen Beitrag zur Senkung von Studienabbruchquoten zu leisten.

Dieser Beitrag widmet sich daher dem Zusammenhang zwischen der Teilnahme an Brückenkursen in ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen deutscher Hochschulen und dem Abbruch des ingenieurwissenschaftlichen Erststudiums. Insbesondere sollen dabei die Fragen beantwortet werden, wie sich Teilnehmende an Brückenkursen hinsichtlich ihrer Zugangswege zur Hochschule und ihrer individuellen Eigenschaften, wie z. B. Mathematiknoten, Selbstkonzepten und Studienmotivation von Nichtteilnehmenden unterscheiden und wie – auch bei Berücksichtigung dieser Unterschiede – die Teilnahme mit dem Studienabbruch zusammenhängt.

2 Stand der Forschung

2.1 Strukturen und Zielsetzungen der Brückenkurse

Veranstaltungen zur Studieneinführung werden inzwischen an nahezu allen Hochschulen angeboten. Die Angebote der Hochschulen zum Studieneinstieg sind allerdings überaus vielfältig und umfassen neben rein fachlich-inhaltlich orientierten Veranstaltungen auch personale, soziale und organisatorische Dimensionen von Studienanforderungen (Bosse 2016). Bargel (2015) weist darauf hin, dass Studierende vornehmlich „niederschwellige Angebote“ wie zum Beispiel studienvorbereitende Tage wahrnehmen und nutzen, während stärker fachlich-inhaltlich ausgerichtete Angebote deutlich seltener genutzt werden. So berichtet Bargel (2015) beispielsweise, dass lediglich 29 % der befragten Studierenden des 12. Studierendensurveys an Universitäten und Fachhochschulen angaben, im ersten Studienjahr einen Brückenkurs besucht zu haben, während rund zwei Drittel die Teilnahme an studienvorbereitenden Tagen, Camps oder Orientierungswochen berichten. Diese Diskrepanz ist mit großer Wahrscheinlichkeit mit den Angebotsstrukturen der jeweiligen Studienfächer zu erklären: In nahezu allen Studiengängen werden zum Studienbeginn Einführungs- oder Orientierungswochen angeboten, während fachlich-inhaltliche Brückenkurse vor allem in Studiengängen angeboten werden, die stark auf mathematische Grundlagen aus der gymnasialen Oberstufe zurückgreifen (Wirtschaftswissenschaften, Naturwissenschaften und Ingenieurwissenschaften).

In den Ingenieurwissenschaften kommt den Brückenkursen insgesamt eine größere Bedeutung zu, als in den übrigen Fachrichtungen: 91 % der Studierenden der Ingenieurwissenschaften berichten, dass es an ihrer Hochschule Brückenkurse angeboten werden und rund die Hälfte der Befragten hat nach eigenen Angaben an einem Brückenkurs teilgenommen (52 % an Universitäten und 73 % an Fachhochschulen). Diese vergleichsweise hohen Teilnahmequoten ergeben sich wohl zum Teil aus den Anreiz- und Förderstrukturen seitens der Hochschulen und der Hochschulpolitik, die gerade in den Ingenieurwissenschaften eine Senkung der hohen Studienabbruchquoten zum Ziel haben (Biehler et al. 2014). Zum Teil sind sie jedoch möglicherweise auch durch den hohen Anteil an Studierenden ohne allgemeine Hochschulberechtigung, bzw. „nicht-traditionellen“ Zugangswegen in diesen Studiengängen zu erklären. Diese Studierenden bringen zum Studienbeginn häufig nicht das volle Spektrum der mathematischen Grundlagen aus der gymnasialen Oberstufe mit (Köller et al. 2004; Tieben und Knauf 2019).

Die mangelnde „Studierfähigkeit“, bzw. die Fähigkeiten, die Studienanfängerinnen und Studienanfänger zur erfolgreichen Bewältigung der Anforderungen des Studiums mitbringen (sollten), wurden in der Vergangenheit wiederholt beklagt. Insbesondere in Studiengängen der Natur- Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften sind dabei die Mathematikkompetenzen von Studienanfängerinnen und Studienanfängern in den Blick geraten (Büning 2004; Roppelt 2009; Weinhold 2014). Biehler et al. (2014) nennen Veränderungen in den Schwerpunktsetzungen der schulischen Mathematik sowie die zunehmende Heterogenität der Zugangswege zur Hochschule als zwei Hauptgründe für wachsende Diskrepanzen zwischen den vorhandenen Kenntnissen der Studierenden und den Anforderungen des Studiums. Während allerdings gerade die Mathematik-Einführungen lange im Verdacht standen, vor allem der „Auslese“ zu dienen, wurden in jüngerer Zeit beachtliche Mittel zur Verfügung gestellt, um mathematische Vor- und Brückenkurse anzubieten. Anlass für diese Aktivitäten waren unter anderem hohe Abbruchquoten in MINTFootnote 1-Fächern, die angesichts eines drohenden Fachkräftemangels in technischen Berufen nicht mehr hinnehmbar schienen (Biehler et al. 2014).

Anders als beispielsweise Tutorien oder Wiederholungskurse, die studienbegleitend angeboten werden, dienen Brückenkurse explizit vor allem der Wiederholung von Inhalten der Sekundarstufe und finden in der Regel vor dem Beginn des regulären Studiums statt oder begleiten die frühe Studieneingangsphase. Die genaue Ausgestaltung der Brückenkurse unterscheidet sich jedoch von Hochschule zu Hochschule und ist stark abhängig von den Interessen und Ressourcen der jeweiligen Fakultäten. Häufig werden Präsenzveranstaltungen in Form von Vorlesungen und Übungen in Kleingruppen mit E‑learning Modulen kombiniert (einen exemplarischen Überblick über unterschiedliche Formate liefern Bausch et al. 2014). Eine Verpflichtung zur Teilnahme an diesen Kursen ist (noch) unüblich, wenngleich einige Hochschulen bereits dazu übergegangen sind, die Fortsetzung des Studiums bereits früh an das Bestehen von Eingangstests zu knüpfen und Studierende auf Basis der Ergebnisse gegebenenfalls den Kursen zuführen. Ebenso wird vereinzelt in Einführungsveranstaltungen die Aufarbeitung von Inhalten der Schulmathematik – mit Hinweis auf die Brückenkurse, die diese Aufarbeitung zum Ziel haben – explizit ausgeklammert (Biehler et al. 2014).

2.2 Zielgruppen und Teilnahmeentscheidung

Anders als in den USA, in denen die sogenannten „remedy courses“ zum Teil für Studienanwärter mit niedrigerer Vorbildung verpflichtend sind, sind die Vor- und Brückenkurse in Deutschland in der Regel freiwillig. Die Entscheidung zur Teilnahme setzt daher nicht nur die Kenntnis über Angebote der Hochschule, sondern auch eine individuelle Motivation sowie eine Antizipation der Notwendigkeit einer Teilnahme voraus. Prinzipiell stellt sich deshalb die Frage nach den Kriterien, die Studierende bei der Entscheidung für oder gegen eine Kursteilnahme heranziehen. Wer sich für ein ingenieurwissenschaftliches Studium entscheidet, wird sich in aller Regel bewusst sein, dass mathematische Fähigkeiten im Studium eine große Rolle spielen. Die Studienanfängerinnen und Studienanfänger gehörten jedoch möglicherweise in der Schule zu den besten im Fach Mathematik und werden erst im laufenden Studium mit Anforderungen konfrontiert, die ihre Kompetenzen übersteigen. Da zusätzlich die Mathematiknoten in Deutschland nur sehr bedingt Aussagen über die tatsächliche Kompetenz zulassen, können sich Studierende auch auf diese Information zur Entscheidungsfindung nicht verlassen. Eine Einsicht in die eigenen Wissenslücken erfolgt so manchmal erst am Ende des ersten Semesters, wenn die ersten (enttäuschenden) Klausurergebnisse vorliegen (Ableitinger und Herrmann 2014). Vor diesem Hintergrund erscheint es plausibel, dass Studierende zunächst lediglich aufgrund einer sehr subjektiven Selbsteinschätzung ihre Teilnahmeentscheidung fällen. Für Studienanfängerinnen und Studienanfänger, die noch keinen Einblick in die Anforderungen des Studiums haben, kann deshalb die Unkenntnis der eigenen Defizite durchaus zu einer Entscheidung gegen die Teilnahme an Vor- und Brückenkursen führen. Voßkamp und Laging (2014) nennen eine Überschätzung der eigenen Mathematikkenntnisse als ein grundlegendes Problem bei der Nutzung von hochschulischen Angeboten zur Studienvorbereitung.

Bei einigen Studierenden kann allerdings auch statt der angestrebten Kompensation von Defiziten in den Vorkenntnissen eine besonders hohe Leistungsorientierung dazu führen, dass zusätzliche Kurse besucht werden. Weinhold (2014) diskutiert beispielsweise, dass Motivation und Leistungsbereitschaft in den Kursen stark variieren, und Langemann (2014) berichtet von Studierenden, die das „Kompaktstudium Mathematik für Ingenieurwissenschaften“ zum Teil auch nutzen, um schneller einen Studienabschluss zu erreichen. Langemann (2014) nennt die Freiwilligkeit der Teilnahme als einen Generator der durchschnittlich höheren Studienmotivation und schließlich besserer Studienergebnisse der Teilnehmenden. Pozo und Stull (2006) diskutieren weiterhin, dass gerade schwächere Studierende bei freiwilligen Übungsaufgaben weniger Anstrengungsbereitschaft zeigen, obwohl diese Gruppe bei einer gewissenhaften Ausführung der Übungsaufgaben mehr profitiert (bzw. profitieren würde), als die ohnehin leistungsstarken Kommilitoninnen und Kommilitonen.

2.3 Nutzen von Brückenkursen

Insbesondere in den USA werden an Hochschulen bereits seit langer Zeit Kurse zur StudienvorbereitungFootnote 2 angeboten, allerdings weisen Kritiker darauf hin, dass die Hochschulen damit in erheblichem Umfang Ressourcen aufwenden, um Kurse auf Sekundarstufen-Niveau anzubieten (Merisotis und Phipps 2000; Bahr 2008; Bettinger und Long 2009; Lagerlöf und Seltzer 2009). Studien, die sich mit dem Nutzen von mathematischen Brückenkurse beschäftigen, kommen zu uneinheitlichen Ergebnissen: Ballard und Johnson (2004) wenden Regressionen zur Vorhersage von Testergebnissen in einer Ökonomie-Einführung an. Obwohl die Autoren eine Reihe von Indikatoren der Studienvorbereitung und Kompetenzen in Mathematik und Englisch, sowie Geschlecht, Ethnizität und den Zeitaufwand für das Studium, Erwerbstätigkeit und extracurriculare Aktivitäten kontrollieren, hängt die Teilnahme an einem Vorkurs in Mathematik negativ mit den Testergebnissen zusammen. Douglas und Schaid (2010) zeigen, dass Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Brückenkursen häufiger „mindestens befriedigende“ Testergebnisse erreichen, als Erstsemester, die nicht an den Kursen teilgenommen haben. Pozo und Stull (2006) berichten, dass die Teilnahme an einer Mathematik-Übung zwar kurzfristig mit besseren Noten in Statistik-Klausuren (mid-term exams) zusammenhängt, nicht jedoch mit den Ergebnissen der Abschlussprüfung einer Ökonomik-Einführung. Ebenfalls auf eher kurzfristige Effekte weist die Studie von Barnett et al. (2012), in der die Teilnehmenden zwar höhere Erfolgsquoten im first-level-college-mathematics aufweisen, dieser Vorsprung nach zwei Jahren im follow-up der Studien allerdings nicht mehr nachweisbar ist.

Die hochschulischen Angebote und deren Evaluation haben im anglo-amerikanischen Hochschulsystem eine deutlich längere Tradition als in Deutschland, allerdings sind angesichts der zunehmenden Heterogenität und alarmierender Studienabbruchquoten auch hier in jüngerer Zeit hochschulische Angebote zur Studienvorbereitung in den Blick der Bildungsforscher geraten (Bausch et al. 2014; Banscherus et al. 2016). Nur wenige deutsche bzw. deutschsprachige Studien befassen sich mit Vor- oder Brückenkursen in Mathematik, und auch hier sind die Ergebnisse hinsichtlich der Effektivität der Teilnahme uneinheitlich. Einige Studien, die die Ergebnisse standardisierter Mathematiktests vor und nach der Teilnahme am Vorkurs vergleichen (Abel und Weber 2014; Haase 2014; Greefrath und Hoever 2016) zeigen, dass die Teilnahme am Vorkurs durchaus mit einer messbaren Kompetenzsteigerung zusammenhängt. Abel und Weber (2014) vergleichen allerdings aggregierte Mittelwerte und diskutieren, dass ein Vergleich auf Individualebene genauere Aussagen zulassen würde. Haase (2014) zeigt anhand der intra-individuellen Punktedifferenz zwischen zwei Testungen, dass die Mehrheit der Teilnehmenden im zweiten Test höhere Punktzahlen erreicht. Allerdings weist auch er auf methodische Schwächen seiner Studie hin: zum einen waren die Testaufgaben auf die Inhalte des Kurses abgestimmt, so dass keine Rückschlüsse über einen Kompetenzgewinn für allgemeine Studieninhalte gezogen werden können. Zum anderen schränkt die hohe Ausfallquote zwischen beiden Tests (für 205 von 394 Teilnehmenden liegen Ergebnisse für beide Testungen vor) die Aussagekraft auf die Gruppe der verbliebenen Teilnehmenden einFootnote 3. Greefrath und Hoever (2016) legen ebenfalls aggregierte Mittelwerte vor, allerdings wird hier ein Drei-Gruppen-Design angewendet (Pre-Test, Post-Test mit Teilnahme, Post-Test ohne Teilnahme). Die Autoren zeigen, dass die Nichtteilnehmenden im Post-Test etwas bessere Ergebnisse erzielen, als die Pre-Test-Gruppe, allerdings liegen für die Nichtteilnehmenden nur Ergebnisse des Post-Tests vor. Dies liefert nach den Autoren Hinweise darauf, dass der Vorkurs tatsächlich die leistungsschwächeren Studierenden erreicht. Die Teilnehmenden zeigen darüber hinaus im Post-Test bessere Ergebnisse als im Pre-Test sowie bessere Ergebnisse als die Nichtteilnehmenden. Die Leistungsvorteile setzen sich in dieser Studie bis zu den Klausuren im ersten und zweiten Semester fort. Hinsichtlich der Bewertung der Wirksamkeit zeigen sich die Autoren dennoch zurückhaltend, insbesondere wird diskutiert, wie sich die individuelle Anstrengungsbereitschaft auf die Kursteilnahme und damit indirekt auf Test- und Klausurergebnisse auswirken könnte.

Zwei Studien wenden Querschnittdesigns an. Greefrath et al. (2017) untersuchen den Zusammenhang zwischen einem Vorkurs und Klausurergebnissen nach dem ersten Semester. In den multivariaten Regressionen zeigen sich für die Kontrollvariablen (Geschlecht, Studienschwerpunkt, Mathe-Leistungskurs in der Oberstufe und das Ergebnis eines Leistungstestes zu Studienbeginn) signifikante Effekte, nicht jedoch für die Teilnahme am Vorkurs. Der Leistungstest, dessen Ergebnisse in diesen Modellen als Kontrollvariable eingeführt wurde, fand allerdings nach der Durchführung des Vorkurses statt, so dass in diesem Modell nicht von einer zielgenauen Spezifikation der Ausgangskompetenz ausgegangen werden kann. Es ist durchaus möglich ist, dass damit potentiell vorhandene Effekte des Vorkurses regelrecht „wegerklärt“ werden. Voßkamp und Laging (2014) wenden ebenfalls lineare Regressionen an und ergänzen diese durch propensity score matching. Die Analysen weisen auf positive Effekte des Vorkurses hin, allerdings diskutieren die Autoren ebenfalls „zahlreiche Problemfelder“ (S. 83), die es in Zukunft bezüglich der Datenqualität und Analysemethoden zu bearbeiten gilt. Zu nennen sind hier vor allem umfassendere begleitende Befragungen, aus denen detaillierte Informationen, beispielsweise zu Vorbildung, Motivationen oder auch zu Selbstkonzepten gewonnen werden können, die zu einer Verbesserung der Modellspezifikation führen könnten.

Die Forschung zum Nutzen der Brückenkurse hat sich bisher stark auf den Zusammenhang zwischen der Teilnahme an Brückenkursen und der Kompetenzentwicklung konzentriert. In vielen Studien wird die Kompetenz innerhalb eines Jahres nach der Teilnahme am Brückenkurs gemessen, so dass belastbare Evaluationen zur längerfristigen Wirkung der Kursteilnahme nur in wenigen Studien gewonnen werden (z. B. die oben zusammengefassten Studien von Pozo und Stull (2006) sowie Barnett et al. (2012)). Der Nutzen beschränkt sich allerdings nicht allein auf eine (kurzfristige) Verbesserung der Testergebnisse, denn das primäre Ziel der Kurse ist eine Reduktion der Studienabbruchquoten. Barnett et al. (2012) finden zwar einen positiven Zusammenhang zwischen der Teilnahme und Testergebnissen, nicht jedoch auf den Studienerfolg im allgemeinen (Persistenz und Studienfortschritt). Bei Bettinger und Long (2009) dagegen finden sich Hinweise, dass Teilnehmende etwas häufiger ihr Studium erfolgreich abschließen. In dieser Studie werden allerdings auch Studierende berücksichtigt, die nach dem Vorkurs ihr Studienfach gewechselt haben, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Vorkurs bei einigen Teilnehmenden früh Defizite bewusst macht, die zur Wahl eines weniger mathematik-haltigen Studienschwerpunktes führen. Bahr (2008) berichtet, dass erfolgreiche Brückenkursteilnehmende amerikanischer 2‑year-collegesFootnote 4 sich hinsichtlich der Abbruchhäufigkeit und der Wahrscheinlichkeit eines Übergangs an ein 4‑year-college nicht von Studierenden unterscheiden, die ohne Brückenkurs in ihr Studienprogramm eingestiegen sind (siehe auch Lesik et al. 2015). Er folgert daraus, dass Brückenkurse das Kompetenzniveau der Teilnehmenden auf das zum Studienerfolg notwendige Maß anheben. Allerdings schränkt der Autor ein, dass bereits der erfolgreiche Abschluss des Brückenkurses eine Selektionshürde darstellt und dass Brückenkurse damit möglicherweise nicht die gewünschte Defizitkompensation bei eher leistungsschwachen Studierenden erreichen, sondern in vielen Fällen ein Defizitbewusstsein produzieren oder verstärken und eine frühe Revision der individuellen Studienziele zum Ergebnis haben.

Für den deutschsprachigen Raum sind Studien über den Zusammenhang zwischen der Teilnahme an Brückenkursen und Studienabbruch nicht verfügbar, allerdings zeigen Rooch et al. (2014), wie ein mathematischer Brückenkurs für Studierende der Ingenieurwissenschaften durch das Herstellen konkreter Bezüge zu den Aufgaben und Problemstellungen im Ingenieurberuf die Einstellungen zum Fach Mathematik und damit die Studienmotivation verbessern kann.

2.4 Methodische Herangehensweisen

Die große Bandbreite an Ergebnissen der oben zusammengefassten Studien zur Wirksamkeit der Brückenkurse erscheint auf den ersten Blick erstaunlich. Besonders überraschend ist die Beobachtung, dass die Teilnahme an zusätzlichen Lernangeboten in einigen Studien sogar negativ mit dem Kompetenzzuwachs oder Studienerfolg korreliert zu sein scheint. Allerdings kann das jeweilige Design solcher Wirkungsstudien in erheblichem Zusammenhang mit den Ergebnissen stehen und nicht alle Methoden sind gleichermaßen geeignet, um die Wirkung einer Brückenkursteilnahme auf den Studienerfolg zu untersuchen.

Wie bereits oben diskutiert, ist die Teilnahme an solchen Kursen in Deutschland in der Regel freiwillig und basiert häufig auf einer Selbstevaluation der Studierenden bzw. Studienanwärter, die ihre Kompetenzen oft über- oder unterschätzen. Die Selbst-Selektion kann dabei in zwei unterschiedliche Richtungen wirken: Sind die Teilnehmenden der Kurse leistungsschwächer, als die Nichtteilnehmenden und können die Lernzuwächse durch den Kurs diese anfänglichen Unterschiede nicht oder nur zum Teil ausgleichen, wird ein Vergleich der Teilnehmenden mit den Nichtteilnehmenden einen negativen „Effekt“ des Kurses ergeben. Umgekehrt kann ein Kurs fälschlicherweise einen positiven „Effekt“ ergeben, wenn die Teilnehmenden leistungsstärker oder motivierter sind, als die Nichtteilnehmenden. Gleichermaßen können „Null-Befunde“ hinsichtlich der Wirksamkeit als Erfolg der Maßnahme interpretiert werden, wenn hinreichend sicher angenommen werden kann, dass die Teilnehmenden zuvor niedrigere Kompetenzniveaus aufgewiesen haben, als Nichtteilnehmende. In dem Fall ist von der Angleichung der Kompetenzunterschiede auszugehen, die in den meisten Maßnahmen das eigentliche Ziel ist (Bahr 2008; Goudas und Boylan 2012; Lesik et al. 2015).

Querschnittdesigns, in denen die Studienleistungen oder Kompetenzen der Teilnehmenden mit Nichtteilnehmenden nach der Durchführung von Brückenkursen bivariat verglichen werden, sind daher zur Beurteilung der Wirksamkeit der Maßnahme ungeeignet. Angesichts der Restriktionen, die sich bei der Erhebung von geeigneten Daten ergeben und der daraus resultierenden unbefriedigenden Datenlage muss allerdings häufig auf suboptimale Daten zurückgegriffen werden. So verbieten sich beispielsweise randomisierte Experimente, in denen potenzielle Teilnehmende dem Kurs zufällig zugewiesen werden, im Regelfall aus ethischen Gründen (Ausnahmen siehe Pozo und Stull 2006; Barnett et al. 2012), da so ein Teil der Personen, die Defizite aufzuarbeiten haben, vom Kurs ausgeschlossen wird.

Zur Lösung des Problems der Selbst-Selektion können unterschiedliche methodische Herangehensweisen beitragen. Ein längsschnittliches Design mit einem Pretest der Kompetenz vor dem Kurs und einem Posttest nach dem Kurs kann Rückschlüsse über den Kompetenzzuwachs liefern. Hier werden nicht Teilnehmende mit einer nicht-teilnehmenden Kontrollgruppe verglichen, sondern weitgehend standardisierte Kompetenztests derselben Person vor und nach dem Kurs. Dieses Verfahren wird häufig angewendet (z. B. Strayhorn 2006; Lagerlöf und Seltzer 2009; Abel und Weber 2014; Haase 2014), beschränkt sich jedoch sinnvollerweise auf relativ kurze Beobachtungszeiträume, da in dem Fall ausgeschlossen werden muss, dass zwischen den beiden Kompetenztestungen weitere Lernmöglichkeiten genutzt werden, die unabhängig vom Kurs auf dem Kompetenzzuwachs wirken. Für eine Untersuchung von Zusammenhängen mit dem langfristigen Studienerfolg sind diese Methoden daher nicht gut geeignet.

Für die Untersuchung des Zusammenhanges zwischen der Teilnahme an Brückenkursen und dem Studienabbruch muss also auf Verfahren zurückgegriffen werden, die eine Beobachtung zum Zeitpunkt des Studienbeginns sowie zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem gewählten Studiengang erlauben. Darüber hinaus muss die Analysemethode die Selbst-Selektion weitestgehend neutralisieren, etwa, indem relevante Variablen in multivariaten Regressionen kontrolliert werden (z. B. Ballard und Johnson 2004; Bahr 2008; Voßkamp und Laging 2014; Greefrath und Hoever 2016). In jüngerer Zeit haben sich darüber hinaus Verfahren etabliert, die eine Randomisierung simulieren, wie z. B. propensity score matching (z. B. Attewell et al. 2006; Voßkamp und Laging 2014; Lesik et al. 2015) oder Modelle, in denen Instrumentalvariablen zur Anwendung kommen (z. B. Bettinger und Long 2009). Diese haben gegenüber klassischen Regressionsverfahren den Vorteil, dass die Schätzung des Effektes der Einflussvariablen nichtparametrisch erfolgt und damit weniger (bzw. nicht) anfällig für Fehlspezifikationen sind (dazu ausführlich: Gangl 2010). Anders als Experimente, die bei einer gelungenen Randomisierung den kausalen Effekt einer Maßnahme isolieren können, arbeiten diese Modelle allerdings ebenso wie Regressionen mit beobachteten Variablen und bergen damit die Gefahr, dass relevante Einflussgrößen für eine Selektion in die Maßnahme unberücksichtigt bleiben, weil sie unbeobachtet (also im Datensatz nicht enthalten) sind (Graham 2010; Guo und Fraser 2014). Eine absolut zuverlässige Schätzung der Kausalbeziehung zwischen der Teilnahme an Brückenkursen und dem Studienerfolg ist ebenfalls von der Qualität der verwendeten Daten abhängig und deshalb auch mit diesen Methoden meist nicht möglich.

3 Zwischenfazit und Fragestellungen

Zur Bewertung der Wirksamkeit von Brückenkursen für den späteren Studienerfolg ist eine methodologisch einwandfreie Kausalanalyse in der Regel nicht realisierbar. Aus diesem Grund müssen möglichst genaue und umfangreiche Informationen zum Vorwissen und zur Motivation der Studierenden herangezogen werden, um strukturelle Unterschiede zwischen Teilnehmenden und Nichtteilnehmenden ermitteln zu können, die einen autonomen Einfluss auf die Lernfortschritte und damit den Studienerfolg haben können. In dieser Studie sollen daher in zwei Schritten die folgenden Forschungsfragen bearbeitet werden:

  1. 1.

    Wie unterscheiden sich Teilnehmende und Nichtteilnehmende an Brückenkursen der ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge deutscher Hochschulen hinsichtlich ihrer fachlichen (mathematischen) und allgemeinen Vorbereitung auf das Studium?

  2. 2.

    Welche Unterschiede im Studienerfolg, bzw. Abbruch des ingenieurwissenschaftlichen Studiums zeigen sich für Teilnehmende und Nichtteilnehmende unter Berücksichtigung der Selbstselektion in die Brückenkurse?

4 Methoden

4.1 Daten

Grundlage für die Analysen sind die Daten der Startkohorte 5 (Datarelease 11-0-0) des Nationalen Bildungspanels (NEPS) (Blossfeld et al. 2011). In dieser Erhebung werden Erstsemesterstudierende des Wintersemesters 2010/11, die in einem Bachelor‑, Master- oder Diplomstudiengang an einer staatlichen oder privaten Hochschule eingeschrieben sind, in regelmäßigen Abständen befragt. Die Befragungen finden zweimal jährlich mit jeweils rotierenden Instrumenten als CATI- oder CAWI-BefragungFootnote 5 statt.

Für die hier vorliegenden Analysen wurden Studierende ausgewählt, die im Erststudium die Ingenieurwissenschaften als Hauptfach angegeben haben. Ausgewählt wurden Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie, die an beiden Befragungen im ersten Studienjahr teilgenommen haben und für die Informationen zu den relevanten Items vollständig sind (Welle 1 CATI im Wintersemester 2010/2011 und Welle 2 CAWI im Herbst 2011). Die in dieser Arbeit herangezogenen Variablen beziehen sich entsprechend auf diese Erhebungswellen, allerdings entspricht die Datenstruktur aufgrund der Itemrotation in den Erhebungswellen einer Querschnittstudie. Da die Brückenkurse in der Regel bereits vor oder unmittelbar zu Beginn des Studiums stattfinden, wurde auf die Nutzung von Informationen aus weiteren Erhebungswellen verzichtet. Eine Ausnahme bilden die Informationen zum erfolgreichen Abschluss des Studiums, die aus den Informationen der 10. Welle (CATI-Befragung im Frühjahr/Sommer 2016) ermittelt wurden. Damit basiert die Variable „Studienabbruch“ auf den Angaben, die rund fünf Jahre nach Beginn des Erststudiums gemacht wurden.

Studierende in Fernstudiengängen und an Dualen Hochschulen sowie Studierende, die berufsbegleitend studieren, wurden aus der Stichprobe entfernt, da diese in ihrem Studierverhalten und in ihren Studienbedingungen zum Teil erheblich von Vollzeitstudierenden abweichen und damit eine zusätzliche Heterogenität produzieren, die mit den kleinen Fallzahlen nicht ausreichend abgebildet werden kann.

Ausgehend von den 17.910 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der ersten Welle ergibt sich bei den 12.273 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der zweiten Welle ein Anteil von 68 %. Aus diesen wurden die 1726 (14 %) Studierenden der Ingenieurwissenschaften ausgewählt. Bei weiteren 392 (24,3 %) Studierenden erfolgte in den späteren Erhebungswellen ein Ausfall (unit non-response), so dass für diese in Welle 10 kein Status (Abschluss oder Abbruch des Erststudiums) zugewiesen werden konnte, 53 (3,3 %) Studierende, die sich zum Befragungszeitpunkt der 10. Welle noch im Erststudium befanden, wurden aus der Stichprobe entfernt. Von den verbleibenden 1313 Studierenden wurden 327 wegen fehlender Werte aus den Analysen ausgeschlossen. Eine ImputationFootnote 6 der fehlenden Werte erfolgte nicht, da diese häufig durch abgebrochene CAWI-Befragungen produziert wurden. Dadurch sind Variablen, die die professionelle Schätzung eines Imputationsmodells ermöglichen würden, ebenfalls von item-non-response betroffen. Damit verbleiben 986 Studierende in der Analysestichprobe.

4.2 Variablen

4.2.1 Brückenkurse

Im Rahmen der CATI-Befragung (Welle 1) wurden die Respondenten zu verschiedenen Angeboten der Hochschule (z. B. Beratungsangebote, Einführungsveranstaltungen, etc.) befragt. Die Befragung erfolgte zweistufig, um zu ermitteln, ob es ein Angebot an der jeweiligen Hochschule gab und ob daran teilgenommen wurde. Rund 55 % der Befragten berichtete die Teilnahme an einem Brückenkurs zur Studienvorbereitung (Fachhochschulen: 44 %, Universitäten: 64 %). Die 45 % Nichtteilnehmer umfassen auch Respondenten, die angaben, es habe kein derartiges Angebot an ihrer Hochschule gegeben. Eine weitere Untergliederung unter Berücksichtigung der Fälle, die kein Angebot der Hochschule berichten, ist aufgrund der kleinen Fallzahl nicht möglich.

4.2.2 Studienabbruch

Der Studienabbruch, bzw. erfolgreiche Abschluss des Erststudiums wurde aus den Daten der 10. Erhebungswelle ermittelt. Diese wurden im Frühjahr/Sommer 2016 erhoben, so dass zwischen dem Beginn des Erststudiums und dem Befragungszeitpunkt gut fünf Jahre verstrichen sind. Angesichts der inzwischen üblichen Studienzeiten kann davon ausgegangen werden, dass der Großteil der Befragten auch bei erheblichen Verzögerungen im Studienverlauf innerhalb dieses Zeitraumes das Studium abgeschlossen hat. Wie bereits oben angemerkt, sind zu diesem Zeitpunkt lediglich 3,3 % der Befragten noch im Erststudium eingeschrieben. Die hier angewendete Definition des „Studienabbruchs“ bezieht sich auf das im Herbstsemester 2010/11 begonnene Erststudium. Wurde dieses nicht mit dem geplanten Abschluss beendet, gilt dies auch dann als „Studienabbruch“, wenn ein Fachwechsel erfolgte und gegebenenfalls in einem anderen Studiengang ein Abschluss erreicht wurde (zur Problematik der Definition von Studienabbrüchen siehe Tieben (2019) und Hovdhaugen (2009)). Die Abbruchquote beträgt 22 % (Fachhochschulen: 17 %, Universitäten: 25 %). Dieser Wert liegt deutlich unter der üblicherweise berichteten Schwundquote, die in der Studienanfängerkohorte 2010/11 bei etwa 32 % liegt (Heublein et al. 2017). Es ist davon auszugehen, dass die Abbruchquote in der Stichprobe entsprechend unterschätzt wird. Dies ist ein bekanntes Problem in Studien, die Abbruchquoten anhand von Panelerhebungen ermitteln, da die non-response bei Studienabbrechern in der Regel höher ist (Tieben 2016). Da allerdings die amtliche Studierendenstatistik aufgrund von Bestimmungen zum Datenschutz keine angemessene Kalibrierungsbasis darstellt, ist eine zuverlässige Gewichtung nicht möglich, so dass diese Ungenauigkeit in Kauf genommen werden muss.

4.2.3 Sozio-demographische Variablen und Bildungsweg

Jeweils eine dichotome Variable wurde gebildet für das Geschlecht (Frau = 1), die Bildung der Eltern (mindestens ein Elternteil mit Hochschulabschluss = 1) und Migrationshintergrund (Respondentin/Respondent oder mindesten 1 Elternteil nicht in Deutschland geboren = 1). Aus den Angaben zum Berufsstatus beider Eltern (ISEI-08) wurde der jeweils höchste Wert zur Codierung des elterlichen HISEI herangezogen. Die ursprüngliche Variable variiert von 11–88 und wurde durch eine lineare Transformation auf einen Wertebereich von 0–1 gestaucht. Anders als bei einer Dichotomisierung bleiben so der metrische Charakter sowie die Verteilung der Variablen bei dieser Transformation erhalten. Der Bildungsweg wurde anhand dreier Variablen operationalisiert: allgemeine Hochschulreife (ja = 1, Fachhochschulreife, fachgebundene Hochschulreife oder alternative Zugangswege = 0), eine abgeschlossene Berufsausbildung (vollqualifizierende Berufsausbildung vor dem Studium abgeschlossen = 1) und den Hochschultyp (Universität = 1, Fachhochschule = 0).

4.2.4 Studienvorbereitung

Die Selbstselektion in die Brückenkurse wurde anhand einer Reihe von Variablen überprüft, die Hinweise auf die Studienvorbereitung liefern. Da für die deutschen Hochschulen bisher kaum Erkenntnisse über Prädiktoren einer Teilnahme an Brückenkursen vorliegen (mit Ausnahme von Voßkamp und Laging (2014), die jedoch lediglich das Geschlecht und die Art der Hochschulzugangsberechtigung differenzieren), ist die Auswahl der Variablen explorativ, greift jedoch auf Überlegungen aus der Literaturschau in Abschn. 2 zurück.

Die Studienvorbereitung wurde anhand verschiedener Indikatoren gemessen. Die Studienvorbereitung in Mathematik wurde mittels eines Fragebogenitems (CAWI im Herbst 2011) erhoben. Die Befragten konnten auf einer vierstufigen Likertskala angeben, inwieweit sie die im Studium benötigten Kenntnisse und Fähigkeiten in Mathematik vor Studienbeginn erworben haben. Da dieses Item die Studienvorbereitung zum einen subjektiv und zum anderen auch rückblickend (also nach der unmittelbaren Studieneingangsphase) erfasst, wurden zusätzlich die Abiturnote sowie die letzte Halbjahresnote in Mathematik (Punktesystem, 15er Skala) erfasst. Die allgemeine Studienvorbereitung (α = 0,79) wurde aus drei Items (Meine bei Studienbeginn vorhandenen Kenntnisse reichten aus, um dem Lehrstoff des ersten Semesters/Trimesters ohne größere Schwierigkeiten folgen zu können/Ich habe festgestellt, dass mir Kenntnisse und Fähigkeiten fehlten, die im Studium vorausgesetzt wurden/Insgesamt war ich gut auf das Studium vorbereitet) generiert.

4.2.5 Selbstkonzept und Motivation

Für das akademische Selbstkonzept und studienbezogene Hilflosigkeit wurden Variablen herangezogen, die als Servicevariablen bereits in den Datensatz integriert sind (Abramson et al. 1978; Wohlkinger et al. 2011, 2016). Diese wurden aus 4 (akademisches Selbstkonzept, jeweils Angaben auf 7‑stufiger Skala: Ich halte meine Begabung für das Studium für [niedrig…hoch]/Neues zu lernen im Studium fällt mir [schwer…leicht]/Meine studienbezogenen Fähigkeiten sind [niedrig…hoch]/Aufgaben im Rahmen des Studiums fallen mir [schwer…leicht]) bzw. 3 (studienbezogene Hilflosigkeit, jeweils Zustimmung auf 5‑stufiger Likertskala: Es lohnt nicht, dass ich mich auf eine Prüfung intensiv vorbereiten, weil ich doch schlecht abschneide/Egal ob ich mich anstrenge oder nicht, meine Noten werden davon auch nicht besser/Egal ob ich mich anstrenge oder nicht, ich glaube, ich werde nie bessere Noten bekommen.) generiert.

Die Variable „Leistungsorientierung“ (α = 0,71) wurde aus 3 Items generiert (jeweils Zustimmung auf 5‑stufiger Likertskala: Mir ist es wichtig, gut im Studium zu sein/wenn es um Leistungen in meinem Studium geht, stelle ich an mich selbst höchste Ansprüche/Ich investiere sehr viel Energie, um in meinem Studium erfolgreich zu sein).

Die Variable „Studienbindung“ (α = 0,82) misst anhand von 3 Items die Freude am Studium (jeweils Zustimmung auf 5‑stufiger Likertskala: Mein Studium bereitet mir sehr viel Freude/Offen gestanden, macht mir mein Studium wenig Spaß/Ich kann mich mit meinem Studium voll identifizieren).

In Tab. 1 sind die deskriptiven Statistiken aller Variablen zusammengefasst.

Tab. 1 Deskriptive Statistiken der verwendeten Variablen

Alle hier vorgestellten Variablen wurden aufgrund des Studiendesigns erst nach der eventuellen Teilnahme an einem Brückenkurs erhoben, so dass für einige der Variablen strenggenommen weder Kausalbeziehungen noch Selektionseffekte angenommen werden dürften. Gerade bei den subjektiven Einschätzungen zur Studienvorbereitung und zum Selbstkonzept muss davon ausgegangen werden, dass sowohl die Teilnahme an einem Brückenkurs als auch die Erfahrungen der Studieneingangsphase einen erheblichen Einfluss auf die Angaben haben können, so dass retrospektive Instrumente für die Bewertung von Teilnahmeeffekten eigentlich ungeeignet sind. Allerdings sind die Variablen zum Teil zeitkonstant (Geschlecht, Bildung der Eltern, ISEI der Eltern, Migrationshintergrund, Art der Hochschulreife, abgeschlossene Berufsausbildung, Abiturnote und letzte Halbjahresnote in Mathematik) und zum Teil beziehen sich die Fragetexte der Items zum Teil explizit auf den Zustand vor dem Studium (Studienvorbereitung allgemein und Studienvorbereitung Mathematik). Während bei den Variablen akademisches Selbstkonzept, studienbezogene Hilflosigkeit und Studienbindung durchaus ein Kausaleffekt von der Teilnahme an Brückenkursen angenommen werden muss, ist bei der Leistungsorientierung denkbar, dass diese die Teilnahme begünstigt. Angesichts der aktuell dürftigen Befundlage und des Mangels an geeigneten Paneldaten liefert dieser Beitrag trotz dieser Einschränkung interessante erste (und explorative) Einblicke, die einen Ausgangspunkt für weitere Arbeiten darstellen können.

4.3 Analysestrategie

Zur Bearbeitung der ersten Forschungsfrage nach den Unterschieden in der Zusammensetzung der Gruppen der Teilnehmenden bzw. Nichtteilnehmenden kamen Mittelwertvergleiche zur Anwendung.

Zur Bearbeitung der zweiten Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Brückenkurs-Teilnahme und dem Studienabbruch wurden im ersten Schritt die (prozentualen) Abbruchquoten der Gruppen miteinander verglichen. Im zweiten Schritt wurden logistische Regressionen, jeweils getrennt für Fachhochschulen und Universitäten in drei Schritten durchgeführt. Im ersten Schritt wurde nur die Teilnahme am Brückenkurs als unabhängige Variable eingeführt, im zweiten Schritt wurden die Kontrollvariablen hinzugefügt, die zeitkonstant sind oder sich auf den Zustand vor Aufnahme des Studiums beziehen (Geschlecht, Bildung der Eltern, ISEI der Eltern, Migrationshintergrund, Art der Hochschulreife, abgeschlossene Berufsausbildung, Abiturnote und letzte Halbjahresnote in Mathematik, Studienvorbereitung allgemein und Studienvorbereitung Mathematik). Im dritten Schritt wurden die Variablen hinzugefügt, die potentiell durch die Teilnahme am Brückenkurs beeinflusst werden konnten und daher keine sicheren Rückschlüsse zu den Kausalbeziehungen erlauben.

Aufgrund der effizienteren Schätzlogik (siehe Abschn. 2.4 dieses Beitrages) wurden in jüngerer Zeit neben regressionsanalytischen Methoden auch zweistufige Verfahren zur Evaluation von Maßnahmenwirkungen herangezogen. Voßkamp und Laging (2014) sowie Lesik et al. (2015) schlagen für den spezifischen Fall der Brücken- bzw. Vorkurse in Mathematik die Anwendung von Propensity Score Matching (Rosenbaum und Rubin 1985) vor. Eine Exploration der Leistungsfähigkeit dieser Methode ergab jedoch, dass bei der hier vorliegenden Stichprobe (wahrscheinlich aufgrund der verhältnismäßig kleinen Fallzahl) durch verschiedene Matching-Algorithmen keine überzeugende Verbesserung der Vergleichbarkeit der Gruppen gelang, so dass in diesem Fall auf eine Gewichtung mittels Entropy Balancing zurückgegriffen wurde (Hainmüller 2012). Beim Entropy Balancing wird auf Basis der Kovarianzstruktur eine Gewichtung der Kontrollgruppe (Nichteilnehmende) vorgenommen, die eine nahezu exakte Balancierung der Mittelwerte der Testgruppen sicherstellt. Diese Gewichtung kann im zweiten Schritt in eine beliebige Regressionsgleichung eingefügt werden (als constraint im Schätzalgorithmus). Wir haben zu diesem Zweck eine logistische Regression eingesetzt. Die Interpretation der Koeffizienten ist analog zur konventionellen logistischen Regression, jedoch unter der Annahme, dass die Verteilungen der balancierten Variablen in der Kontrollgruppe (Nichtteilnehmende) mit denen in der Testgruppe (Teilnehmende) identisch sind. Das Verfahren bietet sich in diesem Fall besonders an, da die Stichprobe vergleichsweise klein ist und größere Datenverluste, die beim Matching entstehen können, vermieden werden. Gleichzeitig ist die Überlappung der Eigenschaften der Testgruppen durch die geringen Mittelwertunterschiede jedoch so groß, dass eine behutsame Re-Kalibrierung der Verteilungen hier zu deutlich besseren Ergebnissen führt, als ein Propensity Score Matching. Gerade bei kleinen Stichproben kann dies vorteilhaft sein, da es zu einer Verbesserung der statistischen Power der Modelle beiträgt.

5 Ergebnisse

5.1 Wer nimmt an den Brückenkursen teil?

Tab. 2 zeigt entlang der Prädiktorvariablen, wer an den Brückenkursen teilnimmt. Die Tabelle weist, getrennt für Fachhochschulen und Universitäten, die Mittelwerte der Variablen für die Teilnehmenden und Nichtteilnehmenden aus, sowie die VerzerrungFootnote 7, die sich durch Selbstselektion ergibt. Signifikante Unterschiede zwischen Teilnehmenden und Nichtteilnehmenden wurden mit Hilfe von t‑tests ermittelt. An Fachhochschulen nahmen ältere Studierende und Studierende mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung signifikant häufiger an Brückenkursen teil. Studierende, die ihre allgemeine Studienvorbereitung geringer einschätzen, nahmen ebenfalls signifikant häufiger teil. Für alle anderen Variablen ließen sich keine signifikanten Mittelwertunterschiede feststellen.

Tab. 2 Mittelwerte der Variablen und Abweichungen zwischen Teilnehmenden und Nicht-Teilnehmenden an Brückenkursen

An Universitäten scheint die Entscheidung für oder gegen einen Brückenkurs auf Basis anderer Mechanismen stattzufinden, als an Fachhochschulen: Teilnehmende an Brückenkursen stammen häufiger aus Familien mit einem niedrigen Berufsstatus der Eltern als die nicht-Teilnehmenden. Auch weisen die Teilnehmenden im Schnitt eine höhere Studienbindung und Leistungsorientierung auf. Beim Vergleich der Hochschultypen fällt auf, dass an Fachhochschulen das Kriterium für eine Selbstselektion in die Brückenkurse womöglich tatsächlich mit einer geringeren Studienleistung zusammenhängt, wenngleich es sich dabei eher um die subjektive Selbsteinschätzung handelt, als um eine faktische Leistungsschwäche. An den Universitäten hingegen, scheinen vor allem besonders ambitionierte Studierende die Brückenkurse wahrzunehmen – hier spielen offenbar weder die subjektive Selbsteinschätzung noch die Studienvorbereitung eine Rolle, so dass in diesen Brückenkursen an Universitäten möglicherweise sogar von einer Positivselektion ausgegangen werden muss.

Auffallend ist, dass weder an Fachhochschulen noch an Universitäten die Schulnoten mit der Teilnahmeentscheidung zusammenhängen. Allerdings zeigen die Mittelwertvergleiche, dass die Teilnehmenden an beiden Hochschultypen geringfügig bessere Noten im Abitur und in Mathematik hatten, als die Nicht-Teilnehmenden (wenngleich die Unterschiede nicht signifikant sind). Dies deutet darauf hin, dass die Rekrutierung für die Brückenkurse überwiegend auf freiwilliger Basis, entlang subjektiver Einschätzungen erfolgt und nicht auf Basis von Zeugnisnoten oder Eingangstests.

Abb. 1 zeigt, dass es stark auf den Hochschultyp ankommt, ob die Teilnahme am Brückenkurs mit der Abbruchhäufigkeit im Studium zusammenhängt. An Fachhochschulen ist der Unterschied in der Abbruchhäufigkeit zwischen den Gruppen mit 1,4 Prozentpunkten sehr gering ausgeprägt und nicht signifikant (Chi2 = 0,0447, p = 0,832), an Universitäten haben Brückenkursteilnehmende eine rund 7,4 Prozentpunkte höhere Erfolgsquote als Nichtteilnehmende (Chi2 = 5,2264, p = 0,022). Auffallend an dieser Darstellung ist, dass – konsistent mit früheren Forschungsergebnissen (Tieben 2016; Heublein et al. 2017) – die Abbruchquote unabhängig vom Besuch eines Brückenkurses an Fachhochschulen deutlich geringer ausfällt, als an Universitäten. Aus diesem Grund muss angenommen werden, dass Studierende an den beiden Hochschultypen grundsätzlich unterschiedliche Studienverläufe, Opportunitätsstrukturen und Entscheidungsmuster aufweisen, so dass auch die folgenden Analysen getrennt nach Hochschultyp präsentiert werden.

Abb. 1
figure 1

Abbruchhäufigkeit innerhalb von 5 Jahren nach Studienbeginn an Fachhochschulen und Universitäten bei Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an Brückenkursen (in %)

Die unterschiedlichen TeilnahmeeffekteFootnote 8 an Fachhochschulen und Universitäten können durch verschiedene Mechanismen zustande kommen. Die erste Erklärung könnte sein, dass die Brückenkurse an Fachhochschulen durch ihre inhaltliche Ausrichtung keinen Effekt auf den Studienerfolg haben oder dass die Anforderungen in den ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen an Fachhochschulen im allgemeinen besser an das Vorwissen der Studierenden anschließen und die zu überbrückenden Wissenslücken schlicht kleiner sind. Beide Erklärungen können mit den verwendeten Daten nicht überprüft werden. Eine weitere Erklärung ist, dass an den verschiedenen Hochschultypen Studierende mit unterschiedlichen Voraussetzungen oder aus unterschiedlichen Gründen an den Brückenkursen teilnehmen. Insbesondere, wenn die Gruppe der Teilnehmenden zu den eher leistungsschwächeren Studierenden gehört, kann im bivariaten Vergleich der Abbruchhäufigkeit der „Effekt“ der Teilnahme unterschätzt werden. Umgekehrt wird der „Effekt“ überschätzt, wenn die Teilnehmenden im Schnitt leistungsstärker oder motivierter sind. In Tab. 2 zeigen sich im Allgemeinen keine ausgeprägten Selektivitäten hinsichtlich der ausgewählten Variablen, die beobachtbaren Unterschiede sprechen jedoch in der Tendenz für eine Positivselektion in die Brückenkurse. Aus diesem Grund werden im Folgenden zwei Verfahren angewendet, die eine eventuelle Selektivität bezüglich der ausgewählten Merkmale berücksichtigen.

5.2 Teilnahmeeffekte nach konventioneller Schätzung mittels Logistischer Regressionen

Um in einem ersten Schritt den Zusammenhang zwischen der Teilnahme an einem Brückenkurs und einem Studienabbruch zu überprüfen, wurden logistische Regressionen angewendet. Tab. 3 zeigt die Ergebnisse in Form von Average Marginal Effects (AME). Das Modell FH1 enthält lediglich die Teilnahme am Brückenkurs für Studierende an Fachhochschulen. Der AME von 0,014 besagt, dass die Teilnahme am Brückenkurs für Fachhochschüler die Abbruchwahrscheinlichkeit um 1,4 Prozentpunkte erhöht. Dies entspricht dem bivariaten Befund aus Abb. 1. Der Zusammenhang ist sehr klein und nicht signifikant, so dass an Fachhochschulen kein Teilnahmeeffekt nachweisbar ist. Für den Effekt der Teilnahme am Brückenkurs hat die Berücksichtigung der Kontrollvariablen keine Relevanz. Insgesamt finden sich in den Modellen FH2 und FH3 nur wenige signifikante Prädiktoren für den Studienabbruch. In Modell FH2 zeigen sich signifikante Zusammenhänge zwischen der Abiturnote sowie der allgemeinen Studienvorbereitung und dem Studienabbruch. Diese Effekte verringern sich in Modell FH3 bei Kontrolle von Selbstkonzept, Hilflosigkeit, Studienbindung und Leistungsorientierung.

Tab. 3 Teilnahmeeffekte auf die Studienabbruchwahrscheinlichkeit nach konventioneller Schätzung mittels Logistischer Regression mit und ohne Berücksichtigung der Kovariaten. Nur Fachhochschulen

Das Modell UNI1 (Tab. 4) testet den Zusammenhang zwischen der Brückenkurs-Teilnahme und dem Studienabbruch an Universitäten. Hier findet sich ein deutlicher negativer Effekt – die Teilnahme ist demnach mit einem 7,4 Prozentpunkte geringeren Abbruchrisiko verbunden. Anders als an den Fachhochschulen zeigt sich an den Universitäten die Relevanz der Studienvorbereitung für das Erreichen eines Abschlusses: Für die Noten in Mathematik und die Abiturnote, sowie die fachspezifische und allgemeine Studienvorbereitung zeigen sich deutliche und signifikante Zusammenhänge mit der Abbruchwahrscheinlichkeit, die auch unter Kontrolle der subjektiven Leistungsmerkmale bestehen bleiben (Modelle UNI2 und UNI3). Im Modell UNI2, unter Berücksichtigung der Kontrollvariablen, sinkt die Differenz der Abbruchwahrscheinlichkeit auf 5,5 Prozentpunkte ab, bleibt jedoch signifikant. Die Reduktion des Koeffizienten weist, wie bereits weiter oben angemerkt, darauf hin, dass die leichte „Positivselektion“ hinsichtlich der Abitur- und Mathematiknoten zu einer Überschätzung des „Effektes“ der Brückenkurse führt. Eine weitere Reduktion zeigt sich im Modell UNI3, das auch die subjektiven Leistungsmerkmale berücksichtigt.

5.3 Teilnahmeeffekte nach Entropy Balancing der Kovariaten

Um die Robustheit der Ergebnisse bei alternativen Modellierungsstrategien zu überprüfen, wenden wir in einem weiteren Schritt das in Abschn. 5 beschriebene Entropy Balancing an. Tab. 5 zeigt, dass die Re-Kalibrierung der Mittelwerte durchweg gelungen ist: Die Mittelwerte der Test- und Kontrollgruppe sind nach Anwendung des Entropy Balancing identisch. Auf eine zusätzliche Kalibrierung weiterer Maße (z. B. der Standardabweichungen und Kurtosis) wurde verzichtet, da sich hier nach der Kalibrierung der Mittelwerte nur sehr geringe Abweichungen zeigen, die zu vernachlässigen sind. Tab. 6 zeigt die Teilnahmeeffekte nach Entropy-Balancing. Zur besseren Vergleichbarkeit der Koeffizienten mit den Ergebnissen der Logistischen Regressionen werden auch hier die Average Marginal Effects dargestellt und der zweite und dritte Modellierungsschritt mit den jeweiligen Kontrollvariablen repliziert. Für die Fachhochschulen ergibt sich erneut ein sehr geringer (1,7 bzw. 1,9 Prozentpunkte) und nicht signifikanter Teilnahmeeffekt. Für die Universitäten zeigt sich eine Verringerung der Abbruchwahrscheinlichkeit um 5,5 bzw. 4,9 Prozentpunkte bei den Teilnehmenden der Brückenkurse. Insgesamt bestätigen diese Befunde die Ergebnisse der konventionellen logistischen Regressionen, auch wenn sich aufgrund der effizienteren Schätzlogik kleinere Abweichungen der Average Marginal Effects ergeben.

Tab. 4 Teilnahmeeffekte auf die Studienabbruchwahrscheinlichkeit nach konventioneller Schätzung mittels Logistischer Regression mit und ohne Berücksichtigung der Kovariaten. Nur Universitäten
Tab. 5 Mittelwerte und Standardabweichungen der Variablen nach Entropy-Balancing
Tab. 6 Teilnahmeeffekte nach Entropy-Balancing

6 Diskussion

Dieser Beitrag hatte zum Ziel, die Teilnahme an Brückenkursen in den ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen deutscher Hochschulen zu untersuchen. Da in Deutschland die Teilnahme in der Regel freiwillig ist, stellte sich eingangs die Frage nach der Selbstselektion in diese hochschulischen Angebote sowie die Frage nach dem Nutzen der Brückenkurse bei Berücksichtigung dieser Selektion. Die Kurse richten sich erster Linie an Studierende, deren mathematisches Wissen aufgrund ihrer Zugangswege an die Hochschulen für ein erfolgreiches Studium der Ingenieurwissenschaften nicht ausreicht. Aus diesem Grund ist ein einfacher Vergleich der Abbruchquoten der Teilnehmenden mit denen der Nichtteilnehmenden nicht zielführend, da die Teilnehmenden (zumindest der Logik einer „zielgruppengerechten Rekrutierung“ folgend) in der Regel eine geringere Studienvorbereitung mitbringen, die unabhängig von der Teilnahme einen negativen Effekt auf den Studienerfolg haben sollte. Vor diesem Hintergrund wurde zunächst diskutiert, inwiefern sich die eigentlichen Adressaten von den hochschulischen Angeboten überhaupt angesprochen fühlen sollten. Als problematisch wurde vor allem die Tatsache identifiziert, dass Studierende bzw. Studienanwärter bereits vor Studienbeginn eine realistische Einschätzung ihrer mathematischen Kompetenz leisten müssten um überhaupt einen Bedarf an mathematischen Ergänzungsangeboten zu erkennen. Dies ist möglicherweise, auch aufgrund der mangelnden Vergleichbarkeit der Abiturnoten, nicht ohne Einschränkungen anzunehmen.

Die Abiturnoten und die Mathematiknote im letzten Halbjahreszeugnis spielen bei der Entscheidung für oder gegen eine Teilnahme weder an Fachhochschulen noch an Universitäten eine Rolle, während diese Variablen starke Prädiktoren für den späteren Studienabbruch sind. An Fachhochschulen ist es vielmehr die allgemeine Studienvorbereitung der Studierenden, die die Teilnahme erklärt, sowie eine vor dem Studium absolvierte Berufsausbildung. An den Universitäten erklären die soziale Herkunft, sowie Studienbindung und Leistungsorientierung die Teilnahme an Brückenkursen. Angesichts dieser Befunde treten die Herausforderungen einer „adressatengerechten“ Rekrutierung deutlich hervor: Während die Kurse in der Regel vor allem fachliche Defizite in der mathematischen Studienvorbereitung kompensieren sollen, liefert ein Vergleich der Teilnehmenden mit den nicht-Teilnehmenden keine Hinweise darauf, dass die Teilnehmenden solche Defizite tatsächlich aufweisen. Vielmehr zeigen sich sogar leichte, wenngleich statistisch nicht bedeutsame, Vorteile in der Gruppe der Teilnehmenden.

Während an Fachhochschulen die Teilnahme an einem Brückenkurs in keinem Zusammenhang mit dem Studienabbruch steht, zeigt sich für die Universitäten, dass Teilnehmende insgesamt seltener ihr Studium abbrechen. Allerdings wird der „Effekt“ des Brückenkurses bei einer rein bivariaten Evaluation leicht überschätzt, da die Teilnehmenden im Schnitt etwas leistungsstärker und motivierter sind, als die nicht-Teilnehmenden. Werden lediglich Variablen kontrolliert, die die Studienvorbereitung messen, bleibt der „Effekt“ der Teilnahme am Brückenkurs statistisch nachweisbar. Werden zusätzlich Indikatoren für Selbstkonzept und Motivation kontrolliert, haben die Teilnehmenden weiterhin eine um knapp 5 Prozentpunkte geringe Abbruchwahrscheinlichkeit, jedoch kann dieser Befund nicht statistisch abgesichert werden.

Unsere Befunde scheinen auf den ersten Blick den Nutzen von Brückenkursen in Frage zu stellen. Allerdings ist diese Studie nicht ohne methodologische Schwächen. Zum einen handelt es sich hier um eine Studierendenbefragung, die trotz ihrer Panelstruktur lediglich eine querschnittliche Bearbeitung der Forschungsfrage zulässt. Zudem wurde die Befragung bei den meisten Respondenten erst zum Ende des ersten Semesters durchgeführt, so dass sich zuverlässige Rückschlüsse auf Kausalitäten deshalb nicht ziehen lassen. Insbesondere die Angaben zur Studienbindung unterliegen sicherlich einiger Beeinflussung durch die Eindrücke der Studieneingangsphase, in der häufig der anfängliche Enthusiasmus gedämpft wird. Gleichzeitig kann die Teilnahme am Brückenkurs die Einschätzung der Studienvorbereitung, der Studienbindung oder der eigenen Mathematikkompetenz um einiges verzerrt haben. Um solche Probleme zu umgehen, wäre eine systematischere Datenerhebung von großer Bedeutung. So könnten weitere Indikatoren für den Studienerfolg hier mehr Einblicke in die Wirkmechanismen der Brückenkurse geben. Studienabbruch und Fachwechsel sind in vielen Fällen nicht die unmittelbare Folge von fachlicher Überforderung. Um hier genauere Analysen zu erhalten, müssten beispielsweise Informationen über Klausurnoten und individuelle Abbruchgründe vorliegen.

Darüber hinaus ist die Ausgestaltung der Brückenkurse sehr vielfältig, viele Hochschulen erproben derzeit noch innovative Formate und eine umfassende Evaluation oder Erkenntnisse, die eine Ableitung von „Best Practice“-Empfehlungen zulassen, liegen in vielen Fällen noch nicht vor. Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass Umfang und Qualität der Brückenkurse in der verwendeten Stichprobe stark variieren. Die Schlussfolgerung, dass Brückenkurse teuer, aber wirkungslos sind, wäre deshalb vorschnell. Bei der Evaluation verschiedener Angebote muss jedoch – und dies legen die Befunde in diesem Beitrag nahe – auch auf die Eingangsselektivität geachtet werden: Wenn die Brückenkurse vor allem hochmotivierte und ehrgeizige Studierende erreichen, die ihre Mathematikkompetenz unterschätzen, sind beeindruckende Teilnahmeeffekte vorprogrammiert, während die eigentlichen Adressaten von den Angeboten nicht erreicht werden.

Zusätzlich zu der Bereitstellung von Mitteln für ein qualitativ hochwertiges Angebot sollten die Hochschulen daher auch ihre Marketing- und Rekrutierungsstrategien auf den Prüfstand stellen: Eine praktikable Möglichkeit zur Identifikation der Risikofälle wäre beispielsweise ein verpflichtendes online-self-assessment bereits bei der Bewerbung um einen Studienplatz. Anstatt jedoch diesen als Selektionsinstrument für die Zulassung zu nutzen, könnte es in erster Linie dazu dienen, eine Zuweisung in Vor- oder Brückenkurse vorzunehmen.

Eine Frage, die dieser Beitrag aufwirft, ist, in welcher Weise die Brückenkurse jenseits von Kompetenzsteigerungen und Abbruchquoten einen individuellen oder kollektiven Nutzen generieren, der sich indirekt auf den Studienerfolg auswirkt. Zu denken wäre da an die soziale Integration oder auch, wie in dem Beitrag bereits angeklungen ist, die Studienbindung. Es erscheint durchaus plausibel, dass Studierende, denen der Eindruck vermittelt wird, mit den Herausforderungen der Studieneingangsphase weder allein dazustehen noch von der Hochschule allein gelassen zu werden, deutliche Gewinne hinsichtlich ihrer Motivation, Studienbindung sowie sozialer und akademischer Integration verzeichnen.