Leben, Arbeiten und Kommunizieren wird durch Informations- und Kommunikationstechnologien geprägt. Die Arbeit mit digitalen Werkzeugen und Medien erfasst alle Branchen. Technologisch sind die Voraussetzungen für eine weltweite Vernetzung, den direkten Zugriff auf Fachwissen und frei zugängliche Informationen vorhanden. Die Informationen in der heutigen Wissensgesellschaft sind jedoch so komplex geworden, dass ein Einzelner – trotz dem prinzipiellen Zugang zu den Informationen und zur Wissensaneignung – sie nicht überblicken kann. Um einen neuen Wachstumsschub und somit weiteren Fortschritt zu ermöglichen, sind nicht neue technologische Errungenschaften, sondern neue Formen der Vernetzung und Zusammenarbeit verschiedener Experten notwendig (Händeler 2005; Kauffeld und Sauer 2014). Wie wir künftig zusammenarbeiten werden, ist die zentrale Frage. Unerschlossene Potenziale liegen im Umgang der Menschen mit der Technik und untereinander. Entscheiden über Erfolg und Misserfolg wird, wie es uns gelingt auf einzelne Experten unabhängig von der räumlichen Verfügbarkeit zugreifen zu können, die Gelegenheit hatten, sich in die Tiefe von Sachverhalten einzuarbeiten sowie willens und fähig sind miteinander zu kooperieren und ihr (Fach-)Wissen untereinander zu teilen (Kauffeld und Sauer 2014).

Diese Entwicklungen legen eine virtuelle, standortübergreifende Zusammenarbeit nahe. Digitale Tools bieten kostengünstige, einfache und schnelle Kommunikation und lösen die Bindung an einen festen Arbeitsplatz (Akin und Rumpf 2014). Die Zusammensetzung von Teams nach fachlichen Qualifikationen statt nach räumlicher Verfügbarkeit stellt einen Wettbewerbsvorteil dar (Konradt und Hertel 2002). Es kann rund um die Uhr über Zeitzonen hinweg an Lösungen gearbeitet werden. Regional verfügbares Spezial- und Expertenwissen kann genutzt werden, um lokale Märkte zu erschließen und zu bedienen. Auf Unternehmensebene führt die Standortunabhängigkeit (auch im Fall von Tele-Heimarbeit) zu einer Kosteneinsparung, z. B. durch geringere Lohn- oder Lohnnebenkosten, Raum- und Energieeinsparungen. Darüber hinaus werden durch die Nutzung digitaler Medien Arbeitsprozesse und Ergebnisse umfassender und zudem mehr oder weniger nebenbei dokumentiert. Durch die erhöhte Flexibilität und die Möglichkeit Privat- und Berufsleben besser zu vereinbaren, ist die virtuelle Zusammenarbeit nicht nur auf Organisations-, sondern auch auf Mitarbeiterseite ein attraktives Arbeitsmodell. Arbeitsprozesse werden nicht nur im Sinne des Unternehmens, sondern für den einzelnen Mitarbeiter mit seinen individuellen und lebensphasenbezogenen Bedürfnissen gestaltet. Wissenschaftler arbeiten daran, Rahmenbedingungen für erfolgreiche virtuelle Zusammenarbeit zu identifizieren und Auswirkungen dieser Arbeitsform zu untersuchen.

Mit diesem Beitrag wollen wir einen Überblick über aktuelle Forschung zu virtueller Teamarbeit geben. Zunächst gehen wir auf Eigenschaften und Besonderheiten virtueller Teams ein. Dann beschreiben wir Herausforderungen, die die Arbeit in virtuellen Teams mit sich bringt. Zum Abschluss werden forschungsgestützte Handlungsempfehlungen und Bewältigungsstrategien aufgezeigt, um virtuelle Zusammenarbeit erfolgsversprechend zu gestalten.

1 Teams auf Distanz – über Grenzen hinweg miteinander arbeiten

Ähnlich wie traditionelle Teams (im Folgenden meist als face-to-face Teams bezeichnet) haben virtuelle Teams ein gemeinsames Ziel und einen gemeinsamen Arbeitsauftrag, gehen diese jedoch im Gegensatz zu traditionellen Arbeitsgruppen von delokalisierten und -zentralisierten Arbeitsorten aus an. Dementsprechend ist die Arbeitsgruppe der Struktur nach vorhanden. Durch ihre Aufteilung auf verschiedene Standorte arbeiten die Mitglieder orts- und teilweise auch zeitunabhängig voneinander. Sie unterliegen oft unterschiedlichen Arbeitsbedingungen (z. B. Arbeitszeitgestaltung, Arbeitsplätze), kommunizieren überwiegend computergestützt und sind vermehrt interdisziplinären, kulturellen und sprachlichen Unterschieden ausgesetzt.

1.1 Wenn mein Sitznachbar mir E‑Mails schreibt – Dimensionen der Virtualität

Bei virtueller Teamarbeit wird häufig an globale Konzerne mit über mehrere Kontinente verteilten Standorten gedacht. In der Tat nutzen multinational agierende Konzerne doppelt so häufig virtuelle Teamarbeit wie solche, die nur nationale Geschäfte tätigen (Society for Human Resource Management 2012). Doch macht die strikte Abgrenzung zwischen virtuellen und „traditionellen“ (d. h. face-to-face) Teams noch Sinn (vgl. auch z. B. Hoch und Kozlowski 2014; Mesmer-Magnus et al. 2011)? Es gibt viele hybride Formen der virtuellen Zusammenarbeit, z. B. bei Teammitgliedern, die sich zwar am selben Standort befinden, aber dennoch virtuelle Medien nutzen, um ihre Handlungen miteinander zu koordinieren. Um diese Abstufungen bzw. Variationen der mehr-oder-weniger virtuellen Teamarbeit zu berücksichtigen, spricht man auch von der Virtualität eines Teams (Kirkman und Mathieu 2005; Ortiz de Guinea et al. 2012; Schneider et al. 2015; Schneider und Liskin 2015). Kirkman und Mathieu (2005) beschreiben hierbei drei primäre, dem Konstrukt der Virtualität zugrundeliegende Dimensionen:

  1. 1.

    Nutzung virtueller Tools: Ausmaß, in dem sich Teammitglieder virtueller Tools bedienen, um Teamprozesse zu koordinieren und auszuführen,

  2. 2.

    Informationsgehalt: Informationsgehalt, den diese Tools bieten (Bspw. Skype-Konferenz enthält auch para-/nonverbale Informationen und hat damit einen höheren Gehalt als Emails),

  3. 3.

    Synchronität: Synchronität der (virtuellen) Kommunikation zwischen Teammitgliedern (in Echtzeit vs. zeitlich versetzt, z. B. in Emails).

Weitere Klassifikationen beziehen u. a. die folgenden Dimensionen ein:

  1. 4.

    Geographische Dispersion: Räumliche Verteilung der Teammitglieder, u. a. operationalisiert als Entfernung zwischen den verschiedenen Standorten, Anzahl der Standorte sowie Anteil von Teammitgliedern pro Standort (O’ Leary und Cummings 2007),

  2. 5.

    Kulturelle Unterschiede: Diversität hinsichtlich kultureller Werte, Verständnis von Status und Hierarchie, Sprachverständnis, lokale Standards, operationalisiert z. B. durch die durchschnittliche Anzahl verschiedener Nationalitäten im Team (Hoch und Kozlowski 2014),

  3. 6.

    Mobiles Arbeiten: Ausmaß, in dem die Teammitglieder andere Arbeitsorte als reguläre Büros nutzen, z. B. Heimarbeit, „Zug- bzw. Flug-Office“ bzw. sogenannte „Co-working Spaces“ (Chudoba et al. 2005) sowie,

  4. 7.

    Organisationale Diskontinuität: Unterschiede in der organisationalen Zugehörigkeit innerhalb eines Unternehmens (z. B. aus unterschiedlichen Fachbereichen) sowie interorganisational d. h. Teams mit Mitgliedern aus verschiedenen Unternehmen (Chudoba et al. 2005).

2 Virtuell – und was nun? Herausforderungen virtueller Teamarbeit

Kommunikations- und Koordinationsprobleme, die in jedem Team auftreten können, fallen bei virtuellen Teams oft besonders ins Gewicht. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass die Kommunikation über räumliche, temporale und organisationale Grenzen hinweg um einiges schwieriger und anspruchsvoller als eine von Angesicht zu Angesicht ist (Lipnack und Stamps 1998, S. 21). Im Folgenden werfen wir einen Blick auf die Herausforderungen.

2.1 Digitale Diversität – potenziert die Entfernung Unterschiede?

Virtuelle Teams werden oftmals aus Mitgliedern unterschiedlicher Fachrichtungen, Herkunftsländern oder Organisationen zusammengesetzt. Stärker noch als traditionelle Teams sind sie in ihrer Zusammensetzung heterogen. Bisherige Forschung zur Heterogenität in Arbeitsteams zeigt gemischte Ergebnisse, wenn es um die Auswirkungen auf die Teamleistung geht. In einer Meta-Analyse mit über 8700 Teams konnten Joshi und Roh (2009) zeigen, dass demographische Diversität (z. B. Geschlecht, ethnischer Hintergrund) negativ, funktionale Diversität (z. B. Funktion, Bildung, Team-/Betriebszugehörigkeit) hingegen positiv mit Leistung korrelierte. Die unterschiedlichen Befunde werden damit begründet, dass bei den verschiedenen Formen der Diversität unterschiedliche Prozesse von Bedeutung sind. Unterschiede in demographischen Attributen führen eher zu sozialer Kategorisierung – was negative Auswirkungen wie Stereotypisierung oder Inter(sub)gruppenkonflikte zur Folge haben kann. In Teams, die in Merkmalen wie z. B. ihrem fachlichen Hintergrund heterogen sind, verfügen die Teammitglieder meist über unterschiedliches Wissen. Der Pool an zur Verfügung stehenden Informationen ist größer, auch muss bei Entscheidungen oftmals stärker diskutiert werden – die vorhandenen Informationen werden tiefer verarbeitet. Derzeit stehen Forscher vor der Aufgabe, die Befunde auf virtuelle Teams zu übertragen. Die Kombination von technologischen Elementen mit verstärkter Diversität der Teammitglieder wird als besondere Herausforderung bei virtueller Zusammenarbeit gesehen (Berry 2011).

Auf der einen Seite zeigen heterogene Teams bessere Leistungen, wenn es sich dabei um virtuelle Teams handelt (Staples und Zhao 2006), da z. B. Personen mit einem mannigfaltigen Expertenwissen unabhängig von der räumlichen Verfügbarkeit hinzugezogen werden können. Die positiven Effekte der vermehrten Informationsverarbeitung können so stärker hervortreten. Zudem findet die Kommunikation in virtuellen Teams vor allem über Technologien statt und ist somit auf bestimmte Merkmale reduziert – die Möglichkeiten für soziale Kategorisierung sind eingeschränkt (Carte und Chidambaram 2004). Auf der anderen Seite ist es möglich, dass die positiven Effekte, die vor allem in funktional diversen Teams beobachtet werden, in virtuellen Teams weniger stark hervortreten. Hertel und Kollegen (Hertel et al. 2005) vermuten, dass normalerweise leistungsförderliche Faktoren, wie verstärkte Informationsverarbeitung, in virtuellen Teams aufgrund verringerter Kommunikationsmöglichkeiten nicht zu Stande kommen können.

2.2 Versteht ihr mich? – Informationen in der digitalen Kommunikation

Je unterschiedlicher Teammitglieder hinsichtlich ihres Wissens, sozio-kulturellen Hintergrundes und Umfeldes sind, desto mehr Informationen müssen ausgetauscht werden, um Missverständnissen in der Kommunikation entgegenzuwirken. Gerade um die Situation der Teammitglieder an anderen Standorten (z. B. andere Arbeitsabläufe, Arbeitszeitgestaltungen, Umgang mit E‑Mails) abschätzen zu können bedarf es erhöhter Kommunikation, da Umgebungsfaktoren leicht als selbstverständlich und allgemein übertragbar eingeschätzt werden (Cramton und Orvis 2003).

Trotz dieses gesteigerten Bedarfes lässt sich in virtuellen Teams eine verringerte Kommunikation im Vergleich zu face-to-face Teams feststellen (Bhappu et al. 1997; Andres 2012). Dies lässt sich auf den deutlich höheren Aufwand des text-basierten im Vergleich zum verbalen Informationsaustausch zurückführen. So konnte Straus (1996) zeigen, dass Gruppen, die mittels elektronischer Medien kommunizierten, durchschnittlich weniger als halb so viele Wörter wie face-to-face Gruppen austauschten. Das Auslassen wichtiger Details wird umso wahrscheinlicher, die Kommunikation wird zudem hauptsächlich auf den Austausch aufgabenbezogener Informationen reduziert. Die Vernachlässigung der Beziehungsebene beeinträchtigt wiederum die für den Teamerfolg wichtigen affektiven Variablen wie Vertrauen und Zusammenhalt.

Neben den geschilderten Herausforderungen der Informationsweitergabe werden Mitglieder virtueller Teams mit einer Informationsflut (v. a. in Bezug auf E‑Mails) konfrontiert. Für Arbeitnehmer/innen ist eine „Überflutung“ an E‑Mails ein weit verbreiteter Störfaktor. So geben 56 % der Email-Nutzer/innen an, täglich mehr als zwei Stunden für die Bearbeitung eingehender Nachrichten aufwenden zu müssen, 38 % erhalten sogar mehr als 100 E-Mails am Tag. Weiterhin ergab die Studie, dass es durchschnittlich 64 Sekunden dauere, um einen Gedankengang wieder fortzusetzen, der durch den Eingang einer Nachricht unterbrochen wurde (Observatoire sur la Responsabilité Sociétale des Entreprises 2012). Diese Zahlen verdeutlichen die Konsequenzen der oftmals ungefilterten und unstrukturierten virtuellen Informationsweitergabe über E‑Mail.

Forschung über virtuelle Teams baut maßgeblich auf der Idee auf, dass Medien verschieden „reichhaltig“ sind. Dahinter steckt die sog. „Media Richness Theory“ (MRT; Daft und Lengel 1986) die besagt, dass Medien unterschiedlich gut geeignet für die Übertragung reichhaltiger Informationen sind. Kurz gesagt: Wenn man eine E‑Mail schreibt, gehen einige Informationen (z. B. die den Inhalt begleitende Mimik und Gestik) verloren. Die MRT schlägt vor, bei reichhaltigen und mehrdeutigen Informationen, z. B. beim Kennenlernen neuer Mitglieder, face-to-face Kommunikation zu bevorzugen. Wenn es hingegen nur um die Vermittlung einfacher Informationen geht, z. B. einen Termin zu bestätigen, sind weniger reichhaltige Medien (wie E‑Mails) ausreichend. Wie Abb. 1 verdeutlicht, wäre diejenige Kombinationsmöglichkeit optimal, bei der Informationsanforderung der Aufgabe und Informationsgehalt des Mediums ähnlich groß sind. Insbesondere mit der Einführung von Web 2.0 Anwendungen gibt es mittlerweile eine Vielzahl an text-basierten und audiovisuellen Kommunikationskanälen. Diese Entwicklungen erschweren den Vergleich der computervermittelten Kommunikationsmedien und verdeutlichen den Bedarf an weitergehender Forschung (Valkenburg et al. 2016).

Abb. 1
figure 1

Kombination von Aufgabenkomplexität und Reichhaltigkeit des Kommunikationsmediums auf Basis der Media-Richness-Theory nach Daft und Lengel (1986), Abb. nach von Rosenstiel, Regnet und Domsch (1999) mit freundlicher Genehmigung vom Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart.

2.3 Zusammen auf Distanz – Zusammenhalt und Vertrauen in der virtuellen Teamarbeit

Virtuelle Teamarbeit kann die Arbeitszufriedenheit und -motivation einzelner Mitglieder durch einen höheren Grad an Eigenverantwortlichkeit und Flexibilität steigern, große Autonomie und räumliche Distanz wirken sich jedoch gleichzeitig erschwerend auf den Zusammenhalt im Team aus. Als Gruppenzusammenhalt (Kohäsion) versteht man die Summe aller Kräfte, die die Bindung an eine Gruppe bewirken (Festinger 1950). Zu diesen Kräften gehören die Attraktivität der Gruppe, der Mitglieder und der Aufgabe. Eine hohe Kohäsion im Team geht meist mit geteilten Werten (Jehn 1995) einher, welche sich wiederum förderlich auf Kommunikations- und Koordinationsprozesse auswirken. In virtuellen Teams gestaltet sich die Aufrechterhaltung der Kohäsion herausfordernder als bei face-to-face Teams. Überzeugungen und Entscheidungen, die im Team vermittelt und getroffen werden, wirken aufgrund der unpersönlicheren Natur der Kommunikation weniger bindend und werden leichter aufgegeben (Burke et al. 1995). Insgesamt weist die Kommunikation in virtuellen Teams weniger sozio-emotionale Komponenten auf (Mesmer-Magnus et al. 2011), d. h. es mangelt im Team an Wärme und der Pflege interpersoneller Beziehungen – weitere Faktoren, die den Zusammenhalt gefährden können.

2.4 Konflikte eskalieren bei virtueller Teamarbeit?

Affektive Konflikte – also solche auf Beziehungsebene – gelten allgemein als schädlich für die Leistung und Zufriedenheit (Jehn und Bendersky 2003) sowie Bindung (Neininger et al. 2010) im Team. Das Risiko dieser Art von Konflikten ist besonders bei virtuellen Teams erhöht (Hinds und Mortensen 2005; Gilson et al. 2015). Dies kann durch das Fehlen eines gemeinsamen Kontextes und Vertrautheit miteinander erklärt werden, wodurch die Vorhersehbarkeit der Handlungen anderer Teammitglieder erschwert und Konflikte begünstigt werden (Hinds und Bailey 2003). Die durch die räumliche Trennung geförderte Bildung von Subgruppen und daraus resultierende Bevorzugung von Teammitgliedern am gleichen Standort stellt eine weitere Konfliktquelle dar (Ortiz de Guinea et al. 2012). Neben einer geringen Kohäsion erhöhen Missverständnisse, z. B. aufgrund von Sprachbarrieren und mangelndem Informationsaustausch, das Konfliktpotential (Konradt und Hertel 2002). Ein weiteres Problem stellt das durch die Anonymität der computergestützten Kommunikation ungehemmtere Verhalten dar, Beleidigungen werden schneller geäußert (Martins et al. 2004). Zudem werden durch die häufige Asynchronität der Kommunikation Konflikte später entdeckt und geschlichtet (Hertel et al. 2005).

Letztendlich scheint der Zusammenhang von Virtualität und Konflikten auch eine Frage der Zeit zu sein. Ortiz de Guinea et al. (2012) konnten in ihrer Meta-Analyse auf Basis von 80 Datensätzen zeigen, dass in Teams, die über einen längeren Zeitraum zusammenarbeiteten, Konflikte bei einem steigenden Grad an Virtualität sogar reduziert wurden. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die negativen Effekte, die virtuelle Kommunikation auf Konflikte im Team hat, durch eine längere Zusammenarbeit (und damit einhergehend ein besseres Verständnis über die anderen Teammitglieder, den Kontext sowie die Reichhaltigkeit bestimmter Medien) durchaus abgeschwächt werden bzw. sogar verschwinden können.

3 Virtuell zum Erfolg – trotz Entfernung eine gemeinsame Sprache finden

Die genannten Herausforderungen müssen bewältigt werden, wenn die virtuelle Teamarbeit erfolgreich sein soll. Neben Kompetenzen, die bei Mitarbeitern und Führungskräften entwickelt werden müssen gilt es, geeignete Rahmenbedingungen für die virtuelle Zusammenarbeit zu schaffen und auf Teamentwicklung zu setzen.

3.1 Neue Anforderungen verlangen neue Kompetenzen

Die veränderten Anforderungen an räumlich-verteilt arbeitende Teams im Vergleich zu traditionellen Arbeitsgruppen erfordern eine Vielzahl an zusätzlichen Kompetenzen bei den Mitarbeitern (Berry 2011). So nahmen Hertel et al. (2006) bei der Entwicklung eines Auswahlinstrumentes für Mitglieder verteilter Teams an, dass neben den aufgaben- (z. B. Gewissenhaftigkeit) und teambezogenen (z. B. kommunikative Fähigkeiten) Kompetenzen, die auch für Mitglieder konventioneller Teams gelten, bei räumlich verteilten Teams Telekooperationskompetenzen hinzukommen. Für die Telekooperation erforderliches Wissen sowie Fähig- und Fertigkeiten lassen sich hierbei in drei Bereiche einteilen:

  1. 1.

    Selbstmanagement (z. B. Durchhaltevermögen, Selbst-/Eigenständigkeit),

  2. 2.

    Interpersonelles Vertrauen (bzw. Disposition, anderen zu vertrauen),

  3. 3.

    Interkulturelle Fähigkeiten/Fertigkeiten (Sensibilität im Umgang mit Heterogenität & kulturellen Differenzen).

Darüber hinaus ist die effektive Nutzung entsprechender Technologien für die virtuelle Kommunikation und Zusammenarbeit zentral (Duarte und Snyder 2006). Dazu gehört zum einen die entsprechende „Etiquette“ bzw. Kenntnisse über „good practice“, z. B. zu wissen, wie lang Text- oder Sprachnachrichten sein sollten, und dass man Namen und Telefonnummer dabei hinterlassen sollte. Zum anderen ist Wissen darüber nötig, welche Medien in welcher Situation angebracht sind.

3.2 E-Leadership: Kompetenzen für virtuelle Führungskräfte

Auch Führungskräfte brauchen neben einer hohen Medienkompetenz (Riethmüller et al. 2013) andere bzw. zusätzliche Kompetenzen, wenn sie ein virtuelles Team leiten wollen. Dazu gehört ein niedriges Kontrollbedürfnis bzw. eine hohe Vertrauensbereitschaft sowie eine hohe partizipative Orientierung (Herrmann et al. 2012; Konradt und Hertel 2002). Weiterhin sollten Führungskräfte über eine hohe Sensibilität hinsichtlich kultureller Unterschiede verfügen und die Bereitschaft besitzen, zwischen verschiedenen Kulturen zu vermitteln (Konradt und Hertel 2002). Dazu gehört auch ein Bewusstsein über eigene kulturelle Vorurteile bzw. darüber, wie diese das Denken und Handeln und Bezug auf die unterschiedlichen Teammitglieder beeinflussen. Die Aufgabe der Führungskraft ist es, die einzelnen sehr diversen Kompetenzträger für spezifische Fragestellungen zusammenzubringen und bei konkurrierenden Vorstellungen für eine faire Auseinandersetzung zu sorgen (vgl. Händeler 2005; Kauffeld und Sauer 2014). Bei virtuellen Teams sollten Führungskräfte ganz besonders darauf achten, dass sie klare Ansagen machen – sogenannte strukturelle Unterstützung, d. h. faire Leistungsbeurteilung, transparente Vergütung und präzise Informationen wirken besonders förderlich auf die Teamleistung (Hoch und Kozlowski 2014).

3.3 Der Rahmen muss stimmen – Organisationale Bedingungen des mobilen Arbeitens

Die Zusammenarbeit in einem virtuellen Team setzt natürlich auch eine entsprechende technische Ausstattung voraus (Schaper 2014). Neben den Hardwarekomponenten wie Laptop und Softwareprogrammen ist die Vernetzung des Computerarbeitsplatzes ein wesentliches Element. Internetanbindungen auf (mindestens) VDSL-Niveau garantieren die problemlose Durchführung von Verfahren mit hohem Datenvolumen (z. B. Videokonferenzen). Die IT sollte an die Bedarfe der Nutzer angepasst werden. Die Technologien sollten kombiniert nutzbar sein. Die Technik sollte stabil sein. Auch das Thema Datenschutz sollte in Form gesicherter Leitungen bzw. Netzwerke beachtet werden. Angemessene Arbeitsbedingungen, wie z. B. die ergonomische Gestaltung des Arbeitsplatzes, sind außerhalb des Bürogebäudes genauso wichtig und unterliegen denselben Gesetzen und Verordnungen wie in der Organisation (Richenhagen et al. 1998).

3.4 Informationsanforderung und -gehalt: Passung herstellen oder Kompensationsstrategien nutzen

Während unterschiedliche Aufgaben verschiedene Informationsanforderungen haben, lassen sich Medien bzgl. ihres Informationsgehaltes, d. h. ihrer Kapazität bestimmte Informationen zu vermitteln, differenzieren. Diese beiden Aspekte sollten entsprechend aufeinander abgestimmt sein. Da virtuelle Teammitglieder oftmals nicht auf Face-to-face-Kommunikation zurückgreifen können, ist die Passung zwischen dem Kommunikationsgehalt des Mediums (seiner „Reichhaltigkeit“) und der Komplexität der Aufgabe, die den Gegenstand der Kommunikation darstellt, gefährdet. Eine niedrige Passung zwischen Kommunikation und Medium kann durch geeignetes Kommunikationsverhalten kompensiert werden (vgl. Riethmüller und Boos 2011). Zum einen kann dies durch die Transformation von Hinweisreizen passieren. Ein nonverbaler Reiz wie z. B. ein Lächeln (welches sonst nur über reichhaltige Kanäle transportiert werden kann) kann als Smiley ausgedrückt und somit auch über ein text-basiertes Medium vermittelt werden. Zum anderen kann eine Nachricht um eine Vielzahl an Inhalten angereichert werden. Als Beispiel stelle man sich vor, einer der Teammitglieder sei über einen längeren Zeitraum nicht erreichbar, habe jedoch wichtige Informationen für die weitere Zusammenarbeit. Eine direkte Antwort auf Nachfragen ist ausgeschlossen, man kann sich hier nur auf die E‑Mail verlassen, die er vor seiner Abwesenheit schrieb. In diesem Fall ist es besonders wichtig, dass die E‑Mail so verfasst wurde, dass sie möglichst viele und genaue Informationen enthält.

3.5 Gemeinsam zum Ziel – virtuellen Teams zur erfolgreichen Zusammenarbeit entwickeln

Aufgrund der erschwerten Kommunikation und dem gesteigerten Konfliktpotenzial sollten auch bei virtuellen Teams – besonders in der Kennenlernphase – face-to-face Treffen der Teammitglieder stattfinden, um Vertrauen und Kohäsion zu stärken (Akin und Rumpf 2014). Teammeetings sind erfolgskritische Faktoren für die weitere Zusammenarbeit (Kauffeld und Lehmann-Willenbrock 2012). Ihre Auswirkungen auf Projektverlauf und -erfolg verteilt arbeitender Teams wird derzeit von Psychologen der TU Braunschweig gemeinsam mit Softwareentwicklern der LU Hannover im interdisziplinären DFG-Projekt TeamFLOW betrachtet (z. B. Schneider et al. 2015). Ist ein Face-to-face-Treffen nicht möglich, sollten andere Formen des Kennenlernens (z. B. Chat) ermöglicht werden. Zheng et al. (2002) konnten zeigen, dass – zumindest unter experimentellen Bedingungen – bereits ein Foto des Gesprächspartners beim Aufbau von Vertrauen helfen kann. Vertrauen und Kohäsion können trotz der Distanz ebenfalls aufgebaut werden, indem zu Beginn eines Projektes vorherige Erfahrungen – z. B. über einen Gruppenchat – diskutiert werden. Dies ermöglicht nicht nur die Einschätzung der Expertise der anderen Teammitglieder, sondern schafft ein Gefühl der Gemeinsamkeit aufgrund ähnlicher Erfahrungen (Salas et al. 2015). Dieser Austausch kann auch als eine Form des (präventiven) Konfliktmanagements betrachtet werden. Zum einem lernen sich die Teammitglieder besser kennen, wodurch die Wahrscheinlichkeit, Aussagen „in den falschen Hals zu kriegen“ verringert wird. Zum anderen führt das hergestellte vertrauensvollere Klima dazu, dass Missverständnisse und unterschwellige Konflikte leichter angesprochen und früher geklärt werden können (Griffith et al. 2003). Nicht nur am Anfang des Projektes, sondern auch in stressreichen Projektphasen zeigen Teammitglieder häufig ein verstärktes Bedürfnis nach face-to-face Treffen (Liskin et al. 2013), das beachtet werden sollte.

Durch die Asynchronität des Informationsaustausches in virtuellen Teams besteht die Gefahr, Konflikte zu spät zu erkennen und zu verschleppen. Es empfiehlt sich daher, die Zufriedenheit der Teammitglieder während des Projektverlaufes regelmäßig abzufragen, um rechtzeitig Online-Meetings bei drohenden Krisen einzurichten. Zudem erhöht ein regelmäßiges Feedback der Prozesse im Team nachweislich die Motivation, Zufriedenheit und Leistung in virtuellen Teams (Geister et al. 2006). Als ein Tool zur effektiven online-Erhebung der Stimmung im Team eignet sich beispielsweise das Teambarometer® (4A-Side GmbH 2015). Das Teambarometer® basiert auf der Erfassung zweier grundlegender Dimensionen: die Aktivierung einer Person (d. h. ihre Handlungsbereitschaft) sowie die Valenz ihrer Emotion (d. h. positiv oder negativ). Die Teammitglieder beantworten in individuell festgesetzten Abständen eine Frage zur Stimmung, die aggregiert als Verlaufswerte der Teamstimmung angezeigt werden können. Dies ermöglicht der Führungskraft oder dem Team, im Bedarfsfall Teamentwicklungsmaßnahmen einzuleiten.

4 Fazit: Herausforderungen meistern

Die Nutzung virtueller Zusammenarbeit stellt Mitarbeiter, Führungskräfte und Teams sowie ganze Organisationen vor neue Herausforderungen. Um diesen zu begegnen, können auf verschiedenen Ebenen Maßnahmen ergriffen werden, welche in Tab. 1 noch einmal zusammenfassend dargestellt sind.

Tab. 1 Herausforderungen virtueller Teamarbeit und Maßnahmen zur Bewältigung für verschiedene Akteure

Die stetig steigende Zahl virtueller Teams macht es unumgänglich, in diesem Bereich weiter in Forschung und in die praktische Umsetzung der Erkenntnisse zu investieren. Offensichtlich ist, dass es sich bei Virtualität längst nicht mehr um ein dichotomes Konstrukt handelt. Die Zweiteilung face-to-face vs. virtuell ist eine artifizielle. Die meisten Teams kommunizieren mehr oder weniger virtuell und es gilt, diesen individuellen Abstufungen gerecht zu werden. Die Digitalisierung der Arbeitswelt bietet mit neuen Technologien den Rahmen für virtuelle Zusammenarbeit. Wenn Unternehmen diesen zu nutzen wissen, können durch neue Arbeitsformen Synergien geschaffen und den Mitarbeitern neue Gestaltungsmöglichkeiten geboten werden. Weiterer Entwicklungsbedarf besteht selbstverständlich. Dazu gehört z. B. die benutzerfreundliche, teamadäquate Gestaltung von Kommunikationstechnologien, Kombinationsmöglichkeiten verschiedener virtueller Medien sowie weitere Strategien zur virtuellen Teamentwicklung. Die Frage, wie virtuelle Teams noch besser unterstützt werden können, gilt es in der Forschung zu adressieren.