1 Einleitung

Frauen arbeiten deutlich häufiger im Niedriglohnsektor als Männer. Besonders extrem sind die Geschlechtsunterschiede im Norden von Deutschland. So liegt der Anteil der Beschäftigten mit Niedriglohn in Schleswig-Holstein bei 18,8 % – der Anteil der Arbeitnehmerinnen aber, die niedrig entlohnt werden, erreicht 41,1 % (DGB 2012). Das liegt vor allem an den Branchen, in denen Frauen arbeiten und niedrige Löhne an der Tagesordnung sind, wie Gastronomie, Einzelhandel, Dienstleistungen und Pflege. Unabhängig von diesen Daten sind über 80 % der Teilzeitbeschäftigten Frauen (Keller et al. 2012). „Teilzeitarbeit zementiert die geschlechtliche Arbeitsteilung, führt häufig zu einem unterqualifizierten Arbeitseinsatz und verringert berufliche Entwicklungschancen“ (Ducki 2009, S. 30). Un- und angelernte Frauen sind in Deutschland stärker von Vereinbarkeitsproblemen im Alltag zwischen Erwerbsarbeit und Familie betroffen als Männer: Eine interkulturelle Studie zwischen Deutschland und Schweden mit un- und angelernten Beschäftigten zeigte, dass deutsche Un- und Angelernte mehr Konflikte zwischen Beruf und Familie erleben als schwedische Beschäftigte und dass deutsche Frauen in un- und angelernten Tätigkeiten mehr Konflikte zwischen ihrem Erwerbsleben und Familienleben wahrnehmen als die deutschen Männer in un- und angelernten Tätigkeiten. Als Ursache kann insbesondere das Geschlechtsrollenverständnis gelten, das in der deutschen Stichprobe traditioneller ausgeprägt war als in der schwedischen Stichprobe. Bei der untersuchten deutschen Stichprobe konnte eine stark ausgeprägte traditionelle Rollenverteilung zwischen Mann und Frau festgestellt werden mit entsprechend ungleich verteilter Hausarbeit (Busch et al. 2010b). Auf die Arbeitsbedingungen und die Gesundheit der Zielgruppe der Un- und Angelernten wird hier nicht detailliert eingegangen, sondern auf Busch (2009, 2011) und Clasen et al. (im selben Themenheft) sowie Vowinkel et al. (im selben Themenheft) verwiesen.

Das Thema Lebensgestaltung wird im Rahmen biografieorientierter bzw. entwicklungsregulativer Work-Life-Balance-Forschung untersucht. Sie bezieht sich bisher vor allem auf die Gruppe der Akademiker und Personen in hochqualifizierten Tätigkeiten, wie Ärzte und Psychologen (z. B. Abele 2005; Hoff et al. 2005; Hoff et al. 2003a; Hoff et al. 2003b). Work-Life Balance ist in der arbeitswissenschaftlichen Gesundheitsforschung aktuell ein hoch populäres Thema (Resch und Bamberg 2005; Staar und Bamberg 2011). Unter diesem Begriff wird Forschung betrieben, die zum einen Zusammenhänge zwischen Erwerbsarbeit und anderen Lebensbereichen, zum anderen Auswirkungen unterschiedlicher Rollen, die in den verschiedenen Lebensdomänen eingenommen werden, untersucht. Dabei werden Fragen zur Abgrenzung, zur Koordination und zur Integration verschiedener Lebensbereiche behandelt. Der Begriff Work-Life Balance ist jedoch irreführend, da es nicht um eine Balance der Arbeit zum Leben geht, sondern um eine Balance verschiedener Lebensbereiche, denn zum einen ist Arbeit ein wesentlicher Teil des Lebens, zum anderen findet auch außerhalb der Erwerbstätigkeit Arbeit statt (vgl. Ulich und Wülser 2012). Hoff et al. (2005, S. 196) schlagen vor, anstelle von Work-Life Balance vom Verhältnis der Hauptlebenssphären, des Berufs- und des Privatlebens, zu sprechen. Diesem Vorschlag folgen wir im Weiteren.

Im Rahmen der Work-Life Balance-Forschung werden Modellvorstellungen über mögliche Beziehungen zwischen Arbeitstätigkeit und dem Erleben und Verhalten im privaten Lebensbereich entwickelt (vgl. Staar und Bamberg 2011). Die Neutralitätsvorstellung geht davon aus, dass das Erleben und die Verhaltensweisen in Arbeit und Familie bzw. Freizeit nicht miteinander zusammenhängen. Diese Hypothese kann als widerlegt angesehen werden, da nicht davon auszugehen ist, dass sich ein und derselbe Mensch in verschiedenen Lebensbereichen völlig anders verhält und Situationen anders erlebt. Im Rahmen der biografieorientierten Work-Life Balance Forschung wird die Neutralitätshypothese jedoch aufgegriffen. Hier wird Segmentation als eine Lebensgestaltungsform definiert, in der die Ziele in den beiden Lebensbereichen bewusst getrennt gehalten werden (Hoff et al. 2005). Eine weitere Hypothese geht von der Kompensation der Lebensbereiche aus, bei der Erleben und Verhalten in einem Lebensbereich durch Erleben und Verhalten in dem anderen Lebensbereich ausgeglichen wird, beispielsweise wenn man Belastungs- und Entlastungsprozesse über den Tagesverlauf hinweg untersucht (z.B. Rau 1998). Die Generalisationshypothese geht davon aus, dass Erleben und Verhalten in einem Lebensbereich eine verstärkende Wirkung auf das Erleben und Verhalten in dem anderen Hauptlebensbereich hat, z. B. wenn man Stresserleben von der Erwerbsarbeit nach Hause trägt und dort gereizt und unwirsch auf jegliche Anforderung reagiert. Die Interaktionshypothese geht davon aus, dass Erleben und Verhalten in einem Lebensbereich mit dem Erleben und Verhalten im anderen Lebensbereich interagiert. Die Kongruenzhypothese besagt, dass die Gemeinsamkeiten, die Erleben und Verhalten in Beruf und Privatleben aufweisen, auf eine Drittvariable zurückzuführen sind, z. B. auf Persönlichkeitsmerkmale oder -strukturen. Diese verschiedenen Beziehungen schließen sich nicht aus, sondern können zeitgleich und zeitversetzt im Laufe der Biografie vorkommen (Hoff 1986).

Hoff et al. (2005) unterscheiden verschiedene Formen der Lebensgestaltung vor dem Hintergrund von Zielen und Zielkonflikten. Grundlegend ist die Unterscheidung von Zielen und Handlungen auf der Ebene des Alltagshandelns von denen des alltagübergreifenden Handelns, wie Projekte, mittelfristige Ziele, und von Zielen auf der Ebene des biografisch bedeutsamen Handelns. Als wichtiges Kriterium zur Unterscheidung der Lebensgestaltungsformen gilt, ob Ziele, Projekte, oder Wünsche ohne gegenseitige Störung realisiert werden können oder ob sie miteinander kollidieren. Dabei können Ziele nicht nur innerhalb jeder Handlungsebene kollidieren, sondern auch zwischen den Handlungsebenen. Zielkonflikte zwischen Lebensbereichen und Lebensabschnitten können in Integrationszielen auf verschiedenen Handlungsebenen resultieren, die mehr oder weniger gelungen sind. Eine Form der Lebensgestaltung ist die der Segmentation, d. h. Ziele werden in der Erwerbsarbeit und in der Familie unabhängig voneinander entwickelt und verfolgt. Zielkonflikte liegen nicht vor. Es wird bewusst versucht, die beiden Lebensbereiche voneinander getrennt zu halten. Auch die zeitliche Organisation ist segmentiert. Der Fokus liegt auf der Gegenwart. Vergangenheit und Zukunft werden abgetrennt voneinander betrachtet. Im Rahmen dieser Form der Lebensgestaltung kann eine Dominanz beruflicher Ziele vorliegen, auch eine Dominanz privater Ziele ist denkbar, ebenso wie eine gleichzeitige Verfolgung nicht konfligierender Ziele in beiden Lebensbereichen.

Eine andere Form der Lebensgestaltung ist die der Integration, d. h. Ziele in beiden Lebensbereichen und in der zeitlichen Perspektive werden bewusst aufeinander abgestimmt entwickelt und verfolgt. Zielkonflikte bestimmen diese Lebensgestaltung. Vier Formen werden unterschieden: Eine Integration der Ziele mit stärkeren Abstrichen bei beruflichen Zielen kann von einer Integration der Ziele mit stärkeren Abstrichen bei den privaten Zielen unterschieden werden. Dies kann retrospektiv gesehen sehr zufriedenstellend sein; Abstriche bei Zielen in beiden Bereichen sind meistens wenig erfolgreich, da eine Integration als Lebensziel nicht erkennbar wird (Hoff und Ewers 2003). Eine weitere Form der Integration stellt eine Konfliktbewältigung dar, die wenige Abstriche bei den Zielen in beiden Bereichen mit sich bringt. Hier handelt es sich um eine gelungene Integration konfligierender Ziele.

Die dritte Form der Lebensgestaltung ist die der Entgrenzung, d. h. Ziele lassen sich weder zeitlich noch inhaltlich voneinander abgrenzen. Auch hier liegen verschiedene Formen vor. Ziele eines Lebensbereiches bestimmen die Lebensgestaltung. Es kommt zu keinen Zielkonflikten. Bei der Zentrierung auf die Erwerbsarbeit wird den Zielen in diesem Bereich alles andere untergeordnet.

Die Autoren zeigten in ihren Studien mit hochqualifizierten Personen, dass sich geschlechtsspezifische Formen der Lebensgestaltung finden lassen. Eine Mehrzahl der Befragten bewerteten zwar beide Lebenssphären als gleich wichtig, aber hochqualifizierte Frauen zeigten häufiger eine Form der Integration und Balance, während Männer häufiger die Lebensgestaltungform der Segmentation mit einer Dominanz des Berufes zeigten (Hoff et al. 2005). Diese geschlechtsspezifischen Lebensgestaltungsformen konnte auch Abele (2005) bei Akademikerinnen und Akademikern feststellen, obwohl sie eine Balance erst bei Frauen mit Kindern jenseits des Kleinkindalters erkannte.

Die wenigen Studien mit Beschäftigten in geringqualifizierten Tätigkeiten zeigen vermehrte Konflikte bei Frauen, die einem traditionellen Geschlechtsrollenverständnis verpflichtet sind (Busch et al. 2010b), auch eine Generalisierung bzw. Spillover der erlebten Belastungen während der Erwerbsarbeitszeit auf das Privatleben, wie das Nachhausetragen beruflichen Ärgers und Erschöpfungszustände, die die Erledigung der Haus- und Familienarbeit erschweren (Bromet et al. 1990).

Wiese (2000) beschäftigte sich mit der Lebensgestaltung und dem Befinden junger Frauen vor dem Hintergrund gegenwärtiger und zukünftiger Zielverpflichtung und unterschied drei Formen der Lebensgestaltung: Frauen mit paralleler Zielstruktur, Frauen mit sequentiell berufs- oder familienorientierter Zielstruktur und Frauen mit monothematisch berufs- oder familienorientierter Zielstruktur. Das allgemeine Befinden war am höchsten bei Frauen mit monothematisch berufsorientierter bzw. sequentieller Zielstruktur.

Geissler und Oechsle (1996) untersuchten die Lebensplanung junger Frauen und identifizierten fünf Typen: doppelte Lebensplanung, familienzentrierte, berufszentrierte, individualisierte Lebensplanung und die Verweigerung von Lebensplanung. Frauen in prekären Arbeitsverhältnissen fanden sich vor allem im letzten Typ wieder. Frauen dieses Typs leben eher in der Gegenwart mit einem engen Zeithorizont und nehmen keine langfristigen Zukunftsplanungen vor. Ressourcen und Risiken in den Lebensbereichen werden oft verkannt und langfristige Ziele aus den Augen verloren.

Vor dem Hintergrund der dargestellten Lebensgestaltungsforschung und des arbeitspsychologischen Stress- und Ressourcenmanagementmodells (Bamberg et al. 2003) ging es in der folgenden Studie um die Lebensgestaltung un- und angelernter Frauen im mittleren Alter. Die folgenden Fragestellungen leiteten die Studie:

  1. 1.

    Welche Belastungen in der Biografie werden in welchen Lebensbereichen berichtet?

  2. 2.

    Welche Ressourcen und Bewältigungsstrategien in der Biografie werden in welchen Lebensbereichen berichtet?

  3. 3.

    Welche aktuellen Stresssituationen werden erlebt und welche Bewältigungsmöglichkeiten werden gesehen?

  4. 4.

    Welche Ziele auf der Ebene des Alltagshandelns, des alltagsübergreifenden Handelns und des biografisch bedeutsamen Handelns können identifiziert werden?

  5. 5.

    Lassen sich verschiedene und wenn ja, welche Lebensgestaltungsformen bei gering qualifizierten Frauen identifizieren?

2 Methoden

Die Studie wurde angegliedert an das ReSuM-ProjektFootnote 1 im Rahmen eines Projektseminars und einer Diplomarbeit (Suhr-Ludewig 2010) durchgeführt. Es wurden halbstrukturierte, biografische Interviews in Anlehnung an Hoff et al. (2005) und in Anlehnung an die Methode der episodischen Interviews (Flick 1995) geführt. Der Interviewleitfaden wurde auf der Grundlage der oben aufgeführten Fragestellungen entwickelt. Die Interviews wurden größtenteils mit jeweils zwei Interviewern durchgeführt und aufgenommen. Die Interviews waren zwischen 20 und 80 Minuten lang. Sie wurden vollständig transkribiert. Die Auswertung der Transkripte erfolgte nach der Methode der Typenbildung von Kelle und Kluge (1999) mit Hilfe des Softwareprogramms MAXQDA 10. Die Methode der Typenbildung sieht vier Schritte vor: die Erarbeitung relevanter Vergleichsdimensionen, die Gruppierung der Fälle und Analyse empirischer Regelmäßigkeiten, die Analyse inhaltlicher Sinnzusammenhänge und Typenbildung und die Charakterisierung der gebildeten Typen (siehe Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Stufenmodell empirisch begründeter Typenbildung. (Kelle und Kluge 1999)

Die Interraterübereinstimmung für die Kodierung der Sinneinheiten über ein Interview zeigte ein Cohen’s Kappa von .91. Dies kann als eine sehr hohe Übereinstimmung gelten (Wirtz und Caspar 2002).

3 Stichprobe

16 Frauen in un- und angelernten Tätigkeiten wurden interviewt. Sie waren im Bereich der Innenraumreinigung, Küche und Produktion sowie Versand tätig. Sie arbeiteten zwischen 20 und deutlich mehr als 40 h in der Woche mit einem Durchschnitt von 28,3 h pro Woche. Das Alter lag zwischen 35 und 62 Jahren mit einem Altersdurchschnitt von 43 Jahren. 6 bzw. 37,5 % der Frauen hatten einen Migrationshintergrund (Ghana, Griechenland, Polen, Rumänien, Russland), d. h. hatten selbst Migrationserfahrung oder mindestens ein Elternteil war nach Deutschland immigriert. 9 Frauen bzw. 56,25 % waren verheiratet; 4 Frauen bzw. 25 % lebten in einer Partnerschaft. Keinen Abschluss bzw. Förderschulabschluss hatten drei Frauen bzw. 18,75 %, 13 Frauen bzw. 81,25 % hatten eine Haupt- oder Realschule besucht. Fünf Frauen bzw. 31,25 % hatten eine Ausbildung abgeschlossen, arbeiteten aber aktuell in einer un- und angelernten Tätigkeit. Alle Frauen hatten einen unbefristeten Vertrag. 12 bzw. 75 % der Frauen arbeiteten zehn Jahre und länger im selben Betrieb.

4 Ergebnisse

Die Ergebnisdarstellung folgt den vorangegangenen fünf Fragestellungen der Untersuchung.

  1. 1.

    Welche Belastungen in der Biografie werden in welchen Lebensbereichen berichtet?

Über alle 16 Fälle zeigten sich Regelmäßigkeiten in den Arbeitsbelastungen und den privaten Belastungen in den Biografien. Im privaten Lebensbereich wurden lebenskritische Ereignisse und Dauerbelastungen berichtet. Die Belastungen im privaten Bereich wurden von allen Frauen als stärker empfunden als die im Erwerbsbereich. Einige Frauen berichteten sogar ausschließlich von Belastungen im privaten Lebensbereich. Dies waren vor allem Beziehungsprobleme, längere Krankheitsphasen der Eltern und Tod eines Elternteils. Belastungen, die die Kinder betrafen, waren vor allem Verhaltensauffälligkeiten, deren Arbeitsplatzunsicherheit und Krankheiten bzw. Unfälle. Weitere Belastungen waren Beziehungsprobleme und Trennung vom Partner. Die biografisch relevante Entscheidung, auf Kinder zu verzichten, wurde als Belastung berichtet. Weitere außerfamiliäre Belastungen waren bei den Migrantinnen vor allem die Migrationserfahrung und das frühere Leben in Armut.

Im Lebensbereich der Erwerbsarbeit konnten sechs Belastungsschwerpunkte identifiziert werden. Innerhalb des beruflichen Rahmens wurden monotone, unterfordernde Arbeitsinhalte berichtet, die zunehmend als stressend empfunden wurden 1). Die körperlichen Anforderungen, wie einseitige Belastungen, wurden im Verlauf ebenfalls vermehrt stressend empfunden 2). Ein weiterer Belastungsschwerpunkt waren die Arbeitszeiten, wie frühe Arbeitszeiten und Schichtarbeit. Sie wurden als zunehmend belastend empfunden und es wurde von Erschöpfung und Müdigkeit als Folgen berichtet 3). Die Arbeitsplatzunsicherheit wurde als Dauerbelastung berichtet, obwohl alle Befragten einen unbefristeten Arbeitsvertrag hatten und die Mehrheit mehr als zehn Jahre im selben Betrieb arbeiteten 4). Ein weiterer Belastungsschwerpunkt war Unsicherheit mangels Informationen und Beteiligung an Entscheidungen, die den eigenen Arbeitsplatz betreffen 5). Soziale Stressoren am Arbeitsplatz wurden genannt 6). Die Arbeitszeiten und die körperlichen Anforderungen stellten sich jedoch als die wichtigsten Dauerbelastungen in der Biografie dar.

  1. 2.

    Welche Ressourcen und Bewältigungsstrategien in der Biografie werden in welchen Lebensbereichen berichtet?

Bei den Ressourcen wurden aus beiden Lebensbereichen Themen genannt, ohne dass einer der Lebensbereiche stärker gewichtet wurde.

Im privaten Bereich spielte bei allen Befragten die Familie die zentrale Rolle 1), insbesondere eine gute Partnerschaft und, wenn vorhanden, gesunde Kinder. Im Laufe der Biografie wurden die positive Neubewertung von früher schwierigen Lebensphasen 2) und wachsende emotionale und finanzielle Unabhängigkeit 3) als wichtige Ressourcen genannt. Frauen, die keine Familie hatten, hoben persönliche Stärken, wie wachsende Durchsetzungsfähigkeit, als Ressource hervor. Selten wurden Ressourcen aus einer Freizeitbeschäftigung geschöpft.

Bei den Ressourcen der Erwerbsarbeit wurden mit unterschiedlicher Gewichtung vor allem Sozialkontakte 1), Einkommenssicherung 2) und Spaß bei der Ausführung der Arbeit 3) genannt. Die Gewichtung der Ressourcen im beruflichen Bereich unterschied sich stärker als die der Ressourcen im privaten Lebensbereich.

  1. 3.

    Welche aktuellen Stresssituationen werden erlebt und welche Bewältigungsmöglichkeiten werden gesehen?

Bei der Erfassung des aktuellen Stresserlebens dominierte der berufliche Bereich. Belastende Sozialkontakte bedingt durch personelle Unterbesetzung in der Arbeitsgruppe und mangelhafte Zusammenarbeit mit Kollegen sowie Ärger mit Vorgesetzten wurden genannt 1). Weitere aktuelle Belastungen waren Befürchtungen, die die Veränderungen der Arbeitssituation betreffen und Arbeitsplatzunsicherheit 2). Zu den wichtigsten aktuellen Belastungen zählte auch das steigende Arbeitsvolumen 3). Hinsichtlich der Bewältigungsmöglichkeiten wurden soziale Unterstützung im beruflichen und privaten Umfeld und planvolles, strukturiertes Problemlösen hervorgehoben.

  1. 4.

    Welche Ziele und Zielkonflikte auf der Ebene des Alltagshandelns, des alltagsübergreifenden Handelns und des biografisch bedeutsamen Handelns können identifiziert werden?

Bei allen Befragten konnte ein traditionelles Geschlechtsrollenverständnis identifiziert werden, was die Ziele und Zielkonflikte auf allen Ebenen und somit die gesamte Lebensplanung beeinflusste. Der private Lebensbereich wurde größtenteils bevorzugt, aber nicht immer konnte die Lebensgestaltung dementsprechend realisiert werden. Zielkonflikte lagen in der Biografie meist vor und wurden mit Abstrichen meist im Privatleben mit starken Koordinationsleistungen gelöst. Erwerbsarbeit und Privatleben kompensierten einander auch, allerdings diente das Privatleben häufiger der Kompensation von Belastungen in der Erwerbsarbeit als andersherum. Die meisten Frauen berichteten von einer Generalisierung der Belastungen in der Erwerbsarbeit auf den privaten Lebensbereich. Die Lebensbereiche waren zeitlich gesehen eher segmentiert, d. h. es lag bei vielen Frauen eine Gegenwartsorientierung vor. Die Koordinationsanforderungen haben mit dem Alter abgenommen. Mit dem Alter stiegen die Anteile von segmentierter Lebensgestaltung. Fast alle Frauen empfanden aktuell keine Zielkonflikte. Sie meinten, ihr Leben gut organisiert zu haben im Vergleich zu früher. Aktuelle Ziele im alltagsübergreifenden und biografisch bedeutsamen Handeln im privaten Bereich betrafen vor allem Urlaubsreisen, Gesundheit und eine verbesserte finanzielle Situation, im beruflichen Bereich vor allem Weiterbildung. Die Identität wird größtenteils aus Mutter- und Partnerschaft gezogen sowie aus der sich über die Biografie hinweg entwickelnden finanziellen und emotionalen Unabhängigkeit.

  1. 5.

    Lassen sich verschiedene und wenn ja, welche Lebensgestaltungsformen bei gering qualifizierten Frauen identifizieren?

Die Fälle wurden gruppiert und empirische Regelmäßigkeiten analysiert. Es folgte die Analyse inhaltlicher Sinnzusammenhänge und die Typenbildung. Fünf Typen der Lebensgestaltung konnten identifiziert werden (siehe Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Typenbildung

  • Typ A Integriert bei kontinuierlicher Familienorientierung (3 Fälle)

Die Frauen waren verheiratet und hatten ein Kind oder mehrere Kinder. Sie hatten relativ früh ihr erstes Kind bekommen, direkt nach der Schule bzw. der Ausbildung. Nach der Geburt der Kinder hatten die Frauen ihre Berufstätigkeit eingestellt. Nach der Erziehungszeit hatten die Frauen eine gering qualifizierte Tätigkeit aufgenommen und wiesen seitdem eine relativ kontinuierliche Erwerbstätigkeit bei dem jetzigen Arbeitgeber vor. Eine lange Betriebszugehörigkeit war kennzeichnend für die Frauen dieses Typs.

Die Frauen diesen Typs betonten die Rolle des Berufes als Einkommenssicherung und als Ausgleich für das Privatleben: Sie brauchten den Beruf, um auch mal von der Familie abzuschalten, z. B. bei Konflikten in der Familie. Die Arbeitsinhalte wurden als eher unbedeutend, die Sozialkontakte im Erwerbsleben dagegen als Ressource sehr geschätzt.

Belastungen in der Biografie fanden sich im Privatleben. Diese bezogen sich auf das familiäre Umfeld. Zur Bewältigung trug u. a. eine funktionierende Partnerschaft bei. Das Privatleben schien immer gut organisiert und unterstützend. Die Vereinbarkeit der Lebensbereiche wurde von den Frauen als relativ unproblematisch eingestuft. Sie schilderten hier insgesamt wenige Probleme.

Eine Befragte konnte keine aktuelle Stresssituation berichten. Die anderen Frauen benannten Stresssituationen aufgrund von sozialen Stressoren im Erwerbsleben. Die Identität wird bei Frauen dieses Typs aus dem privaten Bereich gezogen, wie Mutterschaft und funktionierende Partnerschaft. Weiterhin wurde aber auch die berufliche Anerkennung erwähnt. Wünsche und Ziele umfassten hauptsächlich private Vorhaben.

Typ A ist durch eine dauerhafte Handlungsorientierung auf das Privatleben gekennzeichnet. Die Frauen sahen diesen Bereich dauerhaft eindeutig als wichtiger an und organisierten ihr Erwerbsleben um das Privatleben herum. Die Frauen waren sehr zufrieden mit ihrer Lebensgestaltung.

  • Typ B Integriert bei kontinuierlicher Parallelorientierung (4 Fälle)

Frauen dieses Typs hatten sehr früh, d. h. direkt nach der Schule oder während der Ausbildung Kinder bekommen und waren teilweise kurz danach von ihrem damaligen Partner verlassen worden bzw. hatten sich getrennt. Drei der Frauen waren über einen längeren Zeitraum alleinerziehend. Die Frauen hatten beständig eine Berufstätigkeit ausgeübt. Sie hatten keine längeren erwerbslosen Zeiten in der Biografie, jedoch war ihr Erwerbsleben durch mehrere Arbeitsplatzwechsel gekennzeichnet. Die Priorität über die Biografie hinweg wurde von zwei Frauen im privaten Lebensbereich gesehen. Alle Frauen gaben berufliche Abstriche zugunsten des Privatlebens an, indem der Beruf mit reduzierter Stundenzahl ausgeübt wurde oder bei privaten Schwierigkeiten gewechselt oder zurückgestellt wurde. Gleichzeitig schilderten sie auch Abstriche im Privatleben, indem berufsbedingt weniger Zeit für die Familie bestand. Dies zeigte sich z. B. in der Vernachlässigung von Haushalt und Kinderbetreuung.

In der Erwerbsarbeit wurden als Ressourcen nicht nur die Einkommenssicherung, sondern auch Spaß am Job und die Sammlung von Erfahrungen gesehen. Diese wirkten positiv auf das Erleben und Verhalten im Privatleben. Umgekehrt wirkten sich eine funktionierende Partnerschaft und/oder gesunde Kinder günstig auf das Erleben und Verhalten im Erwerbsleben aus. Ebenfalls wichtige Ressourcen waren die zunehmende persönliche Stärke und Unabhängigkeit im Verlauf der Biografie. Es wurden positive Einflüsse vom Beruf auf das Privatleben und umgekehrt berichtet.

Belastungen in der Biografie waren hauptsächlich lebenskritische Ereignisse und Dauerbelastungen im privaten Bereich. Die Themen umfassten Trennung vom Partner, Beziehungsprobleme, allein erziehend zu sein und Krankheit der Kinder oder eine eigene Erkrankungen. Beruflich bedingte Belastungen wurden als geringer ausgeprägt berichtet und bezogen sich auf Dauerbelastungen durch Arbeitsvolumen und Arbeitszeiten sowie körperliche Anforderungen. Negativer Spillover wurde jedoch hauptsächlich vom Beruf auf das Privatleben gesehen.

Aktueller Stress wurde im Erwerbsleben durch hohes Arbeitsvolumen, hohen Zeitdruck und ungünstige Arbeitszeiten erlebt. Wünsche und Ziele wurden in beiden Lebensbereichen genannt. Privat bezogen sie sich auf die Freizeit und die Familie. Beruflich äußerten die Frauen Wünsche an eine Weiterqualifikation und einen neuen Job. Sie waren ebenso stolz auf ihre Ausbildung und Erwerbstätigkeit, wie auf ihr Privatleben. Die Frauen waren mit ihrer Lebensgestaltung zufrieden.

Insgesamt bestehen bei diesem Typ stärkere Integrationsleistungen zwischen den Lebensbereichen als bei dem Typ A. Die Frauen berichteten neben beruflichen Abstrichen auch von privaten Abstrichen. Die Frauen standen zwar Mehrfachbelastungen aus beiden Lebensbereichen gegenüber, aber organisierten diese bewusst und reflektierten ihre Situation. Vereinbarkeitsprobleme waren auf abgrenzbare Zeitabschnitte begrenzt und wurden relativ gut aktiv bewältigt. Ressourcen und die Kompensation der Lebensbereiche unterstützten die Bewältigung.

  • Typ C Segmentiert in Lebensbereichen und integriert in der Biografie durch zeitlich wechselnde Orientierung (2 Fälle)

Die Frauen dieses Typus hatten nach der Schule zunächst mehrere Jahre gearbeitet. In dieser Zeit lag der Fokus auf dem Berufsleben. Die Kinder wurden im Vergleich zu den anderen Interviewten relativ spät mit Ende 20 geboren. Ab diesem Zeitpunkt hatten die Frauen sich hauptsächlich auf das Privatleben konzentriert, so dass die Priorität vom Beruf nun auf den privaten Lebensbereich wechselte. Die Frauen hatten erst wieder angefangen zu arbeiten, als die Kinder älter waren. Seitdem führten die Frauen eine parallel ausgeglichene, segmentierte Lebensgestaltung. Hauptsächliche Veränderungen in der Lebensgestaltung waren durch die Mutterschaft und Erziehungszeiten bedingt sowie durch die Trennung vom Partner oder Verlust des Partners. Weiterhin waren durch die Erziehungszeiten auch Berufswechsel bzw. eine Unterbrechung der Berufstätigkeit aufgetreten, so dass es hier auch Diskontinuitäten im Erwerbsverlauf gibt. Die Frauen gaben ein ausgewogenes Verhältnis der Lebensbereiche an, ohne dass sie einer der Sphären eine eindeutige Priorität beimaßen.

Ressourcen lagen privat in der Unterstützung durch Familie und Freunde und im Freizeitbereich. Ressourcen der Erwerbsarbeit waren Einkommenssicherung, das soziale Umfeld und Spaß an der Tätigkeit an sich sowie persönlichkeitsfördernde Aspekte. Das Privatleben hatte für die Frauen eine ausgleichende Funktion. Auch der Beruf war teilweise ein Ausgleich für den privaten Lebensbereich.

Belastungen wurden in beiden Lebensbereichen gesehen. Privat waren diese auf den familiären Bereich konzentriert, wie Beziehungsprobleme und die Trennung oder Tod vom Partner und/oder Eltern oder umfassten Sorgen in Bezug auf die Kinder. Berufliche Belastungen waren im Vergleich geringer ausgeprägt und umfassten Probleme mit Wiedereingliederung, körperliche Anstrengung und nicht sinnstiftende Aufgabeninhalte. Die Frauen nannten keinen dauerhaften negativen Spillover von einem der Bereiche auf den anderen.

Aktuell wurde Stress im beruflichen Bereich durch die Arbeitsorganisation und Ärger mit Vorgesetzten gesehen. Die Identität wird vor allem aus dem privaten Bereich (Kinder, Unabhängigkeit) gezogen. Wünsche und Ziele umfassten private Vorhaben und eine berufliche Veränderung. Die Frauen dieses Typs waren mit der Lebensgestaltung insgesamt zufrieden.

Bei diesem Typ sind die Zielkonflikte zwischen den Lebensbereichen durch eine wechselnde Orientierung auf die Lebensbereiche vermieden worden. Die Lebensbereiche sind zwar im Querschnitt segmentiert, aber in der Biografie sind alltagsübergreifende Ziele und biografisch relevante Ziele integriert. Berufsorientierte Phasen werden von familienzentrierten Zeiten abgelöst und gehen in eine parallele segmentierte Orientierung über, die dazu führt, den Lebensbereichen ein ausgewogenes Verhältnis ohne bestimmte Priorität zuzumessen. Konflikte und Bereicherungen zwischen den Bereichen sind gering. Größere Belastungen durch stärkere Umorganisationen der Lebensgestaltung gehen aus kritischen Lebensereignissen, wie Trennung oder Tod vom Partner hervor. Die Integration von Zielen wurde im Längsschnitt gemeistert.

  • Typ D Integriert bei kontinuierlicher Berufsorientierung (4 Fälle)

Typ D kennzeichnet Frauen, bei denen die Erwerbsarbeit in der Biografie einen großen Zeitumfang eingenommen hat. Die interviewten Frauen hatten nach der Schule direkt angefangen zu arbeiten oder eine Ausbildung begonnen. Die Kinder wurden früh geboren, während der Ausbildung bzw. nach einigen Jahren Berufstätigkeit. Die Frauen hatten ohne größere Unterbrechungen weitergearbeitet. Alle Frauen hatten Tätigkeitswechsel hinter sich. Gründe hierfür lagen in Mutterschaft, Kündigung und/oder Migration.

Ressourcen fanden sich privat und beruflich durch soziale Unterstützung. Ein Ausgleich wird in beidseitiger Richtung gesehen. Die Haushaltsaufgaben wurden auch vom Partner übernommen.

Berufliche Belastungen wurden insbesondere auf die Arbeitszeiten zurückgeführt. Alle Frauen berichteten von vielen, privaten Abstrichen durch ihre Erwerbsarbeitszeiten, die sie stark belasteten. Spillover negativer Art trat dementsprechend vom Beruf auf das Privatleben durch Schichtarbeit und lange Arbeitszeiten auf. Private Belastungen fanden sich in der Familie, wie Schwierigkeiten in der Partnerschaft und Krankheiten von Kindern und Partnern. Vereinbarkeitsprobleme gab es, als die Kinder noch klein waren.

Das aktuelle Stresserleben bezog sich bei den Frauen auf verschiedene Aspekte. Beruflich waren dies Probleme in der Arbeitsorganisation und soziale Stressoren. Im privaten Lebensbereich kam es zu Belastungen durch Probleme mit den Kindern und mit Freunden. Die Identität wurde hauptsächlich aus der privaten Sphäre gezogen, v. a. durch Kinder und Partnerschaft sowie erworbenes Eigentum. Die Zufriedenheit mit der Lebensgestaltung wurde als nicht sehr hoch eingeschätzt. Die Frauen hatten zu viel Lebenszeit mit Erwerbsarbeit verbracht. Sie wünschten sich mehr Zeit für die Familie und sich selbst. Es wurde aber auch der Wunsch nach Weiterbildung geäußert.

Die Frauen dieses Typs arbeiteten in Vollzeit mit Überstunden. Es kam zu starken zeitlich bedingten Konflikten auf allen Handlungsebenen. Die Integrationsziele erschienen nicht gelungen, dementsprechend unzufrieden waren die Frauen mit ihrer Lebensgestaltung.

  • Typ E Segmentiert-entgrenzt in Biografie und Lebensbereichen (3 Fälle)

Die Frauen, die den Typ E kennzeichnen, berichteten sehr zögerlich und wenig reflektiert über ihre Lebensgestaltung. Diese wirkte stark segmentiert in Biografie und Lebensbereichen. Sie hatten keine Kinder bzw. ein Kind und waren überwiegend alleinstehend. Das Leben der Frauen war durch eine sehr frühe Aufnahme einer Berufstätigkeit gekennzeichnet: Sie mussten direkt nach der Schule bzw. währenddessen schwer arbeiten. Eine interviewte Person gab an, keine richtige Jugendzeit gehabt zu haben. Alle Frauen waren kontinuierlich erwerbstätig. Eine Frau hatte durch die Migration und deren Folgen im privaten Lebensbereich viele Tätigkeitswechsel hinter sich. Sie war in verschiedenen Branchen tätig, jedoch immer gering qualifiziert. Die Frauen nannten ein zeitlich ausgewogenes Verhältnis der Lebensbereiche oder einen zeitlichen Fokus auf die Erwerbstätigkeit.

Die Erwerbstätigkeit wurde für die Einkommenssicherung als wichtig angesehen. Weitere Ressourcen wurden nicht berichtet. Im Privatleben wurden auffällig wenige soziale Ressourcen genannt. Stattdessen sahen sie ihre Ressourcen in der Freizeitgestaltung, dem bewussten Ausruhen und in medizinischer Unterstützung.

Die Belastungen waren so stark, dass von Entgrenzung gesprochen werden kann, da die Belastungen eine aktive Lebensgestaltung behinderten. Belastungen in der Biografie umfassten die Migrationserfahrung, Armut und der frühe Eintritt ins Erwerbsleben sowie Konflikte in Partnerschaften und Trennungen. Als Bewältigungsmöglichkeiten wurden Durchsetzungsfähigkeit gegenüber anderen und ein Verleugnen von Belastungen sowie resignative Akzeptanz umschrieben. Es wurde bewusst versucht, die Lebensbereiche getrennt zu halten. Trotzdem berichteten die Frauen von stark ausgeprägten und längeren Phasen von negativem Spillover der Erwerbsarbeit auf ihr Privatleben. Insbesondere eine körperlich anstrengende Tätigkeit und lange sowie ungünstige Arbeitszeiten waren die entscheidenden Faktoren. Bei einer Frau stellte die Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz eine dauerhafte Belastung dar. Zum Teil übertrugen sich auch private Probleme auf die Erwerbsarbeit, indem sich die Frauen gedanklich mit den privaten Problemen weiterbeschäftigten, auch erschöpft fühlten und in ihrer Leistungsfähigkeit einschränkt. Die Konflikte führten zu keinen Integrationszielen.

Aktuell nannten die Frauen keine Stresssituationen, allerdings beschrieben sie die berufliche Situation als unerfreulich. Aktuelle Ziele der Frauen bezogen sich darauf, finanziell und persönlich unabhängig zu sein sowie schwierige private Situationen zu klären. Die Identität wird stark aus dem privaten Lebensbereich gezogen, wie eine im Lebensverlauf erworbene persönliche Stärke und finanzielle und emotionale Unabhängigkeit.

Diese Form der Lebensgestaltung unterscheidet sich von den anderen Formen durch eine Segmentation in Biografie und der Lebensbereiche. Die Frauen waren in der Gegenwart orientiert und reflektierten wenig vergangene oder künftige Ereignisse. Eine aktive Lebensplanung war ihnen aufgrund von Belastungen und fehlenden Ressourcen verwehrt. Sie haben zahlreiche Belastungen in ihrer Biografie erlebt. Bereicherungen zwischen den Lebensbereichen blieben dementsprechend aus. Verleugnung und resignative Akzeptanz wurden als Bewältigungsmöglichkeiten genannt. Die Frauen schienen mit ihrer Lebensgestaltung unzufrieden.

5 Zusammenfassung und Diskussion

Für die vorliegende Studie zur Lebensgestaltung un- und angelernter Frauen dienten das arbeitspsychologische Stress- und Ressourcenmanagementmodell und das Konzept der Lebensgestaltungsformen auf der Grundlage von Zielen und Zielkonflikten als theoretische Grundlagen. Die Untersuchungsmethodik war qualitativ. Es wurden halbstrukturierte, biografisch-episodische Interviews geführt und nach der Methode der Typenbildung ausgewertet. Alltagsübergreifende und biografisch wichtige Belastungen wurden über alle Fälle im privaten Lebensbereich gesehen, wie Krankheiten, Trennung und Migrationserfahrung. In der Erwerbsarbeit wirkten im Lebensverlauf dauerhaft ungünstige und lange Arbeitszeiten sowie körperliche Anforderungen als Belastungen. Die Belastungen im Erwerbsleben wurden aber als weniger wichtig empfunden. Bei den Ressourcen wurden beide Lebensbereiche ohne Gewichtung betont. Im privaten Bereich spielte bei allen Befragten mit Familie jene die zentrale Rolle. Weiterhin wurden die positive Neubewertung von früher schwierigen Lebensphasen und die zunehmende persönliche Unabhängigkeit genannt. Bei den Ressourcen der Erwerbsarbeit wurden neben der Einkommenssicherung vor allem die Sozialkontakte genannt. Die ausgleichende Funktion der Erwerbsarbeit, die von vielen Frauen benannt wurde, entspricht auch den Ergebnissen von Hoff et al. (2005) bei Hochqualifizierten.

Bei der Erfassung des aktuellen Stresserlebens dominierte der berufliche Bereich, wie soziale Stressoren bedingt durch personelle Unterbesetzung, Befürchtungen, die die Veränderungen der Arbeitssituation betreffen und Arbeitsplatzunsicherheit sowie steigendes Arbeitsvolumen. Hinsichtlich der Bewältigungsmöglichkeiten wurden soziale Unterstützung und planvolles, strukturiertes Problemlösen hervorgehoben.

Bei allen Befragten konnte ein traditionelles Geschlechtsrollenverständnis identifiziert werden. Der private Lebensbereich wurde von den Frauen bevorzugt, was insbesondere zu zeitbezogenen Konflikten führte, da alle Frauen erwerbstätig waren. Zielkonflikte lagen in der Biografie meist vor und wurden mit Abstrichen im beruflichen Bereich, zeitweise auch/oder im privaten Bereich mittels starker Koordinationsleistungen gelöst. Erwerbsarbeit und Privatleben kompensierten auch einander, allerdings diente das Privatleben häufiger der Kompensation von Belastungen in der Erwerbsarbeit als andersherum. Die meisten Frauen berichteten von negativen Spillovers der Erwerbsarbeit auf den privaten Lebensbereich. Die Koordinationsanforderungen haben mit dem Alter abgenommen und fast alle Frauen empfanden aktuell keine Zielkonflikte. Die Identität wird größtenteils aus Mutter- und Partnerschaft gezogen sowie aus der sich über die Biografie hinweg entwickelnden finanziellen und emotionalen Unabhängigkeit.

Fünf Lebensgestaltungtypen konnten identifiziert werden, die folgendermaßen idealtypisch zusammengefasst und diskutiert werden:

Frauen des integriert-familienorientierten Typs A kennzeichnet eine starke Bevorzugung und Handlungsorientierung auf die Familie. Die Erwerbstätigkeit wird beständig auf die Anforderungen der Familie abgestimmt. Sie sehen in ihrer Erwerbstätigkeit aber einen wichtigen Ausgleich zum Privatleben, der sich vor allem durch die Einkommenssicherung und Sozialkontakte, weniger durch die Arbeitsinhalte begründet. Die berichtete hohe Zufriedenheit der Frauen geht mit den Aussagen von Hoff et al. (2005) und Wiese (2000) konform, die feststellen, dass eine hohe Zufriedenheit entsteht, wenn der bevorzugten Lebenssphäre auch auf der Handlungsebene entsprochen wird.

Frauen des integriert-parallelorientierten Typs B zeigen eine geringere Favorisierung des privaten Lebensbereichs mit der Familie als Mittelpunkt im Vergleich zu Frauen des Typs A. Erwerbstätigkeit dient nicht nur der Einkommenssicherung, sondern es werden auch Spaß an der Tätigkeit, Sozialkontakte, Erwerb von Erfahrungen geschätzt. Ein weiteres Charakteristikum sind wechselnde Tätigkeiten im Verlauf der Biografie. Die Lebensbereiche beeinflussen sich stark wechselseitig. Es werden Abstriche und Bereicherungen berichtet. Insgesamt sind die Frauen auf allen Handlungsebenen reflektiert, was ihnen eine bewusste sowie vorausschauende Organisation ihres Lebens ermöglicht und zu einer gut ausgebildeten Identität führt.

Frauen des segmentiert-integrierten Typs durch zeitlich wechselnde Orientierung C halten ihre Lebensbereiche bewusst zeitlich getrennt, um eine Balance herzustellen. Hierbei nehmen sie eine zeitlich wechselnde Orientierung vor, um ihre biografisch relevanten Ziele integrieren zu können. Ressourcen werden eher im privaten Bereich gesehen. Sie sind mit ihrer Lebensgestaltung zufrieden.

Frauen des integriert-berufsorientierten Typs D sind in hohem Ausmaß erwerbstätig mit starken und zahlreichen, nicht gewünschten Abstrichen im privaten Lebensbereich, die durch eine atypische Haushaltsarbeitsteilung abgefedert werden. Die Frauen sind eher unzufrieden mit ihrer Lebensgestaltung.

Die Lebensgestaltung von Frauen des Typs E wirkt stark segmentiert in Biografie und Lebensbereichen. Eine Verweigerung von Lebensplanung haben Geissler und Oechsle (1996) beschrieben und häufig bei Frauen in prekären Beschäftigungsverhältnissen festgestellt. In den hier untersuchten Fällen scheint weniger eine aktive Verweigerung vorzuliegen, als Bedingungen, die eine aktive Lebensgestaltung schwierig machen. Die Belastungen in der Biografie sind zahlreich und lebenskritisch bei nur geringen Ressourcen, v. a. geringer sozialer Unterstützung. Es kann von einer Entgrenzung aufgrund der starken und zahlreichen Belastungen durch Migration, Armut und Partnerschaftsprobleme gesprochen werden. Die Lebensbereiche werden getrennt zu halten versucht, was nicht gelingt. Konflikte werden nicht konstruktiv gelöst. Verleugnung und resignative Akzeptanz von Stress sind dominante Bewältigungsmöglichkeiten. Die Frauen sind mit ihrer Lebensgestaltung sehr unzufrieden.

Es lassen sich demnach verschiedene Lebensgestaltungsformen identifizieren. Diese sind abhängig von den erfahrenen Belastungen und zur Verfügung stehenden Ressourcen und unterscheiden sich daher auch stark von den Lebensgestaltungsformen bei hochqualifizierten Frauen (Abele 2005; Hoff et al. 2005).

Da in dieser Studie mehrheitlich Frauen mit langjähriger Betriebszugehörigkeit und relativ sicheren Beschäftigungsverhältnissen interviewt wurden, sind die Ergebnisse sicherlich nur eingeschränkt gültig. Frauen mit längerer und aktueller Erwerbslosigkeit waren nicht einbezogen. Es waren auch nur wenige Frauen mit eigener Migrationserfahrung einbezogen. Daher sollte sich zukünftige Forschung mit un-und angelernten Beschäftigten befassen, die längere Erwerbslosigkeit erfahren haben bzw. sich in Erwerbslosigkeit befinden bzw. vermehrt eigene Migrationserfahrung aufweisen. Zudem ist einschränkend festzuhalten, dass die Fallzahl der Studie mit 16 Personen sehr gering ist.

Die Ergebnisse der Studie haben praktische Implikationen: Bei Frauen mit einer segmentiert-entgrenzten Lebensgestaltungsform ist die Aufarbeitung vergangener Belastungen wichtig, damit eine aktive Lebensgestaltung gelingen kann. Erst das vorausschauende Setzen und Verfolgen von Zielen sowie eine bewusste Abstimmung der in den Lebensbereichen bestehenden und sich entwickelnden Ziele führen zu einer gelungenen Lebensgestaltung und Zufriedenheit. Dies kann für Interventionsansätze genutzt werden. Im ReSuM-Konzept, einer Ressourcen- und Stressmanagementintervention für Un- und Angelernte, wird das Setzen und Verfolgen von Zielen in verschiedenen Lebensbereichen und ihre Integration behandelt (Busch et al. 2009). In der Studie schilderten viele Frauen Zeitkonflikte zwischen den Lebenssphären. Hier können betriebliche Interventionen ansetzen, die Lage und Dauer der Arbeitszeit zu flexibilisieren. Eine Interviewpartnerin nannte die flexiblen Arbeitszeiten, die ihr der Betrieb anbietet, als wichtige Ressource, um ihr Erwerbsleben mit ihrem Familienleben vereinbaren zu können. Weiterhin wurde die große Bedeutung sozialer Kontakte am Arbeitsplatz und im privaten Lebensbereich in der Studie aufgezeigt. Hier sollten Interventionen ansetzen: Im ReSuM-Konzept wird eine Teamintervention u. a. zur Stärkung der sozialen Ressourcen im Team, wie der sozialen Unterstützung im Team und der aufgabenbezogenen Gruppenkohäsion durchgeführt (Busch et al. 2009). Im ReSuDi-Konzept, einer Ressourcen- und Stressmanagementintervention für un- und angelernte Belegschaften mit hoher kultureller Diversität, werden freiwillige, gewählte un- und angelernte Beschäftigte zu Peer-Mentoren ausgebildet, die u. a. die Sozialkontakte am Arbeitsplatz fördern sollen (Busch et al. 2010a).