Die Schaffung und Aufrechterhaltung eines freien Atemwegs ist eine der zentralen Aufgaben in der prähospitalen und innerklinischen Notfallmedizin. Zweifelsohne sind das Atemwegsmanagement und damit die Sicherstellung der Oxygenierung und Ventilation beim Patienten im Atemstillstand lebensrettend.

Neben dem Atemstillstand konnte auch für andere Indikationen gezeigt werden, dass Patienten von einer frühen prähospitalen Atemwegssicherung profitieren: So konnten Davis et al. [1] in einer retrospektiven Registerstudie an einem Kollektiv mit 9018 Patienten mit relevantem Schädel-Hirn-Trauma (Abbreviated Injury Scale ≥ 3) ein signifikant besseres tatsächliches Überleben für bereits prähospital intubierte und normokapnisch ventilierte Patienten nachweisen als es gemäß einer Risikoanalyse auf dem Boden des Trauma and Injury Severity Score (TRISS) erwartet wurde. Entsprechend bestätigen auch Mayglothling et al. [2] in einer US-amerikanischen Handlungsempfehlung für die Traumaversorgung, dass ein verzögertes Atemwegsmanagement mit einer Gefährdung für den Patienten (z. B. durch Hypoxie oder Aspiration) assoziiert sein kann. Weitere Studien zeigen, dass ein insuffizientes Atemwegsmanagement (auch beim nichttraumatologischen Patienten) mit schweren und ggf. sogar tödlichen Komplikationen einhergehen kann [35]. Besonders tragisch sind mit einem entsprechenden Atemwegsmanagement assoziierte Komplikationen, wenn diese bei einem zuvor suffizient spontanatmenden Patienten nach Einleitung einer Notfallnarkose auftreten [69].

Die endotracheale Intubation ist trotz aller Entwicklungen von alternativen (speziell den supraglottischen) Atemwegshilfsmitteln in den letzten Jahren nach wie vor der Goldstandard zur Atemwegssicherung beim Notfallpatienten, kann sich aber in Notfallsituationen auch für erfahrene Anwender unerwartet schwierig gestalten [1012]. Aus der Literatur ist bekannt, dass wiederholte Intubationsversuche zu enoralen, pharyngealen und laryngealen Verletzungen, Blutungen oder Schleimhautschwellungen, aber auch zu relevanten Abfällen der arteriellen Sauerstoffsättigung führen können [1317]. Jeder weitere Intubationsversuch wird durch die zuvor hervorgerufenen Schädigungen im Rahmen der Intubationsmanöver unweigerlich noch schwieriger [13]. Nationale und internationale Empfehlungen limitieren daher sowohl innerhalb als auch außerhalb des Operationssaals und somit auch in der prähospitalen und frühen innerklinischen Notfallversorgung die maximale Anzahl der endotrachealen Intubationsversuche in Abhängigkeit vom Erfahrungslevel der Anwender meist auf 2 (– 3) [18, 19].

Einfluss mehrfacher Intubationsversuche auf die Komplikationsrate

Zahlreiche Studien haben einen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Intubationsversuche und der Komplikationsrate untersucht (Tab. 1; [2027]). Mehrfache Intubationsversuche gelten dabei nachweislich als unabhängiger Risikofaktor für eine erhöhte Morbidität und Mortalität: Drei dieser Studien wiesen bei 3 oder mehr Versuchen der endotrachealen Intubation eine Zunahme der Komplikationsrate um den Faktor 6,7 (n = 2284; [21]), 4,7 (n = 1903; [22]) bzw. 4,5 (n = 2616; [23]) nach. In einer vierten Studie (n = 1828) in einer Notaufnahme kam es im Rahmen des ersten Intubationsversuchs in 14 % zu einer Komplikation (z. B. Desaturierung, Fehlintubation, Aspiration, Zahnschaden oder Hypotonie). Zudem war beim zweiten und dritten Intubationsversuch ein sprunghafter Anstieg der Komplikationsrate um den Faktor 7,5 zu beobachten [20]. Eine monozentrische Beobachtungsstudie mit insgesamt 2833 Patienten wies bei mehrfachen Intubationsversuchen einen nahezu 10-fachen Anstieg der Gefahr einer Hypoxämie, einer ösophagealen Fehlintubation, einer Aspiration oder eines Herzkreislaufstillstands nach [24]. Mehrfache endotracheale Intubationsversuche im Rahmen der kardiopulmonalen Reanimation waren in der Analyse eines Notaufnahmeregisters mit einer deutlich geringeren Chance für die Wiederherstellung eines Spontankreislaufs (return of spontaneous circulation, ROSC) assoziiert: ROSC-Rate von 60 %, wenn der erste Intubationsversuch erfolgreich war, im Vergleich zu 43 % bei mehrfachen Intubationsversuchen (p = 0,006) [26].

Tab. 1 Einfluss mehrfacher Intubationsversuche auf Komplikationen und Risiken im Rahmen des Atemwegsmanagements

Zudem sinkt die Chance einer erfolgreichen endotrachealen Intubation mit jedem weiteren Versuch trotz optimierter Bedingungen (z. B. Einsatz von Muskelrelaxanzien, Intubationsversuch durch einen erfahrenen Anwender oder Einsatz einer alternativen Atemwegshilfe): Erfolgsrate nach erstem, zweitem und ≥ drittem gescheiterten Versuch: 81 %, 71 % und 67 % (p < 0,001) [28]. Die Auswertung von Schadensfällen nach schwierigem Atemwegsmanagement in Großbritannien (Close Claim Analysis) legt zudem nahe, dass auch die Chance, einen supraglottischen Atemweg erfolgreich zu platzieren, mit jedem vorausgegangenen Intubationsversuch sinkt [29]. Der Grund hierfür könnte vermutlich in einer zunehmenden Weichteilschwellung oder Blutungen im Bereich des Pharynx nach Anwendung von supraglottischen Atemwegen liegen [8]. Ein weiterer möglicher Grund ist zunehmender Stress in dieser Notfallsituation für Anwender, die im Umgang mit supraglottischen Atemwegen keine Routine haben.

Aus diesen Erkenntnissen leitet sich als Forderung für eine möglichst hohe Patientensicherheit in der Notfallmedizin mit niedriger Komplikationsrate und letztendlich Vermeidung von „Atemwegskatastrophen“ ab, dass ein möglichst hoher First-Pass Success (FPS) für die Atemwegssicherung erzielt werden muss [14]. Dies muss in ein Konzept eingebettet werden, das sogar unter Zeitdruck bei vitalgefährdeten, hypoxischen, kreislaufinstabilen und aspirationsgefährdeten Patienten gelingt.

Daraus ergibt sich folgende zentrale Frage: Wie lässt sich ein möglichst hoher FPS für die endotracheale Intubation in der Atemwegssicherung bei Notfallpatienten erreichen?

Optimierung des First-Pass Success

Eine wesentliche Voraussetzung für einen hohen FPS besteht darin, standardisierte und optimale Bedingungen für den ersten Intubationsversuch zu schaffen. Um das zu erreichen, kann Folgendes gefordert werden:

  • gute Ausbildung und Routine der Anwender durch häufiges Training,

  • möglichst optimale Patientenlagerung auch im prähospitalen Umfeld,

  • standardisierte Narkoseeinleitung unter Einsatz von Muskelrelaxanzien,

  • Einsatz eines Videolaryngoskops bereits beim ersten Intubationsversuch.

Ausbildung und Training

Eine Studie zur prähospitalen endotrachealen Intubation durch Notärzte auf einem Rettungshubschrauber in London zeigte, dass die Routineerfahrung im Atemwegsmanagement für den FPS besonders wichtig ist. Durch eine mindestens 6‑monatige anästhesiologische Ausbildung der Notärzte ließ sich ein deutlich höherer FPS erzielen (71 % bei weniger als 6 Monaten Anästhesieerfahrung, 88 % bei mehr als 6 Monaten, Odds Ratio [OR]: 3,06, 95 %-Konfidenzintervall [KI]: 1,38–6,78, p = 0,005; [30]). Für nichtärztliches Rettungsdienstfachpersonal (Paramedics) mit einer Vorerfahrung von im Median 10 Intubationen konnte mit jeder weiteren erfolgreichen endotrachealen Intubation die Wahrscheinlichkeit für einen Intubationserfolg um den Faktor (OR) 1,10 (95 %-KI: 1,03–1,17, p = 0,006) erhöht werden. Die Chance für einen FPS stieg in dieser Untersuchung mit jeder weiteren erfolgreichen Intubation um den Faktor (OR) 1,06 (95 %-KI: 1,01–1,09, p = 0,009; [31]).

Die Lernkurve bei der endotrachealen Intubation durch Assistenzärzte im ersten Weiterbildungsjahr in der Anästhesiologie stabilisierte sich erst nach mehr als 150 endotrachealen Intubationen mit einem Intubationserfolg im ersten Versuch von 85 % und bei allen Versuchen von 95 % [32]. Ähnliche Ergebnisse an kleineren Fallzahlen, ebenfalls im Rahmen von streng überwachten Narkoseeinleitungen bei Elektiveingriffen im Operationssaal, zeigte die Untersuchung von Schüpfer et al. [33] (95 %ige Erfolgsrate nach mehr als 100 Intubationen). Grissom et al. [34] beschrieben in einer prospektiven Beobachtungsstudie, dass der FPS für nichtanästhesiologisch ausgebildete Ärzte durch eine vierwöchige Hospitation in der Anästhesie von 85 % auf 94 % verbessert werden konnte (p < 0,001). Interessanterweise war der FPS auch in dieser Untersuchung von der Anzahl der bereits durchgeführten Intubationen abhängig (OR 1,23, 95 %-KI: 1,03–1,46, p = 0,02). Auch eine weitere Untersuchung bestätigt diese Ergebnisse [35]. Eine ganz aktuelle Studie aus Australien zeigte, dass die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Intubation im ersten Versuch durch erfahrene Ärzte mit mehr als 100 Intubationen an Vorerfahrung um den Faktor (OR) 2,7 (95 %-KI: 1,0–7,0) höher ist als durch unerfahrenere Ärzte [36]. Abschließend liegt eine weitere Metaanalyse zur Lernkurve der endotrachealen Intubation vor. Diese fasst jedoch die hier aufgezeigten Studien und noch weitere kleinere Studien zusammen [3740], die sich vorwiegend der „cumulative sum method“ mit kleineren Anwender- und Patientenkollektiven bedienten und damit geschätzte bzw. extrapolierte Ergebnissen beinhalteten [41].

Aus Sicht einer evidenzbasierten Medizin ist die Bedeutung der praktischen Ausbildung und eines alltagsbegleitenden, kontinuierlichen Trainings im Atemwegsmanagement zur Aufrechterhaltung der erlernten Fähigkeiten in der Literatur somit umfassend belegt. Die Handlungsempfehlung der Arbeitsgruppe „Atemwegsmanagement“ des Arbeitskreises Notfallmedizin der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI; [42]) konstatiert bereits 2012 genauso wie die aktuellen Leitlinien des European Resuscitation Councils zur kardiopulmonalen Reanimation [43], dass eine notfallmäßige endotracheale Intubation nur von denjenigen durchgeführt werden soll, die diese Technik sicher beherrschen. Dazu werden – auch vor dem Hintergrund der bereits beschriebenen Studien – mindestens 100 endotracheale Intubationen am realen Patienten unter Aufsicht und nachfolgend mindestens 10 endotrachealen Intubationen pro Jahr gefordert [42]. Durch Intubationen ausschließlich im Rahmen einer prähospitalen Tätigkeit kann dieses Trainingsniveau vor dem Hintergrund der Anwendungszahlen allerdings nicht erreicht und nur unzureichend aufrechterhalten werden [44, 45]. Keinesfalls ist es möglich, adäquate praktische Fertigkeit zur endotrachealen Intubation ausschließlich an Intubationsmodellen oder durch Simulatortraining zu erlernen, weil die anatomische Realität und die prähospitalen bzw. früh innerklinischen Notfallsituationen diesbezüglich nur unzureichend simuliert werden können [46].

Die Leitlinien zur Notfallnarkose einer britischen Fachgesellschaften fordern, dass Personal, das prähospital einen Atemweg sichert, das gleiche Ausbildungsniveau benötigt wie Ärzte, die innerklinisch ohne Supervision für das notfallmäßige Atemwegsmanagement im Rahmen einer Rapid Sequence Induction (RSI) in einer Notaufnahme verantwortlich sein dürfen. Es werden daher mindestens 1 Jahr Ausbildung in der Anästhesiologie und 2 Jahre in der Notfallmedizin gefordert [47].

Resümee.

Ein adäquater Trainingszustand und kontinuierliche Erfahrung in der Atemwegssicherung ist für einen hohen FPS entscheidend und trägt maßgeblich zum Intubationserfolg und der Steigerung der Patientensicherheit bei.

Optimale Lagerung des Patienten

In der operativen Anästhesie ist der erwachsene Patient zur Einleitung einer Vollnarkose mit konsekutiver Atemwegssicherung auf dem Operationstisch in Rückenlage in Oberkörperhochlagerung positioniert und der Kopf in der optimierten Jackson-Position gelagert. Dabei wird der Kopf auf einem Kissen gelagert (Elevation), während die Schultern flach auf der Unterlage aufliegen, um auf diese Weise eine Annäherung der oralen, der pharyngealen und der laryngealen Achse herzustellen und eine optimale Sicht auf die Glottis zu ermöglichen. Der Patient ist von allen Seiten gut zugänglich, und notwendige Geräte sind in guter Erreichbarkeit um den Patienten positioniert. Wie wichtig dieses Vorgehen und die sog. Back-up-Head-Elevated(BUHE)-Position hinsichtlich der Reduktion von Komplikationen ist, wurde in einer retrospektiven Untersuchung von Khandelwal et al. [48] mit 528 Patienten gezeigt, bei denen innerklinisch eine Notfallintubation durchgeführt werden musste. Es fand sich eine signifikant verbesserte Sicht auf die Stimmbandebene und eine Reduktion der Häufigkeit von mindestens einer Komplikation wie Hypoxämie, Aspiration oder ösophagealer Fehlintubation (9,3 % vs. 22,6 %; OR: 0,41, 95%-KI: 0,22–0,76, p = 0,005) für die BUHE-Position im Vergleich zur Rückenlage.

Sowohl in der klinischen Notfallmedizin als auch in der prähospitalen Notfallversorgung sollte zur Atemwegssicherung eine ähnliche Positionierung angestrebt werden. Während sich der Patient in einer Notaufnahme zumindest in der Regel bereits auf einer mobilen und verstellbaren Liege befindet, kann prähospital erst im Rettungswagen (RTW) eine vergleichbare Situation erzielt werden. Combes et al. [49] konnten für die prähospitale Intubation zeigen, dass die Positionierung des Durchführenden ein unabhängiger Faktor für ein erschwertes Atemwegsmanagement ist und die stehende Position hinter dem Kopf des Patienten (z. B. im RTW) sich als am günstigsten herausstellte. Aus diesem Grund sollte der Notfallpatient – wann immer möglich und vertretbar – zunächst unter erhaltener Spontanatmung und der dazu nötigen Analgosedierung gerettet werden, um erst im RTW die definitive Atemwegssicherung zu etablieren.

Wenn dieses Ziel bei perakuter Vitalbedrohung nicht erreicht werden kann, sollte sich der Durchführende zumindest ausreichend Platz hinter dem Kopf des Patienten verschaffen und der Kopf des Patienten durch ein geeignetes Polster unter dem Hinterkopf in der oben beschriebenen Jackson-Position gelagert werden. Die nachfolgende Narkoseeinleitung sollte nach einem allen Beteiligten bekannten Standard folgen und in einem Briefing die Aufgabenverteilung kurz besprochen werden [50].

Resümee.

Die Schaffung von Standardbedingungen (z. B. Platz, Licht) sowie die standardisierte Vorhaltung und Organisation des Equipments an der Einsatzstelle stellt einen hohen Sicherheitsfaktor für die erfolgreiche Atemwegssicherung dar.

Notfallnarkose

Um die Laryngoskopie zu erleichtern, muss nach der korrekten Patientenlagerung und einer suffizienten Präoxygenierung bei einem spontanatmenden Patienten eine ausreichend tiefe Narkose in Kombination mit dem Einsatz von Muskelrelaxanzien durchgeführt werden: Für die RSI im Rahmen einer prähospitalen Notfallnarkose ist ein standardisiertes Vorgehen durch eine Arbeitsgruppe des Arbeitskreises Notfallmedizin der DGAI erarbeitet worden [50].

Der Nutzen der Einführung eines solchen Standards und des Abarbeitens einer entsprechenden Checkliste ist im notfallmedizinischen Bereich bereits durch Studien belegt [5153]. In komplexen Situationen mit für alle Teammitglieder hoher Arbeitsbelastung liegt der Vergleich mit dem Start- oder Landevorgang in der Luftfahrt nahe. Hier haben sich Standard Operating Procedures (SOP) seit Jahrzehnten erfolgreich durchgesetzt [54]. Kritiker äußern zwar immer wieder, dass Patienten individuell behandelt werden müssten und ärztliche Entscheidungen nicht durch fixe Behandlungsschemata eingeschränkt werden sollten. Andererseits sind aber auch Prozeduranweisungen in der Luftfahrt für Standardbedingungen (z. B. Luftdruck 1013,25 hPa, Außentemperatur 15 °C) ausgelegt. Auch topographisch gleicht kaum ein Anflug dem anderen, dennoch wird jede Landung nach einem Standardverfahren ausgeführt. Entsprechende Standards sollten sich daher an der S1-Leitlinie zur prähospitalen Notfallnarkose beim Erwachsenen orientieren (http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/001-030.html; [50]).

Auf zwei essenzielle Bestandteile dieser S1-Leitlinie zur Notfallnarkose soll detaillierter weiter eingegangen werden: die sog. Präoxygenierung als einfache und äußerst effektive, aber in der Notfallmedizin oft vernachlässigte Maßnahme zur Erhöhung der Patientensicherheit sowie der Einsatz von Muskelrelaxanzien, der in den vergangenen Jahren immer wieder kritisch diskutiert wurde [55].

Präoxygenierung

Jeder spontanatmende Patient sollte für 3–4 min präoxygeniert werden [50, 56]. Durch diese simple Maßnahme kann beim lungengesunden Patienten das Zeitfenster für eine sichere Intubation ohne gefährliche Abfälle der Sauerstoffsättigung von ca. 1 auf etwa 8 min verlängert werden [57, 58]. Abhängig vom Erkrankungs- oder Verletzungsmuster bleibt dieser Effekt allerdings sehr variabel [55]. Um keine wertvolle Zeit zu verlieren, sollte mit der Präoxygenierung begonnen werden, sobald die Entscheidung zur Einleitung einer Notfallnarkose getroffen wurde, um so die Zeit zur Absprache und Vorbereitung des Equipments sowie der Medikamente effektiv parallel zu nutzen.

Um eine möglichst hohe inspiratorische Sauerstofffraktion zu erreichen, soll die Präoxygenierung mit einer Sauerstoffmaske mit Reservoir oder dicht sitzender Maske des Beatmungsbeutels (ebenfalls mit Sauerstoffreservoir) und 12–15 l/min Sauerstofffluss durchgeführt werden. Noch effektiver ist die Verwendung eines Demand-Ventils. Alternativ kann die Präoxygenierung bei vorliegender Spontanatmung und ausreichend erfahrenem Team sowie kurzer Vorbereitungszeit und unter Berücksichtigung absoluter Kontraindikationen auch mittels nichtinvasiver Beatmung erfolgen, ggf. unter Zuhilfenahme von Ketamin bei unkooperativen oder schmerzgeplagten Patienten („delayed sequence intubation“) [55, 56]. Bei Patienten mit insuffizienter Spontanatmung bietet sich eine vorsichtige assistiere Maskenbeatmung an [5861].

Resümee.

Eine sorgsame Präoxygenierung des spontanatmenden Patienten mittels verschiedener und auf die vorliegende Situation angepasster Techniken bietet ein hohes Sicherheitspotenzial im Rahmen der notfallmäßigen Atemwegssicherung durch verlängerte Apnoedauer.

Neuromuskuläre Blockade

Durch den Einsatz von Muskelrelaxanzien können die Intubationsbedingungen deutlich verbessert und die Rate an intubationsbedingten Komplikationen gesenkt werden: So gelang in einer prospektiven Studie die notfallmäßige endotracheale Intubation auf einer Intensivstation unter Nutzung einer neuromuskulären Blockade (n = 287) mit 85 % deutlich häufiger im ersten Versuch als bei Intubationsversuchen ohne Einsatz einer Muskelrelaxierung (n = 167) mit 78 % (p = 0,047) [62]. Ähnliche Ergebnisse zeigen Untersuchungen zu notfallmäßigen Intubationen in einer Notaufnahme (Intubationserfolg im Zeitraum von 3 Monaten vor Einführung eines Standards zur RSI einschließlich neuromuskulärer Blockade: 82 % (n = 67) im Vergleich zum Zeitraum von 6 Monaten unmittelbar danach: 99 % (n =166), p < 0,0001) [63]. Auch für prähospitale Intubationen durch Paramedics in den USA konnte der Vorteil von Muskelrelaxanzien hinsichtlich eines deutlich besseren Intubationserfolgs und einer geringeren Komplikationsrate nachgewiesen werden: Intubationserfolg ohne (n = 92) vs. mit Muskelrelaxanzien (n = 40): 70 % vs. 98 % (p < 0,001) [64]; Intubationserfolg ohne (n = 24) vs. mit Muskelrelaxanzien (n = 25): 25 % vs. 92 % (p < 0,001) [65]. Dementsprechend betont auch die aktuelle Leitlinie zum unerwartet schwierigen Atemweg der Difficult Airway Society aus dem Jahr 2015 ausdrücklich, dass „die komplette neuromuskuläre Blockade sicherzustellen“ ist [19].

Trotz der genannten Vorteile der neuromuskulären Blockade wird dieses Thema immer wieder kontrovers diskutiert, insbesondere vor dem Hintergrund der Befürchtung, durch eine Muskelrelaxierung in eine „Cannot-ventilate-cannot-intubate“-Situation zu geraten. Im OP-Bereich liegt die Inzidenz dieser gefährlichen Situation bei 0,4 % [66], in der prähospitalen Notfallmedizin jedoch deutlich höher [67]. Bei innerklinischen Narkoseeinleitungen im Rahmen von elektiven Routineeingriffen kann man in solchen Fällen versuchen, die Spontanatmung des Patienten wiederherzustellen. Dies gelingt jedoch auch bei Einsatz des vermeintlich kurz wirksamen Succinylcholin aufgrund der ergänzend applizierten Hypnotika und Analgetika nur selten [68]. Falls Rocuronium eingesetzt wurde, kann die Wirkung durch die Gabe von Sugammadex aufgehoben werden. Nach im Schnitt 3–4 min – und somit schneller als nach der Gabe einer Intubationsdosis von Succinylcholin – kann so wieder eine Spontanatmung des Patienten erreicht werden [69]. Eine Schädigung des Patienten durch eine Hypoxie (auch unter Berücksichtigung eines notwendigen Entscheidungsintervalls zum Einsatz von Sugammadex und dessen Vorbereitung und Applikation) ist aber auch bei dieser Zeitspanne zu befürchten. Darüber hinaus wird Sugammadex – auch aufgrund der relativ hohen Kosten – bei weitem noch nicht flächendeckend im Notarztdienst vorgehalten. In der Notfallmedizin ist, wenn die Indikation zur prähospitalen Einleitung einer Notfallnarkose, Atemwegssicherung und Beatmung korrekt gestellt wurde, die Rückkehr zur Spontanatmung keine verbleibende Option mehr. Die Autoren unterstützen daher ausdrücklich eine Vorwärtsstrategie und den Einsatz von Muskelrelaxanzien, um die Chance auf eine erfolgreiche endotracheale Intubation (möglichst im ersten Intubationsversuch) zu optimieren.

Resümee.

Die Nutzung von Muskelrelaxanzien im Rahmen der Einleitung einer Notfallnarkose kann den FPS verbessern und sollte Teil eines jeden modernen Konzepts zur Notfallnarkose sein.

Videolaryngoskopie

Mehrere in den vergangenen Jahren veröffentlichte Studien zeigen, dass der FPS durch den primären Einsatz der Videolaryngoskopie (VL) deutlich verbessert werden kann. Bei der endotrachealen Intubation von insgesamt 619 Patienten in einer Notaufnahme war die Erfolgsrate im ersten Versuch mit VL doppelt so hoch im Vergleich zur konventionellen direkten Laryngoskopie (DL; 95 %-KI: 1,1–3,6; [36]). Eine weitere Studie zeigte in einer US-amerikanische Notaufnahme einen FPS von 90 % unter Nutzung der VL im Vergleich zu 73 % unter DL [70]. Ganz ähnliche Ergebnisse ergab eine Kohortenstudie im OP-Bereich mit je 313 Patienten mit vergleichbaren Intubationsbedingungen (FPS der VL vs. DL: 94 % vs. 81 %, p < 0,001; [71]). Für den innerklinischen Einsatz zeigen sich also sehr gute Ergebnisse zugunsten der Videolaryngoskopie.

Ein Nachteil der Videolaryngoskope im prähospitalen Einsatz ist der relativ hohe Anschaffungspreis. Allerdings zeigen auch erste Studien im prähospitalen Bereich überzeugende wissenschaftliche Ergebnisse. Die prähospitale Atemwegssicherung gelang in einer prospektiven Beobachtungsstudie mit Hilfe des bereits beim ersten Intubationsversuch eingesetzten Videolaryngoskops bei 227 von 228 Patienten (Gesamterfolgsrate: 99,6 %) die endotracheale Atemwegssicherung, nur in einem Fall war ein supraglottischer Atemweg notwendig [72]. Bei 57 dieser Patienten, die durch erfahrene Anästhesisten prähospital versorgt wurden, konnte durch die VL die Einstellbarkeit der Stimmbänder von einem Grad III/IV nach Cormack u. Lehane [73] unter DL auf I/II unter VL verbessert werden (p < 0,001). Insbesondere unter Immobilisation der Halswirbelsäule (HWS) wird der Vorteil der VL deutlich. Die Studie bestätigt jedoch auch, dass die VL Limitationen unterliegt: Die Kontrastminderung auf dem Monitor durch starken Lichteinfall oder Kontamination der Objektivlinse durch Blut oder Sekret wurde bei 32 Patienten (13,9 %) beobachtet. Vor diesem Hintergrund sollten VL-Spatel eingesetzt werden, die neben einer indirekten VL auch eine DL zulassen, ohne auf ein anderes Instrument wechseln zu müssen (z. B. Macintosh-Spatel) [72]. Für Fälle mit einem ganz besonders schweren Atemweg kann ggf. noch ein stark gekrümmter Laryngoskopspatel, der ausschließlich eine indirekte Laryngoskopie mittels VL erlaubt (z. B. D‑Blade) mitgeführt werden.

Ähnliche positive Ergebnisse durch den Einsatz der VL ergab eine retrospektive Datenanalyse von Intubationen durch Paramedics in den USA. Hier konnte unter Nutzung der VL (n = 195) ein höherer FPS von 95 % im Vergleich zur DL mit 75 % (n = 593) gezeigt werden (p < 0,001; [74]. Auch eine weitere Studie zur videolaryngoskopischen Intubation von Traumapatienten im Schockraum zeigt insbesondere für die Untergruppe der 483 HWS-immobilisierten Patienten einen deutlich höheren FPS für die VL von 87 % vs. 80 % unter DL (p = 0,03) [75]. Da die Nutzung von Videolaryngoskopen erst und ausschließlich als Alternative nach gescheiterter DL lediglich den Algorithmus bis zur definitiven Atemwegssicherung verlängert und damit das Hypoxierisiko vergrößert, sollte im Notfall ein geeignetes Videolaryngoskop bereits mit dem ersten Intubationsversuch eingesetzt werden.

Resümee.

Der Einsatz der Videolaryngoskopie wird zukünftig in der prähospitalen und innerklinischen Atemwegssicherung eine zunehmend gewichtige Rolle spielen und eine weite Verbreitung erfahren. Trotzdem ist auch mit diesem Instrument eine grundlegende Erfahrung und Ausbildung essentiell.

Fazit für die Praxis

  • Ein hoher FPS bei der endotrachealen Intubation kann Morbidität und Mortalität senken.

  • Die Rate schwerer Komplikationen nimmt zu, wenn die endotracheale Intubation nicht im ersten Intubationsversuch gelingt. Daher muss sich jeder, der notfallmäßig Patienten versorgt, bemühen, eine sichere und zügige Narkoseeinleitung und endotracheale Intubation im ersten Versuch zu beherrschen.

  • Entsprechend der DGAI-Handlungsempfehlung „Präklinische Atemwegsmanagement“ sind als Ausbildungsniveau für in der Notfallmedizin tätige Ärzte mindestens 100 erfolgreiche endotracheale Intubationen unter Aufsicht und nachfolgend zur Aufrechterhaltung der Fähigkeiten mindestens 10 Intubationen pro Jahr zu fordern.

  • Die Einleitung einer Notfallnarkose sollte strukturiert und nach einer Standard Operating Procedure erfolgen.

  • Bei korrekter Indikation der Narkoseeinleitung, Atemwegssicherung und Beatmung ist die Vorwärtsstrategie die einzige Option in Notfallsituationen. Daher müssen sowohl die endotracheale Intubation als auch alternative Verfahren zur Atemwegssicherung vom Anwender sicher beherrscht werden.