Zwar konnte die Letalitätsrate nach Verkehrsunfällen seit 1972 durch vielfältige Maßnahmen um etwa 50% gesenkt werden, dennoch lassen sich auch heute noch regelmäßig unbegründete Abweichungen vom Behandlungsprozess mit der Gefahr schwerwiegender Komplikationen nachweisen [2, 26, 27]. Als ein entscheidender Optimierungsansatz im Hinblick auf die innerklinische Versorgung von Traumapatienten wird die Etablierung eines umfassenden Qualitätsmanagementsystems gewertet [8, 19, 30]. In diesem Zusammenhang wird von zahlreichen Autoren die grundlegende und zentrale Bedeutung des Instruments der Dokumentation des tatsächlichen Behandlungsprozesses im Rahmen der hochkomplexen Versorgung schwerst traumatisierter Patienten hervorgehoben. Sie bildet, neben der Formulierung und Einrichtung von Behandlungsleitlinien, die Grundlage für eine Prozessanalyse und damit die Voraussetzung für ein derartiges Qualitätsmanagementsystem. Allerdings zeigen die Ergebnisse bisheriger Untersuchungen auch, dass die Qualität der Dokumentation in erheblichem Maße gesteigert werden muss [30].

Die Forderung nach einer Erhöhung der Dokumentationsqualität stand auch im Mittelpunkt des 1997 am Bundeswehrkrankenhaus Ulm durch die Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin initiierten Projektes zur Optimierung der Traumadokumentation. Ziel dieses Projektes war die Entwicklung eines Systems zur prospektiven Dokumentation der Versorgung Schwer- und Schwerstverletzter mit besonderer Berücksichtigung der frühen innerklinischen Phase, um damit ein kontinuierliches Qualitätsmanagement zu etablieren.

Methodik

Am Beginn der Entwicklung des Dokumentationssystems stand die Aufstellung eines „Lastenheftes“, das die Anforderungen an das Dokumentationssystem detailliert beschreibt. Grundsätzlich sollten von dem System folgende Forderungen erfüllt werden:

  • Möglichkeit des externen Qualitätsmanagements auf nationaler und internationaler Ebene sowie des klinikinternen Qualitätsmanagements,

  • universelle Einsatzmöglichkeit, insbesondere auch im Hinblick auf die Traumaversorgung im Rahmen multinationaler Einsätze des Sanitätsdienstes der Bundeswehr,

  • hohe Datenqualität durch eine möglichst hohe Vollständigkeit der Daten und zeitnahe Dokumentation (insbesondere der frühen innerklinischen Versorgungsphase),

  • hohe Anwenderfreundlichkeit (Stichwort: „easy to use“) und hohe Anwenderakzeptanz,

  • Verringerung der zeitlichen Belastung, bezogen auf den Gesamtprozess des Qualitätsmanagements,

  • Vermeidung einer zusätzlichen Belastung des Schockraumteams durch die Dokumentation,

  • Pflicht zur Dokumentation des ärztlichen Handelns muss erfüllt werden.

Ausgehend von diesem Forderungskatalog wurden in einem 2. Schritt sowohl die Dokumentationsinhalte als auch die Art der Dokumentation festgelegt. In einem weiteren Entwicklungsabschnitt wurde das daraus entwickelte Dokumentationskonzept, welches wir „TraumaWatch“ nannten, einer praktischen Testung im klinischen Alltag unterworfen.

Zur Ermittlung der Datenvollständigkeit wurden n=69 Felder, die bei jedem Traumapatienten während der Schockraumphase zu erheben sind, überprüft. Für jeden einzelnen Datensatz/Patient wurden die Anzahl der Dokumentationslücken bestimmt. Die Kollektive (primär handschriftliche Dokumentation/primäre Tablet-PC-gestützte Dokumentation) wurden mittels U-Test nach Mann und Whitney verglichen. Es handelte sich bei den gewählten Parametern um Werte des internen- und externen Qualitätsmanagements sowie um versorgungsrelevante Informationen.

Ergebnisse

Zur Umsetzung der aufgestellten Forderungen im Rahmen der Entwicklung des Dokumentationskonzeptes TraumaWatch wurde bezüglich der Dokumentationsinhalte folgender Lösungsansatz gewählt.

Dokumentationsinhalte

  • Der vollständige Datensatz des Schwerverletzten-Erhebungsbogens des Traumaregisters der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) [1, 23, 25] bildet zusammen mit den Empfehlungen der International Trauma Anaesthesia and Critical Care Society (ITACCS) [7] zur einheitlichen Dokumentation nach schwerem Trauma den „Kerndatensatz“ des Dokumentationssystems. Damit bildete er die Grundlage für ein externes Qualitätsmanagement auf nationaler und zukünftig auch auf internationaler Ebene.

  • Erweiterung dieses „Kerndatensatzes“ um einen individuellen „klinikspezifischen Datensatz“ zur Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweiligen Klinik. Er bildet zusammen mit dem „Kerndatensatz“ die Grundlage für ein krankenhausinternes Qualitätsmanagement.

  • Option zur Erweiterung der Dokumentationsinhalte um einen Datensatz „Einsatzmedizin“, der die Besonderheiten der Traumaversorgung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr im Rahmen multinationaler Einsätze berücksichtigt.

Aufbau des Dokumentationskonzepts

Unter Berücksichtigung der Forderung nach einer äußerst flexiblen Anwendung des Dokumentationssystems einerseits und der Forderung nach einer hoch stehenden Qualität der Dokumentation bei gleichzeitig guter Bedienungsergonomie andererseits wurde hinsichtlich der Dokumentationsart ein modulares Konzept gewählt (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Modularer Aufbau des Schockraum-Dokumentationskonzeptes TraumaWatch

Modul 1

Das Modul 1 (Ausbaustufe 1) umfasst eine ausschließlich handschriftliche Dokumentation über einen papiergestützten „Traumabegleitbogen“. Es handelt sich hierbei um eine Weiterentwicklung eines an unserer Klinik bereits etablierten Schockraumbogens. Er bildet die Datenbasis und begleitet den Patienten von der Anmeldung bis zur Klinikentlassung. Die Dokumentationsinhalte sind im Konsens mit den an der Traumaversorgung beteiligten Fachdisziplinen zusammengestellt worden, umfassen aber auch vollständig die Inhalte des Schwerverletzten-Erhebungsbogen des Traumaregisters der DGU sowie die Empfehlungen der ITACCS zur einheitlichen Dokumentation nach schwerem Trauma. Weiterhin wurden Teilaspekte des DIVI-Notarztprotokolles integriert [20]. Die Auswertung erfolgt—ebenso wie die Weitergabe des „Kerndatensatzes“ zur externen Qualitätskontrolle—ausschließlich papiergestützt. Der Traumabegleitbogen selbst ist chronologisch aufgebaut, wobei die Dokumentation nach Möglichkeit durch Ankreuzen von Auswahlfeldern erfolgt; Freitextfelder werden nur dann eingesetzt, um Optionen eines Auswahlfeldes näher zu spezifizieren. Zur raschen Vollständigkeitskontrolle wird für eine Vielzahl von Diagnostik- und Therapiemaßnahmen ein „Ja/Nein-Feld“ eingefügt. Zudem wird für einige Informationen das Feld „unbekannt“ eingeführt, um einer „falsch positiven“, wie „falsch negativen“ Dokumentation vorzubeugen. Felder zur Dokumentation des exakten Zeitpunktes der meisten durchgeführten Maßnahmen sind vorhanden. Die einzelnen Seiten des Traumabegleitbogens sind in [15] sowie unter http://www.traumawatch.kulla.de dargestellt.

Modul 2

Modul 2 (Ausbaustufe 2) umfasst die retrospektive elektronische Erfassung, Auswertung und den Export der primär handschriftlich, mittels „Traumabegleitbogen“, erhobenen Daten auf einem stationären (Windows 9X/NT/2000/XP) Personal-Computer mit der Microsoft Access 97-Datenbankanwendung (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Screenshot der elektronischen Datenbankanwendung

Modul 3

In dieser (End-)Ausbaustufe (Modul 3) erfolgt die Datenerhebung bereits primär EDV-gestützt, parallel zur Schockraumversorgung auf einem kleinen tragbaren Tablet-PC (ehemalige Bezeichnung: Pen-Computer; Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Schockraumdokumentation am Bundeswehrkrankenhaus Ulm unter Verwendung eines tragbaren Tablet-PC (Ausbaustufe 3 des Dokumentationskonzeptes TraumaWatch)

Neben dem konventionellen „Traumabegleitbogen“ ist die Datenbankanwendung der tragende Pfeiler des gesamten Dokumentationskonzeptes und bildet die Basis für die Module 2 und 3. Der Schwerpunkt bei der Entwicklung dieser Datenbankanwendung lag auf einer möglichst hohen Anwenderfreundlichkeit sowohl bei der Eingabe als auch bei der Verwaltung und dem Export von Daten. Die grundlegende Konzeption des Dokumentationssystems ist in Tabelle 1 dargelegt. Die wichtigsten Features der Datenbankanwendung sind in Tabelle 2 gelistet.

Tabelle 1 Konzeption der elektronischen Datenbankanwendung (Modul 2)
Tabelle 2 Realisierte Features der Microsoft Access 97-Datenbankanwendung

Allen 3 Modulen des Konzeptes von TraumaWatch ist gemeinsam, dass die Dokumentation möglichst zeitnah, ideal parallel zur klinischen Versorgung, durch einen sog. „Dokumentationsassistenten“ durchgeführt werden sollte. Im Hinblick auf eine möglichst hohe Datenqualität sowie ein einfaches und ebenso zeitsparendes Datenmanagement ist die Tablet-PC-gestützte Dokumentation (Modul 3) anzustreben.

Praktische Erprobung des Dokumentationskonzepts

Die praktische Erprobung des vorgestellten Dokumentationskonzeptes an unserer Klinik erfolgte über einen 25-monatigen Zeitraum vom 1.1.1998–31.1.2000: In einer 2. Phase (1.1.1998–28.2.1998) erfolgte zunächst die Testung des neu gestalteten konventionellen „Traumabegleitbogens“. In einer 2. Phase (1.3.1998–29.9.1999) wurden die Schockraumdaten zudem retrospektiv mit der entwickelten Datenbankanwendung auf konventioneller Hardware (stationärem Windows-PC) dokumentiert. In einer 3. und letzten Phase (1.10.1999–31.1.2000) wurde die primär prospektive (online) Datenerhebung mittels eines mobilen Tablet-PC getestet. Der Algorithmus der Datenbankentwicklung wurde im gesamten Testzeitraum regelmäßig durchlaufen—nötige Änderungen und Erweiterungen wurden eingebaut.

Nachdem in den ersten 3 Monaten nach Einführung der endgültigen mobilen Hardware (Tablet-PC: Fujitsu Point 1600) kein Fehler auftrat, wurde die Entwicklung der Datenbankanwendung—und damit auch die Testphase—am 31.1.2000 endgültig abgeschlossen.

Während der Testphase wurden insgesamt n=468 Patienten im Schockraum unserer Klinik versorgt und ausnahmslos mit dem neu entwickelten Dokumentationssystem erfasst (Tabelle 3). Dabei zeigte die Datenbankanwendung ein hohes Maß an Systemstabilität: So traten zu keinem Zeitpunkt medizinisch relevante Software- bzw. Hardwareprobleme auf. Ebenso kam es während der gesamten Testphase—insbesondere aber im Rahmen der Online-Dokumentation mittels mobilem Tablet-PC—nie zu einem Systemabsturz oder gar (auch nur teilweisem) Datenverlust. Besonders erstaunlich war für uns das hohe Maß an Akzeptanz aller Beteiligten gegenüber dem neuen Dokumentationssystem. Dies betraf insbesondere die Online-Dokumentation mittels Tablet-PC (Modul 3).

Tabelle 3 Beschreibung des Patientenkollektives im Erprobungszeitraum (01.1.1998–31.1.2000)

Die Dauer der Schockraumversorgung in Abhängigkeit vom Dokumentationssystem zeigte dabei keine signifikanten Unterschiede: Sowohl in der Ausbaustufe 1 (ausschließlich papiergestützte Dokumentation) und 2 (retrospektive EDV-Dokumentation) als auch in der Ausbaustufe 3 (primäre Tablet-PC-gestützte Dokumentation) betrug die Dauer der Schockraumversorgung im Median 20 min. Ebenso bestanden keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Verletzungsschwere und der demographischen Daten.

Dahingegen erbrachte die primär Tablet-PC-gestützte Schockraumdokumentation eine signifikant höhere Vollständigkeit der Datensätze als die primär handschriftliche Datenerfassung (Anzahl an Dokumentationslücken im Median: 2 vs. 10, dies entspricht einem Anteil fehlender Informationen von 3% vs. 13% ; p<0,001; U-Test nach Mann und Whitney; Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Absolute Anzahl der Dokumentationslücken im Vergleich zwischen primär handschriftlicher Dokumentation und primär EDV-gestützter Dokumentation (p<0,001) als Box-and-Whisker-Plot nach Guggenmoos-Holzmann

Traumaregister der DGU

Zum externen Qualitätsmanagement wurden die erhobenen Datensätze seit 1998 jährlich via E-Mail an das Traumaregister der DGU übermittelt. Dabei wurde der durch die Datenbankanwendung erstellte Kerndatensatz des Traumaregisters der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie vor dem Versand anonymisiert und mittels Pretty Good Privacy (PGP) elektronisch verschlüsselt und digital signiert [6]. Hinsichtlich der genauen Beschreibung (Algorithmen) der Erzeugung der Exportdatensätze durch das Dokumentationskonzept TraumaWatch sei an dieser Stelle auf die Publikation von Kulla [15] verwiesen. Dabei gestaltete sich der elektronische Export des Kerndatensatzes an das Traumaregister der DGU erstaunlich unproblematisch; anfänglich bestehende, kleinere Probleme konnten mit dem EDV-Beauftragten des Traumaregisters schnell und dauerhaft gelöst werden. Weiterhin ist anzumerken, dass der Datenexport über die neu gestaltete und seit 2002 verwendete internetbasierende Importschnittstelle des Traumaregisters der DGU erfolgreich funktioniert.

Einsatzmedizin

Ein spezieller Datensatz „Einsatzmedizin“ wurde während der Testphase noch nicht realisiert, u. a. wegen fehlender einheitlicher fachlicher Vorgaben. Allerdings erfolgte die Testung des neuen Dokumentationssystems—inhaltlich unverändert—in der Ausbaustufe 2 (retrospektive EDV-Dokumentation) in allen Feldlazaretten (Flaz) des Sanitätsdienstes der Bundeswehr.

Diskussion

Nach Nast-Kolb et al. [22] besteht ein klinisches Qualitätsmanagementsystem im Wesentlichen aus den Komponenten Dokumentation, Datenanalyse und der Beurteilung der Versorgungsdaten im Rahmen eines Qualitätszirkels. Die Grundlage für ein derartiges Qualitätsmanagementsystem stellen valide, idealerweise bereits während des Behandlungsprozesses erhobene Daten dar.

Alternative Dokumentationskonzepte

Für eine derartige Online-Datenerfassung werden von verschiedenen Arbeitsgruppen z. T. völlig unterschiedliche Verfahren favorisiert: Neben der allgemein gebräuchlichen (ausschließlich) handschriftlichen Dokumentation auf Formularbasis [12, 30] sind hierbei die Dokumentation durch Bildaufzeichnung, die sog. „Videodokumentation“ [14, 16, 18], sowie die „Audiodokumentation“ [21] hervorzuheben. Die beiden letztgenannten Methoden, insbesondere aber die Videodokumentation, zeichnen sich dadurch aus, dass während des Versorgungsprozesses keine zusätzliche qualifizierte Person zu Dokumentationszwecken abgestellt werden muss. Im Gesamtprozess des Qualitätsmanagements relativiert sich dieser Vorteil zum einen aber durch den Umstand, dass für die (nachträgliche) Auswertung des Videomaterials sehr wohl eine derartig qualifizierte Person notwendig wird [14, 16], und zum anderen durch den enormen Zeitaufwand, der bei dieser Art der Dokumentation für die Auswertung aufgebracht werden muss: Selbst bei einer computerunterstützten Auswertungstechnik wird er immer noch um 25–30% höher angesetzt als der eigentliche Versorgungsprozess (dieser wird mit einer Dauer von ca. 45–60 min angegeben [22]). Zudem werden neben einer ganzen Reihe weiterer Nachteile in Deutschland bei dieser Form der Dokumentation Akzeptanzprobleme sowie arbeitsrechtliche Schwierigkeiten befürchtet [22].

Nach Abwägen der Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Konzepte entschieden wir uns für die Entwicklung eines modular aufgebauten Systems, dessen Basis von einer formulargestützten Datenerhebung mittels eines sog. „Traumabegleitbogens“ gebildet wird. Um diese „formularbasierende“ Datenerhebung so einfach bzw. so effektiv wie möglich zu gestalten, wurde bereits in der „Papier“-Version zur schnellen und sicheren Datenerfassung die von Harrahill [11] als optimal erachtete Form, nämlich Ankreuzfelder, sog. „Check-Boxes“ umgesetzt. Ebenso wurde die für eine Datenanalyse so wichtige Dokumentation des exakten Zeitpunktes durchgeführter Maßnahmen mit aufgenommen. Freitextfelder wurden dagegen auf ein Mindestmaß reduziert und dienen lediglich der näheren Beschreibung.

Allen Dokumentationsformen gemein ist die Problematik der exakten Definition der zu erhebenden Daten: Selbst augenscheinlich einfache Begriffe wie „Reanimation“ oder „Beginn der Schockraumversorgung“ bedürfen einer exakten Definition, um einheitliche, vergleichbare Daten zu erheben—speziell wenn ein klinikübergreifendes Qualitätsmanagement realisiert werden soll.

Modulares Schockraumdokumentationssystem

Die Entscheidung für ein stufenförmiges/modulares Konzept fiel vor dem Hintergrund der Forderung nach einer möglichst hochstehenden Qualität der Dokumentation bei gleichzeitig guter Bedienungsergonomie einerseits und der Forderung nach einer äußerst flexiblen wie zuverlässigen Einsatzfähigkeit des Systems andererseits. Mit zunehmender Ausbaustufe steigen hierbei zwar die strukturellen Anforderungen (Software, Personal Computer bzw. Tablet-PC), die zeitliche Gesamtbelastung durch ein Qualitätsmanagement sinkt aber deutlich. Zudem fanden wir bereits in der Erprobungsphase Hinweise, dass die Datenvollständigkeit bei einer primär Tablet-PC gestützten Schockraumdokumentation höher ist als bei einer primär handschriftlichen Datenerfassung (Abb. 4). Zu diesem Ergebnis muss einschränkend hinzugefügt werden, dass zum einen die Fallzahlen der handschriftlich und der primär elektronisch dokumentierten Patienten unterschiedlich sind und zum anderen das verwendete Dokumentationsmedium nicht randomisiert wurde [15].

Die Dokumentation wird durch den sog. „Dokumentationsassistenten“ durchgeführt

Entsprechend den Erfahrungen anderer Arbeitsgruppen sieht dabei auch unser Konzept vor, dass—unabhängig von der Ausbaustufe—die Dokumentation möglichst durch einen zusätzlichen, entsprechend geschulten Mitarbeiter, der an der eigentlichen Patientenversorgung nicht beteiligt ist—dem sog. „Dokumentationsassistenten“ - durchgeführt wird. Diese Aufgabe wird gewöhnlich AiPs bzw. PJ-Studenten übertragen [22]—an der eigenen Klinik wird dies praktischerweise durch Doktoranden wahrgenommen. Entsprechend unseren Ergebnissen [15] messen wir diesem Dokumentationsassistenten hinsichtlich des Faktors „Dokumentationsqualität“ einen hohen Stellenwert zu und sehen deshalb auch den damit verbundenen personellen Zusatzaufwand für mehr als gerechtfertigt.

Der Vorteil der Zeitersparnis und der damit verbundenen Kostenreduktion des gesamten Prozesses des Qualitätsmanagement (vgl. auch [4]) werden in dem vorgestelltem System erst mit dem Modul 3, d. h. der prospektiven, Tablet-PC-gestützten Online-Dokumentation, erreicht. In der Literatur werden zwar regelmäßig rechnergestützte Datenverarbeitungssysteme für die Anwendung im stationären Klinikalltag vorgestellt—diese reichen von Markierungsbeleglesersystemen [29] bis hin zu vollständig computerbasierenden, netzwerkfähigen Klinikinformationssystemen, wie sie u. a. von den Firmen SABRISYSTEMS (DOIT2000©) oder GAP (KAUZ©) für die innerklinische Traumadokumentation existieren. Bislang wurde aber noch kein mobiles, Tablet-PC-gestütztes Dokumentationssystem für den Bereich der innerklinischen Notfallversorgung Schwer- und Schwerstverletzter vorgestellt—obwohl dieser Mangel bereits 1997 von Zintl et al. [30] bemerkt wurde. Notepad/Tablet-PC finden bisher primär in der Präklinik [13] oder auf (Intensiv-)Stationen ihre Anwendung [17].

Sehr hilfreich bei der Entwicklung des Moduls 3, der primär prospektiven elektronischen Datenerfassung mit Hilfe einer mobilen EDV-Einheit, waren auch unsere umfangreichen Erfahrungen, die wir bereits 1994 bei der Realisierung eines derartigen Tablet-PC-gestützten Dokumentationssystems für die präklinische Notfallversorgung sammelten [13], sowie die diesbezüglichen Erfahrungen anderer Arbeitsgruppen [9].

Grundlage der mobilen elektronischen Datenerfassung bildet die Microsoft Access 97-Datenbankanwendung, die gemeinsam mit dem „Traumabegleitbogen“ entwickelt wurde. Der Schwerpunkt bei der Entwicklung lag in einer möglichst vollständigen Umsetzung der Vielzahl von Anforderungen, die an ein umfassendes Qualitätsmanagement gestellt werden, unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung einer hohen Praxistauglichkeit. Dabei flossen neben eigenem Know-how auch die Ergebnisse anderer Arbeitsgruppen [12, 30] ein. Einen wichtigen Beitrag bildete auch der Erfahrungsaustausch mit externen Anwendern des Dokumentationskonzeptes TraumaWatch (Tabelle 4).

Tabelle 4 Externe Tester des Dokumentationskonzeptes TraumaWatch

Einen hohen Stellenwert hatte die Forderung, zwischen den Ausbaustufen unkompliziert und rasch (sogar während der Patientenversorgung) wechseln zu können. Gründe für diese Forderung waren, dass eine „konventionelle“ Dokumentation einerseits immer und überall einsetzbar ist (Stichwort: „Massenanfall von Patienten“ bzw. „Ausfall der Klinik-EDV“), andererseits die bereits erwähnten Vorteile der primären EDV-Dokumentation aus Sicht des Qualitätsmanagements grundsätzlich überwiegen. Ermöglicht wurde dies u. a. indem die inhaltliche und vor allem die formale Gestaltung der „Papier-“ als auch der „EDV-Version“ des „Traumabegleitbogens“ identisch sind.

Dokumentationsinhalte

Hinsichtlich der Dokumentationsinhalte gab und gibt es nach unserer Auffassung—zumindest hinsichtlich des sog. „Kerndatensatzes“—wenig Diskussionsspielraum: Zu dem im Schwerverletzten-Erhebungsbogen der DGU festgelegten Datensatz ([1]; aktuelle Version des Schwerverletzten-Erhebungsbogens: http://www.traumaregister.de) sowie den Empfehlungen der ITACCS zur einheitlichen Dokumentation nach schwerem Trauma [7] gibt es für den deutschsprachigen Raum keine ernsthafte Alternative. Ebenso wichtig und notwendig wie dieser „Kerndatensatz“ (und damit die Möglichkeit eines externen Qualitätsmanagements) erscheint uns und auch vielen anderen Arbeitsgruppen, die wir während der Entwicklung des Systems kontaktierten, die Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweiligen Klinik durch Einbindung eines individuellen „klinikspezifischen Datensatzes“. In diesem Zusammenhang muss betont werden, dass mit dem vorgestellten Dokumentationskonzept der gesamte Prozess der Patientenversorgung erfasst wird. Dies beinhaltet—neben dem in diesem Artikel speziell hervorgehobenen Bereich der ersten innerklinischen Versorgung—auch den weiteren Verlauf auf einer Intensivstation bis hin zum Status des Patienten bei Entlassung aus der Klinik (Outcome). Diese umfassende Erhebung ist nötig, da die Versorgung im Schockraum zwar einen entscheidenden, weichenstellenden Abschnitt in der gesamten Therapie des Polytraumatisierten darstellt, jedoch nicht für sich alleine betrachtet werden kann.

Die Qualität der Schockraumversorgung kann nur im Zusammenhang mit präklinischer Versorgung, operativen Maßnahmen/Intensivbehandlung sowie dem Patientenoutcome beurteilt werden.

Der stufenförmige Aufbau des Systems erlaubt, entsprechend den strukturellen Gegebenheiten und (finanziellen) Möglichkeiten und den Anforderungen sowie den Bedürfnissen des jeweiligen Anwenders, an jeder beliebigen Ausbaustufe zu beginnen und falls notwendig sehr rasch und unproblematisch in eine höhere Stufe zu wechseln. Selbst mit der Grundversion (ausschließlich handschriftliche Dokumentation) wird der Anwender ohne langwierige Vorbereitungsphase und/oder hohen Anschaffungskosten grundsätzlich in die Lage versetzt, mit einer zum Qualitätsmanagement geeigneten Dokumentation der Versorgung Traumatisierter sofort zu beginnen. Dies erscheint uns vor allem für Kliniken mit relativ geringem Patientenaufkommen, strukturellen Defiziten und/oder innerhalb eines speziellen „Settings“ von Bedeutung zu sein. Ein Beispiel dafür stellen die Feldlazarette der Bundeswehr im Rahmen der aktuellen Auslandeinsätze dar: Während an der eigenen Klinik in Ulm routinemäßig die Tablet-PC-gestützte Dokumentation erfolgt (Modul 3), wird in den Feldlazaretten der Bundeswehr in Bosnien, Mazedonien, im Kosovo sowie in Afghanistan aufgrund des speziellen „settings“, der eingeschränkten strukturellen Gegebenheiten sowie des relativ geringen Aufkommens an Schwerstverletzten das System routinemäßig ausschließlich in der Ausbaustufe 2, d. h. mit primär handschriftlicher Dokumentation und retrospektiver Datenaufbereitung/-analyse eingesetzt.

Diese beschriebene Flexibilität in der Einsetzbarkeit der 3 Module gilt dabei nicht nur für das Gesamtkonzept, sondern auch für die verschiedenen zu erfassenden Bereiche: So wird in der eigenen Klinik in Ulm ab dem Zeitpunkt der Übergabe des Schockraumpatienten an die Intensivstation die primäre Online-Dokumentation mittels Tablet-PC (Modul 3) verlassen, die bis zu diesem Zeitpunkt erhobenen Daten werden mittels Drucker zu Papier gebracht, und dieser Ausdruck wird von den nun zuständigen Kollegen zur weiteren Dokumentation verwendet (handschriftliche Dokumentation mittels Modul 1). Nach Abschluss der klinischen Versorgung und Erhebung des Outcomes bei Entlassung des Patienten werden diese zuletzt erhobenen Daten in einem abschließenden Schritt mittels Modul 2 elektronisch, retrospektiv erfasst, um einem umfassenden Qualitätsmanagement zugänglich gemacht zu werden.

Abschließend ist noch anzumerken, dass dieses Dokumentationssystem bereits auf der Jahrestagung des Traumaregisters der DGU am 26.10.2001 in München vorgestellt wurde.

Zukünftige Vorhaben

Angedacht, aber noch nicht realisiert wurde die Integration in ein Klinikinformationssystem (KIS), wodurch ein noch einfacherer Datenaustausch—insbesondere in dem bereits angesprochenen weiteren Verlauf des Versorgungsprozesses—möglich würde. Entfallen würde damit auch eine ganze Reihe von momentan noch bestehenden redundanten Dateneingaben. Wünschenswert wäre zudem eine weitere Ausdehnung der Verlaufsparameter, z. B. durch die Kombination des Systems mit dem DIVI-Register für Intensivpatienten [28].

Schlussfolgerung

Das entwickelte Dokumentationssystem TraumaWatch erfüllt die Pflicht zur Dokumentation des ärztlichen Handelns. Es gestattet ein externes Qualitätsmanagement der Schockraumversorgung durch Teilnahme am Traumaregister der DGU. Die Exportmöglichkeit aller erfassten Daten von der präklinischen Versorgung bis hin zum Patientenoutcome bei Klinikentlassung sowie aller berechneten Parameter ist die Grundlage für ein krankenhausinternes Qualitätsmanagement der Schockraumversorgung. Durch die Verwendung von Tablet-PCs (Modul 3) wird die zeitliche Belastung, bezogen auf den gesamten Prozess des Qualitätsmanagements der Schockraumversorgung, verringert. Durch die Einbindung von Dokumentationsassistenten in das Schockraumteam hat es keine zusätzliche Belastung durch die Dokumentation gegeben.

Fazit für die Praxis

Mit Beendigung der Erprobungsphase wurde das vorgestellte Dokumentationssystem in der Ausbaustufe 3 (online Tablet-PC-gestützte Dokumentation) routinemäßig an unserer Klinik eingesetzt. Seit Januar 1998 werden pro Jahr 250–300 Patienten erfasst. Die in der Erprobungsphase gemachten positiven Erfahrungen, insbesondere hinsichtlich Anwenderfreundlichkeit und Stabilität des Systems, haben sich im Routineeinsatz bestätigt. Die Akzeptanz bei allen an der Traumaversorgung beteiligten Fachabteilungen ist hoch. Ebenso gestaltet sich der elektronische Datenexport an das DGU-Traumaregister völlig unkompliziert, wobei an dieser Stelle auf die sehr angenehme und zielführende Zusammenarbeit mit dem EDV-Beauftragten des Traumaregisters hinzuweisen ist. Mit einer Reihe von Traumazentren, denen wir unser System zur Verfügung gestellt haben, besteht ein enger Erfahrungsaustausch, der zu Verbesserungen bzw. Erweiterungen des Systems eingesetzt wird. Wir möchten an dieser Stelle darauf hinweisen, dass wir allen (ernsthaft) interessierten Kliniken das System kostenlos zur Verfügung stellen.