Die demographische Entwicklung in Deutschland macht das Problem der Versorgung einer wachsenden Anzahl von älteren Menschen mit rheumatischen Erkrankungen von Jahr zu Jahr drängender. Lag im Jahr 2010 nach Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums die mittlere Lebenserwartung für Männer noch bei 77,6 und für Frauen bei 82,8 Jahren, so wird sie im Jahr 2050 bei 83,7 bzw. 88,1 Jahren liegen (www.bmg.bund.de). Daraus lässt sich schließen, dass schon im Jahr 2020 je nach Bundesland zwischen 25 und 36 % der Bevölkerung über 60 Jahre alt sein werden. Am Beispiel Baden-Württembergs bedeutet das eine 28 %ige Steigerung gegenüber dem Jahr 2010. Die muskuloskelettalen Erkrankungen insgesamt, aber auch ein großer Teil der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, nehmen dadurch jedes Jahr zu. Dies liegt v. a. daran, dass die rheumatoide Arthritis (RA), als häufigste Erkrankung aus dieser Gruppe, im späteren Lebensalter besonders häufig erstmals manifest wird.

Mithilfe der neuen Klassifikationskriterien des American College of Rheumatism (ACR) und der European Leage against Rheumatism (EULAR, [1]) wurde die altersabhängige Inzidenz der RA neu berechnet: Bei einer Auswertung in Großbritannien zeigte sich, dass die RA bei Frauen im Alter zwischen 55 und 64 Jahren und bei Männern zwischen 65 und 74 Jahren am häufigsten neu auftritt [2]. Dazu kommen die Erkrankungen Polymyalgia rheumatica und Riesenzellarteriitis, die ebenfalls typische rheumatische Erkrankungen des höheren Lebensalters sind.

Überlegungen zur verbesserten Versorgung von Patienten mit rheumatischen Erkrankungen im höheren Lebensalter werden ganz wesentlich von zwei Themenkomplexen bestimmt:

  • durch die Multimorbidität als einem wichtigen und wesentlich den Ressourcenbedarf bestimmenden Charakteristikum von älteren Rheumapatienten sowie

  • durch die drohende Behinderung, d. h. durch den dauerhaften und oft irreversiblen Verlust der physischen und psychischen Funktionsfähigkeit bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen, die in einem höheren Lebensalter erkranken oder aber dieses mit einer seit Längerem bestehenden rheumatischen Erkrankung erreichen.

Es ist wichtig zu betonen, dass sowohl Multimorbidität wie auch Behinderung keine exklusiven Probleme von geriatrischen Rheumapatienten sind, sondern durchaus auch jüngere Menschen mit rheumatischen Erkrankungen betreffen. Diese Problemkomplexe sind bei Jüngeren aber geringer im Fokus, zum einen, da die Häufigkeit dieser Probleme niedriger ist, zum anderen aber auch, da diese – oft zum Schaden des Patienten – weniger wahrgenommen werden.

Die systematische Erfassung und Behandlung sowohl von Komorbiditäten wie auch der Risikofaktoren für dauerhafte funktionelle Defizite sind fest etablierte Teile spezifischer geriatrischer Behandlungen. Darüber hinaus werden Themen, die den Behandlungserfolg beeinflussen können, wie soziale Strukturen oder kognitive Defizite, aber auch Medikamentenwechselwirkungen durch Polypharmazie in der Geriatrie regelhaft erfragt, problematisiert und in das Behandlungskonzept mit einbezogen.

Ähnliche systematische Herangehensweisen sind für diese Themen in der Behandlung von Rheumapatienten im jungen oder mittleren Erwachsenenalter kaum etabliert, obwohl sie durchaus relevant sind. Das Bewusstsein für Komorbiditäten, wie kardiovaskuläre Erkrankungen oder Osteoporose bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen, ist zwar in den letzten Jahren erheblich gewachsen, systematische Assessments oder auch Behandlungskonzepte, die regelhaft biopsychosoziale Faktoren wie Compliance oder soziales Umfeld mit einbeziehen, sind im Gegensatz zur Geriatrie aber in der Rheumatologie weiterhin die Ausnahme.

Von der Geriatrie zu lernen, heißt deswegen nicht nur die Versorgungsstrukturen für ältere Patienten mit rheumatischen Erkrankungen zu verbessern, sondern auch die für Jüngere. Wer wird bestreiten, dass z. B. fallbezogene, interdisziplinäre Teambesprechungen, wie sie im akutstationären Bereich für geriatrische frührehabilitative Behandlungen Standard sind, nicht auch für jüngere Rheumapatienten von Nutzen wären.

Schließlich sollte man betonen, dass unabhängig von der o. g. speziellen Problematik der älteren Patienten die prinzipiellen Regeln der Behandlung rheumatischer Erkrankungen auch bei Älteren gelten. Zwar sind ältere und multimorbide Patienten in klinischen Studien unterrepräsentiert, die existierenden Daten lassen aber nicht den Schluss zu, dass z. B. Therapien mit Biologicals der RA weniger sicher oder wirksam wären [3, 4]. Trotzdem wurde ein Trend festgestellt, dass ältere RA-Patienten weniger Kombinationstherapien mit „disease-modifying anti-rheumatic drugs“ (DMARD) und Biologicals erhalten als jüngere [5]. Um auch älteren Rheumapatienten sinnvolle und notwendige Therapien nicht vorzuenthalten, müssen Versorger älterer Menschen mit rheumatischen Erkrankungen die vollen Möglichkeiten der modernen Rheumatologie anbieten und sinnvoll einsetzen, gleichzeitig aber auch die besonderen Probleme und Therapierisiken in dieser Patientenpopulation beherrschen.

Multimorbidität und deren Berücksichtigung in der Patientenversorgung

Multimorbidität und die daraus resultierende Polypharmazie sind ein typisches Charakteristikum von älteren Patienten mit rheumatischen Erkrankungen [6]. Dazu sind in dieser Zeitschrift erst kürzlich zwei umfassende Übersichten erschienen [7, 8]. Fast zwei Drittel aller Menschen über 65 Jahre sind multimorbid und haben im Durchschnitt sieben chronische Erkrankungen [7].

Fast zwei Drittel aller Menschen über 65 Jahre sind multimorbid

Rheumapatienten sind von dieser Problematik jedoch noch stärker betroffen. Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) haben z. B. auch in neuen Untersuchungen [9] ein um etwa 50 % erhöhtes kardiovaskuläres Risiko im Vergleich zu Nicht-RA-Patienten, was in etwa dem erhöhten Risiko beim Diabetes mellitus entspricht. Ebenso als sehr problematisch erkannt, wurde inzwischen das Risiko von schweren Infektionen unter dem Einfluss des Alters, der Komorbiditäten und der Medikation. Listing et al. [10] konnten kürzlich anhand von Daten des deutschen RABBIT-Registers (Rheumatoide Arthritis: Beobachtung der Biologika-Therapie) eindrucksvoll zeigen, dass die Rate von schweren Infektionen bei Patienten mit RA anhand von Risikofaktoren berechnet werden kann. Das Alter > 65 Jahre ist einer dieser Risikofaktoren, als weitere spielen

  • Nierenerkrankungen,

  • chronisch pulmonale Erkrankungen,

  • eine hohe Rate an Therapieversagen der RA und

  • (mit dem stärksten Einfluss) die tägliche Prednisondosis

eine Rolle. Patienten, die alle diese Faktoren vereinen und mehr als 14 mg Prednison/Tag einnehmen, haben bei einer DMARD-Therapie ein gegenüber Kontrollen fast 20-fach, und bei einer zusätzlichen TNF-Inhibitortherapie 45-fach erhöhtes Risiko eine schwere Infektion zu erleiden. Die Autoren haben daraus einen Risikoscore errechnet, mithilfe dessen das individuelle Risiko für Infektionen berechnet werden kann [11].

Komorbiditäten haben darüber hinaus Einfluss nicht nur auf die Sterblichkeit, sondern auch auf das subjektiv empfundene Erleben der Funktionseinschränkung, also der Behinderung, und die Lebensqualität [12, 13].

Nun kann der Rheumatologe die rheumatologische Therapie auch der älteren Rheumapatienten mit Kenntnis der Zusammenhänge so steuern, dass bestimmte Risiken durch Komorbiditäten reduziert werden. Sowohl das Risiko von schweren Infektionen wie auch der kardiovaskulären Ereignisse lässt sich positiv beeinflussen, in dem die Krankheitsaktivität der RA im Verlauf, aber gleichzeitig auch die Prednisondosis möglichst gering gehalten wird. Damit ist auf Dauer auch dem Ziel des Erhalts der Funktion und somit die Vermeidung von Behinderung am Besten gedient.

So sehr der Rheumatologe inzwischen auch geschult ist, Probleme der Multimorbidtät bei seinen Therapieentscheidungen zu berücksichtigen, die generelle Problematik der Folgen der Multimorbidität für den Patienten ist aber in den heute präsenten ambulanten Versorgungsstrukturen meist ungenügend abgedeckt. Dies ist für Rheumapatienten besonders problematisch. Die Koordination der vielfältigen Problemfelder bei chronisch kranken Patienten, von der Vermeidung von Übertherapie bei verschiedenen fachärztlichen Medikationen bis zur Kontrolle von z. B. kardiovaskulären Risikofaktoren, liegt meist in den Händen der Hausärzte, d. h. von Allgemeinmedizinern und hausärztlichen Internisten. Diese haben aber ganz besonders mit den Folgen der zunehmenden Spezialisierung in der Medizin zu kämpfen, u. a. mit der Konsequenz, dass es immer schwieriger wird, noch einen Überblick über die Fachgebiete zu behalten, aber auch durch die Überladung mit Aufgaben verschiedenster Art. Darüber hinaus sinkt die Zahl der Hausärzte kontinuierlich. Nach den Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums (www.bgm-bund.de) waren im Jahr 1993 in Deutschland noch 0,77 Hausärzte pro 1000 Einwohner als Vertragsärzte tätig, im Jahr 2011 waren es nur noch 0,52. Die Zahl der Fachärzte pro 1000 Einwohner stieg dagegen in der gleichen Zeit von 0,69 auf 0,80. Gerade in ländlichen Gebieten, wo für ältere Patienten noch das Problem der weiten Wege hinzukommt, wird es immer schwerer für Hausärzte, zusätzlich die Funktion des Mittlers zwischen den Disziplinen bei chronisch kranken Patienten zu spielen. Die Fachärzte kommen daher bei chronisch kranken Patienten immer mehr selbst in die Rolle, Verantwortung für die Gesamtheit der Probleme des Patienten übernehmen zu müssen. Optimalerweise lässt sich dies in echten interdisziplinären Strukturen verwirklichen, in denen die Expertise der verschiedenen Fachgebiete in gemeinsamen Entscheidungen mündet.

Interdisziplinarität unter spezialisierten Fachärzten ist ein Ziel, das der Versorgung älterer Rheumapatienten besonders zugute kommt.

Ein multimodales Therapiekonzept mit interdisziplinärer Versorgung ist z. B. ein Kriterium der Strukturqualität von rheumatologischen Akutkrankenhäusern [14], die deshalb prädestiniert sind, eine wichtige Rolle bei der Versorgung von älteren Patienten mit rheumatischen Erkrankungen zu spielen. Optimaler-, aber nicht notwendigerweise sind alle Fachgebiete unter einem Dach versammelt. Das erleichtert die Kommunikation und erspart dem Patienten aufwendige Transporte (Tab. 1).

Tab. 1 Strukturmerkmale und Prozesse rheumatologischer Akutkliniken, die die Versorgung von älteren Rheumapatienten erleichtern

Im ambulanten Bereich hat der Gesetzgeber seit einigen Jahren mit den Medizinischen Versorgungs-Zentren (MVZ) und den §116-Ambulanzen für spezialärztliche Versorgung Strukturen geschaffen, bei denen die Interdisziplinarität institutionalisiert und bei der Gründung Bedingung ist. Die §116b-Ambulanzen sind entweder für seltene oder aber schwere Erkrankungen mit besonderen Verlaufsformen vorgesehen. In Deutschland gibt es nach den Zahlen des Bundesgesundheitsamts 1730 MVZ mit insgesamt 9434 tätigen Ärzten (Stand 06/2011, www.bgm-bund.de). Sie sind im Vergleich zu den §116b-Ambulanzen in der Zuordnung zu Patientengruppen freier und, zumindest nach ihrer gesetzlich vorgeschriebenen multidisziplinären Struktur, eigentlich besonders gut für die ambulante interdisziplinäre Versorgung von älteren Rheumapatienten geeignet. Tab. 2 fasst Aspekte zusammen, die eine ambulante interdisziplinäre Einheit besonders für betagte Patienten mit rheumatischen Erkrankungen leisten könnte.

Tab. 2 Auswahl möglicher Schwerpunkte und Aufgaben in der Behandlung älterer Patienten mit rheumatischen Erkrankungen in einer interdisziplinären Einheit

Wegen den multiplen Belastungen der Ärzte wird in der Zukunft auch die Delegation ärztlicher Leistungen an nichtärztliches Personal eine zunehmende Bedeutung erlangen. Rheumatologische Fachassistenten der DGRh/BDRh (Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie/Berufsverband deutscher Rheumatologen) übernehmen in vielen Praxen und Kliniken immer mehr dieser Aufgaben. In dem Aufbaukurs Interaktive Rheumatologie in Klinik und Praxis des zertifizierten Lehrgangs Rheumatologische Fachassistenz werden spezielle Fähigkeiten auch für ältere Rheumapatienten (z. B. Wundversorgung, sozialmedizinische Fragen, spezielle Schmerztherapie u. a.) durch Kurse der Rheumaakademie vermittelt [15]. Die Rheumaakademie bietet außerdem für Ärzte in der Weiterbildung oder fertige Rheumatologen Kurse mit dem Titel Rheuma und Alter an, die die Versorgung von älteren Patienten mit rheumatischen Erkrankungen zum Inhalt haben (www.rheumakademie.de).

Wege zur Vermeidung von Behinderung

Neben der Multimorbidität ist die drohende Behinderung ein typisches Problem des betagten Rheumapatienten. Dies betrifft ältere Patienten mit rheumatischen Erkrankungen heute umso mehr als die Lebenserwartung älterer Menschen gegenüber früher deutlich verbessert ist. So hat ein Mann mit 60 Jahren, also in etwa um den Gipfel der Altersinzidenz der RA, heute eine mittlere Lebenserwartung von 19,2 Jahren. Bei Frauen liegt diese sogar bei 23,5 Jahren mit steigender Tendenz. Die Diagnose z. B. einer RA in diesem Alter bedeutet also, dass die Erkrankung noch für viele Jahre die Funktionsfähigkeit und damit die Lebensqualität einschränken kann.

Anders als man früher dachte, ist die Altersform der rheumatoiden Arthritis auch nicht prinzipiell gutartiger als die des Menschen im jungen oder mittleren Lebensalter. Beim Vorliegen von negativen prognostischen Zeichen wie positivem Rheumafaktor oder Anti-CCP-Antikörpern hat die RA des Älteren prinzipiell einen genauso aggressiven Verlauf wie bei Jüngeren [16]. Nichts spricht aber auch dafür, dass ältere Patienten mit RA in der Reduktion der Krankheitsaktivität schlechter als jüngere auf Medikamente wie z. B. Biologicals ansprechen [3, 4]. Prinzipiell ist daher auch bei Älteren der Weg frei, über die frühe Reduktion der Krankheitsaktivität auch die funktionelle Prognose positiv zu beeinflussen und somit Behinderung zu verhüten. Es wurde sogar gezeigt, dass das typische geriatrische Syndrom der Stürze bei RA-Patienten mit der Krankheitsaktivität korreliert und somit wahrscheinlich durch Kontrolle der entzündlichen Aktivität zumindest teilweise verhindert werden kann [17]. Ausreichende Untersuchungen, ob auch bei betagten RA-Patienten die gleichen Therapieziele wie bei Jüngeren, v. a. das Konzept des „treat to target“ mit dem Ziel der Remission [18] anwendbar ist, gibt es jedoch nicht.

Krankheitsaktivität und Funktionseinschränkung bei der RA der Älteren

Der Autor hat in einer systematischen Nachuntersuchung seiner Patienten des Projekts OBRA (Outcome Benchmarking rheumatologischer Akutversorgung) die Frage untersucht, ob sich der Kurzzeit-Outcome der jüngeren und der älteren Patienten mit RA unterscheidet. Es konnten die bereits vorher publizierten Ergebnisse bestätigt werden, dass bei den älteren Patienten > 65 Jahre kein Unterschied im Ansprechen auf DMARD und Biologicals bezüglich der Krankheitsaktivität nach 3 Monaten bestand [4]. Wohl gab es aber einen signifikanten Unterschied im Erreichen eines minimal-relevanten funktionellen Ansprechens, gemessen durch das Erreichen von 11 % Verbesserung im Funktionsfragebogen Hannover (FFbH) nach 3 Monaten. Diesen erreichten bei den Älteren nur 20,6 %, während dies bei 35,1 % der Jüngeren der Fall war. Bei einem Teil der älteren Patienten war das Ansprechen der Krankheitsaktivität von der Funktionsverbesserung wie entkoppelt, während diese beiden Parameter bei den jüngeren Patienten eng korrelierten [4]. Man kann aus diesen Daten schließen, dass während bei Jüngeren eine Reduktion der Krankheitsaktivität der RA in den meisten Fällen auch einen Schutz vor fortschreitendem Funktionsverlust bedeutet, bei Älteren oft zusätzliche Interventionen notwendig sind, um wirksam die Behinderung zu verhindern. Eine Art der Intervention kann unter Umständen im Fall bereits zerstörter Gelenke auch Endoprothetik sein, obwohl sich Daten zum Langzeiteffekt von Endoprothetik auf Funktion und Lebensqualität bei RA-Patienten in der Literatur erstaunlich wenig finden [19]. Auf der anderen Seite können aber Rehabilitationsmaßnahmen, die Folgeschäden lindern und verlorene Funktion wiedergeben, zu dem Ziel der dauerhaften Funktionsbewahrung beitragen. Die Institutionen, die diese Funktionen innehaben, sind neben dem

  • rheumatologischen Akutkrankenhaus, das Akutrehabilitation im Rahmen des stationären Aufenthalts durchführen kann,

  • die Rehabilitationskliniken mit entweder primär rheumatologisch/orthopädischer oder aber geriatrischer Ausrichtung.

Dass für die Rehabilitation muskuloskelettaler Erkrankungen ein großer und im Alter steigender Bedarf besteht, zeigen Daten der Deutschen Rentenversicherung im Rehabericht 2012 (www.reha-berichte-drv.de). Etwa jede dritte Rehabilitationsmaßnahme wird in dieser Indikationengruppe durchgeführt. Die muskuloskelettalen Erkrankungen nehmen daher mit Abstand die Spitzengruppe ein. Bei Frauen um die 50 Jahre sind dies 17 Rehaleistungen auf 1000 Versicherte im Jahr 2010, während die nächsthäufigste Indikationengruppe der psychischen Erkrankungen in dieser Altersgruppe pro Jahr nur 10 von 1000 Versicherte wahrnehmen.

Die besondere Bedeutung der muskuloskelettalen Erkrankungen in der Rehabilitation wird mit steigendem Alter immer größer.

Mit 60 Jahren sind es schon 30 auf 1000 Versicherte pro Jahr für diese Indikationengruppe, während es bei der nächsthäufigsten Indikation in diesem Alter, bösartige Neubildungen, 14 auf 1000 Versicherte sind.

Bei Männern sind die Proportionen ganz ähnlich, nur dass bei diesen die kardiovaskulären Erkrankungen eine größere Rolle spielen, die aber nur etwa halb so oft wie die muskuloskelettalen Erkrankungen die Indikation für eine Rehamaßnahme darstellen. In der ambulanten Rehabilitation dominieren die muskuloskelettalen Erkrankungen noch stärker: bei Männern sind es 60 % und bei Frauen 69 % der Patienten die ambulanten Rehamaßnahmen aus dieser Indikation wahrnehmen.

Zusammengefasst ist die Funktionserhaltung, und damit die Vermeidung von Behinderung, bei Rheumapatienten im höheren Lebensalter schwieriger zu erreichen als bei Jüngeren. Bei der RA scheint dies damit zu zusammenzuhängen, dass in dieser Altersgruppe in höherer Frequenz als bei Jüngeren nicht allein die Kontrolle der Krankheitsaktivität ausreicht, um dieses Ziel zu erreichen. Maßnahmen der Rehabilitation, ambulant oder aber stationär, spielen daher eine deutlich wichtigere Rolle.

In Deutschland steht dafür eine Vielzahl von Rehabilitationseinrichtungen zur Verfügung. Wenn die speziellen Probleme der Rheumapatienten wie körperliche und psychische Komorbidität oder Patientenschulung mitberücksichtigt werden, ist dies eine wichtige Ressource, die auf jeden Fall genutzt werden sollte.

Ambulante oder stationäre Versorgung

Aufgrund der Multimorbidität älterer Rheumapatienten befinden sich diese häufig in den Schnittstellen zwischen

  • auf der ambulanten Seite dem rheumatologischem Facharzt und Hausarzt sowie

  • auf der stationären Seite dem spezialisierten rheumatologischem Akutkrankenhaus, Kliniken anderer Disziplinen und Rehabilitationskliniken.

Im ambulanten Sektor ist der internistische Rheumatologe der Spezialist, der primär die rheumatologische Diagnose stellen und deren Behandlung einleiten und steuern muss. Oft ist dies im Ablauf der Praxis bei älteren, gebrechlichen und multimorbiden Patienten äußerst schwierig zu leisten. Für solche Patienten ist keine andere Honorierung wie für jüngere Patienten vorgesehen, der Aufwand aber erheblich höher. Die einzelnen Schritte der medizinischen Betreuung,

  • angefangen von der Medikamentenanamnese,

  • über die Entkleidung zur körperlichen Untersuchung

  • bis zur Aufklärung und Einwilligung zur Therapie

sind oft zeitraubend und belasten den Ablauf in einer Praxis stark. Nach dem Memorandum der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (www.dgrh.de) ist aber in vielen Regionen Deutschlands die Anzahl der benötigten Rheumatologen noch zu gering, sodass nicht nur Wartezeiten für einen Termin, sondern auch ein Zeitdruck im Ablauf der Praxis entsteht. Eine große Anzahl von älteren Rheumapatienten kann daher für Praxen zur Belastung werden. Ein Anstieg der Zahlen älterer Rheumapatienten ist jedoch allein aufgrund der demographischen Entwicklung zu erwarten.

Rheumatologische Akutkrankenhäuser sind für die Versorgung dieser Patienten daher prädestiniert, da prinzipiell sowohl die notwendigen pflegerischen Kapazitäten wie auch mehr Zeit zur Verfügung stehen, um eine den älteren Patienten gemäße Versorgung zu gewährleisten. Dabei sind gerade die für Ältere besonders wichtigen multidisziplinären Therapieverfahren unter Einschluss von aktivierender Pflege, Physiotherapie und Ergotherapie im rheumatologischen Akutkrankenhaus vorhanden und werden im Rahmen der multimodalen rheumatologischen Komplexbehandlung eingesetzt. Es besteht also die Chance, bei einem älteren Patienten mit einer aktiven entzündlich-rheumatischen Erkrankung schon während des ansonsten von Diagnostik und medikamentöser Therapieumstellung geprägten akutstationären Aufenthalts eine frührehabilitative Behandlung einzuleiten. Nach der Regel „früh wirkt besser“ ist zu hoffen, dass dadurch ein nachhaltiger Effekt erreicht wird.

Aspekte der Honorierung

Nun haben die rheumatologischen Akutkrankenhäuser aber – ebenso wie Praxen – mit speziellen wirtschaftlichen Problemen in der Versorgung älterer Patienten zu kämpfen. Der Ressourcenaufwand der multimodalen rheumatologischen Komplexbehandlungen (OPS-8-983) wird im Fallpauschalensystem vergütet, wenn die Behandlung länger als 14 Tage notwendig ist. Diese Form der Komplexbehandlung ist jedoch für ältere, pflegebedürftige Rheumapatienten in vieler Hinsicht oft nicht geeignet und umfasst keine spezifisch geriatrischen Anteile [20]. Dem älteren Rheumapatienten mehr gemäß ist ein stationäres Behandlungskonzept, das Anteile der rheumatologischen mit einer geriatrisch-frührehabilitativen Komplexbehandlung verbindet. Im ACURA-Rheumazentrum Baden-Baden wie auch in einigen anderen rheumatologischen Akutkliniken sind daher gerontorheumatologische Komplexbehandlungen etabliert worden, die spezieller auf die Problematik der Älteren eingehen. Für die Kodierung als geriatrisch-frührehabilitative Komplexbehandlung (OPS-8-550) ist aber neben anderen Voraussetzungen die Leitung durch einen Facharzt für klinische Geriatrie notwendig. Tab. 1 zeigt einige wünschenswerte Strukturmerkmale, die für die Versorgung von älteren Patienten mit rheumatischen Erkrankungen in rheumatologischen Akutkliniken hilfreich sind.

Schnittstellenproblematik der Sektorengrenzen

Die Schnittstellenproblematik auf der einen Seite zwischen stationärer und ambulanter Behandlung, auf der anderen Seite aber auch horizontal zwischen verschiedenen Kliniken der Versorgung, wie z. B. allgemein-internistischen und spezialisierten akutrheumatologischen Krankenhäusern und Rehabilitationskliniken, ist ebenfalls ein kritischer und versorgungsrelevanter Punkt. So wie die bereits genannten Aspekte betrifft dies ebenfalls die Versorgung von allen Rheumapatienten, ist im höheren Lebensalter aber besonders wichtig.

In einem Versorgungsforschungsprojekt der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) zusammen mit dem Berufsverband der Internisten (BDI) wird sich dem Thema der zukunftsorientierten integrierten internistischen Versorgung mit der Modellregion Schleswig Holstein angenommen (www.DGIM/Jahresbericht2013/htlm). Mit der Polyangiitis mit Granulomatose (M. Wegener) ist dabei auch eine rheumatologische Erkrankung Gegenstand der Untersuchung.

Man erhofft sich von diesem Projekt, das wissenschaftlich von Hans-Heinrich Raspe, Seniorprofessor für Bevölkerungsmedizin der Universität Lübeck, koordiniert wird und dessen Ergebnisse Ende 2014 in einem Memorandum veröffentlicht werden, Aufschlüsse über Versorgungspfade der Inneren Medizin und in welcher Form diese optimiert werden können.

Fazit für die Praxis

  • Die Versorgung älterer Patienten mit rheumatischen Erkrankungen ist ein Problem, das durch die demographische Entwicklung in den nächsten Jahren immer drängender an Bedeutung gewinnen wird.

  • Die Berücksichtigung von Multimorbidität und Vermeidung von Behinderung sind bei älteren Rheumapatienten besonders wichtige Ziele der ärztlichen Behandlung.

  • Zur Verbesserung der Versorgung ältere Rheumapatienten sind die konsequente Umsetzung interdisziplinärer Konzepte und die Nutzung von Rehabilitation in akuter Form im spezialisierten Krankenhaus und elektiv in Rehabilitationseinrichtungen notwendig.

  • Die Qualität der Versorgung im ambulanten wie auch im stationären Sektor benötigt adäquate Vergütungsstrukturen und neue Konzepte zur Verminderung von Schnittstellenproblemen.

  • Neue Konzepte, die die Versorgung von älteren Rheumapatienten verbessern, können auch für jüngere Patienten mit rheumatischen Erkrankungen beispielhaft sein.