Eine Nierenbeteiligung im Rahmen von Systemerkrankungen kann sich klinisch sehr variabel präsentieren. Das Spektrum reicht von geringen Funktionsstörungen der Glomeruli oder Tubuli mit z. B. diskreter Erythrozyturie oder Proteinurie und normalem Labor bis zu einem akuten, rasch progredienten Nierenversagen. Auch kann eine bestimmte Krankheitsentität, z. B. der systemische Lupus erythematodes (SLE), ganz unterschiedliche Nierenpathologien auslösen. Oft ist die renale Mitbeteiligung der Systemerkrankung für die Gesamtprognose der Patienten entscheidend. Die Aufgabe des Arztes ist es, das klinische Schädigungsmuster zuzuordnen, die Dringlichkeit zu erkennen und darauf aufbauend weitere diagnostische Schritte, differenzialdiagnostische Überlegungen und angemessene Therapien einzuleiten.

Schwere Nierenbeteiligungen im Sinne eines Notfalls treten bei aggressiver Krankheitsdynamik oder bei verzögerter Diagnostik oder im ungünstigen Fall bei einer Kombination beider Faktoren auf. Zusätzlich spielen die oft vorhandenen Komorbiditäten unserer Patienten eine kritische Rolle. Grundsätzlich hängt die Reversibilität der Veränderungen vom Zeitpunkt der Diagnosestellung ab. Bei zeitnaher Diagnostik und Therapie lassen sich schwere Verläufe mit terminaler Niereninsuffizienz häufig vermeiden.

Dem erstbehandelnden Arzt kommt im Hinblick auf die renale Prognose eine Schlüsselrolle bei der richtigen Einschätzung der Dynamik einer Nierenerkrankung zu.

Nierenfunktionsstörungen fallen oft erst bei einem Kreatininanstieg auf, obwohl Kreatinin kein idealer Parameter zur Beurteilung der Nierenfunktion ist. Anstiege über den Normbereich werden erst bei einer Reduktion der glomulären Filtrationsrate (GFR) um ca. 50% auffällig, und der Anstieg tritt verzögert auf, sodass gerade beim akuten Nierenversagen das Ausmaß der Nierenfunktionseinschränkung häufig unterschätzt wird. Alternativen zum Serumkreatinin bei der Beurteilung der Nierenfunktion, insbesondere der frühen Einschränkung, wie z. B. das Cystatin C, haben sich aufgrund verschiedener Limitationen nicht allgemein durchgesetzt [4]. So können z. B. Steroide den Cystatinspiegel beeinflussen [20]. Die deutlich genauere Kreatinin-Clearence aus einem 24-h-Sammelurin ist oft aus praktikablen Gründen gerade im ambulanten Setting nicht durchführbar und störanfällig für Sammelfehler. Neuere Urinmarker zur früheren Erkennung des akuten Nierenversagens, wie z. B. „neutrophil gelatinase-associated lipocalin“ (NGAL), sind im intensivmedizinischen Setting vielversprechend, aber im Praxisalltag u. a. aus Kostengründen bisher nicht hilfreich [17]. In der Praxis ist deshalb die regelmäßige Durchführung eines Urinstatus zur Früherkennung insbesondere glomerulärer Erkrankungen unverzichtbar. Daneben lassen klinische Untersuchung und Anamnese (u. a. neuer Bluthochdruck, Ödeme, schäumender Urin, Gewichtszunahme und Dyspnoe) auf Nierenfunktionseinschränkungen schließen.

Akutes Nierenversagen

Die Einteilung des akuten Nierenversagens (ANV) in 3 Schweregrade erfolgt nach RIFLE bzw. AKIN-Kriterien, die auf der Basis von Kreatininwert und Urinausscheidung erstellt wurden [13]. Für die Praxis muss angemerkt werden, dass eine nachlassende Diurese in der Regel ein sehr spätes Zeichen einer Nierenpathologie ist und die Frage nach der Menge der Urinausscheidung eine sehr geringe Trennschärfe zur Früherkennung von Nierenerkrankungen hat. Ein ANV im Sinne dieser Klassifikation liegt erst vor, wenn zuvor reversible Ursachen wie ein Volumenmangel und ein postrenales ANV ausgeschlossen wurden, sodass diese Klassifikation v. a. für Studien- und Dokumentationszwecke geeignet ist.

Das differenzialdiagnostische Herangehen an ein akutes Nierenversagen in der Praxis sollte zunächst nach der Einteilung prä-, intra- und postrenal erfolgen, obwohl es zwischen der prä- und der intrarenalen Form fließende Übergänge gibt, wenn z. B. eine zunächst funktionelle Durchblutungsstörung in eine Tubulusnekrose übergeht [11].

Prärenale Ursachen (z. B. Hypotonie, Diarrhö oder Erbrechen) sind meist anamnestisch leicht zu erfassen und in der Regel schnell reversibel. Durch die Sonographie müssen postrenale Ursachen des ANV ausgeschlossen und die Nierengröße (akute vs. chronische Niereninsuffizienz), Parenchymbeschaffenheit und Durchblutungssituation der Niere beurteilt werden.

Die Sonographie und das Urinsediment gehören immer zur unverzichtbaren Basisdiagnostik bei einer Nierenfunktionsverschlechterung.

Nach Ausschluss eines prä- und postrenalen ANV müssen für die weitere Differenzialdiagnostik ein Urinstix und im pathologischen Fall ein Urinsediment angefertigt werden. Die Beurteilung des Sediments sollte bei kritischen Fragestellungen idealerweise durch einen Nephrologen erfolgen.

Aus der Vielzahl der klinischen Erscheinungsbilder von akuten Nierenerkrankungen sollen anhand des Urinbefundes folgende 4 typische Schädigungsmuster mit den assoziierten häufigen Ursachen herausgestellt werden:

Akutes Nierenversagen mit unauffälligem Urinbefund

In dieser häufigsten Gruppe finden sich differenzialdiagnostisch das prärenale Nierenversagen bei Volumendepletion, das funktionelle Nierenversagen bei intrarenaler Durchblutungsstörung (z. B. ACE-Hemmer, Diuretika und NSAR) und der akute ischämische oder toxische Tubulusschaden (z. B. durch Kontrastmittel, Aminoglykoside, Calcineurininhibitoren).

Viel seltener sind die vorwiegend präglomerulären Vaskulopathien [thrombotische Mikroangiopathien, „scleroderma renal crisis“ (s. unten), Antiphospholipidsyndrom (s. unten), präglomeruläre Vaskulitiden, insbesondere die Panarteriitis nodosa].

Bei schwerem Schaden mit Tubulusnekrose tauchen dann im Verlauf im Urinsediment zunehmend granulierte Zylinder auf, die extrazellulärer Matrix und Zelldetritus entsprechen. Eine geringe Erythrozyturie und Proteinurie können vorkommen.

Akutes Nierenversagen mit führender Leukozyturie

Die häufigste Ursache ist die interstitielle Nephritis (Abb. 1), die medikamentenallergischer Genese sein, aber auch im Rahmen einer Systemerkrankung auftreten kann (z. B. Sjögren-Syndrom oder Sarkoidose). Im Urinsediment ist das Auftreten von Leukozytenzylindern (Abb. 2) ohne Nachweis von Bakterien typisch. Ein Hinweis auf eine allergische Genese ist der Nachweis von eosinophilen Leukozyten im Urin. Ein akutes Nierenversagen im Rahmen einer Pyelonephritis ist eher selten und bereitet mit den typischen Symptomen (Flankenschmerz, hohes Fieber, Bakteriurie) meist keine differenzialdiagnostischen Schwierigkeiten.

Abb. 1
figure 1

Interstitielle Nephritis: ausgedehntes entzündliches Infiltrat mit teils irreversibler Zerstörung des tubulären Apparates deutlich sichtbar im unteren Teil des Biopsates. (Mit freundl. Genehmigung von Prof. Dr. U. Helmchen, Hamburg)

Abb. 2
figure 2

Urinsediment: Leukozytenzylinder (Vergr. 400:1). (Mit freundlicher Genehmigung von Dr. S. Scheidat, Hamburg)

Akutes Nierenversagen mit Erythrozyturie, Proteinurie

Die rapid progressive Glomerulonephritis (RPGN) zeichnet sich durch ein gleichzeitiges Auftreten von akutem Nierenversagen, Proteinurie und Erythrozyturie aus. Im Urinsediment finden sich dysmorphe Erythrozyten, Akanthozyten (Abb. 3) und seltener Erythrozytenzylinder (Abb. 4).

Die RPGN ist immer ein nephrologischer Notfall und bedarf umgehend einer suffizienten Diagnostik und Therapie.

Abb. 3
figure 3

Urinsediment: dysmorphe Erythrozyten und Akanthozyten (Pfeile; Vergr. 400:1). (Mit freundl. Genehmigung von Dr. S. Scheidat, Hamburg)

Abb. 4
figure 4

Urinsediment: Erythrozytenzylinder (Pfeil; Vergr. 400:1). (Mit freundl. Genehmigung von Dr. S. Scheidat, Hamburg)

Nephrotisches Syndrom

Das nephrotische Syndrom ist eine klinische Diagnose (Hypalbuminämie, Ödeme, Proteinurie, Hyperlipoproteinämie) und kann verschiedenste Ursachen haben. Die GFR und das Serumkreatinin sind initial meist normal, da die Filtration von Kreatinin und die Tubulusfunktion zunächst ungestört sind. Die Ödembildung kann massiv sein und „über Nacht“ auftreten. Der Urinstix zeigt eine große Proteinurie (> 300 mg/dl), im Sediment finden sich häufig hyaline Zylinder (Eiweißzylinder).

Weiteres Vorgehen

Bei einem Nierenversagen mit unauffälligem Urinbefund sollte zunächst der Volumenstatus ausgeglichen werden, und alle Medikamente, die die Nierenfunktion in der Akutsituation verschlechtern können, wie ACE-Hemmer, AT1-Antagonisten, Diuretika, NSAR (inklusive Cox2-Inhibitoren) sollten pausiert werden. Potenziell nephrotoxische Medikamente sollten abgesetzt bzw., falls notwenig, deren Spiegel kontrolliert und angepasst werden (z. B. Ciclosporin, Vancomycin, Aminoglykoside).

Die Rolle von MTX bezüglich renaler Nebenwirkungen wird kontrovers diskutiert. Sicher ist, dass durch die renale Elimination der Substanz die Dosis bei eingeschränkter Nierenfunktion reduziert werden muss (Halbierung der Dosis bei GFR 30–50 ml/min) und die Toxizität erhöht sein kann. Bei einer GRF < 30 ml/min gilt Methotrexat (MTX) generell als kontraindiziert. Dagegen sind aber durch MTX direkt an der Niere induzierte Nebenwirkungen bei den in der Rheumatologie üblichen Dosen insgesamt sehr selten [5].

Erst wenn sich nach 2 bis 3 Tagen keine Besserung der Nierenfunktion einstellt und die Ursache trotz genauer Anamnese und ggf. erweiterter Labordiagnostik weiter unklar bleibt, muss eine Nierenbiopsie diskutiert werden.

Bei Verdacht auf interstitielle Nephritis (ANV mit Leukozyturie, sterile Urinkultur, Nachweis von Eosinophilen im Urin) müssen typische auslösende Medikamente (u. a. Antibiotika, NSAR, Protonenpumpenhemmer) abgesetzt werden, und es sollte trotz schwacher Evidenzlage eine Steroidtherapie (initiale Dosis z. B. 1 mg/kg KG) eingeleitet werden [8]. Eine Nierenbiopsie sollte zur Diagnosesicherung in der Regel erfolgen.

RPGN und nephrotisches Syndrom sind klare Indikationen für eine zeitnahe Nierenbiopsie

Rasch progrediente Glomerulonephritis

Die rasch progrediente Glomerulonephritis (RPGN) ist keine eigene Krankheitsentität, sondern primär ein klinisches Syndrom, bestehend aus schneller Nierenfunktionsverschlechterung (Tage bis Wochen) mit Erythrozyturie und Proteinurie. Nur fakultativ liegen klinisch extrarenale Krankheitszeichen vor. Es besteht eine klare Indikation zur Nierenbiopsie und zur umgehenden Initiierung einer immunsupressiven Therapie (s. unten). Histologisch zeigt sich eine nekrotisierende Glomerulonephritis (GN) mit Halbmondbildung (Abb. 5), die noch keinen Rückschluss auf die zugrunde liegende Erkrankung zulässt. Erst immunhistologisch lässt sich die auslösende Erkrankung weiter eingrenzen (Tab. 1).

Abb. 5
figure 5

Rasch progrediente Glomerulonephritis: nekrotisierende Glomerulonephritis mit extrakapillärer Proliferation (Halbmondbildung). (Mit freundl. Genehmigung von Prof. Dr. U. Helmchen, Hamburg)

Tab. 1 Rasch progrediente Glomerulonephritis Typ 1–3 mit typischem immunhistologischem Befund, assoziierten Erkrankungen und Auszug typischer Laborparameter

Therapieprinzipien der Remissionsinduktion bei RPGN

Die Therapieprinzipien bei RPGN sind unabhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung im Wesentlichen gleich. Die Diagnostik und Therapie dieses potenziell lebensbedrohlichen Krankheitsbildes sollte in erfahrenen Zentren erfolgen. Schon bei dringendem klinischem Verdacht auf eine RPGN muss vor der Nierenbiopsie eine hoch dosierte Kortikosteroidtherapie (z. B. je 500 mg über 3 Tage, dann 1 mg/kg KG) eingeleitet werden. Die diagnostische Aussagekraft der Nierenbiopsie wird hierdurch nicht wesentlich beeinflusst. Ergänzt wird die Steroidgabe in der Regel von einer zusätzlichen immunsupressiven Therapie (s. unten). Supportive Maßnahmen wie Blutdruck- und Blutzuckereinstellung, Ulkus-, Osteoporose- und Infektprophylaxe sowie Volumen- und Elektrolytkontrollen müssen erfolgen.

Spezielle Aspekte der Remissionsinduktion

RPGN bei ANCA assoziierten Vaskulitiden (AAV)

Die Standardimmunsuppression ist in den meisten Zentren die i.v.-Gabe von Cyclosphosphamid mit 15 mg/kg (maximal 1,2 g), 3-malig in 2-wöchentlichen Abständen, dann alle 3 Wochen für die nächsten 3 bis 6 Pulse. Bei eingeschränkter Nierenfunktion und in höherem Alter muss die Dosis angepasst werden. Alternativ kann auch die orale Gabe (maximal 200 mg/Tag) erfolgen (Übersicht bei [16]). Als Alternative kommt heute insbesondere bei jungen Patienten, Rezidiven oder bei therapierefraktärem Verlauf Rituximab (RTX) in Betracht [9, 23], wobei die Substanz in Europa für diese Indikation noch nicht zu gelassen ist.

Die Rolle der Plasmaseparation (PS) bei RPGN wird weiter kontrovers diskutiert [3]. Bei schwerer RPGN spricht sich die aktuelle EULAR-Empfehlung [15] für eine Plasmaseparation unter bestimmten Umständen (Kreatinin > 5,6 mg/dl oder > 500 µmol/l) aus. Die sichere Evidenz für die PS bei RPGN muss aber weiter durch laufende Studien der europäischen Studiengruppe belegt werden (Pexivas; http://www.bctu.bham.ac.uk/pexivas/index.shtml).

Eine klare Indikation zur PS besteht bei einem pulmorenalen Syndrom (RPGN + Hämoptysen) sowohl bei der AAV als auch beim Nachweis von GBM-AK im Sinne eines Goodpasture-Syndroms. Bei einer isolierten RPGN ohne Lungenbeteiligung, aber gleichzeitigem Nachweis von ANCA und GBM-AK ist eine PS ebenfalls indiziert.

RPGN beim systemischen Lupus erythematodes

Die Lupusnephritis beim systemischen Lupus erythematodes (SLE) wird nach der ISN/RPS-Klassifikation in 6 Formen eingeteilt (Tab. 2).

Tab. 2 ISN/RPS-Klassifikation der Lupusnephritis. (Nach [26])

Die Typ-I- und -II-GN verursachen eine symptomlose bis milde GN. Als bioptischer Befund bei Patienten, die sich mit einer RPGN vorstellen, ist in der Regel eine diffus proliferierende GN der Klasse IV, seltener der Klasse III, zu erwarten. Es muss aber betont werden, dass Patienten mit SLE, die sich mit nur mäßiger Proteinurie und Erythrozyturie und ggf. leichter Nierenfunktionseinschränkung vorstellen, häufig histologisch eine schwere Nierenbeteiligung aufweisen, weshalb die Indikation zur Nierenbiopsie großzügig gestellt werden sollte. Patientin mit SLE-assoziierter GN der Klasse III und IV haben meist eine typische Laborkonstellation u. a. aus homogenen ANA, dsDNA- oder Nukleosomen- und/oder Anti-c1q-Antikörpern sowie einem Komplementverbrauch.

Eine frühe Diagnose und Therapie ist Voraussetzung für ein besseres Outcome

Bei der Therapie der diffusen Lupusnephritis der Klasse IV, aber auch Klasse III mit frischen Proliferationen, gelten im Wesentlichen dieselben Prinzipien wie bei den AAV: Eine frühe Diagnose und Therapie ist Voraussetzung für ein besseres Outcome, und eine intensive Remissionsinduktion wird gefolgt von einer remissionserhaltenden Therapie. Wichtig ist auch hier eine enge Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Nephropathologen, um eine aktive, proliferierende Lupusnephritis [in der Klassifikation mit dem Zusatz „(A)“ gekennzeichnet] mit viel funktionellem Verbesserungspotenzial sicher von einem chronisch geschädigten [Zusatz „(C)“] oder irreversibel vernarbten Befund (Klasse VI) zu trennen, um eine unnötige Überimmunsuppression zu vermeiden.

Das beste immunsuppressive Regime für eine RPGN im Rahmen des SLE ist nicht eindeutig definiert. Zur Standardtherapie zählt die i.v.-Cyclophosphamid-Gabe. In vielen Zentren wird heute das ursprüngliche NIH-Protokoll (zunächst 0,5–1 g/m2/Monat für 6 Monate) verlassen und nach dem dosisreduzierten „Euro-Lupus-Protokoll“ behandelt, das lediglich kumulativ 3 g Cyclophosphamid in 3 Monaten (500 mg alle 2 Wochen) vorsieht. Als Alternative für die Remissionsinduktion ist Mycofenolsäure (MPA, z. B. als Mycophenolat-Mofetil, initial 2-mal 500 mg, aufdosiert bis 3000 mg/Tag) weit akzeptiert und wird v. a. in nephrologischen Zentren und z. B. bei jungen Frauen mit künftigem Kinderwunsch häufig präferiert [7], wobei MPA während der Schwangerschaft wegen Teratogenität ebenfalls kontraindiziert ist. Problematisch ist, dass – trotz gleich guter Wirksamkeit gegenüber Cyclophosphamid in den Studien – die Substanz für diese Indikation nicht zugelassen und immer noch hochpreisig ist. Im Fall eines unzureichenden Ansprechens auf das eine oder andere Therapieregime wird der Wechsel auf das jeweilige andere Regime oder der Wechsel auf experimentelle Therapien wie Rituximab, TNF-α-Blocker, Immunadsorption oder Tacrolimus empfohlen [1]. Solche Therapien sollten in erfahrenen Zentren durchgeführt werden. Die Rolle des seit Sommer 2011 zugelassenen Biologikums Belimumab bei der schweren GN ist noch unklar, da in den Zulassungsstudien diese Patienten ausgeschlossen waren. Trotz der vielen negativen Studienergebnisse der letzten Jahre sind viele neuen Targets (u. a. Anti-CD22, Anti-IL-6, Anti-IFN-α) in der klinischen Entwicklung (www.clinicaltrials.gov). Die PS hat wegen eines fehlenden Wirkungsnachweises keinen generellen Stellenwert beim SLE.

RPGN bei kryoglobulinämischer Vaskulitis

Die häufigste Ursache ist eine essenzielle gemischte Kryoglobulinämie (Typ II) bei chronischer HCV-Infektion. Diese Patienten zeigen oft schwere weitere klinische Manifestationen (z. B. akrale Nekrosen, Neuropathie). Es ist eine Steroidbolustherapie mit 500–1000 mg i. v. über 3 Tage, dann 1 mg/kg p.o. indiziert. Eine Plasmaseparation (z. B. 3-mal/Woche über 3 Wochen) kann bei schweren Verläufen zusätzlich durchgeführt werden [12]. Eine zusätzliche Immunsuppression ist notwendig, wobei hier Cyclophosphamid und auch dauerhaft hohe Steroiddosen weitgehend von Rituximab abgelöst wurden, um ungünstige Effekte auf die Virusreplikation zu minimieren [19]. Die Therapie der zugrunde liegenden Hepatitis C ist im Verlauf eindeutig indiziert. Die antivirale Therapie sollte bei schwerer Vaskulitis mit Niereninsuffizienz erst nach ca. 3 Monaten begonnen werden. Eine Aktivitätsminderung der Vaskulitis und eine Stabilisierung der Nierenfunktion sind zu fordern, insbesondere im Hinblick auf die Pharmakokinetik und Nebenwirkungen von Ribaverin und pegyliertem Interferon bei eingeschränkter Nierenfunktion (Übersicht bei [18]).

Sonstige renale Notfälle in der Rheumatologie

Nephrotisches Syndrom

Das nephrotische Syndrom kann verschiedene Ursachen haben. Es findet sich bei primären Glomerulonephritiden, aber auch bei sekundären Glomerulopathien, wie z. B. bei Diabetes mellitus. Im Bereich der Rheumatologie tritt es typischerweise als Minimal-Change-Glomerulopathie nach NSAR-Einnahme [25], als membranöse Glomerulonephritis (z. B. bei Goldtherapie) oder bei Patienten mit Amyloidose z. B. bei langjähriger rheumatoider Arthritis auf.

Bei Patienten mit SLE und Nierenbeteiligung findet sich bei 10–20% eine isolierte membranöse GN der Klasse V [2, 14], bei der sich häufiger als bei der Typ-III- und -IV-Nephritis auch normale dsDNA-Antikörper und normale Komplementfaktoren finden. Die Evidenz für die Therapie dieser Form ist nur durch Studien mit geringer Fallzahl belegt. Bei schlechten Prognosefaktoren (hohe, persistierende Proteinurie, steigendes Kreatinin) besteht neben den supportiven Maßnahmen (ACE-Hemmer, Blutdruckeinstellung, salzreduzierte Kost, Kontrolle des Lipidstatus, ggf. Antikoagulation) eine Indikation zur Immunsupression. Die Therapie kann aus Steroiden + Cyclophosphamid, Azathioprin, Cyclosporin, Tacrolimus oder MPA bestehen (Übersicht [14]). In unserem Zentrum favorisieren wir ein Regime aus Steroiden und MPA in Anlehnung an die Induktionstherapie bei RPGN.

Das nephrotische Syndrom kann aber auch in Kombination mit Merkmalen einer RPGN einhergehen (z. B. Lupusnephritis WHO IV + V, membranoproliferative GN bei kryoglobulinämischer Vaskulitis). Es finden sich dann zusätzlich eine Erythrozyturie und fakultativ ein akutes Nierenversagen. Die Therapie wird analog zur RPGN der entsprechenden Krankheitsentität festgelegt.

Renale Krise bei systemischer Sklerose

Eine leichte renale Mitbeteiligung ist bei der systemischen Sklerose (SSc) häufig, nach Autopsieergebnissen bei 60–80% der Patienten. Klinisch liegen meist eine nur geringe Kreatininerhöhung, leichte Proteinurie, erhöhte vaskuläre Widerstände oder eine milde Hypertonie vor [22].

Viel seltener ist dagegen die „renale Krise“. Angaben zur Häufigkeit variieren stark, sie wird zwischen 5 und 20% angegeben. Nach unseren eigenen Erfahrungen ist die schwere renale Krise aber deutlich seltener. Die renale Krise stellt einen medizinischen Notfall dar und muss sofort adäquat erkannt und therapiert werden, da sie in 20–50% mit einer Progression zur terminalen Niereninsuffizienz und hoher Gesamtsterblichkeit verbunden ist [24, 15].

Die regelmäßige Kontrolle des Blutdruckes und der Nierenfunktion gehört bei jedem Patienten mit systemischer Sklerose zur unverzichtbaren Routine.

Die renale Krise bei SSc ist charakterisiert durch

  • schnelles Auftreten eines moderaten bis schweren arteriellen Hypertonus, oft bis hin zur symptomatischen oder malignen Hypertonie,

  • meist normales Urinsediment (s. oben),

  • progressive Nierenfunktionseinschränkung.

Es wurde eine Reihe von Risikofaktoren für die renale Krise postuliert, zu denen u. a. ein diffuser und fortgeschrittener kutaner Befall, gewisse Autoantikörperkonstellationen (z. B. bei Anti-RNA-Polymerase erhöht, bei Anti-Centromer erniedrigt), aber v. a. die Gabe von Steroiden zählen [24]. Steroide sollten deshalb auf bestimme Indikationen (z. B. Myositis oder Arthritis) limitiert und möglichst niedrig und kurz eingesetzt werden.

Kortikosteroide gehören wegen der Gefahr einer renalen Krise nicht zur Standardtherapie bei Patienten mit systemischer Sklerose.

Es fehlen prospektive Studien, die den Nutzen einer spezifischen Therapie belegen. Die schnelle Diagnose und v. a. die effektive Senkung des Blutdruckes sind aber essenziell für die renale Prognose und das Überleben des Patienten. Als Therapie der ersten Wahl gelten ACE-Inhibitoren, die in Studien einen Vorteil gegenüber anderen Antihypertensiva gezeigt haben [10]. Aufgrund der Pathophysiologie der renalen Krise kommt es unter der Therapie mit ACE-Hemmern zu einem passageren Anstieg des Kreatinins, der aber toleriert werden muss. Bei unkontrolliertem Blutdruck trotz ACE-Hemmer-Therapie bieten sich (auch wegen der vasoaktiven Potenz) Kalziumkanalblocker, Urapidil oder Minoxidil an. β-Blocker sollten dagegen wegen der Gefahr eines Vasospasmus vermieden werden.

Antiphospholipidantikörpersyndrom

Das Antiphospholipidantikörpersyndrom (APS) tritt primär oder sekundär bei Kollagenosen, insbesondere dem SLE, auf. Es ist charakterisiert durch das Auftreten von venösen Thrombosen und/oder arteriellen Embolien sowie bei Frauen durch wiederholte Spätaborte. Laborchemisch finden sich häufig eine Thrombopenie, Cardiolipin- und/oder β2-Glykoprotein-Antikörper, ein positives Lupusantikoagulanz oder auch ein falsch-positiver Luestest. Das APS kann zu verschiedenen renalen Manifestationen in Abhängigkeit von der Größe des betroffenen Gefäßes vom Niereninfarkt bis zur Mikroangiopathie führen. Auch glomeruläre Pathologien sind beschrieben, bei denen eine Überlappung zu Kollagenosen (insbesondere SLE) aber häufig sein dürfte [6, 21].

Patienten mit einem Niereninfarkt im Rahmen eines APS haben meist plötzlich einsetzende, starke Flankenschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, eine Hypertonie und Fieber. Differenzialdiagnostisch ist hier eine Nephrolithiasis mit Nierenkolik abzugrenzen. Serologisch finden sich meist eine erhöhte LDH, eine Leukozytose sowie ein CRP-Anstieg, Zeichen eines ANV und fakultativ eine Mikro- oder Makrohämaturie. Es sollte möglichst schnell eine Doppler-, besser Kontrastmittelsonographie oder eine CT/MRT mit Kontrastmittel angestrebt werden.

Therapeutisch steht die frühe Vollantikoagulation im Vordergrund. Wir empfehlen bereits bei dringendem klinischem Verdacht initial die Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin 2-mal täglich gewichtsadaptiert (cave: Anpassung an Nierenfunktion nötig) und im Verlauf die überlappende Umstellung auf orale Antikoagulanzien. Bei gesichertem APS und stattgehabtem thromboembolischen Ereignis wird meist die lebenslange Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten nötig werden. Eine systemische oder lokale Lysetherapie bzw. eine interventionelle Revaskularisation können bei fehlenden Kontraindikationen diskutiert werden, wenn das initiale Schmerzereignis < 6 h zurückliegt. Bei einem länger zurückliegenden Niereninfarkt ist die Erfolgsaussicht auf eine Reperfusion des infarzierten Nierengewebes aus unserer Sicht eher gering, die Datenlage ist hier aber nicht eindeutig.

Die Nierenvenenthrombose kann im Gegensatz zum Niereninfarkt auch klinisch stumm verlaufen. Nur die akute Form mit komplettem Verschluss der Nierenvene führt zu Flankenschmerzen, Erythrozyturie und Nierenfunktionsverschlechterung. Sie wird ebenfalls am sichersten durch eine Dopplersonographie und/oder CT diagnostiziert.

Fazit für die Praxis

  • Typische nephrologische Komplikationen in der Rheumatologie sind neben dem funktionellen Nierenversagen durch Medikamente Beteiligungen im Rahmen der Grunderkrankungen.

  • Dem Erstbehandler kommt eine Schlüsselrolle in der schnellen und gezielten diagnostischen Abklärung und der Einleitung adäquater therapeutischer Maßnahmen zu.

  • Bei der Differenzialdiagnostik haben die Sonographie und das Urinsediment den höchsten Stellenwert, die Indikation zu einer Nierenbiopsie sollte großzügig gestellt werden.

  • Die frühe Einleitung einer Immunsupression kann bei Systemerkrankungen die renale Prognose maßgeblich verbessern.