Ausgangslage und Hintergrund

Angehörige von Menschen mit Demenz (MmD) sind verschiedenen physischen und psychischen Belastungsformen ausgesetzt [7, 8, 15, 17, 20]. Ohne externe und familiäre Unterstützung können die sowohl aus individueller als auch aus politischer Sicht erwünschten häuslichen Pflegesettings [11] in der Regel nicht längerfristig aufrechterhalten werden. Die Versorgungssituation von MmD und pflegenden Angehörigen zeichnet sich daher aktuell durch einen Mix aus unterschiedlichen privaten, ehrenamtlichen, semiprofessionellen und professionellen Unterstützungs- und Entlastungsangeboten aus [13], die jedoch aufgrund verschiedener Zugangsbarrieren oft erst relativ spät in Anspruch genommen werden [6] und in der Regel in eher additiver Form erfolgen.

In der Versorgungssituation von Familien mit demenzerkrankten Angehörigen kommt der Unterstützung und Entlastung durch Freiwillige und bürgerschaftlich Engagierte mittlerweile ebenfalls eine wachsende Bedeutung zu. Schon seit 1999 sind der „Soziale Bereich“ und der „Gesundheitsbereich“, wie sie im Freiwilligensurvey erfasst werden, Handlungsfelder für die Freiwilligenarbeit, die mit wachsender Engagementbereitschaft verbunden werden [12]. Wesentliche Motive der Freiwilligen sind dabei biografisch begründet, aber auch altruistische Beweggründe, prophylaktische Daseinsvorsorge und Kompetenzerweiterung werden genannt [3]. Nach Rosenbladt [18] wünschen sich freiwillig Engagierte eine Erweiterung des eigenen Kenntnisstandes und Erfahrungshorizontes, Spaß und die Möglichkeit, mit sympathischen Menschen zusammenzukommen, die Möglichkeit der Verantwortungsübernahme, eigene Entscheidungsräume und Anerkennung.

Für pflegende Angehörige liegen die besonderen Chancen von Freiwilligenunterstützung in der Niederschwelligkeit des Angebots – Freiwillige und pflegende Familien begegnen sich direkt auf Augenhöhe, was für den Aufbau einer Vertrauensbeziehung hilfreich ist. Um vorhandene Ressourcen optimal zu nutzen und fachlichen Begrenzungen entgegenzuwirken [3], wird eine Vernetzung der Freiwilligen mit dem professionellen Hilfsnetzwerk dringend empfohlen – es geht nicht darum, eine Parallelstruktur zu professionellen Diensten aufzubauen.

Das professionelle Hilfenetzwerk ist vielmehr eine tragende Säule in der Versorgung der MmD und ihrer pflegenden Angehörigen, der im Demenzkontext besondere Bedeutung zukommt. Häufig wird häusliche Pflege überhaupt erst durch Angebote des professionellen Netzwerkes ermöglicht, z. B. durch den Einsatz eines ambulanten Pflegedienstes für fachpflegerische Aufgaben. Professionellen Fachkräften wird vor diesem Hintergrund Experten- und Fachwissen zugeschrieben [10], in der Kooperation mit der Akteursgruppe der Freiwilligen zeigen sich professionelle Pflegekräfte aber durchaus ambivalent [10]. Die Spannweite in der Wahrnehmung der Freiwilligen reicht dabei von „nicht existent“ bis „unverzichtbar“ [10]. Eher kritische Einschätzungen bestehen in Bezug auf Qualifikation, Begleitung und Kontrolle der Freiwilligen, und es bestehen auch durchaus Ängste bei den Fachkräften, von Freiwilligen in bestimmten Arbeitsbereichen verdrängt zu werden [3, 10].

Begleiter für pflegende Angehörige und Familien übernehmen eine Lotsen- und Brückenfunktion ins Hilfesystem.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich Kooperationsformen zwischen pflegenden Angehörigen, Hauptamtlichen und Freiwilligen im Demenzkontext inzwischen deutlich weiterentwickelt haben, aber immer noch besondere Schnittstellenproblematiken bestehen, die sich auch in Konkurrenzverhalten äußern. Vor diesem Hintergrund wird die Entwicklung eines spezifischen Begleitermodells als sinnvoll erachtet, das sich an pflegende Angehörige richtet und diese in der Orientierung innerhalb der Versorgungstrukturen gezielt unterstützen soll. Darauf weisen auch einschlägige Forschungsergebnisse aus anderen Projektkontexten hin [3, 4, 10].

Qualifizierungsgrundsätze und -inhalte

Aufbauend auf dem Ansatz der Pflegebegleitung [4], in dem diese Idee in dem Leitprinzip Vernetzung bereits in einem nichtdemenzspezifischen Kontext erfolgreich erprobt und umgesetzt werden konnte, wurde Familienbegleitung als Weiterbildung für bereits qualifizierte Pflegebegleiter entwickelt. Dieses originär geragogisch ausgerichtete Modell setzt zusätzlich auf die Leitkonzepte Empowerment und Kompetenzentwicklung und orientiert sich an den Prinzipien des selbstbestimmten Lernens. Als fachliche und inhaltliche Weiterentwicklung soll Familienbegleitung die vielfach geforderte Begleiterrolle im Demenzkontext erfüllen und Brücken ins Hilfesystem bauen. Zentrale Bausteine bei der Umsetzung sind die Weiterqualifizierung der Freiwilligen, die fachliche Begleitung ihrer Tätigkeit und eine von Fachkräften getragene Supervision.

Qualifizierung für die freiwillige Familienbegleitung muss den identifizierten Bedarfen folgen.

Vor allem die Erfahrungen mit dem Konzept Pflegebegleiter, das sich 4 Jahre nach Abschluss des Bundesmodellprojekts in vielen, inzwischen auch neu hinzugekommenen Freiwilligeninitiativen in der Fachpraxis gut etabliert hat, gaben bei der Entwicklung des auf die erste Qualifizierung aufbauenden neuen Curriculums deutliche Hinweise für seine notwendige inhaltliche Ausrichtung. Es orintiert sich an den im Projekt identifizierten Bedarfen pflegender Angehöriger. Die besondere Chance für dieses Projektvorhaben bestand deshalb auch darin, an die konkreten Praxiserfahrungen und erkennbaren Lücken des Vorläuferprojekts anschließen zu können. Aufbauend auf den Inhalten der Pflegebegleitung wurden gemeinsam mit dem Caritasverband für den Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald e. V. und dem Zentrum für Geriatrie und Gerontologie des Universitätsklinikums Freiburg für die neue Weiterbildung „Familienbegleitung“ die in Abb. 1 ersichtlichen Module festgelegt.

Abb. 1
figure 1

Kursmodule

Weitere 6 Stunden werden für organisatorische Fragen, Wiederholung und Evaluation der Kurse kalkuliert. Insgesamt ergibt sich damit ein Rahmen von 51 Zeitstunden bzw. 68 Unterrichtseinheiten. Das Curriculum wurde detailliert in einem eigenen Kursmanual veröffentlicht und soll damit Verbreitung finden [9]. Für die Wahl der thematischen Ausrichtung der Qualifizierungsmodule und deren Inhalte sprachen eindeutige Begründungen, die sich aus dem Tätigkeitsprofil der Familienbegleitung ergeben:

Vermittlung von demenzspezifischem Wissen

Familienbegleiter(innen) vermitteln pflegenden Angehörigen wesentliche Informationen über das Krankheitsbild Demenz und die häusliche Pflege bei Demenz, ersetzen aber keine professionelle Beratung.

Systemisch-lösungsorientiertes Empowerment

Durch die Familienbegleitung sollen die pflegenden Familien nicht nur Entlastung erfahren, sondern in einem am Empowerment-Konzept orientierten Prozess lernen, ihre eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und positive Veränderungen im weiteren Pflegeprozess in Gang zu setzen. Konzeptionell umfasst das Angebot Familienbegleitung neben Merkmalen eines Beziehungsangebots wie Dasein und Zuhören auch ein strukturiertes und reflektiertes Vorgehen in Bezug auf die Analyse bestehender Probleme im Pflegesetting und das Entwickeln von Lösungsansätzen. Dieser Teil baute auf bewährten und gut evaluierten Beratungsansätzen auf [5, 16].

Kompetenzerweiterung

Kompetenzentwicklung und Reflexionsfähigkeit der pflegenden Angehörigen im Hinblick auf die Bewältigung der Pflegesituation und ganz konkret für den Umgang mit dem nahestehenden Menschen mit Demenz werden gestärkt.

Netzwerkarbeit

Der Aspekt der Vernetzung wird zweidimensional verstanden. Einerseits wird durch eine Brückenbauerfunktion die Vernetzung der Angehörigen und Familien mit professionellen Hilfsanbietern gefördert. Die zweite Vernetzungsdimension besteht in Bezug auf das primäre Netzwerk aus Familie und engen Freunden, das im Zuge der Familienbegleitung als potenzielle Entlastungsressource eingehender in den Blick genommen und möglichst für alle Beteiligten gewinnbringend in das Pflegesetting eingebunden wird.

Ermöglichen erfreulicher Kontakte

Die gemeinsame Zeit von Familienbegleiter(inne)n und Familien bzw. pflegenden Angehörigen soll von allen als wertvoll erlebt werden, aber auch die Kontaktpflege mit dem sozialen Umfeld wieder stärker ermöglichen.

Nach diesem modular aufgebauten Curriculum wurden insgesamt 27 Freiwillige für Familienbegleitung qualifiziert. Durchgeführt wurden die Weiterbildungen von einem multidisziplinären Team mit Experten aus Gerontologie, Sozialer Arbeit, Medizin und Psychologie. Zusätzlich waren die Begleitenden in eine monatliche Supervision eingebunden und konnten bei akuten Fragen telefonisch mit den Projektmitarbeitenden Rücksprache nehmen. Die Begleitungen waren im Projektrahmen, der auch eine nach klinischen Kriterien durchgeführte Wirksamkeitsstudie umfasste, auf 16 Wochen befristet, in denen zwischen Freiwilligen einerseits und Angehörigen und Familien andererseits zwischen 5 und 20 Kontakte stattfanden.

FABEL – neue Interventionsform im häuslichen Pflegesetting

Die Entwicklungen im Projekt „FABEL – Familienbegleitung bei Demenz im ländlichen Raum“ waren in eine umfassende wissenschaftliche Begleitforschung eingebettet, die zwei Stränge verfolgte: Entwicklung und Erprobung des Curriculums einerseits und Wirksamkeitsforschung in Bezug auf die konkrete Intervention andererseits. In der Wirksamkeitsforschung wurde mit den Zielgrößen gesundheitsbezogene Lebensqualität, Belastung und Vernetzung der pflegenden Angehörigen eine randomisierte kontrollierte Studie durchgeführt, bei der Pflegebegleitung als Kontrollbedingung fungierte. Das heißt, dass nach der Logik einer balancierten Randomisierung die jeweilige Begleitungsform im Losverfahren zugewiesen wurde. Auf diese Weise wurden im Rahmen der Studie insgesamt 73 Begleitungen vermittelt, davon 39 Familienbegleitungen, 33 der Familienbegleitungen konnten im Studienrahmen mit der vorgesehenen Zahl von Kontakten und Erhebungszeitpunkten abgeschlossen werden (Tab. 1).

Tab. 1 Stichprobenbeschreibung der begleiteten Familien

Im Rahmen der konkreten Durchführung der Intervention konnte auf ein bewährtes Dokumentationsinstrument zurückgegriffen werden, das bereits zur Erfassung der Aktivitäten im Modellprojekt Pflegebegleitung entwickelt worden war. In dem Kurzfragebogen, der jeden Kontakt zwischen Freiwilligen und Angehörigen bzw. pflegenden Familien dokumentiert, werden im ersten Teil Dauer, Ort und anwesende Personen erfasst. Im zweiten Teil des Fragebogens werden 28 mögliche Tätigkeiten in der Begleitung beschrieben, z. B. „Trost spenden“ oder „zur Selbstpflege des Angehörigen anregen“. Die Freiwilligen machten auf dieser Basis Angaben zu ihren Tätigkeiten und konnten auch ein Ranking in der Relevanz der Aspekte im jeweiligen Gespräch vornehmen. Aus den 33 begleiteten Familien liegen insgesamt 155 auswertbare Dokumentationsbogen vor. Hinzu kommen dokumentierte Aufzeichnungen im Rahmen der Praxisbegleitung der Freiwilligen. Zum erhobenen Datensatz gehören auch soziodemografische Daten der Freiwilligen sowie Angaben zur Motivation für die Tätigkeit, erhoben im Rahmen der Qualifizierung.

Die qualifizierten Personen sind im Durchschnitt 58 Jahre alt. Der Altersrange reicht von 43 bis 70 Jahren. Die Mehrheit (80 %) der Begleitenden ist weiblich. Zehn Familienbegleitungen sind bereits im Ruhestand, 8 sind aktuell in einer beruflichen Anstellung, 3 Familienbegleitungen sind als Hausfrau/Hausmann aktiv und 4 weitere in anderen beruflichen Kontexten (z. B. selbstständig Beschäftigte).

Es haben 48 % der Freiwilligen im privaten Umfeld bereits einen MmD gepflegt, 24 % haben damit professionelle Erfahrungen, und 28 % bringen einschlägige Kompetenzen aus ehrenamtlichen Kontexten mit. In mindestens einer dieser Funktionen haben 68 % der Freiwilligen einen MmD gepflegt.

Die häufigsten Motive für die Kursteilnahme waren Interesse am Krankheitsbild Demenz (80 %) und persönliche Weiterentwicklung (92 %). Für 35,3 % der Freiwilligen, die selbst einen Menschen mit Demenz gepflegt haben, war der selbst erlebte Wunsch nach Unterstützung in der eigenen Pflegesituation Motivation, den Kurs Familienbegleitung zu besuchen. In Freitextantworten wurden weitere Gründe benannt, wie das Bedürfnis, sich sozial zu engagieren, das Interesse an der systemischen Arbeit, die Unterstützung pflegender Angehöriger in weiteren Ehrenämtern, Erfahrungen aus dem Berufsleben und der Wunsch nach Unterstützung in der eigenen Pflege eines nicht an Demenz erkrankten Angehörigen.

In der Auswertung der Dokumentationen zeigt sich, dass die meisten Kontakte in Form persönlicher Treffen (60,1 %) im häuslichen Umfeld des pflegenden Angehörigen oder außerhalb, z. B. in Cafés, stattfanden. In 36,0 % der Kontakte wurden Kommunikationsmedien wie Telefon oder E-Mail benutzt. Insgesamt fanden 45,8 % der Treffen im häuslichen Umfeld, 35,3 % telefonisch, 14,4 % außerhalb, 0,6 % per E-Mail und 3,9 % in weiteren Formen statt.

Die Dauer der Treffen folgt keiner Normalverteilung. Der Median beträgt 60 min, der Modalwert 90 min und der Mittelwert 67,3 min. Die Spannweite reicht von 5 bis 180 min (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Dauer der Gespräche

Die häufigste Tätigkeit der Familienbegleitungen liegt im bewussten Zuhören; dies steht bei 86,9 % der Kontakte im Mittelpunkt. Die zweithäufigste Tätigkeit (64,1 %) ist das Ausdrücken von Wertschätzung für die Leistungen der pflegenden Angehörigen. Sehr häufig ermutigen die Begleitenden die Angehörigen zu einem eigenen Weg (52,3 %). Die nach Einschätzung der Freiwilligen wichtigsten Tätigkeiten sind, den Angehörigen zuzuhören, ihre Leistungen wertzuschätzen und sie zur Selbstpflege anzuregen (Tab. 2).

Tab. 2 Aktivitäten in der Familienbegleitung

Gesundheitsökonomische Betrachtung der Intervention

Neben anderen Effekten, die ausführlich an anderer Stelle beschrieben werden [2], sind auch Wirkungen des Einsatzes von Familienbegleitung auffällig, die sich aus einer gesundheitsökonomischen Perspektive beschreiben und bewerten lassen und damit die Intervention als solche auch pekuniär rechtfertigen. So wurde beispielsweise die gesundheitsbezogene Lebensqualität im Rahmen der Begleitungen mit dem SF-12-Fragebogen [21] operationalisiert. Das Item „Wie würden Sie Ihren Gesundheitszustand im Allgemeinen beschreiben?“ wird in einer 5-stufigen Skala beantwortet, wobei eine geringere Zahl einer besseren Lebensqualität entspricht. Nach Kontrolle auf Alter, Geschlecht, Schweregrad der Demenz und erlebte Balance der Beziehung (Auswahl der Kovariaten: [2]) ergab sich im ersten Item des SF-12 bei Angehörigen, die Familienbegleitung in Anspruch nahmen, eine signifikante Verbesserung des subjektiv erlebten Gesundheitszustandes von 3,43 auf 3,14. Aber auch bei pflegenden Angehörigen, die eine herkömmliche Pflegebegleitung erhielten, fand eine durchschnittliche Verbesserung von 3,59 auf 3,44 statt. Daraus lässt sich zum einen schlussfolgern, dass psychosoziale Begleitung pflegender Angehöriger positive Auswirkungen auf deren subjektiven Gesundheitszustand hat, die sich bei der spezifisch auf Demenz ausgerichteten Familienbegleitung deutlicher zeigen als bei der herkömmlichen Pflegebegleitung. Wenngleich damit erzielte mögliche Kostenersparnisse im Gesundheitswesen nur schwer zu beziffern sind, erlaubt doch der Rückgriff auf das von Andersen et al. [1] entwickelte Instrument für gesundheitsökonomische Analysen eine entsprechende Modellrechnung. In diesem Kontext werden SF-12-basierte Informationen, wie sie auch aus der Begleitforschung im Rahmen des Projekts FABEL vorliegen, für ökonomisch orientierte Analysen genutzt. Dazu greift dieses Instrument auf Risikoprofile zurück, die auf Basis der Daten des deutschen sozio-ökonomischen Panels (SOEP) berechnet wurden. Diese werden in einem weiteren Schritt mit den Daten zur Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen verknüpft und in fiktive Kosten pro Arztkontakt umgerechnet. Die skizzierten Veränderungen zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität durch Familienbegleitung, in der Logik dieses relevanten Items des SF-12-Fragebogens, ermöglichen eine Modellrechnung, die die Kostenersparnisse in der hausärztlichen Versorgung ermittelt. Der monetäre Nutzen der neuen Intervention, die durch die in diesem Beitrag beschriebene Weiterbildung ermöglich wurde, lässt sich nach der Berechnung mit diesem Instrument auf 395,95 € pro Jahr und begleitetem pflegendem Angehörigen beziffern. Ausgehend von einer Kursgröße von 8 Teilnehmern, einer Auslastung der Freiwilligen von 70 % und durchschnittlich 9,7 Arztbesuchen im Jahr [19] entstehen aufseiten der Angehörigen in der hausärztlichen Versorgung mögliche Einsparungen in Höhe von 6652,03 €. Auf der Gegenseite entstehen durch die Qualifikation und Supervision natürlich ebenfalls relevante Kosten. Bei 68 Unterrichtseinheiten (zu je 50 €) und einer monatlichen Supervision (zum Kassensatz eines Psychotherapeuten) sind dies 5344 €. Als Differenz ergibt sich pro Weiterbildung also ein monetärer Nutzen der Weiterbildung von ca. 1308 €. Familienbegleitung durch engagierte Freiwillige erzeugt also keine zusätzlichen Kosten im Gesundheitssystem, sondern rechnet sich.

Familienbegleitung durch engagierte Freiwillige rechnet sich

Diese Modellrechnung soll aufzeigen, dass – neben den psychosozialen Wirkungen, die durch Familienbegleitung entstehen, aber nur schwer mess- und bezifferbar sind –- auch durchaus belastbare monetäre Effekte vorhanden sind, die bei der Debatte um die Förderung von freiwilligem Engagement im Bereich Demenz bislang zu wenig im Blick sind.

Diskussion

Unentgeltliche Unterstützung und Entlastung durch Freiwillige können einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass häusliche Pflegesettings stabilisiert werden und gelingen. Deutlich wird auch, dass Begleitung insgesamt wirkt. Familienbegleitung trägt durch ihren präventiven Charakter aber noch stärker zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität pflegender Angehöriger und Familien bei. Sie ist darüber hinaus auch eine neue Intervention, die keine zusätzlichen Kosten für das Pflegesystem verursacht, sondern dieses strukturell verbessert. Durch die zielgerichtete Qualifikation, und professionelle Begleitung werden die gewonnenen Freiwilligen in die Lage versetzt, ein neues und gelingendes Unterstützungsangebot in Form von Familienbegleitung in der Praxis zu implementieren. Das veröffentlichte Kursmanual, das auch eine CD mit Kurmaterialien enthält, trägt zur Verbreitung der neuen Intervention bei [14].

Dabei weisen die zentralen Aspekte wie „zuhören“, „Leistung des pA anerkennen und wertschätzen“ und „pA zum eigenen Weg ermutigen“ auf die spezifische Charakteristik der Begleitung als Beziehungsangebot hin, in dem die Freiwilligen den Angehörigen auf Augenhöhe begegnen. Freiwillige ergänzen in diesem Punkt professionelle Unterstützungsangebote, in denen eine kritisch-professionelle Distanz zum Klienten immer ein notwendiger Teil einer gelingenden Beratungspraxis ist. Ebenfalls wird deutlich, dass Freiwillige nicht in Konkurrenz zum Hauptamt auftreten können, sondern in spezifische Kooperations- und Koproduktionsbeziehungen eintreten. Die Analyse der Dokumentationen zeigt aber auch, dass Freiwillige sich nur selten in der Rolle sehen, auf „Behandlungsmöglichkeiten der Demenz“ hinzuweisen – das wird eher den Experten überlassen. Um solche Grenzen des Freiwilligenangebotes zu erkennen und zu reflektieren, sind eine professionelle Supervision und Begleitung der Freiwilligen notwendiger Bestandteil einer gelingenden Praxis.

Fazit für die Praxis

Nicht nur aus fachlicher, sondern auch aus gesundheitsökonomischer Perspektive empfiehlt sich eine Weiterverbreitung des Ansatzes Familienbegleitung in der Praxis. Wie in der Modellrechnung ansatzweise skizziert werden konnte, sind die entstehenden Kosten für die Qualifikation sowie für die monatliche Supervision durch den monetären Nutzen mehr als gegenfinanziert. Trotz dieser offenkundigen Argumente bestehen aber derzeit für eine erfolgreiche Verbreitung noch klare finanzielle Barrieren. Eine Koordinierungsstelle, die die notwendige Anbindung Freiwilliger an professionelle Strukturen leistet, für organisatorische Aufgaben zuständig ist, Kontakte zwischen pflegenden Angehörigen und Freiwilligen vermittelt und als verlässlicher Ansprechpartner fungieren kann, ist vor dem Hintergrund der aktuellen gesetzlichen Bestimmungen im SGB XI nicht dauerhaft finanzierbar. Hier besteht also noch dringender Reformbedarf.