Zusammenfassung
Hintergrund
Durch die im Prozess des Alterns zunehmende Begrenzung der Aktions- und Handlungsspielräume werden Wohnung, Haus und Nachbarschaft zu wichtigen Einflussfaktoren auf die selbstständige Lebensführung und das individuelle Wohlbefinden im Alter.
Ziel der Arbeit
Vor dem Hintergrund des demografischen und sozialen Wandels sowie der damit einhergehenden gesellschaftlichen Herausforderungen zielen die im Beitrag beschriebenen Modellprojekte auf die Frage, wie selbstständiges und zufriedenes Altern im gewohnten Umfeld gelingen und wie soziale Teilhabe in nachbarschaftlicher Verbundenheit gefördert werden kann.
Material und Methoden
Der Beitrag stützt sich auf zentrale Erfahrungen im Rahmen der beiden Modellprojekte „VEGA – Verantwortungsgemeinschaften für gelingendes Altern im Quartier“ und „Pflegemix in Lokalen Verantwortungsgemeinschaften“, in dem er die im Prozess evaluierten Ergebnisse fokussiert sowie mögliche Barrieren und Stolpersteine identifiziert. Ebenso zeigt er auf, welche Chancen und Gewinne in der Vernetzung von Versorgung- und Unterstützung-Settings liegen.
Ergebnisse und Schlussfolgerung
Auf Basis des aktionsforschungsbasierten Vorgehens konnten quartiersspezifische und bedarfsgerechte Konzepte entwickelt werden, aus denen heraus auch unterschiedliche Umsetzungswege resultierten. Unter anderem konnten Vernetzungs- und Nachbarschaftsstrukturen aufgebaut sowie wichtige Themen in Bezug auf das Alter(n) im Quartier bearbeitet werden. Sowohl die Kommunen als auch die Bevölkerung wurden für das Thema des gelingenden Alterns sensibilisiert und aktiviert.
Abstract
Background
This article reports on two projects both concerned with how to initiate and support independent and satisfying aging in community settings and how to promote social participation in neighborhood solidarity in the future. The community plays an important role in this context, supporting independent living, social connectedness and individual well-being in old age.
Aim
Against the background of demographic and social changes and the related social challenges, the pilot projects focused on the problems of how the process of aging, which from an individual perspective can be seen as a life period with declining mobility and reduced options for action, can be influenced in a positive way.
Material and methods
The article describes the key experiences in the context of the two pilot projects entitled “VEGA—locally responsible communities and individual well-being in old age” and “Care mix in locally responsible communities”. It focuses on the process results and identifies potential barriers to the implementation of the projects. In addition, this article also emphasizes the opportunities and advantages of social networking in local communities.
Results and conclusion
Based on the action research approach, neighborhood-specific results and need-based concepts have been developed, which have led to various subproject pathways for implementation. Among other results it was important that social networking and supportive neighborhood structures could be established, which are important conditions for sustainable anchoring in the residential quarter. Another important result was the fact that the communities as well as the different generations in the residential quarter were sensitized and activated for the topic “aging and well-being with social connectedness in local communities”.
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Die aus dem sozialen und dem demografischen Wandel der Bevölkerung resultierenden aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen werden sich nur bewältigen lassen, wenn viele Menschen sich beteiligen und engagieren. Sorgende Kommunen und Lokale Verantwortungsgemeinschaften müssen sich konstituieren und sich gemeinsam zum Ziel setzen, gelingendes und selbstbestimmtes Alter(n) im Quartier möglich zu machen sowie dem prognostizierten massiven Pflegenotstand neue und konstruktive Modelle entgegenzusetzen.
Hintergrund
Im Bericht der Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ [4] wird umfassend auf die Vorteile des bürgerschaftlichen Engagements hingewiesen: Zum einen schaffe es soziales Kapital (soziale Begründung), trage dazu bei, dass die Demokratie lebendig bleibt, und stärke die Identifikation mit dem örtlichen Gemeinwesen (politische Begründung). Zum anderen führe bürgerschaftliches Engagement zu angemessenen Lösungen in der kommunalen Daseinsvorsorge (fachliche Begründung) und, langfristig gesehen, spare man Gelder (fiskalische Begründung). Auch die Sicherung der Pflege ist eine zentrale Herausforderung für alle Kommunen, die diese nur im Schulterschluss mit den jüngeren und älteren Bürgern angehen können.
Gelingendes und selbstbestimmtes Alter(n) im Quartier möglich machen
Das Projekt VEGA – Verantwortungsgemeinschaften für gelingendes Altern im Quartier – initiiert und begleitet seit 2010 – sowie das Modellprojekt „Pflegemix in Lokalen Verantwortungsgemeinschaften“, von 2012 bis 2014 als Modellprojekt durch das Sozialministerium Baden-Württemberg gefördert, bieten gerade in ihrer Verknüpfung eine geeignete Antwort auf die umfassenden gesellschaftlichen Umbrüche. Sie verfolgen das Ziel, gelingendes und selbstbestimmtes Alter(n) im Quartier möglich zu machen sowie dem prognostizierten massiven Pflegenotstand neue und konstruktive Modelle entgegenzusetzen [9, 11]. Folglich war für beide Projekte die Etablierung einer gemeinsam gestalteten lokalen Verantwortungsgemeinschaft das Hauptziel; hierbei strebt VEGA – Verantwortungsgemeinschaften für gelingendes Altern im Quartier vorwiegend einen kulturellen Wandel an. In diesem Projekt gilt es, gelingendes Altern mit zivilgesellschaftlicher Verantwortung, bürgerschaftlichem Engagement, intergenerationeller Solidarität und einer demokratischen Entwicklung des Gemeinwesens zu ermöglichen.
Pflegemix in Lokalen Verantwortungsgemeinschaften fokussiert ergänzend die unabdingbaren Strukturen, die für den Verbleib in der eigenen Häuslichkeit und im Quartier gerade im Hinblick auf den steigenden Pflegebedarf benötigt werden. Es wird deutlich, dass für beide Projekte innovative Modelle im Zusammenwirken von professionellen Diensten, Freiwilligen, Angehörigen und Nachbarn, auf Augenhöhe, richtungweisend [2, 3] waren.Footnote 1
Evident ist, dass gelingendes Altern nur im Zusammenwirken beider Ansätze seine vollkommene Umsetzung findet.
Im Folgenden werden die beiden Modellvorhaben zunächst beschrieben und, darauf aufbauend, essenzielle Projektbausteine zur Etablierung einer „sorgenden Kommune“ vorgestellt. Im Anschluss wird das exemplarische und methodische Vorgehen praxisnah am Beispiel VEGA – Verantwortungsgemeinschaften für gelingendes Altern im Quartier aufgezeigt. Abschließend werden im Gesamtresümee notwendige zu beachtende Bedingungen aufgezeigt.
Beschreibungen der Projekte
VEGA – Verantwortungsgemeinschaften für gelingendes Altern im Quartier
Im Freiburger Osten (Stadtteile Waldsee und Littenweiler) wurde gemeinsam mit der Heiliggeistspitalstiftung als Träger zahlreicher Altenhilfeeinrichtungen vor Ort und der Stadt Freiburg (Seniorenbüro mit Pflegestützpunkt) das Konzept einer „Verantwortungsgemeinschaft für gelingendes Altern“ entwickelt, erprobt und evaluiert. Ziel des Projekts ist es, gemeinsam mit möglichst vielen lokalen Akteuren und Partnern das Konzept einer geteilten Verantwortung auf Augenhöhe im Quartier zu entwerfen. Dabei geht es v. a. darum, die Übersichtlichkeit des Hilfesystems zu fördern, Zugangsbarrieren abzubauen sowie soziale Teilhabe und PartizipationsmöglichkeitenFootnote 2 für alle Akteure in den beiden Stadtteilen zu schaffen. Partizipative und sozialraumorientierte Bürgerbeteiligungsverfahren und Vernetzung verschiedenster Akteure vor Ort waren und sind zentrale Ansatzpunkte.
Das Konzept der „Lokale Verantwortungsgemeinschaften“ fokussiert auf die demokratische Entwicklung des Gemeinwesens.
Bis dahin v. a. im Bildungsbereich in ersten Ansätzen entwickelt, trägt es zu einer Schärfung des Problembewusstseins vor Ort bei und verweist auf sozialen Zusammenhalt, Solidarität und Gerechtigkeit. Diese Prinzipien lassen sich auf das Zusammenleben in Wohnquartieren und Stadtteilen transferieren und stehen für intergenerationelle Solidarität, getragen von zivilgesellschaftlicher Verantwortung und bürgerschaftlichem Engagement. So lag der Fokus in der gesamten Projektlaufzeit auf der Entwicklung, Erprobung und prozessbegleitenden Evaluation eines exemplarischen und auf andere Kommunen übertragbaren Konzepts, das Hilfestellungen gibt, solche lokalen Verantwortungsgemeinschaften in Wohnquartieren zu fördern und zu verankern.
Pflegemix in Lokalen Verantwortungsgemeinschaften
Aufbauend auf den bereits gesammelten Erfahrungen im Projekt VEGA – Verantwortungsgemeinschaften für gelingendes Altern im Quartier wurde von 2012 bis 2014 das vom Sozialministerium Baden-Württemberg geförderte Projekt Pflegemix in Lokalen Verantwortungsgemeinschaften durchgeführt. Ziel dieses Vorhabens war es, in 4 Pilotkommunen neue Wege zu erproben und daraus innovative Projekte zu entwickeln, die – anknüpfend an die Vision der lokalen Verantwortungsgemeinschaften und diese ergänzend – den wachsenden Bedarf an Begleitung, Unterstützung und Versorgung speziell pflegebedürftiger Menschen nachhaltig absichern.
Wachsenden Bedarf speziell pflegebedürftiger Menschen nachhaltig absichern
Dies soll in einem Pflegemix aus verschiedenen, aufeinander abgestimmten Leistungen von professionellen Diensten, Angehörigen und Freiwilligen geschehen, mit Fokus auf die Schnittstellen von professioneller und privater Hilfe. Die 4 Modellkommunen (Freiburg, Denzlingen, Umkirch, Gutach im Schwarzwald) spiegeln in ihrer Unterschiedlichkeit (infrastrukturell, Großstadt/stadtnah/dörflich und auch die demografische Entwicklung betreffend) klassische Sozialraumtypologien wider.
Projektbausteine auf dem Weg zu einer sorgenden Kommune
Die Zunahme von älteren und hilfebedürftigen Menschen, die Fragilität der Angehörigenpflege und die bereits akzentuierte Zerbrechlichkeit von innerfamiliären Netzwerken weisen auf die immer stärkere Bedeutung eines Wohnumfelds hin, in dem Bewohner nicht isoliert nebeneinander leben, sondern füreinander einstehen und Verantwortung übernehmen [12, 18, 19]. Indem der Aufbau generationenübergreifender Netzwerke und die Eröffnung von Zugangsmöglichkeiten zu den Unterstützungssystemen konzeptuell verankert werden, wird älteren Menschen sowie deren Angehörigen soziale Teilhabe ermöglicht und erhalten [9, 11]. Das sind, in einer ganz groben Skizzierung, die Grundzüge der Vision einer „caring community“ (sorgenden Kommune),
In der Caring community wird die Sicherung der Pflege zur Gemeinschaftsaufgabe.
Diese Vision steht für eine neue Pflegekultur und für eine neue Kultur des Älterwerdens [14]. Soziale Verbundenheit und Teilhabe aller Menschen, im Sinne von gelebter Inklusion, sind tragende Säulen. In der konsequenten Vernetzung der einzelnen Personen mit dem Wohnumfeld und mit dem Sozialraum [7] weist dieser Ansatz weit über das persönliche Pflege-Setting hinaus, und es geht um eine Erweiterung des Blickwinkels weit über die familiären Grenzen hinweg.
Ziel der Nachbarschaftsprojekte ist es, zum einen die Bürgerinnen und Bürger zu aktivieren, sich an der konkreten Entwicklung und Gestaltung einer lebendigen Nachbarschaft zu beteiligen. Zum anderen geht es darum, Eigeninitiative und selbstorganisierte Strukturen aufbauen bzw. diese zu stärken. [8]
Fundamental ist das damit verbundene Menschenbild, denn angestrebt wird die Entwicklung einer Haltung, in der die Verbundenheit von Bürgern und die Mitverantwortung für die Gestaltung von schwierigen Lebensverhältnissen Grundwerte darstellen. Die Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse anderer soll geschärft sowie deren Autonomie und Selbstbestimmung geachtet werden. Mitverantwortung geht nur über die Ermöglichung von Partizipation aller Akteure, und so sind neue Wege der Hilfe und Unterstützung nicht für, sondern mit den Betroffenen und Beteiligten – also mit hilfs- und pflegebedürftigen Personen, deren Angehörigen, Freunden, Nachbarn, aber auch Professionellen – zu suchen [18]. Mit diesem Verständnis von Hilfs-, Unterstützungs- und Bildungsprozessen als „Koproduktion“ werden Freiwillige zu Motoren für ein Umdenken. „Der bürgerschaftliche Ansatz bringt Pflegebedürftige, Angehörige und Fachkräfte zusammen“. So kann „… ein unterstützendes Milieu entstehen, das Fürsorglichkeit als gemeinschaftliches Handeln im Gemeinwesen von Betroffenen und Nichtbetroffenen entwickelt“ [20]. Ein für den Menschen würdiges Leben mit Krankheit und Pflegebedürftigkeit zu ermöglichen, wird so zum expliziten Anliegen im öffentlichen Raum. Neben den Dimensionen staatlicher und persönlicher Verantwortung scheint in dieser Argumentation eine dritte Dimension auf – die der „Bürgergesellschaft“ als Bezugspunkt für Sozialstaatlichkeit. Gesetzt wird auf „gemischte Strukturen“, in denen sich staatliche Mitverantwortung, die Nutzung von Marktelementen und das Engagement aus der Bürgergesellschaft miteinander verbinden. Die Neuverteilung der Verantwortlichkeiten fordert jedoch von allen Beteiligten einen Umdenk- und Lernprozess, führt aber in der Konsequenz zu einem Gesellschaftsentwurf, in dem Solidarität und Mitverantwortung tragende Säulen sind [9, 11].
Das Konzept des Pflegemix in Lokalen Verantwortungsgemeinschaften (Abb. 1) geht von diesem Leitbild der geteilten Verantwortung aus. Es fokussiert folglich individuelle Pflege-Settings, an denen viele Akteure beteiligt sind: Angehörige, Nachbarn, Professionelle und Freiwillige.
Diese Akteure verbinden sich zu einem persönlichen Netzwerk, das pflegende Familien entlastet sowie die Versorgung und die Pflege zu Hause auch dort möglich macht, wo eine einzelne pflegende Person längst an persönliche Grenzen stoßen würde [3].
Die Lücke zwischen professionellem und informellem Unterstützungssystem für pflegende Familien wird geschlossen.
Die mit institutionellen Angeboten verbundenen Vorbehalte der Nutzer entfallen speziell dadurch, dass persönliche, hierarchiefreie, informelle Beziehungen aufgebaut werden. Die „Bringstruktur“ erleichtert eine Inanspruchnahme dieses als niederschwellig einzustufenden Angebots. Qualifizierte Laien fungieren als Vermittler zwischen Professionellen und Familien, in enger Kooperation mit Selbsthilfeinitiativen. Durch die kompetente Begleitung der Familien verbessern sich deren Lebensqualität und damit zusammenhängend auch die Pflegequalität im häuslichen Bereich.
In den aufgeführten Ansätzen werden also 2 zentrale Aspekte besonders deutlich:
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gleichberechtigte Mitgestaltung und -entwicklung durch alle Akteure und
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Notwendigkeit einer guten und effektiven Vernetzungsstruktur.
Für die konkrete Umsetzung bedeutet dies, dass für beide Projekte die Leitkonzepte des „empowerment“ und der sozialen Netzwerkarbeit zentrale sowie konstitutive Elemente darstellen.
Empowerment
Das Empowerment-Konzept orientiert sich an den Stärken und Kompetenzen und ist damit an den Ressourcen der Menschen ausgerichtet [5, 6]. Hierbei werden die „Förderung von Potenzialen der Selbstorganisation und gemeinschaftliches Handeln“ [4] in das Zentrum gestellt. Das bedeutet für den hier angelegten Kontext, dass
der alternde Mensch als Experte in eigener Sache und als Gestalter seiner Umwelt wahrgenommen wird. Es wird ihm Handlungsfähigkeit zugeschrieben, auch bei wachsendem Hilfe- und Pflegebedarf. [10].
Soziale Netzwerkarbeit
Die Vernetzung der neu erschlossenen Ressourcen mit den professionellen Akteuren wird in der Umsetzung zum Schlüsselmoment im Aufbau einer Verantwortungsgemeinschaft, aus der eine „generationenübergreifende Solidarität“ [13] erwachsen kann. Der zu Beginn intensive Arbeitsaufwand im Aufbau eines funktionierenden sozialen Netzwerks (das in der Projektumsetzung unbedingt miteinkalkuliert werden muss) ist für die Nachhaltigkeit jedoch notwendig und zahlt sich aus [17].
Exemplarisches und methodisches Vorgehen im Quartier
Anhand der vorangestellten Überlegungen wird bereits deutlich, dass in beiden Projekten und allen Modellstandorten die partizipative Gestaltung in Form von Bürgerbeteiligung ein wichtiges konstitutives Element des Forschungsdesigns war.Footnote 3 Trotz ihrer Unterschiedlichkeit hinsichtlich Auftraggeber, Finanzierungsmöglichkeiten und -quellen sowie der veranschlagten Zeiträume lässt sich ein allgemeines Ablaufschema bzw. eine typische Vorgehensweise beschreiben. Die in Abb. 2 dargestellte Vorgehensweise zeigt eine interdisziplinäre Verknüpfung von Instrumenten der Sozialstruktur-, Baustruktur-, Sozialraum- und Netzwerkanalyse sowie Erkenntnisse aus Gerontologie, Soziologie und Sozialgeografie.
Dieses idealtypische Vorgehen wird im Folgenden exemplarisch am Beispiel VEGA – Verantwortungsgemeinschaften für gelingendes Altern im Quartier erläutert. In der vorbereitenden Analysephase (Abb. 2) konnte auf kleinräumige kommunale Daten zurückgegriffen werden, die aggregiert wurden. Diese lieferten Hinweise darauf, dass sich die beiden Stadtteile aktuell in einem demografischen Prozess der „intergenerationellen Erneuerung“ befinden – eine alternde Bevölkerung bei gleichzeitigem Zuzug junger Familien.
Die Analyse der Baustruktur wies auf fehlende zentrale Plätze in den langgezogenen Stadtteilen hin.
Die Wohnungen an vorhandenen Hanglagen erwiesen sich gerade bei zunehmendem Alter und nachlassender Mobilität regelrecht als „abgeschnitten“. Mit Blick auf die Netzwerke wurden große Unkenntnis über bestehende Angebote und Institutionen, kaum vorhandene Vernetzung(-Strukturen) und eine segmentorientierte Tätigkeit der Akteure deutlich. Zusätzlich wurden aktivierende Interviews mit „Stadtteilexperten“ geführt (Bewohner, Dienstleister, Mitglieder der Bürgervereine etc.). Es bestätigte sich ein positives Klima der Engagementbereitschaft, allerdings mangelte es an Orten der Begegnung im Alltag und koordinierenden Schnittstellen – bei generell guten Rahmenbedingungen. Anhand der erkannten Fragestellungen und Bedarfe wurde gemeinsam mit allen wichtigen Akteuren im Quartier in Planungswerkstätten, Visionscafés und thematischen Workshops gemeinsame Vorhaben entwickelt, z. B. die konzeptionelle Entwicklung eines mobilen Informations- und Beratungsangebots, in einer aufsuchenden Form, als VEGA-mobil (ein auffälliges Lastenfahrrad).
Weitere Entwicklungsschritte im Quartier waren:
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Umgestaltung eines vorhandenen Bolzplatzes in einen Mehrgenerationenspielplatz als Begegnungsort für alle Generationen des Quartiers,
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konzeptionelle Entwicklung von Bürgertreffs in vorhandenen Räumen („Bürgerraum“).
Im Projekt Pflegemix in Lokalen Verantwortungsgemeinschaft haben sich für die Analysephase in einzelnen Kommunen umfangreiche Haushaltbefragungen und eine umfassende Sozialplanung als gute Basis erwiesen.
Situationsangepasste Arbeitsweisen führen zu bedarfsgerechten Konzepten
Wenngleich das Ablaufschema auf alle Kommunen übertragbar ist, bedarf es doch unbedingt individueller Lösungswege und einer sozialraumangepassten Umsetzung. Gerade hinsichtlich der wissenschaftlichen Begleitung der Bürgerbeteiligungsprozesse, bezogen auf das Thema Pflegemix, wurde dies besonders deutlich. Trotz der hohen Diversität der Kommunen und Stadtteile, die in die Projekte involviert waren, wurden fast durchgängig sehr ähnliche Bedarfe genannt, wie beispielsweise die mangelhafte Unterstützung und Begleitung pflegender Angehöriger und Familien oder die Notwendigkeit der Entwicklung zugehender Formen der Begleitung und Beratung alleinlebender und zurückgezogener alter Menschen. Die Umsetzungen jedoch fielen aufgrund der verschiedenen demografischen Entwicklungen in den Gemeinden sowie der jeweiligen infrastrukturellen Bedingungen, örtlichen Prägungen und Milieus sehr unterschiedlich aus. So gewährleistete die dargelegte Vorgehensweise situationsangepasste Arbeitsweisen (beispielsweise „runder Tisch“), die zu bedarfsgerechten Konzepten wie „zugehende Hausbesuche“, Einrichtung einer Pflegewohngruppe, Unterstützungsformen für osteuropäische Haushaltshilfen und „Wohnpaten-/Wohnpartnerschaften“ führten.
Hauptergebnisse der Projektarbeit sind:
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Schaffung einer solidarischen Ermöglichungsstruktur für Jung und Alt sowie Verbesserung der Lebensqualität durch erlebte Unterstützung und Solidarität,
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Sensibilisierung für ältere Menschen und für das Älterwerden,
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Förderung von ehrenamtlichem Engagement und Entstehen von Initiativen,
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Schaffung neuer Kommunikations- und Vernetzungsstrukturen zwischen unterschiedlichen Akteuren,
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Stärkung des Bewusstseins für die Bedarfe vor Ort, verbunden mit Selbstbewusstsein, Selbstwirksamkeit, Handlungsfähigkeit.
Gesamtresümee
In beiden Projekten konnte auf Basis der prozessbegleitenden Evaluation (die auch maßgeblich das weitere Vorgehen bestimmte) aufgezeigt werden, dass gelingende Bürgerbeteiligungsprozesse v. a. von engagierten Bürgern ausgehen, die genügend Antriebskräfte und Überzeugungen in die Prozesse einbringen. Es geht aber auch „top-down“, wenn „bottom-up“ sich noch nicht konstituiert hat. Beteiligungsprozesse können durchaus von professionellen Akteuren im Stadtteil oder von politisch Verantwortlichen erfolgreich initiiert werden. Unabdingbar ist es in jedem Fall, dafür infrastrukturelle Voraussetzungen zu schaffen und mögliche Stolpersteine zu beachten:
Der Rolle und Positionierung von Bürgermeister und Gemeinderat kommen zentrale Bedeutung zu, denn ein solcher Prozess benötigt den angemessenen Stellenwert in der Gemeinde. Er braucht ermöglichende Strukturen und eine konstante Förderung, u. a. von personellen Ressourcen für Engagementförderung und -beratung, Koordination und Netzwerkarbeit.
Ebenso wichtig sind räumliche Voraussetzungen, die engagierten Bürgern einen verlässlichen Ort für Treffen, Schulungen und Beratungen bieten.
Für die Verankerung eines Verständnisses von Bürgerkommunen und den einhergehenden Bürgerbeteiligungsprozessen sind Schulungen der kommunalen Verwaltung zum angestrebten Paradigmenwechsel unabdingbar.
Nicht zuletzt sind konstante Ansprechpartner in Politik und Verwaltung ebenfalls wichtig, um einen schnellen Informationsfluss zwischen Bürgern und Verwaltung sicherstellen zu können.
Abschließend kann festgehalten werden, dass sich moderierte Prozesse vor Ort sowie die Mischung von Aktionsformen, die konsequent zugehend und beteiligungsorientiert, lebensweltnah und in der Nachbarschaft verankert sind, als „Erfolgsrezept“ für einen Wandel in den Kommunen/Stadtteilen erwiesen haben. Innovativ sind die kreative Kooperation unterschiedlichster Akteure an einem gemeinsamen Thema, die Verbindung von kleinräumigen Analysen (Sozialraum, Sozialstruktur, Baustruktur …) und Bürgerbeteiligungsprozessen. Doch muss aus der Erfahrung heraus betont werden, dass eine professionelle Prozesssteuerung mit entsprechenden Kapazitäten unerlässlich ist.
Orientierungen und Anregungen dafür liefert u. a. das Handbuch für Kommunen, das als zentrales Arbeitsergebnis im Projekt Pflegemix in Lokalen Verantwortungsgemeinschaften entstanden ist [15].
Fazit für die Praxis
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Diese vorgestellten Modellvorhaben können (wie es die Bezeichnung auch schon aufzeigt) vorerst „nur“ Anstöße zu einem gesellschaftlich kulturellen Wandlungsprozess bieten. Somit lassen sie noch keine berechnende Abschätzung der Auswirkung schlussfolgern.
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Nichtsdestotrotz weisen sie mit ihrer reflektierten Einbettung in ein humanistisch geprägtes Menschenbild, der damit verbundenen Verantwortung der Person für sich, seine Mitmenschen und dem gesellschaftlichen Zusammenleben (Selbstbestimmung und Partizipation jenseits verpflichtungsethischer Tendenzen) als auch dem zugrunde liegenden Gedanken der Solidarität wichtige Denkanstöße und umsetzbare Visionen auf.
Notes
In diesem Kontext kann nicht detailliert auf nationale und internationale Vergleichsprojekte eingegangen werden. Es soll aber beispielsweise explizit an die Initiative „age friendly cities and communities“ der World Health Organization erinnert werden, die „Altersfreundlichkeit“ von Städten als zentrales Ziel befördert [16]. Die dort formulierten konstitutiven Grundelemente („outdoor spaces and buildings“, „transportation“, „housing“, „social participation“, „respect and social inclusion“, „civic participation and employment“, „communication and information“ und „community support and health services“) zeigen sich auch deutlich als zentrale Orientierungen in den beiden hier vorgestellten Projekten.
Aus sozialwissenschaftlicher Perspektive wird an dieser Stelle „soziale Teilhabe“ als ein Aspekt von „Partizipation“ verstanden; Partizipation fokussiert darüber hinaus auf den Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse und deren Mitgestaltung.
Basiert auf einem Methodenmix, der der zentralen Strategie einer „partizipativen Forschungslogik“ folgt. Partizipative Forschung ist als „Forschungsstil“ zu verstehen [1]. Von Unger [21] beschreibt partizipative Forschung als „Oberbegriff für Forschungsansätze, die soziale Wirklichkeit partnerschaftlich erforschen und beeinflussen“.
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Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.
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Kricheldorff, C., Klott, S. & Tonello, L. Sorgende Kommunen und Lokale Verantwortungsgemeinschaften. Z Gerontol Geriat 48, 408–414 (2015). https://doi.org/10.1007/s00391-015-0914-z
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