Hintergrund

2013 legte die WHO die 4. Auflage ihrer Weichteiltumor- und Knochentumorklassifikation vor, die sich von der 3. Auflage überwiegend darin unterschied, dass Entitäten umgruppiert oder umbenannt und einzelne neu aufgenommen wurden [16]. Eine wesentliche Neuerung bestand jedoch darin, dass eine Einteilung nach dem biologischen Verhalten vorgeschlagen wurde, welche die WHO bereits 2002 für die Weichteiltumoren empfohlen hatte [15]: Zusätzlich zur Unterscheidung gutartig vs. bösartig wurde die Kategorie „intermediate“ eingeführt. Diese wird in 2 Subgruppen unterteilt: „intermediate (lokal aggressiv)“ und „intermediate (selten metastasierend)“, wobei sich Tumoren der letztgenannten Subgruppe in der Regel auch lokal aggressiv verhalten.

Nachfolgend sollen diese Neuerungen kurz dargestellt und diskutiert werden. Aktuellere Befunde, die noch nicht Eingang in die WHO-Klassifikation der Knochentumoren gefunden haben (z. B. Ewing-like-Sarkome), werden in anderen Artikeln dieses Heftes besprochen.

Neue Entitäten

Das extrem seltene Osteochondromyxom wurde von der WHO 2013 als neue Entität in die Gruppe der gutartigen Knorpeltumoren aufgenommen [16]. Es wird bei etwa 1 % aller Patienten mit Carney-Komplex (bis 2013 etwas über 750 Fälle publiziert; u. a. fleckförmige Pigmentierung der Haut und Schleimhaut, endokrine Tumoren, kardiale, kutane und intramammäre Myxome, psammomatöse melanotische Schwannome, Sertoli-Zell-Tumoren) beobachtet und gilt nach Carney trotz seiner Seltenheit als Indikatorläsion für das nach ihm benannte Syndrom, welches als Krebsprädispositionsindikator angesehen wird [7, 18]. Bisher wurde nur die von Carney vorgestellte Serie von 4 Fällen sowie wenige, meist nicht illustrierte Einzelfälle publiziert, sodass praktisch nur Carneys Abbildungen dieses Tumors aus der Originalarbeit und dem WHO-Band herangezogen werden können [7, 16, 18]. Die Erkrankung wird autosomal-dominant vererbt. Bisher wurden inaktivierende Mutationen im Chromosom 17q24 (PRKAR1A-Gen, „protein kinase cAMP – dependent type I regulatory subunit alpha“) und in 2q31 (PDE11A-Gen, „phosphodiesterase 11A“) nachgewiesen [18]. Osteochondromyxome treten in allen Lebensaltern auf und können bereits bei der Geburt vorhanden sein. Sie wurden in der Tibia- und Radiusdiaphyse, der Nasen- und Sinusregion, in den Rippen, der Thoraxwand und der Wirbelsäule beobachtet. Histologisch (Abb. 1) sieht man ein wechselndes Bild mit unterschiedlich zelldichten, teils polygonalen, teils spindeligen zellulären Infiltraten und unreifem Knorpel, Osteoid, Knochen, hyalinisierten, bindegewebigen, bandförmigen oder nodulären Ablagerungen und Kollagenfasern, die in ein myxoides, proteoglykanreiches Stroma eingebettet sind und den ortsständigen Knochen arrodieren [7].

Abb. 1
figure 1

Osteochondromyxom. a Tumorzellansammlungen mit hellem Zytoplasma, z. T. angedeutet lobulär konfiguriert und in eine myxochondroide Matrix eingebettet, infiltrieren kortikalen Knochen bis unter das Periost (oberer Bildrand). b Polygonale, elongierte und sternförmig konfigurierte Tumorzellen in lobulärer Anordnung sind von einer mukopolysaccharidreichen Grundsubstanz umgeben. c Osteoidbildung in einem Areal polygonaler Tumorzellen mit angedeutet eosinophilem Zytoplasma. Die Kerne sind rund und ebenmäßig geformt, gelegentlich auch gelappt und eingekerbt. (Aus Fletcher et al. [16], © mit freundl. Genehmigung von Herrn Prof. em. Dr. J. Adnan Carney, Rochester, MN, alle Rechte vorbehalten)

Obwohl sich die Läsion lokal aggressiv verhalten, in die Umgebung infiltrieren und – falls chirurgisch nicht entfernbar – auch zum Tode führen kann, wird ihr biologisches Verhalten – nicht sehr konsequent – als gutartig und nicht als „intermediate, lokal aggressiv“ kategorisiert. Rezidive sind jedoch nach kompletter Exzision bisher nicht beschrieben, ebenso wenig Metastasen.

Die subunguale Exostose und die bizarre parosteale osteochondromatöse Proliferation (Nora-Läsion) wurden als gutartige Proliferationen zusammengefasst und als eine Kategorie im Kapitel Knorpeltumoren abgehandelt, obwohl sie jeweils unterschiedliche klonale genetischen Aberrationen aufweisen (subunguale Exostose: t[x;6][q24–26;q15–25]-Translokation mit IRS4[Insulinrezeptorsubstrat 4]-Überexpression – immunzytochemisch mit einem kommerziell erhältlichen Antikörper an Einzelzellsuspensionen subungualer Exostosezellen intrazytoplasmatisch nachgewiesen, die gleichzeitig ein positives FISH-break-apart-Signal zeigten [32]; Nora-Läsion: t[1;17][q32;q21]-Translokation oder inv[7]-Aberrationen) und somit, auch nach Ansicht der WHO-Autoren, als genetisch distinkt anzusehen sind [4, 16, 32, 42]. Beiden gemeinsam ist ihr Auftreten an der Knochenoberfläche ohne radiologische Kontinuität mit dem Markraum. Sie unterscheiden sich aber in ihrem histologischen Aufbau (spindelzellig bedeckte Knorpelkappe mit weitgehend geordnetem Übergang in einen knöchernem Stil vs. irregulärer Aufbau mit hyperzellulären knorpeligen und spindelzelligen Arealen und basophiler Mineralisation – Abb. 2). Während subunguale Exostosen selten rezidivieren (4 %), werden Rezidive bei der Nora-Läsion in über 20 % (bis 55 % in der älteren Literatur) angegeben [2, 10].

Abb. 2
figure 2

ab Subunguale Exostose. a Radiologisch zeigt die Endphalanx der zweiten Zehe eine der Kortikalis aufsitzende strahlendichte Auftreibung. b Die Knorpelkappe (kleine Pfeile) geht in eine Knochenneubildungszone mit Markraumfibrose über, welche direkt an den ortsständigen Knochen mit unauffälligem Fettmark anschließt. Der darüber liegende Nagel (langer Pfeil) wird etwas abgehoben, das Nagelbett ist nicht betroffen (HE-Färbung). cd Bizarre osteochondromatöse Proliferation/Nora-Läsion. c An der Grundphalanx der zweiten Zehe erkennt man basisnah im konventionellen Röntgenbild (links) eine irreguläre, knöcherne Auftreibung, die im CT (rechts) der gut erkennbaren Kortikalis breitflächig aufsitzt und keinen Übergang zum Markraum zeigt. d Histologisch sieht man eine irregulär gestaltete chondroosteoide Knochenbildung mit angrenzenden Spindelzellproliferaten (untere Bildhälfte) ohne Atypien (HE-Färbung, Vergr. 25:1)

2004 schlugen Yamaguchi et al. vor, die Termini „giant vertebral notochordal hamartoma“ (Mirra und Brien [33]) bzw. „giant vertebral notochordal rest“ (Kyriakos et al. [27]) durch den Begriff des benignen notochordalen Tumors („benign notochordal cell tumor“, BNCT) zu ersetzen und vom (malignen) Chordom als eigenständigen gutartigen Tumor abzugrenzen [40]. Unter dieser Bezeichnung wurde der Tumor in die 4. Auflage der WHO-Klassifikation in die Gruppe der notochordalen Tumoren aufgenommen (weitere Einzelheiten dazu im Beitrag von Barth et al., dieses Heft) [16]. Vom Chordom unterscheidet sich diese Läsion bereits durch ihre pathognomonische Radiomorphologie (auf den betroffenen Wirbel begrenzt, ohne ossäre Expansion, Destruktion oder Weichteilkomponente, konventionell-radiologisch und im CT unauffälliges Bild, selten intraossäre Sklerose, im MRT signalarm bei T1- und hochsignalintensiv bei T2-Gewichtung; Abb. 3) und ihre Histologie (physaliphore Zellen, kleine Kerne ohne Atypien oder Mitosen, Fehlen eines lobulären Aufbaus, einer myxoiden Matrix, separierender fibröser Bänder, intraläsionaler Gefäße oder Nekrosen) [16, 26]. Das immunhistochemische Profil ist mit dem des Chordoms identisch (nukleäre Positivität für Brachyury, positiv für EMA [epitheliales Membranantigen], Zytokeratine und S100) [16]. Da beide Läsionen nebeneinander vorkommen können, käme der BNCT als Vorläufer des Chordoms in Betracht. Verlaufsbeobachtungen sprechen jedoch dafür, dass dies allenfalls in Ausnahmefällen zutrifft, sodass nach radiologisch gestellter Diagnose die Biopsie eines BNCT unterbleiben könnte, wenn regelmäßige bildgebende Kontrollen erfolgen. Beschrieben wurde auch eine sog. atypische Variante des BNCT, die im Prinzip die gleiche Histologie besitzt, aber umschriebene myxoide Areale aufweisen kann und radiologisch diskrete, jedoch eindeutige Destruktionszeichen oder einen minimalen Weichteilbefall erkennen lässt [8, 41]. Die zunächst von Yamaguchi vorgeschlagene Bezeichnung „incipient chordoma“ sollte nach Carter et al. nicht verwendet werden, da noch nicht bekannt ist, ob auch diese Läsion sich immer zu einem (malignen) Chordom entwickelt [8]. Außer einer sehr sorgfältigen kurzfristigen und jahrelangen Kontrolle ergeben sich zur Zeit für Tumoren mit dieser Konstellation noch keine anderen klinischen Konsequenzen [8].

Abb. 3
figure 3

Benigner notochordaler Tumor. a Im CT zeigen alle Wirbelkörper inkl. HWK 5 (Stern) eine gleichartige Konturierung und eine unauffällige knöcherne Binnenstruktur. Im MRT zeigt HWK 5 bei T1-Gewichtung (b) eine deutliche Signalminderung, während bei T2-Gewichtung (c) eine erhebliche Signalintensitätszunahme zu beobachten ist, ohne dass Konturveränderungen des Wirbelkörpers bestehen. (© Mit freundl. Genehmigung von Herrn Prof. Dr. K. Wörtler, Institut für Röntgendiagnostik der TU München, alle Rechte vorbehalten)

Auch die 4. Auflage der WHO-Klassifikation der Weichteil- und Knochentumoren enthält wie die 3. Auflage im Kapitel der vaskulären Tumoren einige Mehrdeutigkeiten, indem Fehlbildungen und echte Tumoren gemeinsam unter einer Rubrik („Hämangiome“) abgehandelt werden. Die von der ISSVA (International Society for the Study of Vascular Anomalies) vorgeschlagene Einteilung, die eine genauere Unterscheidung zwischen echten Tumoren und Malformationen ermöglicht, wurde auch 2013 nur inkomplett berücksichtigt [5, 24]. Alle von der WHO als „kapilläre oder kavernöse Hämangiome“ bezeichneten Läsionen repräsentieren nach ihrer Histologie und dem biologischen Verhalten (keine Proliferationszeichen/sehr niedriger Mib1, GLUT-1 und WT1-negativ) in erster Linie venöse Malformationen (Abb. 4). Im Unterschied zu den Weichteiltumoren sind im Knochen bisher als gutartige Gefäßtumoren nur epitheloide Hämangiome publiziert worden.

Abb. 4
figure 4

Modifizierte ISSVA-Klassifikation vaskulärer Läsionen

Während das epitheloide Hämangiom (EH), das einen lobulären Aufbau besitzt und dessen überwiegend großleibige, polyhedrale Zellen gut geformte Blutgefäße auskleiden (Abb. 5), in der Knochentumorklassifikation von 2002 noch allgemein unter „Hämangiome“ subsumiert wurde, wird es seit 2013 als eigenständiger, vaskulärer Tumor geführt, aber anders als im Weichteiltumorkapitel, in dem es unter den gutartigen Tumoren aufgelistet wird, als lokal aggressive, selten metastasierende (Lymphknoten) Neoplasie eingeordnet (s. unten). Ähnliches trifft auf das epitheloide Hämangioendotheliom (EHE) zu, das als niedrig maligner Tumor gilt [16], in der Knochentumorklassifikation von 2002 jedoch trotz seiner histologischen Besonderheiten (intrazytoplasmatische Lumina, myxoide Matrix, wenig vasoformativ) noch als Angiosarkomsonderform angesehen wurde. Beide Läsionen zeigen positive Reaktionen mit den üblichen Endothelmarkern (CD31, CD34, Fli-1, ERG und Faktor VIII), sind jedoch auch positiv für EMA und Zytokeratine (Cave DD: Karzinommetastasen). Das EHE weist außerdem eine WWTR-CAMTA1-Translokation auf, die zu einer nukleären Überexpression von CAMTA1 führt, welche sich immunhistochemisch nachweisen lässt [11]. EHs zeichnen sich demgegenüber durch FOS-Rearrangements aus [22]. Bisher keinen Eingang in die Klassifikation haben das – bisher jeweils nur in Einzelfällen publizierte – kaposiforme [29] und das pseudomyogene oder „epitheloid sarcoma-like“ Hämangioendotheliom gefunden, das kürzlich ebenfalls im Knochen beschrieben wurde, in den Weichteilen als lokal aggressiver, selten metastasierender Tumor gilt und sich neben seiner besonderen Histologie (großleibige, eosinophile, plumpe, selten epitheloide Spindelzellen) durch eine SERPINE1-FOSB-Translokation auszeichnet, die zu einer nukleären FOSB-Positivität führt, welche immunhistochemisch als Surrogatmarker für die Translokation verwendet werden kann [23, 25].

Abb. 5
figure 5

Epitheloides Hämangiom. a Nodulär angeordnete Tumorkomplexe destruieren den Knochen. b Die Gefäßkanäle werden von großen, epitheloiden Zellen mit eosinophilem Zytoplasma ausgekleidet. c Die epitheloiden Zellen besitzen relativ gleichförmige, große, runde Kerne mit offenem Chromatin und kleinen, gut erkennbaren Nukleolen. d Die Gefäßkanäle werden von Lymphozyten und eosinophilen Granulozyten umgeben. ef Oft enthalten die Tumoren eine Spindelzellkomponente mit zahlreichen eingestreuten Erythrozyten, angedeuteter Gefäßspaltbildung und wenigen intrazytoplasmatischen Vakuolen. Siderinablagerungen fehlen. (Aus Bruder et al. [5])

Während die Langerhans-Zell-Histiozytose und die Erdheim-Chester-Erkrankung bereits Eingang in die Klassifikation von 2002 gefunden hatten, erscheint die Rosai-Dorfman-Erkrankung erst 2013 unter der Kategorie der Tumoren mit unbestimmtem neoplastischen Potenzial in der Gruppe „lokal aggressiver“ Läsionen. Nur sehr selten ist ausschließlich der Knochen (ein oder mehrere) befallen. Weit überwiegend findet sich eine Lymphknotenbeteiligung (Synonym: „sinus histiocytosis with massive lymphadenopathia“). Kinder und meist junge Erwachsene sind am häufigsten betroffen. Charakteristisch ist die Emperipolese (Abb. 6), d. h. die Aufnahme von Granulozyten, Lymphozyten und Plasmazellen in das Zytoplasma großleibiger Histiozyten [16]. Die Genese der Erkrankung ist unklar. Sie wird zu den Non-Langerhans-Zell-Histiozytosen gerechnet (CD68- und CD163-positiv, S100-positiv, CD1a-negativ) und als reaktive Proliferation angesehen [3, 20]. Neuere Befunde weisen jedoch darauf, dass es sich um eine klonale Proliferation handeln könnte [30].

Abb. 6
figure 6

Rosai-Dorfman-Erkrankung. Dichtes entzündliches, nodulär aufgebautes intraossäres Infiltrat mit Osteodestruktion und (Inset) teilweise mikroabszessartigen Ansammlungen von neutrophilen Granulozyten, Eosinophilen, Lymphozyten und Plasmazellen. Daneben zahlreiche großleibige Histiozyten mit Emperipolese (Kreis), d. h. intrazytoplamatischer Aufnahme von Entzündungszellen. (HE-Färbung, Vergr. 40:1; Inset: HE-Färbung, Vergr. 400:1)

Umgruppierungen und Umbenennungen

In der 3. Auflage der WHO-Klassifikation von 2002 waren Gelenkläsionen als eigenständige Kategorie vertreten. Diese Kategorie enthielt jedoch nur eine Entität, die synoviale Chondromatose, welche durch subsynovial gelegene noduläre Proliferationen neoplastischen hyalinen Knorpels gekennzeichnet ist (Abb. 7) und welche bereits 2002 unter den Knorpeltumoren abgehandelt wurde, auch wenn sie nicht primär intraossär entsteht [15]. Während sie 2002 noch in der Definition als Proliferation bezeichnet und eine mögliche neoplastische Natur nur im einleitenden Text zu den Knorpeltumoren andiskutiert wurde [34], wird sie in der 4. Auflage als chondrogene, gutartige Neoplasie angesehen, der offenbar eine Alteration des Hedgehog-Signalwegs zugrunde liegt [16, 21]. Die extraartikulären, sog. tenosynovialen Chondromatosen, die besonders distal an den Extremitäten vorkommen, werden ebenfalls zu dieser Tumorkategorie gerechnet [14].

Abb. 7
figure 7

Synoviale Chondromatose. a Anteile der Synovialis, deren Zotten durch hyalinknorpelige Einlagerungen aufgetrieben sind (HE-Färbung,Vergr. 12,5:1). b Die Knorpelproliferate sind lobulär aufgebaut, die Zellen liegen in Clustern. An der Oberfläche der aufgetriebenen Zotten sind Fibrinablagerungen sichtbar (HE-Färbung, Vergr. 100:1)

In der 4. Auflage der WHO-Klassifikation wurde das Chondrosarkom Grad I aus der Gruppe der malignen Knorpeltumoren in die Rubrik der intermediären Tumoren (lokal aggressiv) überführt und die Läsion gleichzeitig in „atypischer kartilaginärer Tumor“ umbenannt, wobei die alte Bezeichnung gleichberechtigt weiter verwendet werden kann, um die Kontinuität in der Nomenklatur zu wahren [16]. Begründet wurde dies mit der geringen Rezidivneigung bei nur in Ausnahmefällen vorkommender Metastasierung der Grad-I-Tumoren, sodass zumindest in den langen Röhrenknochen, nicht jedoch im Becken oder anderen schwer zugänglichen Lokalisationen eine intraläsionale Therapie mit adjuvanten Maßnahmen (z. B. Kryochirurgie) ausreichend wäre [17]. Neuere Studien scheinen aber nahezulegen, dass auch bei den Chondrosarkomen Grad I/atypischen kartilaginären Tumoren unabhängig von Primärtherapie und Lokalisation ein geringes Metastasierungsrisiko (in einigen Studien sogar über 2 %) besteht, sodass diese Tumoren in Zukunft wohl besser zur Gruppe der lokal aggressiven Tumoren mit geringem Metastasierungspotenzial gerechnet werden sollten [1, 6].

Das frühere Brustwandhamartom („chest wall hamartoma“), das in der 3. Auflage noch unter der Rubrik „sonstige Läsionen“ aufgeführt war, wurde mit allen anderen, vormals dort gelisteten Läsionen (aneurysmatische Knochenzyste, solitäre Knochenzyste, fibröse Dysplasie, osteofibröse Dysplasie, Langerhans-Zell-Histiozytose und Erdheim-Chester-Erkrankung) und der neu hinzugekommenen Rosai-Dorfman-Erkrankung (s. Abschn. „Neue Entitäten“) in die neugebildete Kategorie der Tumoren mit unbestimmten neoplastischem Potenzial übernommen. Da Tumoren mit der Histologie des Brustwandhamartoms auch in anderer Lokalisation (Nasennebenhöhlen, Wirbelsäule, Sternum) beobachtet wurden, erfolgte gleichzeitig die Umbenennung in chondromesenchymales Hamartom. Der weit überwiegend im Kleinkindalter auftretende Tumor, der ein Nebeneinander von Knorpelgewebe, Spindelzell- und Gefäßproliferationen sowie hämorrhagischen Hohlräumen aufweist (Abb. 8), gilt als gutartig, kann jedoch zu tödlichen Komplikationen führen [16].

Abb. 8
figure 8

Chondromesenchymales Hamartom. a 1-jähriges Mädchen mit gut begrenzter, irregulär mineralisierter Auftreibung der 8. Rippe rechts (Stern). b Noduläre, hyalinknorpelige Proliferate (rechts) neben Spindelzellformationen und Kollagenisierungen, die in Osteoid übergehen (unten links). Innerhalb der Läsion zahlreiche dünnwandige Blutgefäße (HE-Färbung, Vergr. 40:1; Inset: HE-Färbung, Vergr. 100:1). (Mit freundl. Genehmigung von Herrn Dr. J. Frege, Berlin)

Die aneurysmatische Knochenzyste (AKZ) wurde in der 4. Auflage neu den Tumoren mit unbestimmten neoplastischem Potenzial zugerechnet und ihr biologisches Verhalten als lokal aggressiv eingestuft [16]. Der Nachweis einer in über 70 % der Fälle auftretenden Translokation unter der Beteiligung von USP6 untermauert die Ansicht, dass es sich bei der AKZ um eine echte Neoplasie handelt [31, 39]. Bisher wurde nur ein Fall publiziert, in dem Metastasen (in Lunge, Leber und Nieren) beobachtet wurden, wobei sowohl die Primärläsion im Becken als auch die Metastase in der Lunge eine USP6-Translokation (FISH) aufwiesen, alle Läsionen histologisch keine Malignitätszeichen zeigten und sich in der Bild-Zytometrie DNA-diploid verhielten, sodass die Autoren eine hämatogene Streuung im Rahmen der Behandlung der Beckenläsion (mehrere operative Eingriffe und radiologische Interventionen) für möglich halten [28].

Weiterhin wird das Ewing-Sarkom nicht mehr als eigenständige Kategorie geführt, sondern den „Sonstigen Tumoren“ zugeschlagen. Hier taucht auch das frühere MFH des Knochens auf, welches jetzt in Übereinstimmung mit der Nomenklatur der Weichteilsarkome als undifferenziertes hoch malignes pleomorphes Sarkom (UPS) bezeichnet wird, das immunhistochemisch keine Liniendifferenzierung erkennen lassen darf. Das Fibrosarkom des Knochens wurde zwar nicht umbenannt, aber ebenso wie das UPS strenger definiert. Ein signifikante Pleomorphie ist mit dieser Diagnose nicht mehr vereinbar und sollte zur Klassifikation als UPS führen, wenn sich immunhistochemisch kein Anhalt für eine Liniendifferenzierung ergibt [16]. Als einzige Differenzierungsleistung gilt die Kollagenproduktion. Bei Anwendung dieser Kriterien bleiben Fibrosarkom und UPS sehr seltene Ausschlussdiagnosen [35].

Biologisches Verhalten

Im einleitenden Kapitel des Knochentumorteiles der WHO-Klassifikation von 2013 unterstreichen die Autoren, dass alle Knochentumoren ein breites Spektrum in ihrem biologischen Verhalten bieten. Mit dem histologische Grading von malignen Tumoren auf Basis morphologischer Befunde besteht zwar die Möglichkeit, das biologische Verhalten zumindest eines bösartigen Tumors einzuschätzen. Anders als bei den Weichteiltumoren gibt es jedoch kein generell akzeptiertes System, wie z. B. das der FNCLCC („Fédération Nationale des Centres de Lutte Contre le Cancer“), mit dem sich das biologische Verhalten auch von malignen Knochentumoren annäherungsweise vorhersagen ließe. Meist liefert die histologische Diagnose bereits den Malignitätsgrad (Tab. 1). So gelten Ewing-Sarkome, mesenchymale und dedifferenzierte Chondrosarkome generell als hochmaligne, parosteale Osteosarkome und Adamantinome der langen Röhrenknochen als niedrigmaligne [16, 36]. Nur für Chondrosarkome existiert ein allgemein angewendetes Gradingsystem, das auf den Arbeiten von Evans beruht [12].

Tab. 1 Gradierung maligner Knochentumoren. (Modifiziert nach Rubin et al. [36])

Analog zum Vorgehen bei den Weichteiltumoren in der 3. Auflage der WHO-Klassifikation sollen deshalb gemäß des Expertenvorschlages von Grimer, Hogendoorn und Vanel [19] in der 4. Auflage auch alle Knochentumoren nach ihrem biologischen Verhalten in 3 Gruppen eingeteilt werden: in gutartige, intermediäre und bösartige Knochentumoren, wobei die intermediäre Gruppe in 2 Subgruppen (lokal aggressiv und selten metastasierend) untergliedert wird [16]. Die Definitionen orientieren sich am Wachstumsverhalten, der Rezidivneigung und der Neigung, zu metastasieren.

  • Gutartige Tumoren rezidivieren nur gelegentlich und wenn, dann ohne destruktives Verhalten. Sie können deshalb lokal exzidiert oder kürettiert werden.

  • Intermediäre Tumoren werden in 2 Subgruppen unterteilt: lokal aggressiv und selten metastasierend. Die lokal aggressive Subgruppe besitzt eine höhere Rezidivneigung mit infiltrativ-destruierendem Wachstum, jedoch ohne Metastasierungsrisiko. Therapeutisch sind in der Regel eine weite Resektion im Gesunden oder die Anwendung additiver Maßnahmen wie Kryotherapie, eine Palacosplombe oder eine Phenolinstillation erforderlich.

    Läsionen der selten metastasierenden Subgruppe wachsen in der Regel ebenfalls lokal aggressiv, besitzen aber eine dokumentierte, niedrige (<2 %) Metastasierungsneigung, in der Regel in die Lunge, ohne dass dies im Einzelfall vorhersagbar wäre.

  • Maligne Tumoren zeigen neben einem destruktiven Wachstumsverhalten und einer hohen Rezidivneigung als wesentliches Merkmal ein deutlich höheres Metastasierungsrisiko, das in der Regel über 20 % (bis 100 %) liegt. Sie erfordern neben chirurgischen Maßnahmen (weiten Resektion im Gesunden) in der Regel eine zusätzliche Radio- und/oder Chemotherapie. Niedrigmaligne Tumoren (>2–10 % Metastasierungsneigung) können bei wiederholter Rezidivierung einen höheren histologischen Malignitätsgrad entwickeln.

Diese insbesondere für das therapeutische Vorgehen sinnvolle Unterteilung kann jedoch zu Missverständnissen führen, insbesondere wenn sie für die gleiche Entität im Weichteiltumorkapitel (epitheloides Hämangiom = benigne) anders als im Knochentumorkapitel (epitheloides Hämangiom = „intermediate, rarely metastasizing“) gehandhabt wird. Sollen Knochentumoren nach ICD-O (International Classification of Diseases for Oncology) codiert werden, wie es die WHO vorschlägt und wie es z. B. für Krebsregister notwendig ist, steht man vor der Schwierigkeit, dass es im ICD-O-System keinen Code für die intermediäre Kategorie gibt, sodass sich Probleme bei der Verwendung des Verhaltensschlüssels (fünfte Stelle des ICD-O-Codes: /0 = gutartig; /1 = unklar, ob gut- oder bösartig; /2 = in situ oder /3 = maligne) ergeben. Generell sollten nach Empfehlung der WHO (2002 und 2013) lokal aggressive Läsionen einen ICD-O/1-Verhaltensschlüssels (= unklar, ob gut- oder bösartig) erhalten, während selten metastasierende Tumoren als ICD-O/3-Neoplasien (= maligne) codiert werden sollten [15, 16]. Für den Riesenzelltumor des Knochens wird aber der Verhaltensschlüssel für Tumoren unklarer Dignität (−/1) verwendet, unter Hinweis darauf, dass dieser Tumor im wesentlichen als gutartig gilt, auch wenn er selten einmal in die Lunge metastasieren kann. Das epitheloide Hämangiom erhält sogar den Verhaltensschlüssel für gutartige Tumoren (−/0), wird aber bei den Knochentumoren in die selten metastasierende intermediäre Gruppe eingeordnet, da Lymphknotenmetastasen beschrieben sind, die im Weichteiltumorabschnitt der gleichen WHO-Klassifikation jedoch als Ausdruck eines regionalen multifokalen Auftretens gewertet werden, sodass derselbe Tumor bei den Weichteilen in die Gruppe der gutartigen Tumoren eingeordnet wird. Außerdem bestehen Codierungsdisparitäten zwischen den einzelnen WHO-Klassifikationen bezüglich derselben Läsion. Während die Langerhans-Zell-Histiozytose in der Knochentumorklassifikation (2013) mit dem ICD-O-Code 9752/1 (= unklar, ob gut- oder bösartig) versehen ist, lautet er in der bereits 2008 erschienenen WHO-Klassifikation für hämatopoetische und lymphatische Tumoren 9751/3 (= maligne) [38].

Trotz dieser Inkongruenzen und definitorischen Unklarheiten ergibt sich aber mit der Gruppierung nach dem biologischen Verhalten für den Kliniker eine brauchbare Leitlinie für therapeutische Überlegungen und das Monitoring von Knochentumorpatienten.

Fazit für die Praxis

Die 4. Auflage der WHO-Klassifikation der Weichteil- und Knochentumoren enthält zahlreiche immunhistochemische und molekulargenetische Aktualisierungen, deren Anwendung zu wesentlich präziseren Diagnosen führt und zur Elimination einzelner Entitäten wie dem malignen fibrösen Histiozytom beigetragen hat. Die Übernahme der Gruppierung nach dem biologischen Verhalten auch für die Knochentumoren bietet dem Kliniker trotz einiger noch auszuräumender Unzulänglichkeiten eine besser definierte Basis für die Behandlung und Überwachung dieser Patientengruppe.