Die Organtransplantation stellt seit Ende der 80er-Jahre ein Standardverfahren zur Behandlung eines terminalen Organversagens dar. In Deutschland wurden im Jahr 2000 annähernd 3.000 Transplantationen durchgeführt; eine Übersicht gibt Tabelle 1. Hinzu kommen jährlich über 1.000 Stammzelltransplantationen,Footnote 1 die v. a. bei bestimmten Formen von Leukämie, Lymphdrüsenkrebs und anderen bösartigen Erkrankungen des blutbildenden Systems durchgeführt werden. Während der Wartezeit auf den Eingriff, die bei einer Lungentransplantation bis zu 2 Jahre dauern kann, sind die Patienten gesundheitlich stark eingeschränkt, sehnen den Eingriff herbei und müssen zudem fürchten, dass das rettende Organangebot zu spät kommt. Gleichzeitig fürchten sie die Operation und die damit verbundenen Risiken und Belastungen. Zipfel et al. (1998) wiesen für Patienten auf der Warteliste zur Herztransplantation eine hohe und im Verlauf schnell ansteigende psychische Belastung nach. Nach der Transplantation erfordert es eine erhebliche psychische Anpassungsleistung, während der Wartezeit erlerntes Krankheitsverhalten wieder abzulegen und die neu gewonnen Möglichkeiten zu nutzen. Gleichzeitig besteht aber die Gefahr, das neue Organ durch eine Abstoßungsreaktion wieder zu verlieren. Betroffen vom Thema Organtransplantation sind auch die Familienangehörigen. Letzteren wird in der klinischen Praxis wenig Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl für die Wartezeit vor der Transplantation (Bohachick et al. 2001) und die Zeit danach (Bunzel et al. 1999) eine erhöhte psychische Belastung gerade bei den Angehörigen nachgewiesen werden konnte. Das Transplantationsgesetz von 1997 fordert in § 10, Abs. 2. S. 5 von den Transplantationszentren „vor und nach einer Organübertragung Maßnahmen für eine erforderliche psychische Betreuung der Patienten im Krankenhaus sicherzustellen“. Trotz dieses erheblichen Betreuungsbedarfes stellten Johann und Erim (2001) im Vergleich zur Psychoonkologie ein „durchgängiges Fehlen von Manualen zur psychoedukativen Intervention“ und evidenzbasierten psychotherapeutischen Betreuungskonzepten fest.

Tabelle 1 Organtransplantationen und Patienten auf Wartelisten in Deutschland 2000 ([Eurotransplant, http://www.eurotransplant.org)a

Bei der Herztransplantation werden inzwischen Überlebensraten von 83,3% nach einem Jahr, 66,7% nach 5 Jahren und 48,3% nach 10 Jahren erreicht (Bunzel et al. 2002). In der 10-Jahres-Katamnese hatten die Patienten eine Lebensqualität im Bereich der Normalbevölkerung mit leichten Einschränkungen in den körperbezogenen Funktionsskalen. Auffällig war außerdem eine im Zeitverlauf ansteigende Depressivität. Auch nach einer Lungentransplantation konnte ein Anstieg der gesundheitsbezogenen Lebensqualität nachgewiesen werden (ten Vergert et al. 1998; Stavem et al. 2000), allerdings sind hier die Katamnesezeiträume kürzer. Vor der Transplantation hatten die Patienten nicht nur eine eingeschränkte Lebensqualität, sondern wiesen auch eine erhebliche Psychopathologie auf, die von depressiven Anpassungsstörungen bis zu hirnorganischen Durchgangssyndromen reichte. Karajgi et al. (1990) wiesen bei Patienten mit schweren chronischen Lungenerkrankungen, wie sie auf der Warteliste zur Lungentransplantation stehen, eine erhöhte Inzidenz an Angst- und Panikstörungen nach. Anhand von Daten der Transplantationszentren, die die vorliegende Studie durchführten, wird die deutlich reduzierte Lebensqualität während der Wartezeit auf ein Organangebot deutlich (Tabelle 2).

Tabelle 2 Mittelwerte und Standardabweichungen der Fragebogenskalen für die gesundheitsbezogene Lebensqualität (SF 36) bei Patienten auf der Warteliste zur Lungentransplantation, nach thorakaler Organtransplantation und bei einer gesunden Vergleichsgruppe

Obwohl die gesundheitsbezogene Lebensqualität von der Mehrzahl der Patienten nach einer Transplantation als gut eingeschätzt wird, bestehen bei Subgruppen mit einer komorbiden depressiven Störung (Trumper u. Appleby 2001), Angststörung (Stilley et al. 1999) oder posttraumatischen Belastungsstörung (Köllner et al. 2003) deutliche Beeinträchtigungen in diesem Bereich. Grady et al. (1999) fanden, dass die Lebensqualität bei Patienten ein Jahr nach Herztransplantation v. a. durch psychosoziale Prädiktoren vorhergesagt werden konnte. Cohen et al. (1998) berichten, dass bei den von ihnen vor und nach einer Lungentransplantation untersuchten Patienten die postoperative Lebensqualität wesentlich durch den psychischen Status vor der Transplantation bestimmt wurde. In diesem Zusammenhang weisen Stilley et al. (1999) und Kugler et al. (1995) auf den positiven Effekt sozialer Unterstützung hin. Letztere empfehlen deshalb Maßnahmen, die die soziale Unterstützung verbessern, wie z. B. Selbsthilfegruppen.

Ziel- und Fragestellung

Diese Befunde verdeutlichen die Notwendigkeit einer psychologischen Unterstützung von Patienten und ihren Partnern vor und nach einer Organtransplantation. In aktuellen Übersichtsarbeiten wird übereinstimmend das Fehlen von empirisch überprüften Konzepten zur psychischen Betreuung dieser Patientengruppe kritisiert (Johann u. Erim 2001; Olbrisch et al. 2002; Köllner u. Archonti 2003). Ziel dieser Studie war es, ein solches Programm zu entwickeln, am Transplantationszentrum der Universitätsklinik Homburg/Saar zu etablieren und seine Akzeptanz bei den Betroffenen zu überprüfen. Um Selbsthilferessourcen zu aktivieren, wurde ein Gruppensetting gewählt. Die Lebenspartner sollten in die Betreuung einbezogen werden, sowohl weil sie die wichtigste Quelle der Unterstützung für die Patienten darstellen als auch, um ihnen selbst eine Entlastungsmöglichkeit anzubieten. Es wurde je eine Gruppe für Patienten und Partner vor und nach Lungentransplantation und Herztransplantation angeboten. Die Programme für Herz- und Lungenpatienten waren in ihrem Aufbau ähnlich; Unterschiede gab es v. a. bei krankheitsspezifischen Modulen. Hier wird nur das Programm zur Lungentransplantation dargestellt.Footnote 2

Folgende Fragen sollen beantwortet werden:

  1. 1.

    Wird ein solches Programm von Patienten und Partnern akzeptiert?

  2. 2.

    Gibt es eine unterschiedliche Akzeptanz bei Patienten vor und nach der Transplantation?

  3. 3.

    Welche Patienten werden nicht erreicht?

  4. 4.

    Welche Erfahrungen dieses Programms lassen sich auf die Arbeit mit Transplantationspatienten allgemein übertragen?

Methode

Entwicklung und Aufbau des Programms

Setting

Die Gruppe wurde jeweils von einer Internistin, einer Psychotherapeutin und einer Physiotherapeutin geleitet. Diese waren während der gesamten Gruppensitzung anwesend und führten gemeinsame Nachbesprechungen durch. Da die Patienten häufig Strecken von über 100 km von ihrem Wohnort zum Transplantationszentrum zurücklegen mussten, wurden Termine nur alle 6 Wochen angeboten. Mit Rücksicht auf die körperlich stark eingeschränkten Patienten war die Dauer einer Sitzung zunächst auf 90 min beschränkt. Im Verlauf zeigte sich, dass von den Patienten eine längere Gesprächszeit gewünscht und auch verkraftet wurde, sodass sich die Dauer auf 120 min ausdehnte.

Inhalte

Nach Erfahrungen mit einem Vorbereitungsprogramm zur koronaren Bypassoperation (Köllner 1990) wurde davon ausgegangen, dass die Patienten zunächst ein ausgeprägtes Informationsbedürfnis haben. Dies sollte schon zu Anfang der Gruppe befriedigt werden, damit die Patienten einen unmittelbaren Gewinn von der Teilnahme erleben. Außerdem kann der Informationsteil als Anwärm- und Vorbereitungsphase für das nachfolgende Thematisieren psychosozialer Probleme hilfreich sein. In den ersten Gruppensitzungen standen medizinische Themen im Vordergrund, während Themen wie Ängste, Depressivität und Belastungen in der Partnerschaft erst angesprochen wurden, wenn bereits eine stärkere Gruppenkohäsion vorhanden war. Auch die einzelnen Sitzungen folgten in ihrem Ablauf dem Muster, dass sie mit einem Vortrag oder einer Fragerunde begannen und emotional berührende Themen erst angesprochen wurden als das Informationsbedürfnis befriedigt und eine stärkere Vertrautheit in der Gruppe entstanden war. Da die Gruppe offen angelegt war und kontinuierlich neue Patienten vor Aufnahme auf die Warteliste hinzukamen, wiederholten sich viele Themen im Abstand von 1–2 Jahren. Im Sinne eines Selbstmanagementansatzes wurden die Patienten in die Auswahl der Themen miteinbezogen. Von ihnen wurden insbesondere sozialmedizinische Themen (Wiedereingliederung in die Arbeit, Möglichkeiten finanzieller Unterstützung) gewünscht. Als psychotherapeutische Methoden wurden v. a. Interventionen aus der kognitiven Verhaltenstherapie, aber auch der systemischen Familienmedizin (Kröger et al. 1998) eingesetzt.

Um den antidepressiven Effekt körperlichen Trainings (Kugler et al. 1994; Babyak et al. 2000) zu nutzen und die Patienten vor der Transplantation in einen möglichst guten physischen Zustand zu bringen, wurden krankengymnastische Übungen zur weiteren selbstständigen Durchführung zu Hause vermittelt. Die Sitzungen endeten mit einer Entspannungs- oder Imaginationsübung. Auch diese wurde mit dem Ziel gelehrt, dass die Patienten sie in schwierigen Situationen (z. B. belastende Untersuchungen, Luftnot, Langzeitbeatmung) selbstständig einsetzen konnten. Die Übersicht über ein Jahresprogramm zeigt Abb. 1.

Abb. 1
figure 1

Jahresprogramm einer Transplantationsgruppe

Teilnehmerinnen und Teilnehmer

Eingeladen wurden alle Patienten auf der Warteliste zur Lungentransplantation und die bereits transplantierten Patienten. Ebenso wurden Patienten eingeladen, die noch im Entscheidungsprozess darüber waren, ob sie auf die Warteliste aufgenommen werden wollten. Die Einladung erfolgte bei neuen Patienten mündlich anlässlich einer Vorstellung in der Transplantationsambulanz und zusätzlich für alle schriftlich vor jeder Sitzung.

Erfasst wurden alle Patienten, die seit Beginn des Programms 1995 am Transplantationszentrum Homburg/Saar auf die Warteliste zur Lungentransplantation (LTx) genommen worden waren. Zum Zeitpunkt der Erhebung im April 2002 waren 27 Patienten transplantiert; 21 standen noch auf der Warteliste. Die Patienten auf der Warteliste (14 weiblich/7 männlich) waren im Durchschnitt 44 Jahre (±10 Jahre, Variationsbreite 27–59 Jahre) alt; 78% waren berentet, und die Wartezeit betrug zum Zeitpunkt der Befragung 13 Monate (±10 Monate, Variationsbreite 2–36 Monate). Die Entfernung zwischen Wohnort und Transplantationszentrum betrug zwischen 35 km und 550 km. Die Daten für die transplantierten Patienten (15 weiblich/12 männlich) waren ähnlich. Das Durchschnittsalter betrug 47 Jahre (±14 Jahre, Variationsbreite 23–66 Jahre), die Zeit bis zur Transplantation lag im Schnitt bei 11 Monaten (±11 Monate, Variationsbreite 0–39 Monate); der Zeitpunkt seit der Transplantation lag bei 24 Monaten (±14 Monate, Variationsbreite 2–47 Monate). Von den Patienten waren 66,7% berentet; ein kleiner Teil ging einer Tätigkeit oder Ausbildung nach (n=5/18,5%) oder war im häuslichen Bereich tätig (n=4/14,8%). Die Patienten litten an folgenden Grunderkrankungen:

  • Lungenemphysem oder chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD),

  • Lungenfibrose,

  • zystische Fibrose (CF),Footnote 3

  • primäre pulmonale Hypertonie (PPH).

Datenerfassung

Aufgrund der kleinen und zudem sehr heterogenen Stichprobe wurde auf eine quantitative Analyse verzichtet. Eine Randomisierung hätte bedeutet, Patienten, die Unterstützung wünschten, diese vorzuenthalten und erschien uns deshalb weder durchführbar noch ethisch zu vertreten. Wir entschieden uns deshalb dazu, die Teilnahme an der Gruppe zu erfassen und ziehen als Kriterium für die Akzeptanz der Gruppe das im Gespräch geäußerte Interesse an dem Angebot sowie Rückmeldungen von Teilnehmern heran.

Ergebnisse

Teilnahme an der Gruppe

Die Gruppe besteht als offenes Angebot kontinuierlich seit 1995 und wird durchschnittlich von etwa 12 Patientinnen und Patienten besucht. In der Regel wurden die Patienten von mindestens einem Familienmitglied begleitet. Dies waren in der Mehrzahl der Fälle der Partner oder die Partnerin, aber auch erwachsene Kinder oder bei den jüngeren CF-Patienten Eltern oder Geschwister. Tabelle 3 zeigt, dass die Gruppe v. a. von Patienten während der Wartezeit genutzt wird. Wie Tabelle 3 zeigt, nehmen transplantierte Patienten nur noch sporadisch an der Gruppe teil. Im Schnitt waren bei jedem Treffen 2 Transplantierte anwesend. Hierbei handelt es sich sowohl um Patienten, die schon vor der Transplantation regelmäßig teilgenommen haben und die Gruppe als einen festen Bezugspunkt sehen, als auch um solche, die zur Gruppe kommen, um den Wartenden durch ihr Beispiel Mut zu machen und für ihre Fragen zur Verfügung zu stehen.

Tabelle 3 Gruppenteilnahme von Patienten der Warteliste (n =21) und Transplantierten (n =27)

Nur wenige Patienten nahmen nie an der Gruppe teil. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Einzugsbereich des Transplantationszentrums einen Radius von etwa 300 km hat. Die Obergrenze für eine regelmäßige Teilnahme lag bei etwa 100 km. Einige Patienten kamen trotz des Anfahrtswegs auch aus dem weiteren Umkreis. Sie erschienen zu Beginn ihrer Wartezeit regelmäßig und stellten den Besuch erst ein, nachdem sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert hatte. Insgesamt kann aus der klinischen Erfahrung gesagt werden, dass Patienten sehr unterschiedliche Motive zur Gruppenteilnahme haben und Anfahrtswege eine untergeordnete Rolle spielen, wenn ein hoher Bedarf an Information oder Unterstützung durch andere Betroffene erwünscht wird und der Gesundheitszustand des Patienten eine weite Fahrt ermöglicht. Zwei kurze Fallbeispiele sollen zur Veranschaulichung dienen.

Fallbeispiel 1

Eine damals 25-jährige Patientin litt an CF und hatte sich in der Transplantationsambulanz vorgestellt. Die Indikation zur Transplantation war gestellt worden, über den Zeitpunkt zur Aufnahme auf die Warteliste herrschte noch keine Einigkeit, zumal die Lungenfunktion noch in einem akzeptablen Bereich war und sich die Patientin insgesamt in einem körperlich stabilen Zustand befand. Sie fühlte sich subjektiv zu „gesund“ für eine Transplantation und wünschte zu diesem Zeitpunkt keine Aufnahme auf die Warteliste. Die Patientin nahm dennoch schon zu diesem Zeitpunkt sehr regelmäßig an den Treffen teil, obwohl dies jeweils mit einem Anfahrtsweg von rund 400 km verbunden war. Für sie waren die Informationen hinsichtlich der Transplantation, aber auch der Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen über den richtigen Zeitpunkt zur Listung ein wichtiger Bestandteil ihres Entscheidungsprozesses. Sie wurde hierbei in erster Linie von ihrem Ehemann, der an jedem Treffen teilnahm, sowie ihren Eltern unterstützt. Sie nutzten zudem die Möglichkeit, für die Besprechung persönlicher Probleme die angebotenen psychologischen Einzelgespräche wahrzunehmen.

Trotz der gegebenen Einsicht in die Notwendigkeit des Eingriffs und hoher Compliance zeigte sie jedoch bei progredientem Krankheitsverlauf eine unerwartete Unschlüssigkeit, sich auf die Liste zur Transplantation setzten zu lassen. Wie wichtig der Austausch mit Mitpatienten für ihre Entscheidung war, zeigte sich darin, dass letztlich erst der Erfahrungsbericht einer anderen, zwischenzeitlich bereits transplantierten CF-Patientin sie dazu bewegen konnte, trotz verhältnismäßig noch guter subjektiver Leistungsfähigkeit der Aufnahme auf die Liste zuzustimmen. Sie nahm weiterhin regelmäßig an den Treffen teil, und stellte ihre Besuche erst ein, als sich ihr Zustand bei über 2-jähriger Wartezeit soweit verschlechterte, dass sie sich die weite Anreise nicht mehr zumuten konnte.

Fallbeispiel 2

Der Patient war bei Aufnahme auf die Warteliste 55 Jahre alt und litt an einem Lungenemphysem. Er war bereits als Patient in der Klinik bekannt und hatte schon einige Jahre zuvor die Möglichkeit psychotherapeutischer Einzelgespräche für sich genutzt. Zudem hatte er auf Anregung des ihn damals betreuenden Psychotherapeuten Entspannungstechniken erlernt, die er als große Hilfe für sich erlebte. Er nahm von Beginn an regelmäßig an den Gruppentreffen teil; hierbei war die verhältnismäßig kurze Strecke von etwa 80 km von Vorteil. Nach nur 8-wöchiger Wartezeit konnte er erfolgreich transplantiert werden und gehörte zu den Patienten, die auch nach der Transplantation regelmäßig an den Treffen teilnahmen. Er wollte mit seinen Erfahrungen den noch wartenden Patienten Mut machen, andererseits schien das wiederholte Berichten ein wichtiger Bestandteil zur Verarbeitung seiner Erlebnisse zu sein. Günstig war hierbei, dass er trotz seines guten Verlaufs—er hatte sehr wenige Abstoßungen und kaum Infekte—nicht dazu neigte, die Transplantation und mögliche Komplikationen zu bagatellisieren. Er diente hinsichtlich des postoperativen Verlaufs als Modell und bekräftigte beispielsweise auch den Nutzen von Entspannungstechniken oder die Möglichkeit einzeltherapeutischer Sitzungen, für die er sich selbst bei Bedarf Termine holte. Wichtig war jedoch, diesen Patienten zeitweise in seiner selbst gewählten Rolle als „Kotherapeut“ zu bremsen, um anderen Patienten die Wahl ihrer eigenen Verarbeitungsstrategie ermöglichen zu können.

Diese 2 Fallbeispiele sollen kurz skizzieren, auf welch unterschiedliche Weise die Patienten die Möglichkeiten einer Patientengruppe für sich nutzen. Aus der klinischen Erfahrung zeigt sich auch, dass die Wahrnehmung des Gruppenangebots die Bereitschaft zu einzeltherapeutischen Sitzungen bei zuvor eher skeptischen und reservierten Patienten zu fördern scheint.

Beschreibung des Gruppenprozesses

Da hierzu keine systematische Datenerhebung durchgeführt wurde, basiert dieser Abschnitt nur auf den klinischen Erfahrungen der Autoren. Für Patienten in der Entscheidungsphase trugen die Information und die vermittelte Transparenz hinsichtlich Wartezeit, Operation und Nachbehandlung dazu bei, mögliche Vorbehalte, die gegenüber einer in dieser Klinik neu etablierten und in der Öffentlichkeit noch als experimentell angesehenen Behandlungsmethode bestehen können, zu reduzieren.

Eine regelmäßige Teilnahme führte für die Patienten zu einem realistischen Blick auf Erfolge und Grenzen der Transplantationsmedizin. Unser Eindruck war, dass dies den Patienten den Umgang mit Komplikationen und Verzögerungen im Krankheitsverlauf erleichterte. Wenn als Modell nur „Bilderbuchverläufe“ zur Verfügung stehen, werden unrealistisch hohe Erwartungen geweckt, die zu Ängsten und Enttäuschungen führen können. Durch die offene Konzeption der Gruppe wurden die Patienten auch mit komplizierten Krankheitsverläufen oder dem Tod von Mitpatienten konfrontiert. Für die Gruppenleiter war diese Situation zunächst mit Angst und Unsicherheit behaftet. Die Patienten entschieden sich jedoch klar für einen offenen Umgang mit diesem Thema. So wurden die Angehörigen eines wenige Tage nach der Transplantation verstorbenen Patienten von den anderen Teilnehmern bereits zur nächsten Sitzung eingeladen, während die Leiter sich noch fragten, wie mit dem Thema umgegangen werden könnte. Im Sinne eines Selbstmanagementansatzes halten wir es für eine angemessene Strategie, die Patienten nicht nur zu Experten in eigener Sache zu machen, sondern über Inhalte und Intensität der Gruppensitzungen aktiv mitentscheiden zu lassen. Bewährt hat sich hierbei auch die enge Kooperation mit Selbsthilfeorganisationen.

Die Teilnehmer profitierten von den einzelnen Elementen der Gruppe in unterschiedlicher Weise. Einige suchten v. a. emotionale Entlastung in den Gruppengesprächen, andere überwiegend Information und wieder andere konnten die angebotenen Physiotherapie- und Entspannungsübungen zum Wiedererleben von Selbstwirksamkeit nutzen.

Durch die Gruppe ist für Patienten und Partner eine zusätzliche Möglichkeit zur Selbsthilfe entstanden. So blieb ein Teil der Gruppe nach dem offiziellen Ende noch längere Zeit beisammen. Für gesundheitlich stark beeinträchtigte Patienten war sie das einzige soziale Ereignis während der Wartezeit. Die Teilnehmer stehen untereinander in intensivem Telefonkontakt und unterstützen sich so in Krisensituationen.

Diskussion

Möglichkeiten und Grenzen des Projekts

Die Gruppe zur Lungentransplantation besteht inzwischen seit über 7 Jahren und wird von Patienten und Angehörigen weiterhin kontinuierlich angenommen. Insbesondere nutzen Patienten während der Entscheidungsphase zur Transplantation und der Wartezeit dieses Angebot. Nach der Transplantation scheint die Mehrzahl der Betroffenen das Bedürfnis zu haben, die neu gewonnene Freiheit ohne die Auseinandersetzung mit den Problemthemen der Wartezeit genießen zu wollen. Möglicherweise ändert sich dies, wenn im Langzeitverlauf erneut Probleme auftauchen (Bunzel et al. 2002). Zu den Fragestellungen 1 und 2 kann festgestellt werden, dass in der Zeit vor der Transplantation der Bedarf nach Betreuung hoch ist und die Gruppe von der Mehrzahl der Betroffenen angenommen wird. Wenn die Lebensqualität der Patienten nach der Transplantation deutlich ansteigt, geht der Wunsch nach therapeutischer Begleitung entsprechend zurück.

Im Verlauf der Wartezeit zeigt sich eine Reduzierung der Teilnahmequote bzw. ein Wegbleiben der Patienten, die schon längere Zeit auf der Warteliste stehen. Hier lassen sich 2 mögliche Gründe nennen: der gedeckte Informationsbedarf einerseits und der sich verschlechternde gesundheitliche Zustand andererseits, der den weiteren Besuch der Gruppe unmöglich macht. Dies gilt insbesondere für Patienten, die weit von Transplantationszentrum entfernt wohnen.

Das deutlich geringere Interesse der transplantierten Patienten an der Gruppe ist vermutlich einerseits darauf zurückzuführen, dass die Inhalte der Gruppe primär auf die Vorbereitung auf die Transplantation und die Begleitung während der Wartezeit ausgelegt sind. Aus der klinischen Erfahrung der Autoren verdeutlicht dies jedoch auch den Wunsch der Patienten nach „Normalität“, d. h. einem Leben, in dem die Krankheit nicht im alleinigen Mittelpunkt steht. Möglicherweise spielen auch Ängste vor Komplikationen und damit einhergehende Abwehrmechanismen eine Rolle, die sich in Äußerungen zeigen, das Klinikum außerhalb der Kontrolltermine lieber nicht aufsuchen zu wollen.

Die Frage 3 lässt sich dahingehend beantworten, dass die psychotherapeutische Versorgung von Patienten, die weit vom Transplantationszentrum entfernt wohnen, ein Problem darstellt. Für Patienten vor und nach einer Organtransplantation ist es schwierig, Therapeuten zu finden, die sich bei dieser Problematik für kompetent halten. Auch kann ihnen eine Wartezeit auf einen Therapieplatz wegen der akuten Problematik in der Regel nicht zugemutet werden. Inzwischen machen auch Selbsthilfeorganisationen wie der Bundesverband der Organtransplantierten (BDO) auf diesen Mißstand aufmerksam (Tapp 2002). Ob die Teilnahme an der Gruppe auch von der primären Krankheitsverarbeitungsstrategie der Patienten abhängt, wurde hier nicht untersucht. In einzelnen Fällen ließ sich jedoch beobachten, dass Patienten, die im Vorgespräch in der Transplantationsambulanz durch einen verleugnenden Verarbeitungsstil auffielen, später auch nicht an der Gruppe teilnehmen.

Ebenso wie in den wenigen früheren Publikationen zu diesem Thema (Gier et al.1988; Cupples u. Steslow 2001) wurde auch von unseren Patienten ein pragmatisches, an der kognitiven Verhaltenstherapie orientiertes psychotherapeutisches Konzept gut angenommen. Hierbei erwiesen sich familientherapeutische Konzepte, wie sie für die Transplantationsmedizin beschrieben wurden (Johann u. Richter-Görge 1999), als wertvolle Ergänzung. Das Gruppenformat war ökonomisch zur Informationsvermittlung und zur Aktivierung von Selbsthilferessourcen (Abbey u. Farrow 1998). Ähnlich wie bei Walden et al. (2001) waren Interessen und Bedürfnisse bei Patienten und Angehörigen zumindest vor der Transplantation ähnlich. Als Antwort auf Frage 4 ergibt sich somit die Empfehlung, diese Konzepte auch in der ambulanten Behandlung, die aus organisatorischen Gründen in der Regel als Einzeltherapie stattfinden wird, anzuwenden. Als Ressource zur Bewältigung schwieriger Untersuchungs- und Behandlungssituationen sollte den Patienten ein Entspannungsverfahren vermittelt werden. Sinnvoll ist auch im ambulanten Bereich die Kooperation mit einer physiotherapeutischen Praxis. Das regelmäßige Durchführen physiotherapeutischer Übungen verbessert nicht nur den körperlichen Zustand der Patienten, sondern trägt über Erleben von Selbstwirksamkeit zur Prophylaxe einer Depression bei.

Bedarf nach weiterer Forschung

In einem Forschungsfeld, in dem die Patientengruppen klein und heterogen sind und eine längerfristige Planung durch die Gefahr einer plötzlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands der Patienten und den nicht vorher bestimmbaren Termin zur Transplantation unmöglich ist, geht die Forderung nach kontrollierten und randomisierten Therapiestudien an der klinischen Realität vorbei.

Die weitere Evaluation von Therapieprogrammen ist aber möglich und wünschenswert. Notwendig wäre hierzu eine engere Kooperation der einzelnen Transplantationszentren. Die Kooperation mehrerer Zentren könnte aus dem Dilemma der kleinen Fallzahlen heraushelfen und auch ein Kontrolldesign von Studien ermöglichen. Forschungsbedarf besteht u. a. zu folgenden Fragen:

  • Lässt sich durch die Teilnahme an einem Gruppenprogramm die von Patienten und Angehörigen erlebte soziale Unterstützung verbessern?

  • Bestehen hinsichtlich psychischer Belastung und gesundheitsbezogener Lebensqualität der Patienten auf der Warteliste Unterschiede zwischen jenen Zentren, die Programme zur psychosozialen Unterstützung anbieten und solchen, die dies nicht tun?

  • Lassen sich postoperative Complianceprobleme durch eine psychotherapeutische Begleitung verringern?

  • Wie werden die einzelnen Therapiebausteine von Patienten und/oder Angehörigen bewertet?

Fazit für die Praxis

Verhaltensmedizinische Gruppen werden von Patienten und Familienangehörigen insbesondere im Vorfeld einer Organtransplantation als Unterstützung bei der Krankheitsverarbeitung gut angenommen. Das multiprofessionelle Leitungsteam (Ärztin, Psychologin, Physiotherapeutin) ermöglichte ein komplexes therapeutisches Angebot, das der unterschiedlichen Bedürfnisstruktur der Teilnehmer entsprach.

Die Transplantationszentren sind zur psychologischen Betreuung ihrer Patienten gesetzlich verpflichtet. Solche Gruppen stellen hierzu eine leicht zu realisierende Option dar. Ungelöst ist die Frage der wohnortnahen psychotherapeutischen Betreuung von Patienten und ihren Familien im Umfeld einer Organtransplantation. Die Selbsthilfeorganisation der Betroffenen bemüht sich hier um den Aufbau eines Netzwerks von niedergelassenen Therapeutinnen, die bereit sind, sich auf diesem Gebiet zu engagieren (Information unter http://www.bdo-ev.de) Durch die psychotherapeutische Arbeit in der Transplantationsmedizin wird man regelmäßig mit Grenzbereichen menschlicher Existenz und existenzieller Bedrohung konfrontiert. Unsere Erfahrung ist, dass gerade hier die Akzeptanz psychosomatisch/psychotherapeutischer Unterstützung bei den Patienten und den beteiligten Kliniken groß ist. Kognitiv-verhaltenstherapeutische und familientherapeutische Strategien, die Lösungsansätze in konkreten Problemsituationen bieten, werden von den Patienten als hilfreich empfunden.