Einleitung

Die Erfassung und Analyse von Behandlungskosten hat nicht direkt mit der Behandlung von Patienten zu tun, jedoch stellt sie einen wichtigen indirekten Beitrag zur Versorgung dar. Eine sachgerechte und kostendeckende Vergütung ist eine wesentliche Voraussetzung für einen flächendeckenden Einsatz anerkannter Therapiemethoden.

Im Bereich der Schwerverletztenversorgung gab es nach Einführung des G‑DRG-Systems zur Vergütung vollstationärer Krankenhausfälle im Jahre 2004 initial eine erhebliche Unterdeckung der Kosten, v. a. bei den besonders schwer verletzten und damit therapieaufwendigen Polytraumapatienten [13]. Eine solche systematische Unterfinanzierung kann zu ökonomisch determinierten Fehlanreizen bezogen auf die Versorgung dieser Patienten führen, z. B. im Sinne einer Fallselektion. Es ist daher anzustreben, die strukturellen Voraussetzungen für eine sach- und leistungsgerechte Vergütung von polytraumatisierten Patienten im G‑DRG System herbeizuführen. Im Jahr 2009 hat daher die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) die DRG-Research-Group des Universitätsklinikums Münster damit beauftragt, ein Evaluationsprojekt zur Analyse der Abbildung von Schwerverletzten im G‑DRG-System durchzuführen und die Kosten- und Leistungshomogenität der Schwerverletztenbehandlung unter ergänzender Berücksichtigung klinischer Daten aus dem TraumaRegister DGU® zu analysieren. In diesem Zusammenhang sollten auch spezifische Merkmale schwer verletzter Patienten, wie z. B. Scores der Verletzungsschwere, berücksichtigt werden. Dieses Projekt erhielt den Namen ASiDIT (Abbildung der Schwerverletztenbehandlung im G‑DRG-System unter Berücksichtigung der Implementierung des TraumaNetzwerks DGU).

Detaillierte Angaben zu schwer verletzten Unfallopfern liegen im TraumaRegister DGU® (TR-DGU) vor, welches seit über 20 Jahren wichtige Eckdaten dieser Patienten zum Zwecke der externen Qualitätssicherung sammelt und wissenschaftlich auswertet. Bis zur Einführung der TraumaNetzwerke DGU® war die Teilnahme am TR-DGU eine freiwillige Maßnahme der teilnehmenden Kliniken. Heute berichten über 600 Kliniken ihre Behandlungsergebnisse an das TR-DGU, zum Zeitpunkt der oben genannten Kostenanalyse im Jahre 2008 waren es jedoch nur 122 Kliniken. Unter diesen Kliniken befand sich auch eine Reihe von sogenannten InEK-Kalkulationshäusern. Das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) ist das deutsche DRG-Institut, welches mit der Pflege und Weiterentwicklung des G‑DRG-Systems beauftragt ist. Hierzu werden jedes Jahr von allen deutschen Akutkliniken fallbezogen Krankenhausroutinedaten (z. B. Diagnosen und medizinische Prozeduren) erhoben und pseudonymisiert in einem standardisierten Format an das InEK versandt. Diese Daten werden als Datensatz gemäß § 21 Krankenhausentgeltgesetz, oder kurz § 21-Daten, bezeichnet. Darüber hinaus liefern auf freiwilliger Basis ca. 250 Kliniken ergänzend fallbezogene Kostendaten an das InEK. Diese Kliniken werden „InEK-Kalkulationshäuser“ genannt und leisten mit den nach einer vom InEK vorgegebenen Methodik zur Kostenkalkulation [8] erhobenen Kostendaten einen wesentlichen Beitrag zur sach- und leistungsgerechten Weiterentwicklung des G‑DRG-Systems.

Angaben aus beiden Datenquellen, zum einen detaillierte Angaben zu fallbezogenen Behandlungskosten (InEK) von Diagnosen und medizinischen Leistungen als auch klinische Angaben aus dem TR-DGU, die teilweise nicht Bestandteil der im Krankenhaus standardmäßig erhobenen Routinedaten sind, wurden nun im Rahmen des ASiDIT-Projektes zusammengeführt, um strukturierte Vorschläge zur Weiterentwicklung der G‑DRG-Strukturen zur Abbildung von Schwerverletzten zu erarbeiten. Eine direkte Verknüpfung beider Datenquellen (Daten der InEK-Kalkulationshäuser und Daten des TR-DGU) war nicht möglich, da die notwendigen Datenfelder nicht in beiden Datensätzen vorkamen und der dem ASiDIT-Projekt vorliegende Routinedatensatz keinen Rückschluss auf eine einzelne datenliefernde Klinik erlaubte. Darüber hinaus enthielt der § 21-Datensatz auch Daten aus Kliniken, die nicht an der Erhebung des TR-DGU teilnahmen. Daher entwickelten die DRG-Research-Group und das TR-DGU ein Matching zwischen beiden Datensätzen, um einen möglichst hohen Anteil von Fällen mit hinreichender Sicherheit in beiden Datensätzen identifizieren zu können. Für diese Daten stand nun auch eine valide Kostenschätzung für die Belange des TR-DGU zur Verfügung. Diese Daten sollten nun genutzt werden, um einen nur auf TR-DGU Angaben beruhenden, aktuellen Kostenschätzer zu entwickeln, der zumindest eine grobe Angabe von Behandlungskosten innerhalb des Registers ermöglichen sollte. Ein solcher Kostenschätzer könnte das in der Vergangenheit genutzte modulare Kostenschätzmodell, das auf Daten vor dem Jahr 2000 beruht, ersetzen [6]. Eine Revision des bisher vom TR-DGU genutzten Kostenschätzmodels war auch deshalb erforderlich, weil nicht mehr alle Kliniken ihre Patienten mit dem Standarddatensatz des Registers erfassen. Der reduzierte QM-Datensatz, den viele Kliniken nutzen, enthält bspw. keine Angaben mehr zu durchgeführten Operationen.

Methode

TraumaRegister DGU®

Seit 1993 werden Routinedaten schwer verletzter Unfallopfer im TraumaRegister DGU® (TR-DGU) gesammelt mit dem Ziel einer externen Qualitätssicherung der Schwerverletztenversorgung [9]. Im Rahmen der Zertifizierung von Kliniken als Traumazentrum durch die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) ist die Teilnahme am TR-DGU verpflichtend. Insgesamt werden etwa 100 Angaben pro Fall aus den Bereichen Präklinik, Notaufnahme, Intensivstation, Krankenhaus und Entlassung erhoben. Teilnehmer an einem zertifizierten TraumaNetzwerk DGU® können auch eine reduzierte Form der Datenerhebung mit nur etwa 40 Angaben pro Fall wählen (QM-Datensatz; QM steht für Qualitätsmanagement). Alle Verletzungen werden mithilfe der Abbreviated Injury Scale (AIS) erfasst, welche jeder Verletzung einen Schweregrad von 1 (leicht) bis 6 (maximal; aktuell nicht behandelbar) zuweist. Aus diesen Daten lässt sich der Injury Severity Score (ISS) und der New ISS als Maß für die anatomische Verletzungsschwere berechnen oder auch die Verletzungsschwere in bestimmten Körperregionen ableiten. Die Datenerfassung erfolgt online über einen gesicherten Server mit multiplen Überprüfungen der Datenqualität und -konsistenz. Teilnehmende Kliniken erhalten jährlich einen umfangreichen Qualitätsbericht. Weitere Informationen zum TR-DGU finden sich auf www.traumaregister.de.

Kostendaten

Für das ASiDIT-Projekt lagen § 21-Daten [7] sowie ergänzend fallbezogene Kostendaten von 10 Kliniken aus den Jahren 2007 und 2008 vor. Alle diese Kliniken waren Häuser der Maximalversorgung und 9 von ihnen überregionale Traumazentren. Die Kostendaten der teilnehmenden Kliniken wurden fallbezogen nach der Kalkulationsvorgabe des deutschen DRG-Instituts InEK [8] erhoben. Alle Kliniken hatten mit diesen Abrechnungs- und Kostendaten in den Jahren 2007 und 2008 erfolgreich an der InEK-Kostenkalkulation teilgenommen. Demnach sind die DRG-relevanten Kostendaten für die Stichprobe dieser Arbeit berücksichtigt. Hierzu gehören sämtliche Betriebskosten der teilnehmenden Kliniken für Personal und Sachmittel. Nicht enthalten sind jedoch Investitionskosten und ein Teil der nicht-DRG-relevanten Vorhaltekosten (z. B. spezifische Anforderungen an die Ausstattung des Schockraums oder die Infrastruktur des Krankenhauses). Entsprechende Daten werden jedoch nicht strukturiert erhoben und sind demnach nicht verfügbar. Dies ist bei der Interpretation der Ergebnisse zu berücksichtigen. Die Daten wurden durch den Verband der Universitätsklinika Deutschlands e. V. (VUD) nach Einholung klinikindividueller Genehmigungen bereitgestellt, wobei zwar die Namen der datenliefernden Kliniken bekannt waren, ein fallbezogener Rückschluss auf das einzelne Krankenhaus jedoch unmöglich gemacht wurde. Die für die ASiDIT-Analysen zur Verfügung stehende Stichprobe umfasste Daten von 3362 Schwerverletzten aus den Jahren 2007 und 2008 [4, 5].

Patienten

Für diese Untersuchung wurden Patienten betrachtet, für die sowohl § 21-Daten und fallbezogene Kostendaten als auch ein Datensatz im TR-DGU vorlagen. Zusätzlich mussten folgende Kriterien erfüllt sein:

  • Unfall in 2007 oder 2008,

  • Alter ≥2 Jahre,

  • Verletzungsschwere ISS ≥9 Punkte oder verstorben,

  • Liegedauer ≥3 Tage,

  • primäre Aufnahme nach dem Unfall (d. h. keine Zuverlegungen).

Die Patienten aus beiden Datensätzen wurden anhand der folgenden Kriterien zusammengeführt (Matching): krankenhausinternes Kennzeichen, Alter, Geschlecht, Datum der Aufnahme und Liegedauer. Falls sich keine eindeutige Zuordnung anhand dieser Daten finden ließ, wurden die Patienten nicht berücksichtigt. In wenigen Fällen wurde eine Abweichung von ±1 Tag bei der Liegedauer bei ansonsten eindeutigen Angaben toleriert. Insgesamt konnten 1241 Datensätze der ASiDIT-Stichprobe erfolgreich mit Daten des TR-DGU verknüpft und analysiert werden [4, 5]. Hierbei wurden 219 zuverlegte Patienten sowie weitere 21 Fälle aufgrund der oben genannten Ausschlusskriterien in den weiteren Analysen nicht berücksichtigt, sodass sich für die Stichprobe dieser Arbeit eine Zahl von 1002 Patienten ergab. 544 Fälle (54 %) stammten aus dem Jahr 2007, 458 Fälle (46 %) aus dem Jahr 2008.

Statistik

Die deskriptive Statistik des Kollektivs erfolgte unter Angabe von Fallzahl und Prozentanteilen bei kategorialen Daten und Mittelwert (MW) und Standardabweichung (SD) bei metrischen Größen. Neben der Deskription wurde eine multiple lineare Regression durchgeführt, bei der die Gesamtbehandlungskosten im Krankenhaus die abhängige Variable darstellte. Die folgenden stetigen und kategorialen Variablen, die sowohl im Standard- als auch im QM-Datensatz des TR-DGU enthalten waren, wurden als unabhängige Prädiktoren im Modell überprüft:

  • Gesamtverletzungsschwere (ISS und New ISS),

  • Verletzungen einzelner Körperregionen (Kopf, Thorax, Abdomen, Extremitäten) jeweils mit dem schwersten AIS-Schweregrad,

  • Unfallmechanismus (stumpf/penetrierend),

  • Alter,

  • Geschlecht,

  • Unfallhergang (in 6 Kategorien),

  • Bluttransfusionen (Anzahl von EK und FFP),

  • Durchführung einer Not-OP,

  • Dauer der Beatmungstherapie in Tagen,

  • Liegedauer auf der Intensivstation in Tagen,

  • Liegedauer auf der Normalstation in Tagen,

  • Anzahl der Verletzungen bzw. Diagnosen,

  • Schock bei Aufnahme (definiert als ein systolischer Blutdruck ≤90 mm Hg),

  • Patient verstorben oder nicht.

Für hoch korrelierte Variablen wie ISS und New ISS wurden alternative Modelle berechnet und die jeweils prädiktivere Variable in der weiteren Modellbildung berücksichtigt. Kategoriale Variablen wurden mithilfe mehrerer Indikatorvariablen modelliert und einzelne Kategorien bei ähnlicher Effektstärke ggf. zusammengefasst. Das finale Modell wurde schließlich mithilfe einer Vorwärtsselektion der Prädiktoren erstellt, d. h. das Modell wurde schrittweise um die wichtigsten Prädiktoren erweitert, solange, bis die weitere Hinzunahme von Prädiktoren keine deutliche Modellverbesserung mehr ergab. Eine Validierung mithilfe der Rückwärtsselektion (schrittweiser Ausschluss der unwichtigsten Variablen) kam zum gleichen Ergebnis.

Für die derart berechneten Gesamtkosten wurde eine Korrelation (Pearson-r) mit den tatsächlich gemessenen Behandlungskosten sowie das Bestimmtheitsmaß (r2) ermittelt.

Die Analysen wurden mit SPSS, Version 18 (IBM Inc., Armonk, NY, USA) durchgeführt.

Ergebnisse

Für den genannten Zeitraum und die beschriebenen Auswahlkriterien konnten 1002 Fälle eindeutig in beiden Datensätzen identifiziert und zusammengeführt werden. Im Durchschnitt waren die Patienten 43,6 Jahre alt und 73 % der Unfallopfer waren männlich. Die Verletzungsschwere lag im Mittel bei 27 Punkten im ISS. 94,3 % der Patienten wurden intensivmedizinisch behandelt und 143 Patienten (14,3 %) sind im Krankenhaus verstorben. Weitere Details der deskriptiven Analyse dieser Patienten sind in Tab. 1 zusammengefasst.

Tab. 1 Deskriptive Angaben der 1002 gematchten Fälle, die als Basis der Kostenschätzung dienten

Die multivariate Analyse von Faktoren, die einen potenziellen Zusammenhang mit der Höhe der Gesamtkosten aufweisen, ergab eine Auswahl von 7 Faktoren, die einen signifikanten Einfluss hatten. Unter diesen Faktoren waren 4 stetige Merkmale: die Dauer der Intubation (in Tagen), die Dauer der intensivmedizinischen und der stationären Behandlung (in Tagen) sowie die Anzahl der bis zur Aufnahme auf die Intensivstation transfundierten Blutprodukte (Erythrozytenkonzentrate [EK] und Fresh Frozen Plasma [FFP]). Zudem zeigte sich, dass 3 spezifische Verletzungen jeweils einen deutlich erhöhten Kostensatz ergaben, und zwar die relevante intraabdominale Verletzung (ab einem Schweregrad von AIS 3), das schwere, instabile Beckentrauma mit Blutverlust (AIS 5) sowie schwere Verletzungen der Extremitäten (AIS 3–4), wozu Femurfrakturen, instabile Beckenfrakturen und komplexe Tibia- und Humerusfrakturen zählen. Die stabile Beckenfraktur (AIS 2) oder die Acetabulumfraktur (AIS 2) gehören jedoch nicht dazu. Die Kostensätze für diese Merkmale sind in Tab. 2 dargestellt, wobei die Angaben für die stetigen Merkmale „pro Einheit“ zu verstehen sind und mit dem jeweils beobachteten Wert zu multiplizieren sind. Die Gesamtkosten eines Falles ergeben sich aus der Addition der einzelnen Komponenten. Das korrigierte r² des Modells betrug 0,937.

Tab. 2 Berechnung des Kostenschätzers. Bei stetigen Prädiktoren (mit (a) markiert) ist der Kostenwert mit dem Wert der Variablen zu multiplizieren, bei Indikatorvariablen (b) ist der Kostenwert nur hinzuzuaddieren, falls das Merkmal vorliegt. Der Schätzwert für die Gesamtkosten eines Patienten ergibt sich aus der Summe der einzelnen Kostenwerte

Eine Gegenüberstellung der Fallkosten gemäß InEK mit den kalkulierten Fallkosten des neuen Schätzers ist in Abb. 1 dargestellt. Die Korrelation betrug r = 0,941, das Bestimmtheitsmaß r² = 0,885. Der Mittelwert der realen Fallkosten lag bei 21.546 €; der Mittelwert der prognostizierten Fallosten bei 22.138 €, was einer Abweichung von weniger als 3 % entspricht.

Abb. 1
figure 1

Korrelation der realen Fallkosten gemäß InEK mit den geschätzten Kosten aufgrund des Modells aus Tab. 2. Die Korrelation beträgt r = 0,941

Diskussion

Im Jahr 2002 hatte das TR-DGU seinen ersten Kostenschätzer publiziert, der zusammen mit Gesundheitsökonomen und basierend auf Registerdaten aus den 1990er-Jahren entwickelt wurde. Dieser Kostenschätzer war modular aufgebaut und ermöglichte individuelle Kostenprognosen, indem z. B. klinikspezifische Tagessätze verwendet wurden. Neben einer zunehmend älter werdenden Datenbasis ergab sich aber auch mit der Einführung der TraumaNetzwerke durch die DGU ein weiteres Problem. Durch den reduzierten QM-Datensatz mit nur noch ca. 40 Angaben pro Fall konnte der bisherige Kostenschätzer nicht mehr für diese Fälle im TR-DGU angewendet werden, da Angaben zur operativen Versorgung im QM-Datensatz fehlten. Etwa die Hälfte aller Patienten wird derzeit nur mit dem reduzierten Datensatz erfasst.

Als es nun auf Initiative der DGU zur Realisierung des ASiDIT-Projektes zur Analyse der Abbildung von Schwerverletzten im G‑DRG-System kam, bot sich die Möglichkeit, auf der Grundlage aktueller valider Kostendaten einen neuen Kostenschätzer zu entwickeln, der wieder für alle Patienten im TR-DGU anwendbar war. Für über 1000 Patienten aus dem TR-DGU standen nun aktuelle Gesamtkosten (bezogen auf die klinische Akutversorgung) zur Verfügung.

Die Qualität dieser Kostenangaben ist als sehr valide zu bewerten. Zur Durchführung der Fallkostenkalkulation entwickelte das InEK ein Kalkulationshandbuch [8]. Dies ist ein Leitfaden, der kontinuierlich weiterentwickelt wird und für die Kalkulationskrankenhäuser eine verbindlich umzusetzende Vorgabe darstellt. Die fallbezogene Kostenzurechnung erfolgt bei den InEK-Kalkulationshäusern einem Vollkostenansatz auf Istkostenbasis. Es werden alle Behandlungsfälle, Leistungen und G‑DRG relevanten Kosten des Krankenhauses einbezogen, die unter den Vergütungsrahmen des G‑DRG-Systems fallen. Vom G‑DRG-System nicht erfasste Leistungs- und Kostenanteile werden ausgegliedert. Zu den ausgegliederten Kostenanteilen gehören z. B. Investitionskosten und ein Teil der nicht-DRG-relevanten Vorhaltekosten (z. B. spezifische Anforderungen an die Ausstattung des Schockraums oder die Infrastruktur des Krankenhauses). Entsprechende Daten zu den ausgegliederten Kostenanteilen werden jedoch nicht strukturiert erhoben und sind demnach nicht verfügbar. Diese methodische Limitation ist bei der Bewertung der Ergebnisse dieser Arbeit zu berücksichtigen. Die tatsächlichen Kosten der Schwerstverletztenversorgung sind demnach höher anzusetzen als sie in diesem Beitrag ausgewiesen werden. Die Höhe eines zu kalkulierenden Zuschlags müsste ggf. in künftigen wissenschaftlichen Arbeiten ermittelt werden. Der Bezugszeitraum der InEK-Kalkulation ist das Kalenderjahr. Die für die Kalkulation verwendeten Kostendaten müssen sich aus dem testierten Jahresabschluss des Krankenhauses für das betreffende Jahr ableiten [8]. Die Methodik der Fallkostenkalkulation des InEK hat sich im Verlauf der Einführung und Weiterentwicklung des G‑DRG-Systems bewährt. Die wesentliche Grundlage einer einheitlichen Kostenkalkulation der Kalkulationskrankenhäuser ist die verbindliche Anwendung des Kalkulationshandbuches als Voraussetzung zur Teilnahme an der Kalkulation sowie die verbindlichen Vorgaben zur Kalkulationsmethodik. Ohne diese „doppelte“ Verbindlichkeit wäre die G‑DRG-Kalkulation in der notwendigen Exaktheit nicht möglich [8]. Das InEK plausibilisiert die Kostenangaben der Kalkulationskrankenhäuser regelmäßig.

Die multivariate Analyse hat 7 Merkmale ermittelt, die alle einen wesentlichen Beitrag zu den Gesamtkosten leisten. Wie erwartet sind es vor allem die Behandlungsdauern, die hier zum Tragen kommen. Jeder Tag auf der Intensivstation erhöht die Gesamtkosten im Schnitt um 1152 €. Für Tage, an denen der Patient intubiert und künstlich beatmet wird, erhöht sich diese Summe um weitere 568 € auf 1720 € pro Tag. Die anschließende Weiterversorgung auf der Normalstation schlägt mit 531 € pro Tag zu Buche. Dies sind natürlich keine Tagessätze im Sinne von Hotelkosten, sondern in diesen Summen sind auch z. B. wiederholte Operationen oder Medikamente mit eingerechnet. Das Gleiche gilt für die Transfusionen. Es wäre falsch, die hier ermittelten Kosten für ein EK oder ein FFP mit den „Preisen“ für diese Blutprodukte zu vergleichen. Auch hier umfassen die Kostensätze alle mit einer Transfusion verbundenen Maßnahmen wie den Einsatz von Medikamenten, Operationen oder im weiteren Verlauf notwendig werdende Transfusionen. Neben diesen stetigen Kostenmerkmalen konnten aber auch einige spezifische Verletzungsmuster identifiziert werden, die zu deutlich erhöhten Gesamtkosten geführt hatten. Hierzu gehören bspw. schwere Abdominalverletzungen, die in vielen Fällen aufwendige Operationen erfordern. Eine Verletzungsschwere von AIS ≥3 ist fast immer mit intraabdominellen Blutungen verbunden. Auch die schweren instabilen Beckenfrakturen mit Blutverlust sind mit deutlich höheren Kosten assoziiert, ebenso wie die Frakturen langer Röhrenknochen ab einem AIS-Schweregrad von 3 Punkten. Verletzungen, die einen längeren Intensivaufenthalt nach sich ziehen, werden hier jedoch nicht eingebunden, da die Dauer der Intensivtherapie ja bereits berücksichtigt ist.

Im Ergebnis zeigen sich zwar auf individueller Ebene zum Teil deutliche Abweichungen zwischen erhobenen und geschätzten Kosten, im Gesamtkollektiv ist die Übereinstimmung mit einem Bestimmtheitsmaß von fast 90 % und einer mittleren Abweichung von weniger als 3 % hervorragend. Dies gilt jedoch nur in einem Kollektiv mit einem Mix von Kurz- und Langliegern. Wendet man den gefundenen Kostenschätzer auf eine kleine (homogene) Subgruppe an, ist nicht zu erwarten, dass derart gute Ergebnisse reproduziert werden können. Dagegen sollten sich für einen typischen Fallmix eines Krankenhauses durchaus realistische Durchschnittswerte ermitteln lassen.

Als Limitation unseres Vorgehens ist natürlich zu nennen, dass ein Kostenschätzer, der nur auf 7 Angaben beruht, notwendigerweise nur grobe Werte liefern kann. Für detaillierte Kostenanalysen müssten noch deutlich mehr Faktoren einbezogen werden. Sollte eine Therapiemaßnahme aber zu Veränderungen der Liegedauer führen, ließen sich solche Änderungen auch mithilfe dieses Kostenschätzers analysieren. Als weitere Limitation ist zu nennen, dass hier ein Mix aus unterschiedlichen Kliniken betrachtet wurde, ohne Spezifika dieser Klinik, insbesondere in der Vorhaltung, zu berücksichtigen. Der gleiche Patient, in einem kleinen Krankenhaus behandelt, wird möglicherweise niedrigere Kosten verursachen als in einer Universitätsklinik. Die Datengrundlage ist multizentrisch, aber umfasst vornehmlich überregionale Traumazentren, eine Repräsentativität hinsichtlich der Versorgungsstufen ist also nicht gegeben. Allerdings wird die Mehrheit der schwer verletzten Patienten in überregionalen Traumazentren behandelt. Schließlich ist bei der Anwendung des Kostenschätzers zu beachten, dass die verwendeten Kostenangaben aus den Jahren 2007/2008 stammen und nicht mehr dem aktuellen Stand entsprechen. Eine regelmäßige Anpassung an die Kostenentwicklung der Krankenhäuser sollte daher durchgeführt werden. Bis 2013 waren Preissteigerungen im stationären Sektor über die Grundlohnrate an die Entwicklung der Beitragseinnahmen der gesetzlichen Krankenkassen gekoppelt. Seit 2014 wird vom Statistischen Bundesamt ein Orientierungswert berechnet und veröffentlicht, der die Personal- und Sachkostenentwicklungen im Krankenhausbereich wiederspiegelt.

Ab 2010 wird der hier vorgestellte Kostenschätzer im Jahresbericht des TR-DGU verwendet und ermöglicht auch in wissenschaftlichen Analysen eine valide Schätzung des Ressourcenverbrauches [9].