Seit 2004 wird das deutsche DRG-System bundesweit zur Abrechnung vollstationärer somatischer Patienten angewendet. Im Rahmen der Einführungsphase wurde die sachgerechte Leistungsabbildung des Systems vielfach kritisiert. Dies galt insbesondere für komplexe Fallkonstellationen, die durch eine erhebliche medizinische Heterogenität und durch geringe Fallzahlen gekennzeichnet sind, wie z. B. bei Schwerverletzten. Eine Reihe von Untersuchungen zur Abbildungsqualität von Schwerverletzten im G-DRG-System ermittelte unabhängig voneinander erhebliche Kostenunterdeckungen [1, 2, 3, 4]. Systematische Unter- oder Fehlfinanzierungen können jedoch Fehlanreize setzen und erhebliche negative Auswirkungen auf die Versorgungsqualität der schwerverletzten Patienten haben [5, 6]. Die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) und die DRG(Diagnosis Related Groups)-Research-Group des Universitätsklinikums Münster initiierten daher ein Evaluationsprojekt zur „Analyse der Abbildung der Schwerverletztenbehandlung im G-DRG-System unter Berücksichtigung der Implementierung des TraumaNetzwerk DGU® (ASiDIT)“ [7].

Wesentliches Projektziel war die Analyse der Kosten- und Leistungshomogenität der Schwerverletztenbehandlung unter Berücksichtigung von Krankenhausroutinedaten (Daten im Format gemäß § 21 Krankenhausentgeltgesetz, KHEntgG, [8]) und klinischer Behandlungsdaten. Daher erfolgte erstmalig bei gesundheitsökonomischen Analysen der Schwerverletztenversorgung eine fallbezogene Datenverknüpfung zwischen §-21-Daten und Daten des TraumaRegisters DGU® aus den gleichen Krankenhäusern. Dieser Beitrag beschreibt die Veränderungen der Abbildungsqualität der Schwerverletztenbehandlung in den G-DRG-Systemversionen 2008 bis 2012.

Methodik

Die Methodik der Datensammlung und -auswertung wurde bereits ausführlich an anderer Stelle publiziert [21]. Nachfolgend werden Material und Methodik daher etwas verkürzt erläutert. Für weitergehende Informationen sei auf die bereits erschienene Projektpublikation [21] und auf den in Kürze erscheinenden Projektbericht [7] verwiesen.

Datengrundlage

Es lagen die standardisierten Leistungs- und Abrechnungsdaten gemäß § 21 KHEntgG [8] sowie ergänzend die fallbezogenen Kostendaten gemäß Kalkulationsvorgabe des deutschen DRG-Instituts InEK von 10 Universitätskliniken und 7 kommunalen Großkliniken vor (Infobox 1). Alle Kliniken hatten mit diesen Daten 2007 und 2008 erfolgreich an der InEK-Kalkulation teilgenommen. Nach klinikindividueller Freigabe wurden die Daten durch den Verband der Universitätsklinika Deutschlands e. V. (VUD) bereitgestellt. Ein fallbezogener Rückschluss auf das einzelne Krankenhaus war auf Datenebene nicht möglich. Vor dem Einschluss in die Stichprobe erfolgten umfangreiche Analysen der Daten- und Kodierqualität. Dies führte zum Ausschluss von Einzelfällen.

Schwerverletzte im Sinne des G-DRG-Systems

Während des Gruppierungsvorgangs erfolgt fallbezogen eine Überprüfung der DRG-Funktion Polytrauma [9]. Datensätze, die diese Funktion erfüllen, sind im Sinne des G-DRG-Systems „schwerverletzt“ und werden fallbezogen durch die Gruppierungssoftware (Grouper) gekennzeichnet.

Die drei Einschlusskriterien in die Stichprobe dieser Arbeit waren:

  • Erfüllung der DRG-Funktion Polytrauma oder

  • eine Zuordnung zur G-DRG B61Z Akute Erkrankungen und Verletzungen des Rückenmarks außer bei Transplantation in den der G-DRG-Systemversionen 2007 oder 2008 oder

  • eine Meldung fallbezogener Daten von den Kliniken an das TraumaRegister DGU® (s. u.).

Daten von Schwerverletzten aus dem TraumaRegister DGU®

Das TraumaRegister DGU® ist eine 1993 etablierte Einrichtung der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie zur standardisierten, anonymisierten Erfassung und wissenschaftlichen Auswertung von Unfallverletzungen und der Behandlung unfallverletzter Patienten (Schwerverletzter; [10, 11]). Es wurden fallbezogene Datensätze der Jahre 2007 und 2008 des TraumaRegister DGU® aus den teilnehmenden Kliniken (Infobox 1) in die Stichprobe einbezogen und mit den §-21-Daten fallbezogen verknüpft (s. unten), sofern

  • ein Injury Severity Score (ISS) ≥ 9 verbunden mit einem Aufenthalt auf der Intensivstation (ITS) oder

  • ein ISS ≥ 16

vorlagen.

Verknüpfung von §-21-Daten und TraumaRegister-Daten

Eine direkte Verknüpfung beider Datensätze war nicht möglich. Darüber hinaus enthielt der §-21-Datensatz auch Daten aus Kliniken, die keine Daten in das TraumaRegister DGU® eingegeben hatten. Daher entwickelten die DRG-Research-Group und das TraumaRegister DGU® ein Matching zwischen beiden Datensätzen auf der Basis von Geschlecht, Patientenalter sowie Aufnahme- und Entlassungsdatum, sodass klinische Daten des TraumaRegisters ergänzend zu §-21-Daten fallbezogen analysiert werden konnten.

Fortschreibung der ICD- und OPS-Daten/Gruppierung

Die §-21-Daten wurden in 2007 und 2008 erhoben und mit den Klassifikationssystemen für Diagnosen (ICD-10-GM) und Prozeduren (OPS) 2007 bzw. 2008 kodiert [12, 13, 14, 15]. Die Diagnosen und Prozeduren wurden – soweit möglich – an die Weiterentwicklungen der ICD-10-GM- und OPS-Kataloge 2008, 2009 und 2010 angepasst und mit einem vom InEK zertifizierten Grouper (Fa. GEOS mbH, Nürnberg) in den Grouperversionen 2008, 2008/2009, 2008/2010, 2009/2011 und 2010/2012 gruppiert.

Bewertung unbewerteter G-DRGs und unbewerteter Zusatzentgelte

Für die Erlösberechnungen wurden die Mittelwerte der Verhandlungsergebnisse der datenliefernden Kliniken für relevante unbewertete G-DRGs und unbewertete Zusatzentgelte des Jahres 2008 verwendet. Eine Anpassung der Mittelwerte für die Folgejahre erfolgte nicht.

Kostenanpassung und Basisfallwert

Es erfolgte keine fiktive Anpassung der Kostendaten aus 2007 und 2008 an die Kostenentwicklung der Folgejahre. Daher war für die Kostendeckungsermittlung in den G-DRG-Systemversionen 2008 bis 2012 sicherzustellen, dass keine DRG-Erlöse mittels zu hoher Basisfallwerte mit Kosten aus 2007 und 2008 verglichen wurden. Zur Kompensation der nicht durchgeführten Kostenfortschreibung wurde der Basisfallwert zur DRG-Erlösberechnung modifiziert. Bei der Vereinbarung der Landesbasisfallwerte durch die Selbstverwaltungspartner sind die voraussichtliche allgemeine Kostenentwicklung und auch Kostensteigerungen, die nicht mit der InEK-Kalkulation umgesetzt werden können, zu berücksichtigen. Die Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen bildet gemäß § 71 Sozialgesetzbuch (SGB) V jedoch eine Obergrenze [16].

Ausgangspunkt der Modifikation war der Bundesbasisfallwert 2010. Für 2008 und 2009 wurde der Bundesbasisfallwert 2010 um die Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen für 2009 und 2008 (gesamtes Bundesgebiet) reduziert. Für die Jahre 2011 und 2012 wurde der jeweilige Bundesbasisfallwert ebenfalls um die entsprechende Veränderungsrate für das jeweilige Jahr reduziert. Die Erlösberechnungen wurden mit den folgenden Basisfallwerten durchgeführt: 2008: 2.831,57 EUR, 2009: 2.848,81 EUR, 2010: 2.890,57 EUR, 2011: 2.937,15 EUR, 2012: 2.947,26 EUR.

Ergebnisse

Die Stichprobe umfasste 3362 Schwerverletzte aus 2007 (n = 1713) und 2008 (n = 1649). Bei 1241 Fällen war eine Verknüpfung mit klinischen Daten des TraumaRegisters DGU® möglich. Für Detailanalysen wurde die Stichprobe in die 4 Gruppen A, B, C und Z differenziert (Tab. 1).

In Abb. 1 ist die mittlere Kostendeckung aller Fälle der Stichprobe in den G-DRG-Systemversionen 2008 bis 2012 dargestellt. Die Entwicklung der Kostendeckung seit der G-DRG-Version 2008 zeigt eine gruppenübergreifende vergleichbare Ausgangsposition von ca. − 2500 EUR/Fall (Abb. 2, Abb. 3, Abb. 4).

Tab. 1 Gruppendifferenzierung der Stichprobea
Abb. 1
figure 1

Gesamte Stichprobe: Kostendeckung in den G-DRG-Systemversionen 2008 bis 2012

Abb. 2
figure 2

Gruppe A: Kostendeckung in den G-DRG-Systemversionen 2008 bis 2012

Abb. 3
figure 3

Gruppe B: Kostendeckung in den G-DRG-Systemversionen 2008 bis 2012

Abb. 4
figure 4

Gruppe C: Kostendeckung in den G-DRG-Systemversionen 2008 bis 2012

Gruppe A

Gruppe A umfasst Fälle, die die Funktion Polytrauma erfüllten, für die jedoch keine Verknüpfung mit den Daten des TraumaRegisters DGU® möglich war (Tab. 1). Es handelte sich um die zahlenmäßig größte Gruppe. Aufgrund von Modifikationen der Funktion Polytrauma sank die Fallzahl in Gruppe A in den Versionen 2010 bis 2012 um 144 Fälle (s. Gruppe Z). Die Kennzahlen der Gruppe A finden sich in Tab. 2. Gruppe A beinhaltete Fallkonstellationen mit den zweithöchsten mittleren Kosten der Stichprobe. Auch die mittlere Beatmungsdauer und die mittlere Anzahl durchgeführter operativer Eingriffe pro stationärem Aufenthalt waren geringer als in Gruppe B, jedoch deutlich höher als in den Gruppen C und Z.

Nach einer nur geringfügigen Verbesserung der Erlössituation in der G-DRG-Version 2009 wurde in Gruppe A beim Übergang zur Version 2010 das Defizit/Fall deutlich reduziert und seit der Version 2011 besteht Kostendeckung (Abb. 2). Fälle der Gruppe A, die in der G-DRG-Version 2012 in sog. Polytrauma-DRGs der Hauptdiagnosekategorie MDC21A eingruppiert wurden, wiesen eine Kostenüberdeckung auf (Tab. 3). 189 Fälle der Gruppe A waren Langzeitbeatmete und wurden der PräMDC (Hauptdiagnosekategorie für Langzeitbeatmete) zugeordnet. Für diese Fälle lag in der G-DRG-Version 2012 noch eine minimale Kostenunterdeckung vor (Tab. 3).

Tab. 2 Gruppe A: Kennzahlen
Tab. 3 Gruppe A: mittlere Kosten je MDC (G-DRG-System 2012)

Gruppe B

Die Fälle der Gruppe B (Definition s. Tab. 1) waren gekennzeichnet durch das geringste Durchschnittsalter, die längste mittlere stationäre Verweildauer, die mit Abstand längste mittlere Beatmungszeit, die höchste mittlere Anzahl operativer Eingriffe während des stationären Aufenthaltes und die höchsten mittleren Kosten (Tab. 4). Insgesamt 17 Fälle aus Gruppe B erfüllten in der G-DRG-Version 2012 nicht mehr die Kriterien der Funktion Polytrauma und migrierten in Gruppe C. Im Gegensatz dazu wechselten 7 in den Vorversionen nicht als Polytrauma im Sinne des DRG-Systems identifizierte Fälle in der Systemversion 2012 in die Gruppe B, sodass zwischen den DRG-Versionen 2008 bis 2012 die Fallzahl in Gruppe B um 10 Fälle sank. Fallmigrationen von Gruppe B nach Gruppe Z hat es nicht gegeben.

Während eine erhebliche mittlere Kostenunterdeckung in der Version 2008 bei einer Gruppierung in der Version 2009 noch erhöht wurde, ergab sich für die Systemversion 2010 eine deutliche Reduktion der mittleren Kostenunterdeckung. Seit der Systemversion 2011 besteht sogar eine nicht unerhebliche Kostenüberdeckung für Fälle der Gruppe B (Abb. 3). Die Differenzierung der Kostenüberdeckung nach Hauptdiagnosekategorien für die G-DRG-Systemversion 2012 zeigt Tab. 5. Es wird deutlich, dass die Kostenüberdeckung bei Fällen der PräMDC knapp 5-mal höher ist als bei Fällen in den MDC21A Polytrauma.

Tab. 4 Gruppe B: Kennzahlen
Tab. 5 Gruppe B: mittlere Kosten je MDC (G-DRG-System 2012)

Gruppe C

Fallkonstellationen der Gruppe C erfüllten die Funktion Polytrauma nicht (Tab. 1). Es lag jedoch eine Verknüpfung mit Daten des TraumaRegisters DGU® vor. Im Vergleich mit den Gruppen A und B fällt auf, dass in Gruppe C deutlich kürzere mittlere Verweildauern, kürzere Beatmungszeiten, eine geringe Anzahl operativer Eingriffe während des stationären Aufenthaltes und deutlich geringere mittlere Kosten auftraten (Tab. 6). Zwischen den G-DRG-Versionen 2008 und 2012 wechselten 17 Fälle von Gruppe B in Gruppe C und 7 in umgekehrte Richtung (s. oben). Während bei den Gruppen A und B seit der Systemversion 2011 Kosten(über)deckung vorlag, bestand in Gruppe C noch in der Systemversion 2012 eine erhebliche mittlere Kostenunterdeckung (Abb. 4).

Fälle der Gruppe C wurden in der Systemversion 2012 in insgesamt 144 verschiedene DRGs eingruppiert. Am häufigsten waren diese auf die MDC01 Krankheiten und Störungen des Nervensystems, MDC08 Krankheiten und Störungen an Muskel-Skelett-System und Bindegewebe sowie auf die PräMDC verteilt (Tab. 7). Zum Vergleich: Die Fälle der Gruppe A verteilten sich auf nur 23 und die der Gruppe B auf nur 18 verschiedene G-DRGs der Systemversion 2012.

Innerhalb der MDC08 wurden 188 Fälle der Gruppe C auf 49 verschiedene G-DRGs verteilt. Während Fälle der Gruppe C in G-DRGs der MDC01 und der MDC08 erhebliche Kostenunterdeckungen aufwiesen, kam es bei Fällen, die der PräMDC zugeordnet wurden, zur höchsten mittleren Kostenüberdeckung aller Fälle der Stichprobe (Tab. 7). Innerhalb der MDC08 waren es vor allem G-DRGs für operative Eingriffe an Femur und Tibia sowie an der Wirbelsäule, die deutliche Kostenunterdeckungen aufwiesen.

Tab. 6 Gruppe C: Kennzahlen
Tab. 7 Gruppe C: mittlere Kosten je MDC (G-DRG-System 2012)

Gruppe Z

Fälle der Gruppe Z erfüllten in 2008 und 2009 die Funktion Polytrauma, aufgrund von Modifikationen der Funktion seit der Version 2010 jedoch nicht mehr. Alle Fälle der Gruppe Z stammten aus Gruppe A. Gegenüber den anderen Gruppen war bei den Kennzahlen der Gruppe Z auffällig, dass sie das höchste mittlere Alter, den höchsten Anteil weiblicher Personen, die mit Abstand geringste Beatmungsdauer und die geringsten mittleren Kosten aufwiesen. Die mittlere Verweildauer und die mittlere Anzahl der durchgeführten operativen Eingriffe waren mit Gruppe C vergleichbar. Fälle der Gruppe Z wiesen in der Systemversion 2012 die höchste mittlere Unterdeckung pro Fall im Vergleich zu den Gruppen A bis C auf (Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Gruppe Z: Kostendeckung in den G-DRG-Systemversionen 2008 bis 2012

Die Verteilung innerhalb der Gruppe Z auf unterschiedliche G-DRGs war noch ausgeprägter als in Gruppe C. Fälle der Gruppe Z wurden 71 verschiedenen G-DRGs der Systemversion 2012 zugeordnet. In der MDC08 zeigten sich vergleichbare mittlere Kostenunterdeckungen wie in der MDC08 der Gruppe C (Tab. 7, Tab. 9). Die Überdeckung bei Fällen der Gruppe Z in der PräMDC war bei weitem nicht so hoch wie bei vergleichbaren Fällen in Gruppe C oder Gruppe B (Tab. 5, Tab. 7, Tab. 9). Zehn Fälle wurden in G-DRGs der MDC01 eingruppiert. Für diese Fälle ergab sich ebenfalls im Gegensatz zur Gruppe C eine Kostenüberdeckung.

Tab. 8 Gruppe Z: Kennzahlen
Tab. 9 Gruppe Z: mittlere Kosten je MDC (G-DRG-System 2012)

Diskussion

Die Stichprobe

Diese Datengrundlage ist zur Analyse der Abbildungsqualität der Schwerverletztenversorgung im G-DRG-System bundesweit einmalig. Bezogen auf den Datenumfang ist nur die InEK-Kalkulationsstichprobe größer. Die wesentlichen Merkmale der Stichprobe neben dem großen Datenbestand ist die multizentrische Datenherkunft, die einheitliche Erhebung und Kalkulation der Kostendaten gemäß den InEK-Vorgaben, die Verknüpfung von Krankenhausroutinedaten und klinischer Daten des Traumaregisters sowie die Identifikation von Schwerverletzten anhand der DRG-Funktion Polytrauma. Durch die Berücksichtigung der TraumaRegister-Daten war es möglich, Fallkonstellationen zu identifizieren, die, obwohl unter klinischen Aspekten schwerverletzt, nicht vom G-DRG-System als solche erkannt wurden. Der Ansatz dieser Analyse geht daher weit über die in der verfügbaren Literatur beschriebenen Vorgehensweisen hinaus und führt zu einer umfassenden Berücksichtigung von Schwerverletzten im G-DRG-System als wesentliche Grundlage der sich anschließenden ausführlichen Analysen der Kosten- und Leistungshomogenität.

Bisherige Publikationen mit Aufwand- und Erlösanalysen von Schwerverletzten im G-DRG-System [3, 17, 18, 19, 20] waren unizentrisch geprägt, basierten auf deutlich geringeren Fallzahlen aus 2005 oder älter, wurden mit einer Methodik erhoben, die zum Teil erheblich von der InEK-Kalkulation abwich und fokussierten sich bei der Identifikation von Schwerverletzten auf die Fälle, die in die MDC21A Polytrauma eingruppiert wurden, sodass nur eine Teilmenge der Schwerverletzten identifiziert und untersucht wurde.

Die Daten dieser Stichprobe wurden 2007 und 2008 erhoben. Verbesserungen der Kodier- und Datenqualität seit ihrer Erhebung bilden sich, ebenso wie Verweildauerveränderungen in der Stichprobe nicht ab. Im Gegensatz dazu wird die InEK-Kalkulationsstichprobe jährlich aktualisiert. Um Kosten- und Erlösentwicklungen nicht unausgewogen zu berücksichtigen, wurden die Kostendaten der Stichprobe nicht verändert, aber im Gegenzug die DRG-Erlösberechnung um Kostenentwicklungen bereinigt (s. Methodik).

Die Analyse der Daten- und Kodierqualität erfolgte ausschließlich auf Basis des §-21-Datensatzes. Insbesondere bei so heterogenen Fallkonstellationen wie schwerverletzten Patienten war daher im Einzelfall durch Hinzufügung/Streichung/Umstrukturierung (z. B. Spezifizierung) von Diagnose- oder Prozedurenkodes eine abweichende DRG-Gruppierung möglich. Die datenliefernden Kliniken verfügten jedoch über langjährige Erfahrungen mit der InEK-Kalkulation, sodass von einer hohen Kodierqualität auszugehen war. Auch gilt die geschilderte Problematik in gleicher Weise für die jährliche InEK-Kalkulationsstichprobe.

Seit der Systemversion 2011 besteht mehrheitlich Kostendeckung

In der Systemversion 2008 lag eine erhebliche systematische Unterfinanzierung von Schwerverletzten vor. Basierend auf den Projektergebnissen wurden insgesamt 13 Anpassungsvorschläge zur Erhöhung der Abbildungsqualität von Schwerverletzten im G-DRG-System durch die DGU beim InEK eingereicht und in den Systemversionen 2011 und 2012 weitgehend umgesetzt. Für Details zu den Anpassungsvorschlägen sei auf die bereits publizierte Projektveröffentlichung [21] bzw. auf den kurzfristig erscheinenden Projektbericht verwiesen [7]. Schwerverletzte werden seit der Systemversion 2011 mehrheitlich kostendeckend finanziert (Abb. 1). Auch die statistischen Gütekriterien des G-DRG-Systems (Varianzreduktion und Homogenitätskoeffizienten der G-DRGs) bezogen auf die Stichprobe, berechnet gemäß der vom InEK beschriebenen Methodik, verbesserten sich deutlich [21]. Allerdings führte die Detailanalyse unterschiedlicher Hauptdiagnosekategorien (MDC) innerhalb der 4 Gruppen auch in der G-DRG-Systemversion 2012 weiterhin zu teilweise erheblichen Differenzen der mittleren Kosten und der mittleren Über- bzw. Unterdeckungen pro Fall (Tab. 3, Tab. 5, Tab. 7, Tab. 9). Eine Übersicht zeigt Tab. 10.

Tab. 10 Ergebnisse zur Kostendeckung je relevanter Hauptdiagnosekategorie

Bei der Übertragung der Projektergebnisse auf andere stationäre Leistungserbringer außerhalb der teilnehmenden Kliniken, muss berücksichtigt werden, dass die datenliefernden Kliniken bis auf die Klinik Thalkirchner Straße des Städtischen Klinikums München, deren Fallanteil an der Stichprobe nicht bekannt ist (s. Methodik), Kliniken der Maximalversorgung waren. Die Analyseergebnisse beziehen sich demnach primär auf diese Versorgungsstufe. Eine Übertragbarkeit auf Kliniken anderer Versorgungsstufen müsste genauer evaluiert werden. Die beschriebene Kostendeckung der Schwerverletztenversorgung (Abb. 1) bezogen auf die gesamte Stichprobe entstand durch einen Ausgleich der Kostenunterdeckung der Fälle in den MDC08 und MDC01 der Gruppe C (Tab. 7) und der Fälle außerhalb der PräMDC und der MDC01 der Gruppe Z (Tab. 9) durch Kostenüberdeckung der Fälle in der PräMDC der Gruppen B und C (Tab. 5, Tab. 7). Eine Verschiebung der Fallanteile, z. B. ein geringerer Anteil von Fällen mit Langzeitbeatmungen in der PräMDC und ein höherer in den MDCs 08 und 01, wie in Häusern der Grund- und Regel- sowie der Schwerpunktversorgung grundsätzlich vorstellbar, könnte daher auch in der G-DRG-Systemversion 2012 zu einer weiterhin bestehenden Kostenunterdeckung auf der Ebene einzelnen Kliniken führen.

Für Schwerverletzte, die als solche durch das G-DRG-System erkannt wurden (DRG-Funktion Polytrauma ist erfüllt) und den „Polytrauma-DRGs“ der MDC21A zugeordnet wurden, besteht Kostendeckung (Tab. 10). Die Funktion Polytrauma konnte in den G-DRG-Systemversionen 2011 und 2012 wesentlich zur Differenzierung medizinökonomisch aufwendiger und weniger aufwendiger Fallkonstellationen beitragen. Dies zeigt sich z. B. an den sehr unterschiedlichen mittleren Fallkosten in den Gruppen A und B im Vergleich zu den Gruppen C und Z. Das Fallkollektiv derjenigen Schwerverletzten, die die DRG-Funktion Polytrauma nicht erfüllen, gilt es zukünftig weiterhin detailliert zu analysieren und die Gruppierungsmechanismen für eine sachgerechtere DRG-Abbildung zu optimieren. Dies betrifft vor allem die MDC08, die MDC01 aber auch die PräMDC.

Wie beschrieben, haben alle datenliefernden Kliniken mit den Daten dieser Stichprobe erfolgreich an der InEK-Kalkulation teilgenommen. Die InEK-Kalkulation berücksichtigt u. a. auch DRG-relevante Personal-, Sach- und Infrastrukturkosten des Schockraums und der Notaufnahme. Allerdings wurde die sachgerechte Berücksichtigung der Kosten der Notfallversorgung in Krankenhäusern im Rahmen der DRG-Kalkulation, z. B. aufgrund der hohen apparativen Vorhaltekosten und der 24-stündigen Bereitschaft von Personal und Material in unterschiedlichen Untersuchungen kritisch hinterfragt [22, 23]. Ob diese Bedenken ein Problem der Abbildung der Notaufnahme und des Schockraums in der Kalkulationsmethodik des InEK sind oder ob es sich viel mehr um Probleme der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung und/oder der Organisationsstruktur von Notaufnahmen in Krankenhäusern oder auch einer Vermischung von DRG-relevanten Kosten der Krankenversorgung und nicht-DRG-relevanten Investitionskosten handelt, kann anhand der vorliegenden Daten nicht beantwortet werden und bedarf ggf. ergänzender Untersuchungen.

Fazit und Konsequenzen für die klinische Praxis

Schwerverletzte, die vom G-DRG-System als solche identifiziert werden, werden in Kliniken der Maximalversorgung mit einer hohen Abbildungsqualität im G-DRG-System eingruppiert und kostendeckend vergütet. Bei Schwerverletzten, die vom G-DRG-System nicht als solche identifiziert werden, besteht z. T. auch im G-DRG-System 2012 noch erhebliches Verbesserungspotenzial. Im Rahmen der von der DGU unterstützten bundesweiten Formierung von TraumaNetzwerken DGU® sind DRG-System-bedingte Fehlanreize, die einer hohen Versorgungsqualität von Schwerverletzten entgegen stünden, unbedingt zu vermeiden. Die Analyseergebnisse legen nahe, dass es zur Problemlösung vorrangig einer Schärfung bereits bestehender DRG-Werkzeuge und weniger der Schaffung neuer DRGs bedarf.

Darüber hinaus ist es wesentlich, dass die Kliniken gerade bei Schwerverletzten eine hohe Dokumentations- und Kodierqualität sicherstellen, sodass klinisch Schwerverletzte auch als Schwerverletzte durch die G-DRG-Systemstrukturen erkannt werden können. Dies bedeutet für die Kliniken:

  • vollständige und spezifische Dokumentation und Kodierung sämtlicher gemäß den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) relevanter Verletzungen in Form von ICD-Diagnosen;

  • Festlegung einer Diagnose aus dem Bereich Verletzungen des ICD-Kataloges als Hauptdiagnose gemäß DKR; dies ist insbesondere bei interdisziplinärem Vorgehen und Verlegungen zwischen verschiedenen Fachabteilungen einer Klinik von großer Bedeutung;

  • vollständige Dokumentation und Erfassung von Zeiten mit maschineller Beatmung und von intensivmedizinischen Komplexpunkten gemäß DKR;

  • vollständige Dokumentation und Kodierung sämtlicher zusatzentgeltrelevanter Maßnahmen, wie z. B. Bluttransfusionen, Dialysen u. a. gemäß DKR;

  • bei mehrzeitigem operativem Vorgehen muss dies anhand der unterschiedlichen Datumsangaben bei der Kodierung von OPS-Kodes eindeutig hervorgehen;

  • vollständige und spezifische Dokumentation und Kodierung sämtlicher operativer Eingriffe gemäß DKR in Form von OPS-Diagnosen.

Hierbei kommt auch zukünftig einer engen und konstruktiven Zusammenarbeit zwischen der DGU und dem InEK eine große Bedeutung zu, um die Abbildungsqualität von Schwerverletzten im G-DRG-System auch für die verbliebenen Problembereiche weiter zu erhöhen.