Aus Sicht von Public Health und Gesundheitspolitik stellt der Tabak- und Alkoholkonsum ein vordringliches Handlungsproblem dar [1, 2]. In der Rangfolge der wichtigsten Risikofaktoren für Krankheit und vorzeitigen Tod liegt, bezogen auf Europa, der Tabakkonsum an erster und der Alkoholkonsum nach Bluthochdruck an dritter Stelle [2, 3]. An den Folgen des Rauchens sterben in Deutschland jedes Jahr zwischen 100.000 und 120.000 Menschen [4]. Den größten Anteil daran machen Todesfälle infolge von Herz-Kreislauf-, Atemwegs- und Krebserkrankungen aus. Auch der Alkoholkonsum zieht gravierende gesundheitliche Folgeschäden nach sich, zu denen neben körperlichen Erkrankungen und Beschwerden auch neurologische und psychische Störungen sowie Unfallverletzungen zählen [3, 5]. Schätzungen zufolge belaufen sich die volkswirtschaftlichen Kosten des Tabak- und Alkoholkonsums pro Jahr auf 60,3 Mrd. EUR [6]. Allein für die Versorgung tabak- und alkoholassoziierter Krankheiten fallen im Gesundheitssystem jährlich etwa 15,3 Mrd. EUR an [6].

Kinder und Jugendliche sind die wichtigste Zielgruppe der Tabak- und Alkoholprävention, da in jungen Jahren die Weichen für das Gesundheitsverhalten im späteren Leben gestellt werden und viele Jugendliche die gesundheitlichen Konsequenzen des Tabak- und Alkoholkonsums unterschätzen [79]. Aufgrund der erhöhten Vulnerabilität des noch nicht ausgereiften Organismus können die im Tabakrauch enthaltenen toxischen und kanzerogenen Substanzen sowie der Alkohol als starkes Zellgift bei Jugendlichen gravierende gesundheitliche Schäden verursachen [10, 11]. Je früher der Einstieg in den Tabak- und Alkoholkonsum erfolgt, desto größer ist zudem die Wahrscheinlichkeit, im späteren Leben regelmäßig zu rauchen, übermäßig Alkohol zu trinken und eine Tabak- bzw. Alkoholabhängigkeit zu entwickeln [1214].

Eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung, Umsetzung und Evaluation von Maßnahmen und Programmen der Suchtprävention sind regelmäßig verfügbare und im Hinblick auf ihre Validität, Reliabilität und Repräsentativität belastbare Daten, die Auskunft sowohl über die aktuelle Verbreitung als auch über zeitliche Entwicklungen und Trends des Tabak- und Alkoholkonsums von Jugendlichen geben. Neben den Repräsentativerhebungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) [15], der Europäischen Schülerstudie zu Alkohol und anderen Drogen (ESPAD) des Instituts für Therapieforschung [16] und der WHO-Studie Health Behaviour in School-aged Children (HBSC) [17, 18] werden diese Anforderungen auch von der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) des Robert Koch-Instituts (RKI) erfüllt. Die Basiserhebung der KiGGS-Studie wurde im Zeitraum von 2003 bis 2006 durchgeführt [19]. Mit der ersten Folgebefragung der KiGGS-Studie (KiGGS Welle 1), die in den Jahren 2009 bis 2012 stattfand, können nun die Ergebnisse der Basiserhebung fortgeschrieben werden. Im Folgenden werden anhand dieser Daten aktuelle Querschnittbefunde zum Tabak- und Alkoholkonsum von 11- bis 17-jährigen Mädchen und Jungen berichtet. Neben alters- und geschlechtsspezifischen Unterschieden in den Konsumgewohnheiten wird dabei auch auf Unterschiede nach dem sozioökonomischen Status der Familie eingegangen. Unter Hinzuziehung der Daten der KiGGS-Basiserhebung wird außerdem berichtet, wie sich der Tabak- und Alkoholkonsum von Jugendlichen in den letzten Jahren verändert hat.

Daten und Methode

KiGGS ist Bestandteil des Gesundheitsmonitorings des RKI und derzeit als kombinierte Querschnitt- und Kohortenstudie realisiert. Ziele, Konzept und Design von KiGGS sind an anderer Stelle ausführlich beschrieben [2022]. Für den Altersbereich 0 bis 17 Jahre soll KiGGS wiederholt bundesweit erhobene Prävalenzdaten zur gesundheitlichen Situation der in Deutschland lebenden Kinder und Jugendlichen liefern. Die KiGGS-Basiserhebung (2003–2006) umfasste Befragungen, Untersuchungen und Laboranalysen, KiGGS Welle 1 (2009–2012) Befragungen in Form von Telefoninterviews. An der KiGGS-Basiserhebung war eine Querschnittstichprobe von insgesamt 17.641 Probanden im Alter von 0 bis 17 Jahren bei einer Response von 66,6 % beteiligt. Die Einzuladenden wurden in einer geschichteten Zufallsstichprobe von 167 Orten Deutschlands zufällig aus den Melderegistern gezogen [20]. Die Stichprobe von KiGGS Welle 1 bestand zum einen aus einer neuen Querschnittstichprobe 0- bis 6-Jähriger, die wiederum zufällig aus den Melderegistern der ursprünglichen 167 Studienorte gezogen wurden. Zum anderen wurden die ehemaligen Teilnehmenden der KiGGS-Basiserhebung, die inzwischen 6 bis 24 Jahre alt waren und als geschlossene Kohorte weitergeführt werden, zur Befragung eingeladen. Die Telefoninterviews wurden durch geschultes Studienpersonal im RKI durchgeführt. Zum Anrufmanagement und zur Datenerfassung wurde das Softwareprodukt Voxco Version 5.4.4.5 (Voxco Inc., Montréal QC, Kanada) eingesetzt. Vor Beginn der Studie lagen positive Voten der Ethikkommission der Charité-Universitätsmedizin Berlin und des Bundesbeauftragten für den Datenschutz vor, eine Befragung erfolgte nur nach Information und schriftlicher Einverständniserklärung der Sorgeberechtigten Minderjähriger oder der volljährigen Probanden selbst. Insgesamt nahmen 12.368 Kinder und Jugendliche (6093 Mädchen, 6275 Jungen) in dem für den Querschnitt relevanten Altersbereich von 0 bis 17 Jahren teil, darunter 4455 Ersteingeladene (Response 38,8 %) und 7913 Wiedereingeladene (Response 72,9 %).

Das Rauchverhalten wurde in KiGGS Welle 1 mit mehreren Fragen erhoben, die sich unter anderem auf den aktuellen Tabakkonsum sowie auf die Intensität des Rauchens beziehen. Um die Lebenszeitprävalenz des Tabakkonsums zu erfassen, wurden zunächst alle Jugendlichen im Alter von 11 bis 17 Jahren gefragt: „Hast du schon einmal geraucht?“ (Antwortkategorien: „Ja“, „Nein“). Diejenigen, die diese Frage bejahten, wurden als Nächstes gefragt, wie oft sie zurzeit rauchen (Antwortkategorien: „Täglich“, „Mehrmals pro Woche“, „Einmal pro Woche“, „Seltener als einmal pro Woche“, „Gar nicht“). Durch das Zusammenfassen verschiedener Antwortkategorien können die Anteile aktueller Raucher (jeglicher, auch gelegentlicher Tabakkonsum), regelmäßiger Raucher (mindestens einmal pro Woche) und täglicher Raucher bestimmt werden. Alle regelmäßigen Raucher wurden zusätzlich nach der Anzahl der pro Tag bzw. pro Woche gerauchten Zigaretten gefragt sowie nach dem Alter, in dem sie begonnen haben, regelmäßig Zigaretten zu rauchen.

Da in der KiGGS-Basiserhebung zum größten Teil die gleichen Fragen zum Rauchverhalten gestellt wurden, können für die meisten Indikatoren Aussagen zur zeitlichen Entwicklung in den letzten 6 Jahren getroffen werden [19]. Lediglich für die Lebenszeitprävalenz des Rauchens trifft dies nicht zu.

Der Alkoholkonsum wurde mittels 4 Fragen erhoben. Neben der Einstiegsfrage zur Ableitung der Lebenszeitprävalenz („Hast du schon einmal Alkohol getrunken?“, Antwortkategorien: „Ja“, „Nein“) wurde das aus 3 Fragen bestehende, international etablierte AUDIT-C-Instrument eingesetzt [23]. Hierbei handelt es sich um einen Kurzfragebogen des im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickelten Alcohol Use Disorders Identification Test (AUDIT) [24, 25]. Das AUDIT-C-Instrument (C steht für consumption) wird zur Erfassung des riskanten Alkoholkonsums und zur Verbreitung des Rauschtrinkens (engl. „binge drinking“) im Rahmen des Gesundheitsmonitorings am RKI bereits in der Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell“ (GEDA) und der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) verwendet [2628]. Ursprünglich für das Screening in der Erwachsenenbevölkerung konzipiert, hat sich das AUDIT-C-Instrument auch für den Einsatz bei Jugendlichen als hilfreich erwiesen [29]. Die 3 Fragen des AUDIT-C-Instruments lauten:

  1. 1.

    Wie oft nimmst du ein alkoholisches Getränk zu dir? (Antwortkategorien: „Nie“, „Einmal pro Monat oder seltener“, „2- bis 4-mal im Monat“, „2- bis 3-mal pro Woche“, „4-mal pro Woche oder öfter“).

  2. 2.

    Wenn du Alkohol trinkst, wie viele alkoholische Getränke trinkst du dann üblicherweise an einem Tag? (Antwortkategorien: „1 bis 2“, „3 bis 4“, „5 bis 6“, „7 bis 9“, „10 oder mehr alkoholische Getränke“).

  3. 3.

    Wie oft trinkst du 6 oder mehr alkoholische Getränke bei einer Gelegenheit, z. B. auf einer Party? (Antwortkategorien: „Nie“, „Seltener als einmal im Monat“, „Jeden Monat“, „Jede Woche“, „Jeden Tag oder fast jeden Tag“).

Zu den Fragen wurde jeweils der Hinweis gegeben, dass mit einem alkoholischen Getränk z. B. eine kleine Flasche Bier (0,33 l), ein kleines Glas Wein (0,125 l) oder ein doppelter Schnaps (0,04 l) gemeint ist. Entsprechend den Instrumentenvorgaben wurden die Antwortkategorien der 3 Einzelfragen jeweils aufsteigend mit Punktwerten von 0 bis 4 versehen und anschließend aufsummiert [23, 24]. Die Spannweite des auf diese Weise gebildeten Summenscores reicht demnach von 0 bis 12. Von riskantem Alkoholkonsum ist bei einem Summenscore von ≥ 4 bei Mädchen und ≥ 5 bei Jungen auszugehen [2729]. Die Definition der Schwellenwerte erfolgte wie bei den RKI-Surveys zu Erwachsenen in Anlehnung an Reinert und Ellen sowie Gual et al. [30, 31]. Ein AUDIT-C-Gesamtwert unterhalb der definierten Schwellenwerte ist für die hier betrachtete Altersgruppe der 11- bis 17-Jährigen jedoch nicht mit risikoarmem Alkoholkonsum gleichzusetzen. Gemäß den Empfehlungen des wissenschaftlichen Kuratoriums der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) sollten Jugendliche Alkohol weitgehend meiden; etablierte Grenzwerte für risikoarmen Konsum existieren für sie nicht [32]. Die Verbreitung des Rauschtrinkens wird anhand der dritten Einzelfrage des AUDIT-C-Instruments bestimmt. Von regelmäßigem Rauschtrinken ist im Folgenden die Rede, wenn die Jugendlichen angaben, mindestens einmal im Monat oder häufiger 6 oder mehr alkoholische Getränke bei einer Gelegenheit zu konsumieren. Da in der KiGGS-Basiserhebung anstatt des AUDIT-C-Instruments Trinkmenge und Trinkfrequenz in einer kombinierten Frage differenziert für unterschiedliche Getränkesorten erhoben wurden, können Trendaussagen lediglich im Hinblick auf die Lebenszeitprävalenz des Alkoholkonsums getroffen werden [19].

Im Folgenden werden Prävalenzen mit 95 %-Konfidenzintervallen für den Tabak- und Alkoholkonsum unter Berücksichtigung von Unterschieden nach Alter, Geschlecht und sozioökonomischem Status (SES) berichtet. Der SES wird anhand eines Index bestimmt, in den Angaben der Eltern zu ihrer schulischen und beruflichen Ausbildung, ihrer beruflichen Stellung und ihrem Haushaltsnettoeinkommen (bedarfsgewichtet) eingehen und der eine Einteilung in niedrige, mittlere und hohe Statusgruppe ermöglicht [33]. Bezüglich des Zusammenhangs zwischen dem sozioökonomischen Status und dem Tabak- bzw. Alkoholkonsum werden außerdem Odds Ratios (OR) ausgewiesen, die mittels binär logistischer Regressionen berechnet wurden. Sie sind als Chancenverhältnisse zu interpretieren und bringen zum Ausdruck, um welchen Faktor die Chance für das Auftreten des jeweils betrachteten Outcomes in der niedrigen bzw. mittleren gegenüber der hohen Statusgruppe, die als Referenzkategorie definiert wurde, erhöht ist.

Alle Analysen wurden mit einem Gewichtungsfaktor durchgeführt, der Abweichungen der Stichprobe von der Bevölkerungsstruktur (Stand 31.12.2010) hinsichtlich Alter, Geschlecht, Region, Staatsangehörigkeit, Gemeindetyp und Bildungsstand des Haushaltsvorstandes (Mikrozensus 2009) korrigiert. Ferner wurde für die ehemaligen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der KiGGS-Basiserhebung die unterschiedliche Wiederteilnahmebereitschaft mittels Gewichtung nach relevanten Merkmalen aus der KiGGS-Basiserhebung ausgeglichen. Für die Berechnung der Trendanalysen wurden auch die Daten der Basiserhebung bezüglich der oben genannten Merkmale neu gewichtet und auf den Bevölkerungsstand zum 31.12.2010 altersstandardisiert. Details der Methodik von KiGGS Welle 1 sind an anderer Stelle ausführlich beschrieben [34].

Um sowohl die Gewichtung als auch die Korrelation der Teilnehmenden innerhalb einer Gemeinde zu berücksichtigen, wurden die Konfidenzintervalle und p-Werte mit Verfahren für komplexe Stichproben berechnet. Gruppenunterschiede/Trendeffekte wurden mit dem nach Rao-Scott über die F-Verteilung korrigierten Chi-Quadrat-Test für komplexe Stichproben auf Signifikanz geprüft. Unterschiede werden als statistisch signifikant angesehen, wenn sich die Konfidenzintervalle nicht überschneiden bzw. die Irrtumswahrscheinlichkeit (p) einen Wert kleiner als 0,05 annimmt. Zum Einsatz kam das Softwareprodukt IBM SPSS Statistics Version 20 (IBM Corp., Armonk NY, USA).

Ergebnisse

Nach den Daten aus KiGGS Welle 1 rauchen 12,0 % der 11- bis 17-jährigen Jugendlichen, wobei keine signifikanten Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen bestehen (11,9 vs. 12,1 %). Die Prävalenz liegt bis zum Alter von 13 Jahren unter 5 % und steigt dann sukzessive bis auf 31,2 % bei den 17-jährigen Mädchen und 37,8 % bei den gleichaltrigen Jungen an (◉ Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Anteil der 11- bis 17-jährigen Mädchen und Jungen, die aktuell rauchen (n gesamt = 4944)

Dass sie jemals geraucht haben, trifft auf insgesamt 27,0 % der Jugendlichen im Alter von 11 bis 17 Jahren zu. Der Anteil der regelmäßigen Raucher (mindestens einmal in der Woche) beträgt 7,4 %, der Anteil der täglichen Raucher 5,4 %. Rund 2,3 % der Jugendlichen sind als starke Raucher einzustufen, gemessen an einem Konsum von 10 oder mehr Zigaretten am Tag. Der durchschnittliche Konsum von Jugendlichen, die mindestens einmal in der Woche rauchen, lässt sich mit knapp 7 Zigaretten täglich beziffern. Die alters- und geschlechtsspezifische Betrachtung macht deutlich, dass der Tabakkonsum etwa ab dem 14. Lebensjahr eine weite Verbreitung unter den Heranwachsenden erfährt. Es bestehen bezüglich der betrachteten Indikatoren keine signifikanten Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen (◉ Tab. 1).

Tab. 1 Tabakkonsum bei 11- bis 17-jährigen Jugendlichen nach Alter und Geschlecht (Prozent, 95 %-Konfidenzintervall)

Um Aussagen über das Einstiegsalter treffen zu können, werden im Folgenden nur die Jugendlichen im Alter von 17 Jahren betrachtet, die regelmäßig, d. h. mindestens einmal in der Woche, rauchen. Im Durchschnitt haben diese im Alter von 15,1 Jahren mit dem regelmäßigen Rauchen begonnen (Mädchen: 15,0 Jahre, Jungen: 15,1 Jahre). Bis zum Alter von 12 Jahren haben lediglich 0,4 % der Mädchen und 4,5 % der Jungen angefangen, regelmäßig zu rauchen. Im Alter von 13 Jahren kommt es dann zu einem ersten sprunghaften Anstieg auf 17,3 % bei den Mädchen und 8,8 % bei den Jungen. Im Alter von 15 Jahren haben 51,8 % der Mädchen und 52,6 % der Jungen, die bei der Befragung 17 Jahre alt waren und angaben, mindestens einmal in der Woche zu rauchen, mit dem regelmäßigen Konsum angefangen. Die andere Hälfte hat im Alter von 16 oder 17 Jahren mit dem regelmäßigen Rauchen begonnen (◉ Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Alter bei Einstieg in den regelmäßigen Tabakkonsum (mindestens einmal pro Woche): kumulative Häufigkeiten auf Basis der Angaben der 17-jährigen Mädchen und Jungen, die zum Zeitpunkt der Befragung mindestens einmal in der Woche rauchen (n gesamt = 153)

Bezüglich des Tabakkonsums von Jugendlichen sind Unterschiede nach dem sozioökonomischen Status festzustellen, insbesondere beim regelmäßigen und täglichen Rauchen. Betrachtet man die nach Alter und Geschlecht adjustierten Odds Ratios, dann lässt sich unter anderem die Aussage treffen, dass Jugendliche aus Familien mit niedrigem sozioökonomischem Status 2,0-mal häufiger regelmäßig rauchen als Jugendliche aus Familien mit hohem sozioökonomischem Status. Bezüglich des täglichen Rauchens beträgt das entsprechende Chancenverhältnis 3,7:1 zuungunsten der Jugendlichen aus der niedrigen Statusgruppe. Statistisch signifikante Unterschiede zeigen sich auch zwischen der mittleren und hohen Statusgruppe, bei Mädchen hinsichtlich des aktuellen und täglichen Rauchens, bei Jungen hinsichtlich des regelmäßigen und täglichen Rauchens (◉ Tab. 2).

Tab. 2 Tabakkonsum bei 11- bis 17-jährigen Mädchen und Jungen nach sozioökonomischem Status. Prävalenzen (%) und mit binär logistischen Regressionen berechnete altersadjustierte Odds Ratios (OR) mit 95 %-Konfidenzintervallen (95 %-KI) und p-Werten

Dass sie jemals alkoholische Getränke konsumiert haben, trifft auf insgesamt 54,4 % der 11- bis 17-jährigen Jugendlichen zu. Legt man die Ergebnisse des AUDIT-C-Gesamtwertes zugrunde, zeigen 15,8 % der Jugendlichen ein riskantes Konsumverhalten. Regelmäßiges Rauschtrinken, bezogen auf den mindestens monatlichen Konsum von 6 und mehr alkoholischen Getränken bei einer Gelegenheit, wird von 11,5 % der Jugendlichen berichtet (◉ Tab. 3).

Tab. 3 Alkoholkonsum bei 11- bis 17-jährigen Jugendlichen nach Alter und Geschlecht (Prozent, 95 %-Konfidenzintervall)

Wie beim Rauchen, so sind auch beim Alkoholkonsum nur geringe Unterschiede im Konsumverhalten von Mädchen und Jungen festzustellen. Lediglich bei den 14- bis 17-Jährigen ist zu beobachten, dass Jungen häufiger als Mädchen zu regelmäßigem Rauschtrinken neigen (23,1 vs. 16,5 %; p < 0,01). Bei beiden Geschlechtern zeichnet sich im Altersgang eine deutliche Zunahme des Alkoholkonsums ab. Mit Blick auf den riskanten Alkoholkonsum steigen die Prävalenzen bis zum 17. Lebensjahr auf 44,8 % bei Mädchen und 50,5 % bei Jungen an (◉ Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Anteil der 11- bis 17-jährigen Mädchen und Jungen mit riskantem Alkoholkonsum (AUDIT-C) (n gesamt = 4909)

Die statusspezifischen Unterschiede sind beim Alkoholkonsum geringer ausgeprägt als beim Rauchen. Außerdem weisen sie in eine andere Richtung. Demnach ist die statistische Chance, jemals Alkohol getrunken zu haben, bei Jugendlichen aus Familien mit niedrigem sozioökonomischem Status nur etwa halb so hoch wie bei Gleichaltrigen aus der hohen Statusgruppe. Die Unterschiede zeichnen sich dabei erst in der binär logistischen Regressionsanalyse ab, da dort für bestehende Altersunterschiede zwischen Jugendlichen mit niedrigem und hohem sozioökonomischem Status statistisch kontrolliert wird. Mit Blick auf den riskanten Alkoholkonsum und das Rauschtrinken zeigt sich ein ähnliches Muster, die Unterschiede zwischen den Statusgruppen sind aber nicht statistisch signifikant (◉ Tab. 4).

Tab. 4 Alkoholkonsum bei 11- bis 17-jährigen Jugendlichen nach Sozialstatus. Prävalenzen (%) und mit binär logistischen Regressionen berechnete altersadjustierte Odds Ratios (OR) mit 95 %-Konfidenzintervallen (95 %-KI) und p-Werten

Aussagen über zeitliche Entwicklungen und Trends im Tabak- und Alkoholkonsum von Jugendlichen sind nur für die in der KiGGS-Basiserhebung und KiGGS Welle 1 gleichermaßen erhobenen Indikatoren möglich.

Im Hinblick auf den Tabakkonsum lässt sich feststellen, dass sich der Anteil der aktuell rauchenden Jugendlichen zwischen beiden Erhebungen, also etwa innerhalb von 6 Jahren, von 20,4  auf 12,0 % nahezu halbiert hat (p < 0,001). Ein noch deutlicherer Rückgang zeichnet sich beim regelmäßigen und täglichen Tabakkonsum ab (◉ Tab. 5). Gleichzeitig ist das durchschnittliche Einstiegsalter in den regelmäßigen Tabakkonsum angestiegen, und zwar von 14,2 Jahre auf 15,1 Jahre (Mädchen: von 14,2 auf 15,0 Jahre, Jungen: von 14,1 auf 15,1 Jahre).

Veränderungen im Alkoholkonsum lassen sich mit den KiGGS-Daten nur an der Lebenszeitprävalenz festmachen. Der Anteil der 11- bis 17-jährigen Jugendlichen ist demnach zwischen beiden Erhebungen von 62,8 auf 54,4 % gesunken (p < 0,001).

Tab. 5 Trends im Tabak- und Alkoholkonsum 11- bis 17-jähriger Jugendlicher in Deutschland. Ergebnisse der KiGGS-Basiserhebung und KiGGS Welle 1 standardisiert auf die Bevölkerungsstruktur 2009/2010

Diskussion

Die Ergebnisse aus KiGGS Welle 1 zeigen, dass aktuell 12,0 % der 11- bis 17-jährigen Jugendlichen in Deutschland rauchen. Darin eingeschlossen sind 5,4 % der Jugendlichen, die täglich rauchen. Ein riskanter Alkoholkonsum (AUDIT-C-Gesamtwert) ist bei 15,8 % der Jugendlichen festzustellen, regelmäßiges Rauschtrinken (mindestens einmal im Monat 6 oder mehr alkoholische Getränke bei einer Gelegenheit) bei 11,5 %. Zwischen Mädchen und Jungen bestehen in Bezug auf die meisten Indikatoren keine signifikanten Unterschiede. Dagegen treten Unterschiede nach dem sozioökonomischen Status zutage, die allerdings beim Tabak- und Alkoholkonsum in eine unterschiedliche Richtung weisen. Bezüglich des Rauchens zeigen sich deutliche Unterschiede zuungunsten von Jugendlichen aus Familien mit niedrigem sozioökonomischem Status, was sich z. B. an einem höheren Anteil an regelmäßigen und täglichen Rauchern festmachen lässt. Im Gegensatz dazu ist der Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status und dem Alkoholkonsum schwächer ausgeprägt. Signifikante Unterschiede zeichnen sich lediglich in der Lebenszeitprävalenz des Alkoholkonsums ab, und diese sprechen zudem für einen geringeren Konsum in der niedrigen im Vergleich zur hohen Statusgruppe. Unter Hinzuziehung der etwa 6 Jahre zuvor erhobenen Daten der KiGGS-Basiserhebung kann die Aussage getroffen werden, dass sich die Raucherquote von 20,4  auf 12,0 % fast halbiert hat. Außerdem wird seltener regelmäßig oder täglich geraucht, und die Jugendlichen, die rauchen, fangen gut 1 Jahr später mit dem Rauchen an. Mit Blick auf den Alkoholkonsum kann die zeitliche Entwicklung nur anhand der Lebenszeitprävalenz betrachtet werden, da der AUDIT-C in der KiGGS-Basiserhebung nicht eingesetzt wurde. Der Anteil der Jugendlichen, die jemals Alkohol getrunken haben, ist danach von 62,8 auf 54,4 % zurückgegangen.

Die berichteten Ergebnisse stehen weitgehend im Einklang mit den Befunden anderer Studien zum Tabak- und Alkoholkonsum von Jugendlichen in Deutschland [15, 16, 18, 35]. So belegen auch die Ergebnisse der Repräsentativerhebungen der BZgA, dass der Anteil der jugendlichen Raucher deutlich zurückgegangen ist. Die Studien der BZgA beziehen sich auf die Altersspanne der 12- bis 17-Jährigen. Zieht man als Vergleichswerte für die KiGGS-Ergebnisse die BZgA-Erhebungen aus den Jahren 2004 und 2010 heran, dann betragen die Raucherquoten 23,5 und 12,9 % [15, 35]. Die auf Basis der Daten der KiGGS-Basiserhebung und KiGGS Welle 1 für die 12- bis 17-Jährigen ermittelten Prävalenzen fallen mit 23,6 und 13,9 % ganz ähnlich aus. Auch die Daten der HBSC- und ESPAD-Studie, die sich auf Jugendliche im Alter von 11 bis 15 bzw. 15 bis 16 Jahren beziehen, sprechen dafür, dass der Anteil der Raucher unter den Jugendlichen in den letzten Jahren deutlich abgenommen hat [16, 18].

Der im Rahmen von KiGGS Welle 1 ermittelte Rückgang der Lebenszeitprävalenz des Alkoholkonsums wird ebenfalls durch die Ergebnisse der BZgA-Repräsentativerhebungen sowie der HBSC- und ESPAD-Studie gestützt. Laut BZgA ist die Lebenszeitprävalenz des Alkoholkonsums 12- bis 17-jähriger Jugendlicher im Zeitraum von 2001 bis 2011 von 87,0 auf 72,6 % zurückgegangen [9]. Die ESPAD-Daten für den Zeitraum von 2003 bis 2011 sprechen sowohl mit Blick auf die Lebenszeit- als auch auf die 12-Monats- und 30-Tage-Prävalenz des Alkoholkonsums für einen signifikanten Rückgang bei beiden Geschlechtern [16]. Bezüglich der 30-Tage-Prävalenz des Rauschtrinkens bzw. der Verbreitung alkoholbedingter Rauscherfahrungen ist nach den BZgA-Repräsentativerhebungen sowie der HBSC- und ESPAD-Studie ebenfalls von einem deutlichen Rückgang auszugehen [9, 16, 18].

Der Rückgang des Rauchens bei Jugendlichen ist vor dem Hintergrund der verstärkten politischen Bemühungen um die Eindämmung des Rauchens und die Förderung des Nichtraucherschutzes zu sehen [1, 3638]. Mit Blick auf den Beobachtungszeitraum ist unter anderem auf mehrere Tabaksteuererhöhungen, die Heraufsetzung der Altersgrenze für den Kauf und Konsum von Tabakprodukten, die Einschränkung bzw. das weitgehende Verbot von Tabakwerbung entsprechend geltendem EU-Recht sowie die seit 2007 erlassenen Nichtraucherschutzgesetze des Bundes und der Länder, die sich auf öffentliche Gebäude und Verkehrsmittel, Schulen und Krankenhäuser sowie auf gastronomische Betriebe beziehen, zu verweisen. Außerdem hat eine Ausweitung bevölkerungsbezogener Aufklärungskampagnen und settingbezogener Programme zur Suchtprävention stattgefunden sowie eine Veränderung der gesellschaftlichen Einstellungen gegenüber dem Rauchen [1, 3638]. Auch wenn die genauen Effekte dieser Maßnahmen auf das Rauchverhalten nur schwer zu quantifizieren sind, so wird doch davon ausgegangen, dass sie einen erheblichen Anteil daran haben, dass mittlerweile weniger Jugendliche mit dem Rauchen anfangen [39].

Die Angaben zum Tabak- und Alkoholkonsum sind in der KiGGS-Basiserhebung über Selbstausfüllfragebögen, in KiGGS Welle 1 dagegen in Telefoninterviews ermittelt worden. In Interviewantworten ist verschiedentlich eine stärkere Tendenz in Richtung sozialer Erwünschtheit beobachtet worden als in Fragebogenantworten [40]. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass der beobachtete Rückgang der Prävalenzen zumindest teilweise auf einen entsprechenden Antwort-Bias zurückzuführen ist. Angesichts der guten Übereinstimmung mit Erhebungen, die mit einheitlicher Methodik durchgeführt wurden, wie z. B. die Repräsentativerhebungen der BZgA, dürfte dieser Effekt jedoch gering und damit vernachlässigbar sein.

Eine weitere Limitation der vorliegenden Untersuchung ist in der Erhebung des Alkoholkonsums zu sehen. Während für den Tabakkonsum mit den vorliegenden Daten für ein Monitoring zentrale Indikatoren gebildet werden können und ein Vergleich mit anderen Studien, wie z. B. den Repräsentativerhebungen der BZgA und der ESPAD-Studie des IFT möglich ist, trifft dies auf den Alkoholkonsum nicht bzw. nicht gleichermaßen zu. Allerdings wurde mit dem AUDIT-C in KiGGS Welle 1 ein bewährtes Instrument eingesetzt, das Aussagen über den Risikokonsum und Rauschtrinken ermöglicht. Da geplant ist, den AUDIT-C auch in den nachfolgenden Erhebungen einzusetzen, werden künftig auch Betrachtungen zu zeitlichen Entwicklungen und Trends des Alkoholkonsums bei Jugendlichen möglich sein.