Um Präventions- und Interventionsmaßnahmen planen und ihren Erfolg überprüfen zu können, ist nicht nur eine zielgerichtete, alle Altersgruppen umfassende und auf der Ebene der Allgemeinbevölkerung repräsentative Erfassung des Gesundheitszustands erforderlich, sondern vor allem auch eine kontinuierliche Beobachtung des Krankheitsgeschehens, des Gesundheits- und Risikoverhaltens sowie die Feststellung und Nachverfolgung spezifischer gesundheitlicher Risiken in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. Mit dem am Robert Koch-Institut (RKI) in der Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung etablierten Gesundheitsmonitoring ist erstmals eine solche umfassende und kontinuierliche Beobachtung der gesundheitlichen Lage der in Deutschland lebenden Bevölkerung möglich [1]. Das Monitoring bezieht Personen aller Altergruppen von 0 bis über 80 Jahre ein und sieht regelmäßige Längschnitt- und Querschnitterhebungen vor. Die bevölkerungsbezogene Kohorte des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS-Kohorte) ist – wie auch die in diesem Heft beschriebene Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS) [2] – Bestandteil des Gesundheitsmonitorings, in dessen Rahmen die gesamte Studienpopulation der KiGGS-Basiserhebung mit insgesamt 18 Jahrgangskohorten im Längsschnitt weiter verfolgt wird (KiGGS-Kohorte). Das Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, das Design, die Stichprobe, bereits vorliegende und erwartete Ergebnisse der KiGGS-Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland vorzustellen.

In der KiGGS-Basiserhebung von 2003 bis 2006 wurden insgesamt 17.641 Kinder und Jugendliche von 0 bis 17 Jahren in insgesamt 167 Städten und Gemeinden Deutschlands (Sample Points) medizinisch-physikalisch untersucht und ihre Eltern, ab elf Jahren auch die Kinder und Jugendlichen selbst, schriftlich befragt [3, 4]. Die Verteilung der in der Basiserhebung realisierten Gesamtnettostichprobe auf die einzelnen Alterjahrgänge, differenziert nach Geschlecht und Region (West/Ost), wird in Tab. 1 [3] wiedergegeben. Im Mai 2009, sechs Jahre nach Beginn der KiGGS-Basiserhebung, begann die Feldphase des ersten Follow-up (KiGGS Welle 1). Diese als Telefonbefragung durchgeführte Erhebung wird im Juni 2012 abgeschlossen sein. Ab Mitte 2013 bis 2016 folgt dann die zweite Folgeerhebung (KiGGS Welle 2), die dann wieder sowohl eine Befragung als auch eine Untersuchung der Probanden vorsieht.

Tab. 1 Zahl der Teilnehmer im Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) differenziert nach Alter, Geschlecht und Region (West/Ost)

Abb. 1 stellt das Längsschnittdesign schematisch für die ersten drei Wiederholungserhebungen dar. Bei dieser Variante werden die Teilnehmer aller Altersgruppen der KiGGS-Studie bis zur letzten Welle begleitet. Gleichzeitig ist eine Anreicherung zu jedem Erhebungszeitpunkt für die Jahrgänge 0 bis 17 Jahre vorgesehen, um Querschnittvergleiche zu jedem Erhebungszeitpunkt zu gewährleisten. Daraus resultiert eine besondere Stärke der KiGGS-Studie, nämlich zugleich aktuelle Zustände (Querschnitt), Trends (wiederholte Querschnitte) und Verläufe (Längsschnitt) beschreiben zu können. Die inhaltlichen Kernkomponenten, die die wesentlichen gesundheitsrelevanten Indikatoren (Eckwerte) umfassen, werden durch Zusatzerhebungen an Unterstichproben (Module) ergänzt. Diese beinhalten vertiefende Fragestellungen beziehungsweise Untersuchungen zu den in den Kernkomponenten einbezogenen Aspekten oder ergänzen gesundheitspolitische und forschungsrelevante Fragestellungen. Durch das ausgewählte Design sind folgende Auswertungsmöglichkeiten gegeben:

Abb. 1
figure 1

Schema des Kohortenansatzes für die ersten drei Wiederholungswellen

FormalPara Querschnittanalysen

Studienteilnehmer in unterschiedlichen Altersgruppen können zu jedem Erhebungszeitpunkt hinsichtlich aller erhobenen Merkmale verglichen werden. Solche Vergleiche sind auch für den gesamten Altersbereich der 0- bis 17-jährigen Population in Deutschland sogar bis zum letzten Erhebungszeitpunkt möglich. Zusätzlich erlaubt diese Variante auch einen Querschnittvergleich zwischen Jugendlichen und Erwachsenen.

FormalPara Trendanalysen

Studienteilnehmer in jeder einzelnen Altersgruppe werden über die verschiedenen Erhebungszeitpunkte hinweg miteinander verglichen, sodass unter anderem auch Trendanalysen durchgeführt werden können.

FormalPara Lebenslaufanalysen

Studienteilnehmer, die einer bestimmten Alterskohorte der KiGGS-Basiserhebung angehören, werden über die einzelnen Erhebungszeitpunkte verfolgt, sodass ihre gesundheitliche Entwicklung über mehrere Zeitpunkte beschrieben und analysiert werden kann, Übergänge und Verläufe können festgestellt und kausale Zusammenhänge aufgedeckt werden. Die Analyse von Entwicklungsverläufen bis ins Erwachsenenalter hinein ist möglich [5].

Mit der KiGGS-Basiserhebung wurden bundesweit repräsentative Informationen zur gesundheitlichen Situation von Kindern und Jugendlichen im Alter von 0 bis 17 Jahre bereitgestellt. Die Breite und Tiefe der Erhebung, die neben Befragungen auch medizinische Untersuchungsteile einschlossen, sind für Deutschland bislang einzigartig. Durch das längsschnittliche Design nimmt die Bedeutung der im Rahmen der KiGGS-Basiserhebung erhaltenen Daten weiter zu, da gesundheitliche Entwicklungen und Verläufe sowie die zugrunde liegenden Einflussfaktoren analysiert werden können. Da die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Kohortenstudie über einen langen Zeitraum beobachtet werden, lassen sich relevante Übergänge zwischen verschiedenen Lebensphasen (Säuglings- und Kleinkindalter, Vorschulalter, Grundschulalter, Pubertät, Adoleszenz und junges Erwachsenenalter) beobachten.

Schon in der Entwicklungsphase des KiGGS waren das Einbeziehen externer Experten und die Beteiligung und Bildung von Forschungsnetzwerken wichtige Anliegen der Studie. So wurde bereits der Pretest und anschließend die Hauptphase der KiGGS-Basiserhebung von einem Wissenschaftlichen Beirat aus nationalen und internationalen Experten aus dem Bereich der Kinderheilkunde, Kinderpsychologie, Soziologie, Epidemiologie und dem öffentlichen Gesundheitswesen qualitätssichernd begleitet [6]. Nach Etablierung des Gesundheitsmonitorings am Robert Koch-Institut hat diese Funktion die um Experten für die Kindergesundheit erweiterte Kommission zur Gesundheitsberichterstattung für die KiGGS Welle 1 übernommen. Im Vorfeld der Transformation des KiGGS in eine Längsschnittstudie wurde im Rahmen eines hierzu vom RKI veranstalteten internationalen Symposiums ein Erfahrungsaustausch mit Vertretern international etablierter Kohortenstudien (zum Beispiel Norwegian Mother and Child Cohort Study, Oslo, Norwegian; Amsterdam Growth and Health Study; Amsterdam, Netherlands; The New England Family Study, Providence, USA; Donald-Study, Dortmund, Germany) für das Kindes- und Jugendalter abgehalten. Mit Teilnehmern dieses Symposiums findet anlassbezogen weiterhin ein fachlicher Austausch statt. Auch auf nationaler Ebene werden Erfahrungen ausgetauscht, so zum Beispiel mit Projektteams der Life-Child-Studie des Leipziger Forschungszentrums für Zivilisationserkrankungen.

Untersuchungsprogramm, eingesetzte Instrumente und Untersuchungsintervalle

Die Untersuchungen und Befragungen der KIGGS-Basiserhebung wurden in den jeweiligen Sample Points in eigens vor Ort eingerichteten Untersuchungszentren durchgeführt. Insgesamt kamen vier ärztlich geleitete Untersuchungsteams zum Einsatz, die jeweils aus einer/einem Ärztin/Arzt, einer Zentrumsinterviewerin, einer Untersucherin und einer medizinisch-technischen Assistentin sowie einem Umweltinterviewer bestanden. Das in seinem Umfang nach Altergruppen gestaffelte Untersuchungsprogramm bestand aus anthropometrischen Messungen (Körpergröße und -gewicht, Taillen- und Hüftumfang, Hautfaltendickemessung, Ellbogenbreitemessung), Blutdruck- und Pulsmessungen, Sehtests, Tests zur motorischen Fitness und körperlichen Leistungsfähigkeit, Schilddrüsensonographie sowie optional aus der Untersuchung von Blut- und Urinproben. Die Eltern wurden darüber hinaus mit einem computergestützten persönlichen ärztlichen Interview (CAPI) zu ärztlich diagnostizierten Krankheiten, Operationen, Impfungen und Arzneimittelanwendungen ihrer Kinder befragt [7].

Für die schriftliche Befragung kamen sieben an die jeweiligen Entwicklungsphasen der Kinder und Jugendlichen angepasste Gesundheitsfragebögen (fünf Elternfragebögen für die Altersbereiche 0 bis zwei Jahre, drei bis sechs Jahre, sieben bis zehn Jahre, elf bis 13 Jahre und 14 bis 17 Jahre und zwei Kinderfragebögen für die Altersbereiche elf bis 13 und 14–17 Jahre) sowie zwei separate Ernährungsfragebögen (Elternfragebögen für das Alter von ein bis zehn Jahre sowie Kinderfragebögen für das Alter von elf bis 17 Jahre) zum Einsatz. Die Befragungsinhalte umfassten im Rahmen des Eckwertekontents die wichtigsten Bereiche des gesundheitlichen Geschehens: körperliche Gesundheit einschließlich akuter und chronischer Krankheiten, psychische und soziale Gesundheit, Lebensbedingungen, Gesundheitsverhalten, Gesundheitsrisiken, Unfälle, Ernährung und Inanspruchnahme medizinischer Leistungen [8]. Bei der Befragung wurden national und international anerkannte und validierte Instrumente (zum Beispiel SDQ [9], SCOFF-Questionnaire [10], KINDL-R [11], CSHCN-Screener [12], SSS [13], WIRKALL-K [14], Familienklimaskalen nach Schneewind [15]) als auch am Robert Koch-Institut entwickelte und getestete Befragungsinstrumente eingesetzt.

Die KiGGS Welle 1 wurde als rein telefonische Befragung konzipiert. Die Interviews in der KiGGS Welle 1 werden computergestützt per Telefon (CATI: Computer Assisted Telephone Interviewing) mithilfe der Software VOXCO durchgeführt. Die Datenerhebung erfolgt in einem zu diesem Zweck eingerichteten Telefonlabor des Robert Koch-Instituts, das über insgesamt 40 Interviewerarbeitsplätze verfügt. Die Machbarkeit, technische Durchführung, Akzeptanz, Probandenzugang sowie die maximale Befragungsdauer wurden in zwei Pretests getestet. Dabei ergab sich unter anderem eine zeitliche Begrenzung der Interviewdauer von 45 min für das Erwachsenenalter und von 30 min für das Kindes- und Jugendalter. Nahezu alle Basisindikatoren der KiGGS-Basiserhebung konnten, zum Teil nach Anpassung an die Erfordernisse der telefonischen Befragung, in die erste Wiederbefragungswelle übernommen werden. In wenigen Fällen, in denen sich einzelne Instrumente als nicht telefongeeignet oder als zu ausführlich für die telefonische Befragung erwiesen, wurden diese durch geeignetere Instrumente ersetzt (zum Beispiel KINDL-R [16] durch KIDSCREEN-10 [17]). Ergänzend wurden aus einzelnen Themenbereichen (zum Beispiel psychische Auffälligkeiten, Erkrankungen der Eltern) zusätzliche Instrumente in die Befragung aufgenommen (Tabellen mit sämtlichen Erhebungsinstrumenten für alle unterschiedlichen Befragungsgruppen finden sich in [5]).

In der KiGGS-Basisuntersuchung war die Einbindung von Probanden mit Migrationshintergrund durch ein Ausländeroversampling gewährleistet. Darüber hinaus kamen in sechs Sprachen (türkisch, russisch, serbokroatisch, vietnamesisch, arabisch und englisch) übersetzte Einladungsschreiben und Fragebögen sowie ein Stufenmodell der Teilnahme an der Untersuchung und Befragung zum Einsatz, um auch Migranten mit eingeschränkten Kenntnissen der deutschen Sprache die Teilnahme an KiGGS zu ermöglichen [18].

Um eine möglichst hohe Wiederteilnahmequote von Probanden und Familien mit Migrationshintergrund zu erreichen, werden diese Familien in der KiGGS Welle 1 erneut mit Schreiben in ihrer Herkunftssprache (wiederum mit übersetzten Anschreiben in den genannten sechs Sprachen) zur Teilnahme eingeladen. Querschnittprobanden mit Migrationshintergrund (Altersgruppe von 0 bis sechs Jahren) werden computergestützt anhand ihres Vor- und Nachnamens einer bestimmten Sprachgruppe zugeordnet. Diesen Familien werden dann Einladungsschreiben in ihrer Herkunftssprache zugeschickt. Bei nicht ausreichenden Deutschkenntnissen erhalten alle Familien auf Wunsch einen übersetzten schriftlichen Fragebogen, den sie zu Hause ausfüllen und dann portofrei an das RKI zurücksenden können [5].

In der KiGGS-Basiserhebung gab es insgesamt fünf Zusatz-Module. Ziel dieser Modulstudien war es, mit Unterstichproben der Studienteilnehmer, zeitlich abgekoppelt von der Kernbefragung, vertiefende Befragungen und Untersuchungen zu ausgewählten Themenbereichen durchzuführen. Module in der KiGGS-Basiserhebung waren der Kinder-Umwelt-Survey (KUS) des Umweltbundesamtes, das Modul „Psychische Gesundheit“ (BELLA-Studie), das Motorik-Modul (MoMo) und das Ernährungsmodul (ESKIMO). Das Landesmodul „Schleswig-Holstein“ erreichte durch eine Stichprobenaufstockung bundeslandbezogene Repräsentativität. Nicht alle Modulstudien haben sich zu einer Fortsetzung ihrer Datenerhebungen entschieden. In KiGGS Welle 1 werden daher nur die BELLA-Studie (Bella plus) und das Motorik-Modul (MoMo) fortgeführt. Zusätzlich hat sich in dieser Erhebungswelle der Freistaat Thüringen für eine regionale Stichprobenaufstockung entschieden. Die Module sind ausführlich in der KiGGS-Welle-1-Projektbeschreibung dargelegt [5].

Deskription der Kohorte

Da die Stichprobe der KIGGS-Basiserhebung die Grundlage für die Kohortenstichprobe bildet, wird zunächst Erstere beschrieben. Diese war eine bevölkerungsrepräsentative Erhebung mit der Zielpopulation der in den Melderegistern der Bundesrepublik mit Hauptwohnsitz registrierten deutschen und ausländischen Wohnbevölkerung der 0- bis 17-Jährigen [5, 7]. Die Stichprobenziehung der Basiserhebung erfolgte auf zwei Stufen. Auf der ersten Stufe wurden 167 Sample Points ausgewählt, die in Gemeindetypen (BIK-Klassifikation) und in der räumlichen Verteilung die damalige Siedlungsstruktur der Bundesrepublik abbildeten. Anschließend wurden in den Untersuchungsorten per Zufallsauswahl Adressen aus den Registern der betreffenden Einwohnermeldeämter stratifiziert nach Altersjahrgang gezogen und die Kinder und Jugendlichen über an die Eltern gerichtete Anschreiben eingeladen. Um die bei Ausländern erfahrungsgemäß hohe Quote qualitätsneutraler Ausfälle (QNA) und die niedrigere Teilnehmerbereitschaft zu kompensieren, wurde eine Aufstockung von Kindern und Jugendlichen mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit (Ausländer-Oversampling) vorgenommen. Insgesamt konnte in der Basiserhebung bei einer Response von 66,6% eine Gesamtteilnehmerzahl von 17.641 (8985 Jungen, 8656 Mädchen) erreicht werden. Die KiGGS-Basiserhebung ist repräsentativ für die Wohnbevölkerung der 0- bis 17-Jährigen in Deutschland für die Jahre 2003 bis 2006.

Alle Probanden der ersten Folgebefragung (KiGGS Welle 1), das heißt sämtliche Kinder und Jugendlichen der KiGGS-Basisuntersuchung (aktuell im Altersbereich zwischen sechs und 24 Jahre), werden, sofern sie wieder auffindbar sind, erneut zu einer Teilnahme eingeladen. Die angestrebte Response in der KiGGS-Kohorte liegt bei über 70% und wird voraussichtlich erreicht werden. Die Eltern der zum aktuellen Befragungszeitpunkt sechs- bis 17-jährigen Teilnehmer (Längsschnittprobanden) erhalten ebenfalls eine Einladung zur erneuten Teilnahme. Zusätzlich werden die Eltern neu ausgewählter Kinder des aus der Basisstichprobe „herausgewachsenen“ Altersbereichs von 0 bis sechs Jahren in die Erhebung einbezogen (Querschnittprobanden), um auch weiterhin aktuelle Gesundheitsdaten über die gesamte Altersspanne der Kinder und Jugendlichen in Deutschland von 0 bis 17 Jahren zur Verfügung stellen zu können. Die Ziehung der Ergänzungsstichprobe erfolgt nach den gleichen Prinzipien wie die Ziehung der Basisstichprobe (vgl. [5]).

Ausgewählte Ergebnisse der Basiserhebung und erwartete Ergebnisse der Wiederholungsbefragung

Eine Besonderheit der KiGGS-Basiserhebung war es, erstmals Prävalenzzahlen zu einer Vielzahl von Krankheiten und Gesundheitsstörungen sowie von gesundheitlichen Risiko- und Schutzfaktoren im Kindes- und Jugendalter auf Basis einer bundesweit repräsentativen Stichprobe zur Verfügung stellen zu können. Ein weiterer Vorteil lag darin, dass die Daten konjunkt, das heißt auf Individualebene verknüpfbar, erhoben wurden. Dies war bis zu diesem Zeitpunkt für Deutschland so nicht gegeben. Beispielsweise beruhen die von der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (aga) verwendeten Referenzdaten für Übergewicht und Adipositas auf gepoolten Studienergebnissen der Jahre 1985 bis 1999 [19]. Die KiGGS-Studie konnte zeigen, dass im Vergleich zu diesen Referenzdaten die Häufigkeit von Übergewicht und Adipositas um 50% zugenommen hatte [20]. Insbesondere mit Bezug auf die Erscheinungsformen einer veränderten Morbidität, das heißt der Verschiebung des Krankheitsspektrums von den akuten zu den chronischen und von den somatischen Krankheiten zu den psychischen Auffälligkeiten und Störungen [21], fanden die Ergebnisse der KiGGS-Studie große Resonanz. So wurde festgestellt, dass die Lebenszeitprävalenz für mindestens eine atopische Erkrankung bei 22,9% liegt. Mit Blick auf emotionale und Verhaltensauffälligkeiten und psychische Störungen konnte gezeigt werden, dass ca. 15% der Kinder und Jugendlichen von drei bis 17 Jahren einer Risikogruppe angehören [22], dass bei ca. 5% von ihnen bereits eine Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung diagnostiziert wurde [23] und dass bei etwa jedem fünften Jugendlichen im Alter von elf bis 17 Jahren Symptome von Essstörungen vorliegen [24]. Alle Ergebnisse der deskriptiven Basisauswertung stratifiziert nach soziodemografischen, geografischen Variablen (Sozialstatus, Migrationshintergrund, Ost/West, Gemeindegröße) wurden in einer Doppelausgabe des Bundesgesundheitsblatts vom Mai/Juni 2007 veröffentlicht. Alle Beiträge können als pdf-Dateien von der Studien-Website (http://www.kiggs.de) kostenlos heruntergeladen werden.

Erste Ergebnisse der KiGGS Welle 1 werden voraussichtlich im zweiten Quartal 2013 veröffentlicht. Die zu erwartenden Daten sind insbesondere mit Blick auf gesundheitliche Trends und ihre potenzielle ätiologische Bedeutung von einem hohen gesundheits- und forschungspolitischen Interesse. So wird es zum Beispiel eine gesundheitspolitisch bedeutsame Frage sein, ob Übergewicht und Adipositas bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zum zweiten Erhebungszeitpunkt weiter zugenommen haben oder ob sie auf dem Niveau der KiGGS-Basiserhebung stagnieren. Hierzu werden im Rahmen des Motorik-Moduls an einer Unterstichprobe erneut Körpermesswerte erhoben. Ebenfalls ist von Interesse, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Risikofaktoren, wie zum Beispiel Bewegungsmangel, passiver Medienkonsum oder ungünstige Ernährungsmuster, zum Zeitpunkt der KiGGS-Basiserhebung prädiktiv für Adipositas zum zweiten Messzeitpunkt sind. Adipositas ist aber nicht nur eine epidemiologisch wichtige Zielgröße, sondern ihrerseits auch Risikofaktor für Adipositas-assoziierte Krankheiten wie kardiovaskuläre Krankheiten oder Typ-II-Diabetes. In welchem Ausmaß Übergewicht und Adipositas zum ersten Messzeitpunkt mit dem Auftreten dieser Krankheiten verbunden ist, wird daher ebenfalls untersucht werden. Ebenfalls von Bedeutung ist die Entwicklung des Krankheitsgeschehens zum Beispiel auf dem Gebiet der atopischen Krankheiten. Hier wird unter anderem gefragt werden, inwieweit die Häufigkeit atopischer Krankheiten im Zu- oder Abnehmen begriffen ist. Mit den Daten der KiGGS Welle 1 können dabei sowohl Querschnittprävalenzen zu beiden Messzeitpunkten als auch Neuerkankungsraten (Inzidenzen) festgestellt werden.

In der öffentlichen Debatte wird häufig die Alltagswahrnehmung diskutiert, dass psychische Auffälligkeiten und Störungen bei Kindern und Jugendlichen stark zugenommen haben. Eine wichtige Fragestellung, die mithilfe der KiGGS Welle 1 erstmals auf bundesweit repräsentativer Datenbasis beantwortet werden kann, ist, ob sich derartige Wahrnehmungen empirisch bestätigen. Die KiGGS Welle 1 wird hierzu unter anderem Informationen über die Zu- oder Abnahme (oder ein Gleichbleiben) der Prävalenz diagnostizierter Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivtätsstörung (ADHS), über die Häufigkeit von emotionalen und Verhaltensproblemen, von Symptomen einer Essstörung, von Gewalterfahrungen, aber auch über die Verfügbarkeit personaler, familiärer und sozialer Ressourcen bieten. Von Interesse sind neben der Trendentwicklung aber auch die gesundheitlichen Verläufe bei bestimmten Probandengruppen der KiGGS-Basiserhebung, zum Beispiel bei Personen, bei denen emotionale Probleme, Verhaltensauffälligkeiten und/oder psychische Störungen festgestellt wurden. Der Prädiktionswert ausgewählter Risiko- und Schutzfaktoren sowie die potenziellen Auswirkungen von in der Basiserhebung festgestellten psychischen Auffälligkeiten zum Beispiel auf die Lebenszufriedenheit, den Schul- und Bildungserfolg, den Substanzkonsum, eine frühe Elternschaft oder auf die Beteiligung an Gewalthandlungen zum zweiten Messzeitpunkt können beschrieben werden

Über die genannten Beispiele hinaus bietet die KiGGS Welle 1 durch die konsequente Fortführung der Eckwerteerhebung der KiGGS-Basiserhebung auch die Möglichkeit der längsschnittlichen Bearbeitung einer Vielzahl von weiteren Themen und Fragestellungen (siehe dazu auch die Projektbeschreibung zur KiGGS Welle 1 [5]). So ergeben sich neue Aussagen beispielsweise zum Gesundheitsverhalten (Tabak- und Alkoholkonsum, Ernährung), zur Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheitssystems (zum Beispiel Inanspruchnahme von Fachärzten, Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen) sowie zu soziodemografischen und sozialen Aspekten der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen (soziale Lage, Einflüsse von Migration oder Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen).

Fazit

Die KiGGS Basiserhebung (2003 bis 2006) war die erste bundesweit repräsentative Querschnittuntersuchung zur Kinder- und Jugendgesundheit. Ziel dieses Befragungs- und Untersuchungssurveys war es, eine umfassende Bestandsaufnahme zum Gesundheitszustand und zum Gesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen im Alter von 0 bis 17 Jahren zu erhalten, gesundheitspolitisch relevante Problemlagen und ungleiche Verteilungen von Gesundheitschancen zu erkennen sowie Gesundheitsziele für das Kindes- und Jugendalter abzuleiten. Die Ermittlung von Ansatzpunkten für die Prävention und Gesundheitsförderung waren weitere Zielstellungen dieser Studie. Damit lag mit der KiGGS-Basiserhebung ein Datenbestand vor, der besonders durch die Fülle an unterschiedlichen gesundheitsrelevanten Informationen wertvolle epidemiologische Erkenntnisse geliefert hat. Seit Dezember 2009 sind die erhobenen Daten als „Public Use File“ freigegeben und werden von zahlreichen wissenschaftlichen Einrichtungen abgerufen. Weit über 100 wissenschaftliche Publikationen aus dem RKI wurden veröffentlicht und mehr als 50 Auswertungskooperationen mit wissenschaftlichen Einrichtungen abgeschlossen.

Stärken des KiGGS sind unter anderem seine große und bundesweit repräsentative Stichprobe, die die Anwendung von multivariaten statistischen Verfahren und eine hohe Verallgemeinerbarkeit der Studienergebnisse erlaubt. Darüber hinaus sind als Vorteile die umfassende Operationalisierung von Gesundheit in ihrer körperlichen, psychischen und sozialen Dimension in Anlehnung an den WHO-Gesundheitsbegriffs [25], die Einbeziehung salutogenetischer Faktoren [26] und die konjunkten Erhebungsdaten zu nennen, die die Berücksichtigung einer Vielzahl von Risiko- und Schutzfaktoren sowie erhebliche Stratifzierungsmöglichkeiten in der Datenanalyse erlauben. Andererseits stellen die durch die große Anzahl verfügbarer Variablen gegebene Komplexität des Datensatzes und die geclusterte Stichprobe auch hohe Anforderungen an die Formulierung von Forschungsfragen und die statistischen Auswertungsverfahren. Die ständigen Weiterentwicklungen von Erhebungsmethoden und der Fortschritt im wissenschaftlichen Erkenntnisprozess bleiben ebenfalls nicht ohne Auswirkungen auf die Studienplanung. So ist beispielsweise mit jeder Erhebungswelle nicht nur neu zu entscheiden, welche Themen fortgeführt werden oder gegebenenfalls auch neu einbezogen werden müssen, sondern auch, ob bereits eingesetzte, jedoch möglicherweise veraltete Erhebungsinstrumente zugunsten einer Vergleichbarkeit im Längsschnitt weitergeführt werden sollen oder ob die longitudinale Vergleichbarkeit zugunsten der Verwendung aktuellerer Messinstrumente eingeschränkt werden muss. Limitierend bei bevölkerungsbezogenen Repräsentativstudien, die eine Vielzahl recht unterschiedlicher inhaltlicher Fragestellungen und Erwartungen erfüllen müssen, ist sicher auch, dass einzelne Themen nur bis zu einer bestimmten inhaltlichen Tiefe untersucht werden können. Nicht zuletzt deshalb wurden gezielt Anschlussmöglichkeiten für inhaltlich vertiefende Modulstudien geschaffen.

Mit der Fortführung von KiGGS als Langzeitbeobachtung wird es möglich sein, neben erneuten Querschnittsaussagen gesundheitliche Entwicklungsverläufe bis in das Erwachsenenalter hinein zu beschreiben und zu analysieren. Die Datenerhebung erfolgt abwechselnd über reine Befragungs- beziehungsweise kombinierte Befragungs- und Untersuchungswellen. Dies sowie Untersuchungen zum Einfluss frühkindlicher Faktoren auf die Entwicklung von Krankheiten und die Analyse der Determinanten der gesundheitlichen Veränderungen über die Zeit werden dazu beitragen, die Ätiologie von Krankheiten und Gesundheitsstörungen besser zu verstehen. Die KiGGS-Kohorte schafft zudem Daten für eine umfassende und zukunftsorientierte (prospektive) Gesundheitsberichterstattung, für die epidemiologische Langzeitforschung und verfolgt in der KiGGS-Basiserhebung begonnene Forschungslinien hypothesengestützt weiter. Die Ergebnisse von KiGGS dienen der Evaluation von Gesundheitszielen sowie gesundheitspolitischen Maßnahmen und können die Grundlage für das Setzen gesundheitspolitischer Schwerpunkte sein. Auch die Daten der KiGGS Welle 1 werden als „Public Use File“ der Fachöffentlichkeit zur Verfügung stehen [5].