Hintergrund

Die im Jahr 2006 erstmalig veröffentlichte „S3-Leitlinie zur intensivmedizinischen Versorgung herzchirurgischer Patienten – Hämodynamisches Monitoring und Herz-Kreislauf“ ist im letzten Jahr einer Aktualisierung unterzogen worden und wurde im Januar 2018 veröffentlicht. Die sehr umfangreiche und ausführliche Leitlinie beschäftigt sich neben dem Basis-Monitoring und dem erweiterten hämodynamischen Monitoring bei Intensivpatienten auch mit den Fragen nach der Art der Volumentherapie sowie der Therapie mit vasoaktiven und inotropen Substanzen. Des Weiteren werden Behandlungsalgorithmen bei Auftreten eines akuten Rechts- bzw. Linksherzversagens beschrieben sowie auf die postoperativen Besonderheiten einzelner kardiochirurgischer Eingriffe eingegangen. Insgesamt soll die Leitlinie den Ärzten auf einer Intensivstation, die Patienten nach einem herzchirurgischen Eingriff behandeln, einen Leitfaden auf dem Boden der aktuellen Evidenz aufzeigen.

Bei der Erstellung der Leitlinie haben 22 Experten aus Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden mitgewirkt. Zunächst wurde eine systematische Literaturrecherche zu den einzelnen Themen durch 2 Reviewer durchgeführt. In einzelnen Arbeitsgruppen wurden die verschiedenen Themengebiete bearbeitet und die Schlüsselempfehlungen formuliert. In der neuen Fassung wurden insgesamt 44 Schlüsselempfehlungen zu den einzelnen Themen formuliert und in einem Konsensustreffen abgestimmt. Die den Schlüsselempfehlungen zugrunde liegende Literatur wurde nach den Kriterien des Oxford Centre for Evidence-based Medicine in ihrer Qualität bewertet. Die Stärke der Empfehlung berücksichtigt auch Aspekte wie Sicherheit und Praktikabilität.

Die Einstufung der LL-Empfehlungen in Empfehlungsgrade („grade of recommendation“, GoR) erfolgte modifiziert nach Pedersen und Møller ([29]; Tab. 1).

Tab. 1 Einstufung der LL-Empfehlungen in Empfehlungsgrade. (Nach Pedersen und Møller [29])

In dieser Übersicht wird speziell nur auf die wichtigsten Änderungen des Updates der Leitlinie eingegangen.

Basis-Monitoring

Zum Basis-Monitoring bei intensivmedizinischen Patienten gehört neben dem kontinuierlichen EKG auch eine regelmäßige Blutdruckmessung [10]. Während in der alten Version der Leitlinie klargestellt wurde, dass eine kontinuierliche invasive Blutdruckmessung obligat ist, sieht die neue Version der Leitlinie vor, dass zwar eine kontinuierliche invasive Blutdruckmessung nach kardiochirurgischen Eingriffen durchgeführt werden soll, um schnell Kreislaufveränderungen zu detektieren und regelmäßige arterielle Blutgasanalysen durchführen zu können, aber bei hämodynamisch stabilen Patienten, die kontinuierliche nichtinvasive Blutdruckmessung eine Alternative zur invasiven Messung darstellt und angewendet werden kann. In der Literatur gibt es mehrere monozentrische Untersuchungen, die eine akzeptable Übereinstimmung der nichtinvasiven kontinuierlichen Blutdruckmessung im Vergleich mit einer invasiven Blutdruckmessung bei verschiedenen Patientenkollektiven, u. a. auch an Intensivpatienten, zeigen konnten [35, 38]. Diese Empfehlung wurde jedoch aufgrund der noch niedrigen Evidenzlage (C) und der nicht näher untersuchten Limitationen, z. B. Patienten im Schock, mit Arrhythmien oder ausgeprägter Hypotonie, mit einem GoR von 0 bewertet.

Bei herzchirurgischen postoperativen Intensivpatienten spielt der ZVD – trotz Limitationen – beim Basis-Monitoring weiterhin eine große Rolle, im Vergleich zu beispielsweise anderen kritisch kranken Patienten [25]. Die Limitationen des ZVD in Bezug auf die Vorhersagekraft der Volumenreagibilität sind in mehreren Publikationen beschrieben worden [24], jedoch zeigen neuere Arbeiten, dass insbesondere die ZVD-Kurve im zeitlichen Verlauf dennoch wertvolle Informationen über den Volumenstatus, die rechtsventrikuläre Vorlast und Compliance liefern kann und der ZVD v. a. mit dem Outcome assoziiert ist [37, 39]. Demzufolge hat der ZVD bzw. die ZVD-Kurve in der aktualisierten Leitlinie wieder einen größeren Stellenwert bekommen. Nach Konsensusmeinung des Expertengremiums kann die ZVD-Kurve trotz der beschriebenen Limitationen – insbesondere im Verlauf – relevante Informationen über die Herz-Kreislauf-Funktion und prognostische Informationen liefern und soll deswegen kontinuierlich überwacht werden. Der absolute ZVD soll aber nicht als Parameter des Volumenstatus genutzt werden.

In den letzten Jahren haben mehrere Publikationen auf die Limitationen der (zentral-)venösen Sauerstoffsättigung (S(z)vO2) hingewiesen. So konnte gezeigt werden, dass sowohl eine zu niedrige wie auch eine erhöhte SvO2 mit einem schlechteren Outcome assoziiert sein kann [18, 28, 30]. Dennoch sollte die S(z)vO2 nach Aussage der Leitlinienexperten möglichst zeitnah nach Aufnahme auf die Intensivstation und bei Auftreten einer kardiopulmonalen Instabilität bestimmt werden. Weiterhin sollte zusätzlich zu SvO2/SzvO2 Lactat bestimmt werden, da eine normale oder erhöhte SvO2 nicht zum Ausschluss einer inadäquaten Sauerstoffversorgung der Gewebe genutzt werden kann [19, 21].

Erweitertes hämodynamisches Monitoring

Beim erweiterten hämodynamischen Monitoring wird zwischen der Echokardiographie, den verschiedenen Pulskonturverfahren und dem Pulmonaliskatheter (PAK) unterschieden.

Die Leitlinie empfiehlt, dass eine Echokardiographie – transthorakal und/oder – ösophageal – bei allen Patienten durchgeführt werden soll, die akute hämodynamische Störungen aufweisen und auf eine initiale Therapie nicht reagieren, um eine Diagnose zu sichern [2].

Weiterhin sollte nach Ansicht der Autoren der Leitlinie die Echokardiographie zum Therapie-Monitoring genutzt werden, da sie wertvolle qualitative Hinweise auf den Status von Hämodynamik und Herzzeitvolumen geben kann [5, 42]. Wichtig für den klinischen Alltag ist die Nachvollziehbarkeit solcher Untersuchungen im weiteren Verlauf, sodass eine adäquate Dokumentation der Untersuchung gefordert wird.

Aufgrund von mehreren Studien an verschiedenen Patientenkollektiven, die eine gute Vorhersagekraft dynamischer Kreislaufparameter wie Pulsdruckvariation und Schlagvolumenvariation hinsichtlich einer Volumenreagibilität zeigten, wurde die klinische Wertigkeit dieser Parameter unter Beachtung der Limitationen angehoben [11, 41].

Während der PAK in der letzten Fassung der Leitlinie nur sehr zurückhaltend empfohlen wurde, enthält die jetzige Fassung einige dezidierte Indikationen, bei denen er zum Therapie-Monitoring angewendet werden sollte. Dies ist der Fall bei:

  • Patienten mit präoperativer Rechtsherzdysfunktion,

  • Patienten mit einem Risiko für eine Rechtsherzdysfunktion und/oder pulmonalarterieller Hypertonie und zur Differenzierung der Ursache und Steuerung der Therapie eines schweren Low-cardiac-output-Syndroms (LCOS; [17]).

Zusammenfassend wurde von den Leitlinienautoren betont, dass ein erweitertes hämodynamisches Monitoring-Verfahren nur im Rahmen eines zielorientierten Behandlungskonzeptes angewendet werden soll [4, 13, 16].

Zielparameter der hämodynamischen Therapie

Wie auch in der letzten Version der Leitlinie werden Zielparameter der postoperativen hämodynamischen Therapie definiert. Es ergeben sich aufgrund von neuer Literatur einige Änderungen im Vergleich zur Vorversion. In Tab. 2 sind die Parameter aufgelistet.

Tab. 2 Zielparameter der hämodynamischen Therapie (Änderungen sind kursiv)

Volumentherapie

Die Frage nach der Art des Volumenersatzes – kristalloid vs. kolloidal und künstlich vs. natürlich – hat in den letzten Jahren zu vielen Diskussionen geführt. Aufgrund sehr heterogener Patientenprofile und operativer Prozeduren kann beim herzchirurgischen Patienten keine allgemeingültige Empfehlung zur bevorzugten Form des perioperativen Volumenersatzes (kristalloid und/oder kolloidal) ausgesprochen werden. Die Entscheidung und Menge der Volumensubstitution bei postoperativen kardiochirurgischen Patienten sollten jedoch anhand definierter Zielparameter erfolgen.

In der Leitlinie wird beschrieben, dass der Ausgleich einer Hypovolämie und eine hämodynamische Stabilisierung beim herzchirurgischen Patienten mit künstlichen Kolloiden vorgenommen werden können [3, 12, 20, 34]. In der Empfehlung mit einem GoR von 0 bei fehlender aussagekräftiger Evidenz im vorliegenden Patientenkollektiv wird darauf hingewiesen, dass behördliche Zulassungsbeschränkungen bei der Wahl der Therapeutika zu berücksichtigen sind. Dieser Hinweis ist insbesondere wichtig im Hinblick auf die derzeit geführte Diskussion um die Zulassung von Präparaten, die Hydroxyethylstärke enthalten.

Bezugnehmend auf die Querschnittsleitlinien der Bundesärztekammer (BÄK) zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten können der Ausgleich einer Hypovolämie und eine hämodynamische Stabilisierung beim herzchirurgischen Patienten mit Humanalbumin vorgenommen werden. Einschränkend wird festgestellt, dass dies jedoch nicht zum Ausgleich einer Hypovolämie bzw. zur hämodynamischen Stabilisierung eingesetzt werden soll, solange therapeutische Alternativen nicht ausgeschöpft wurden [1] (GoR A).

Behandlung der Linksherzinsuffizienz

Im Rahmen der intensivmedizinischen Behandlung von herzchirurgischen Patienten stellt die Linksherzinsuffizienz eine wichtige Komplikation dar, die für Morbidität und Letalität der Patienten mitentscheidend ist. Unabhängig von jeglichem verwendeten Monitoring wird in der Leitlinie deutlich dargestellt, dass die klinische Untersuchung des Patienten einen wichtigen Bestandteil in der Behandlung darstellt und nicht in den Hintergrund treten darf und daher mindestens 2‑mal täglich erfolgen soll.

In den letzten Jahren hat das seit Februar 2014 zur Behandlung einer akuten Herzinsuffizienz auch in Deutschland zugelassene Levosimendan an Bedeutung gewonnen. Sehr viele kleinere monozentrische Studien sowie alle Metaanalysen zeigten einen Outcome-Vorteil für Patienten, die Levosimendan erhielten [9, 23, 36]. Dieses Ergebnis konnte jedoch in 3 aktuell veröffentlichten Multizenterstudien nicht nachvollzogen werden [7, 22, 26]. Es zeigte sich hier kein signifikanter Vorteil in Bezug auf die Letalität bei intraoperativer prophylaktischer Gabe von Levosimendan oder bei intraoperativer/postoperativer Rescue-Therapie mit Levosimendan. Anzumerken ist jedoch, dass es erhebliche methodische Kritik an diesen Studien und den gewählten Endpunkten gab. Trotz dieser 3 Studien wird in der aktuellen Leitlinie empfohlen, dass Levosimendan zur Prävention hämodynamischer Komplikationen bei Patienten mit hochgradig eingeschränkter LVEF und bei Patienten mit bestehendem LCOS eingesetzt werden sollte (GoR B). Die Leitlinienautoren gaben diese Empfehlung aufgrund der Tatsache, dass Levosimendan auch unter Einschluss der genannten letzten 3 Studien in den aktuellsten Metaanalysen weiterhin die einzige positiv-inotrope Substanz ist, für die ein Letalitätsvorteil beschrieben ist [6, 32, 33]. Weiterhin zeigte sich auch in einer aktuellen Subgruppenanalyse der LEVO-CTS-Studie, bei der nur die Patienten mit isoliertem CABG untersucht wurden, ein signifikanter und erheblicher Überlebensvorteil in der Levosimendangruppe [14].

Während Noradrenalin in der letzten Version als einziger Vasopressor empfohlen wurde, wurde diese Empfehlung in der aktuellen Version um Vasopressin erweitert. Gründe hierfür sahen die Leitlinienautoren in den aktuellen Metaanalysen zu Vasopressin [27, 31] sowie in den VANCS-Studie [15], die eine signifikante Reduktion an postoperativem akutem Nierenversagen (AKI) bei herzchirurgischen Patienten in der Vasopressingruppe beschrieben hatte.

Behandlung der Rechtsherzinsuffizienz

Die Diagnose und Therapie einer rechtsventrikulären Dysfunktion bzw. eines Rechtsherzversagens stellen die behandelnden Ärzte oft vor große Hindernisse. Die Therapie sollte auf den folgenden 3 Pfeilern beruhen: der Aufrechterhaltung eines adäquaten koronaren Perfusionsdrucks, einer Reduktion eines erhöhten pulmonalvaskulären Widerstands sowie der Verbesserung der rechtsventrikulären Kontraktilität [8]. Zusätzlich sollte eine adäquate Vorlast sichergestellt werden [40]. Bei unzureichendem Perfusionsdruck sollten Vasopressoren eingesetzt werden. Aufgrund der einschlägigen Literatur kann dies mit Noradrenalin und/oder auch mit Vasopressin erfolgen. Zusätzlich kann Vasopressin bei schwerer pulmonal-arterieller Hypertonie und drohendem Rechtsherzsagen zur Verbesserung des PVR/SVR-Verhältnisses führen und alternativ zum Noradrenalin eingesetzt werden. Aufgrund unzureichender Literatur in Bezug auf das Vasopressin ist diese Empfehlung eine Expertenempfehlung, und es besteht hier sicher weiterer Forschungsbedarf.

Fazit

Die Autoren dieser komplett überarbeiteten Version der Leitlinie haben nach akribischer Bewertung und Diskussion der neuen Literatur sowie externem Peer Review mithilfe der AWMF zahlreiche aktualisierte Empfehlungen und evidenzbasierte Behandlungsalgorithmen vorgelegt. In vielen Punkten musste allerdings auch festgestellt werden, dass es für den postoperativen herzchirurgischen Patienten Evidenz nicht in der gewünschten Form und Qualität gibt, sodass hieraus Empfehlungen als Expertenkonsens oder mit niedrigem Grad resultierten. Auch hier wird dies in der vorliegenden Langfassung dem geneigten Leser entsprechend vorgestellt, sodass dieser sich in Bezug auf die von ihm behandelten Patienten ein eigenes Bild von der idealen Behandlungsstrategie machen kann. Auch wenn nicht jeder Leser mit jeder Empfehlung zu 100 % konform gehen wird, so ist es doch ganz sicher wieder gelungen, einen gemeinsamen Standard der DGAI und DGTHG unter Einbeziehung der DIVI und der DGF zur Behandlung dieser fordernden Patienten nach herzchirurgischen Eingriffen zu schaffen, sodass jeder Leser, der diese Patienten behandelt, Freude an der Lektüre der Leitlinie haben sollte.