Im Schockraum zentraler Notaufnahmen (ZNA) kommt neben schwer traumatisierten Patienten auch eine Vielzahl von nichttraumatologisch kritisch kranken Patienten zur Aufnahme. Zur optimalen Patientenversorgung muss den Anforderungen an Organisation, Personal und Struktur in der ZNA Rechnung getragen werden. Während verlässliche Zahlen zum Traumamanagement durch zahlreiche Studien und das TraumaRegister der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (TraumaRegisterDGU®, http://www.traumaregister.de) fast flächendeckend zur Verfügung stehen, bestehen kaum Daten zur Versorgung nichttraumatologischer Schockraumpatienten in Deutschland.

Zentrale Notaufnahme als initialer Aufnahmepunkt in einem Krankenhaus

Zentrale Notaufnahmen sind die Nahtstelle zwischen prähospitaler und innerklinischer Versorgung [1]. Die gute und erfolgreiche prähospitale Versorgung muss innerklinisch nahtlos fortgesetzt werden. Daher kommt der ZNA bei der Übernahme der Patienten in den innerklinischen Kontext eine besondere Rolle zu [1]. Gerade vor diesem Hintergrund müssen in einer ZNA logistische, materielle und personelle Ressourcen vorgehalten werden, um die erfolgreiche innerklinische Initialversorgung zu gewährleisten [6]. Hierunter fallen die Berücksichtigung des kritischen Faktors „Zeit“, die Etablierung einer geeigneten Behandlungseinrichtung unter Beachtung von baulichen Grundvoraussetzungen und Ausstattungsmerkmalen, die Verfügbarkeit bildgebender Diagnostik, die Etablierung von Algorithmen und Behandlungspfaden sowie die Koordination und Abstimmung der Übergabe an die weiterversorgenden Behandlungseinheiten. Des Weiteren muss eine adäquate Qualifikation sowohl des ärztlichen als auch des pflegerischen Personals für die Behandlung kritisch kranker bzw. schwer verletzter Patienten gewährleistet sein.

Im vorliegenden Übersichtsbeitrag werden Parallelen zwischen der initialen Traumaversorgung und der Schockraumversorgung nichttraumatologisch kritisch kranker Patienten gezogen, und die initiale Herangehensweise bei kritisch kranken Patienten im Schockraum wird detailliert dargelegt.

Patientenspektrum

Neben schwer traumatisierten Patienten können alle kritisch kranken Patienten in einer ZNA zur Aufnahme kommen. Dabei muss insbesondere mit den unterschiedlichsten Ursachen für Atemwegs-, Atmungs-/Beatmungs-, Kreislauf- und Bewusstseinsstörungen gerechnet werden (Abb. 1).

Abb. 1
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Patientenkollektiv „kritisch kranker Patient“ im Akutversorgungsbereich einer zentralen Notaufnahme. aEinzelne Erkrankungen können auch mehrere Probleme des „ABCDE“-Schemas hervorrufen. COPD „chronic obstructive pulmonary disease“ (chronisch obstruktive Lungenerkrankung), HWS Halswirbelsäule.(Modifiziert nach [20, 21])

Untersuchungen am eigenen Patientengut der ZNA der Klinik der Autoren mit rund 33.000 Patientenkontakten/Jahr haben gezeigt, dass 65 % der Patienten mit einem nichttraumatologischen Leitsymptom (neurologisch/psychiatrisch: 22 %, kardiorespiratorisch: 21 %, gastrointestinal: 17 %) zur Vorstellung kommen. Unmittelbar vitalbedroht und im weiteren Verlauf nach notfallmedizinischer Akutversorgung auf eine Intensivstation aufgenommen werden mussten 11,2 % dieser Patienten. Diese Ergebnisse unterstreichen den Stellenwert von Algorithmen und eines strukturierten sowie organisierten Schockraummanagements auch für nichttraumatologisch kritisch kranke Patienten.

Im Gegensatz zu traumatologischen Patienten, bei denen gemäß des „Ursache-Wirkung“-Prinzips häufig bestimmte Verletzungsmuster im Zusammenhang mit bestimmten Unfallkonstellationen antizipiert werden müssen, zeichnet sich der nichttraumatologische Patient oft durch eine komplexe Symptomkonstellation aus, die nicht direkt Aufschluss über die zugrunde liegende Erkrankung gibt. Ähnlich einer „black box“ gilt es nach Zusammenschau der anamnestisch, klinisch sowie apparativ erhobenen Befunde die Arbeitsdiagnose zu stellen und neben der Stabilisierung der Vitalfunktionen das zugrunde liegende Problem adäquat zu behandeln.

Vor dem Hintergrund eines im Vergleich zum bestehenden TraumaRegister DGU® nichtverfügbaren nationalen Registers für die Aufnahme kritisch kranker Patienten in ZNA stehen zu dieser Fragestellung kaum epidemiologische Daten für Deutschland zur Verfügung. Eine Möglichkeit der Datenakquise besteht zukünftig zumindest teilweise durch Nutzung des Reanimationsregisters der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI), in dem seit Anfang 2013 neben innerklinischen Reanimationen auch innerklinische Notfallbehandlungen dokumentiert werden sollen [12]. Darüber hinaus befindet sich ein Notaufnahmeregister der Deutschen Gesellschaft für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) in Planung; auch hieraus könnten zukünftig flächendeckende Daten für die Schockraumversorgung nichttraumatologisch kritisch kranker Patienten in Deutschland rekrutiert werden.

Logistische und strukturelle Aspekte

Während für die Versorgung von schwer traumatisierten Patienten über eine Initiative der DGU einerseits durch die bekannte S3-Leitlinie „Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung“ [21], andererseits durch die Etablierung des DGU-Traumanetzwerks (http://www.dgu-traumanetzwerk.de) Anmelde- und Aufnahmekriterien detailliert beschrieben sind, finden sich diese für nichttraumatologisch kritisch kranke Patienten nicht in vergleichbarer Art und Weise. Jedoch können über die Vorgaben der Fachgesellschaften hinsichtlich der Arbeitsplatzbeschreibung (z. B. DGAI) und der bekannten Vorgaben aus dem DGU-Weißbuch entsprechende Parallelen bezüglich struktureller und ausstattungstechnischer Aspekte gezogen werden [9, 10, 11]. So sollten Bereiche eines Klinikums, in denen kritisch kranke Patienten zur Aufnahme kommen, die in Tab. 1 aufgeführten Ausstattungsmerkmale beinhalten. Eine Auflistung der Ausstattung – als Vorschlag zur Einrichtung eines interdisziplinär genutzten Schockraums in einer ZNA – findet sich auf der Homepage der DGAI (http://www.dgai.de/aktuelles/SR-Ausstattung_Klinikum_Fulda.pdf).

Tab. 1 Ausstattungsmerkmale für den Akutversorgungsbereich kritisch kranker Patienten in zentralen Notaufnahmen. (Modifiziert nach [11])

Neben definierten Schockräumen sollte ein räumlich nahegelegener Überwachungsbereich in einer ZNA etabliert sein, um nach erfolgter Schockraumversorgung und Stabilisierung den nichttraumatologisch kritisch kranken Patienten weiterversorgen zu können, bis ein Intensivstationsbett im Haus zur Verfügung steht, ohne hier parallel die Schockraumversorgungskapazität zu reduzieren oder zu blockieren. Teilweise können so sogar initial zunächst intensivpflichtige Patienten so weit stabilisiert werden, dass nachfolgend die Behandlung auf einer Normalstation möglich ist [3, 4]. Durch Umsetzung entsprechender Konzepte können Transportrisiken reduziert und unnötige Übergaben vermieden werden [4]. Diese „Pufferfunktion“ des Überwachungsbereichs einer ZNA hat darüber hinaus auch Vorteile für die Intensivstation und das gesamte Krankenhaus: Es können eine bessere Auslastung der Intensivstation erreicht und nächtlichen Verlegungen von der Intensivstation auf eine Normalstation zur Schaffung freier Intensivkapazität reduziert werden [6].

Aufnahmekritierien

Welcher Patient gehört denn nun in den Schockraum? Hier hat wiederum die DGU durch die S3-Leitlinie „Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung“ [21] und das Weißbuch Schwerverletztenversorgung gute Vorgaben für Traumapatienten vorgelegt. In Anlehnung hieran lassen sich diese ebenfalls für vermutete nichttraumatologisch kritisch kranke Patienten aufführen (Tab. 2). Insbesondere Patienten mit Störungen des Atemwegs (z. B. starke Zungenschwellung), der Atmung (z. B. respiratorische Insuffizienz), des Kreislaufs (z. B. kardiogener Schock, kreislaufrelevante gastrointestinale Blutung) oder sonstigen relevanten Störungen (z. B. Bewusstseinsstörung unklarer Ursache), die unmittelbar eine gezielte intensivmedizinische Versorgung notwendig machen, sollten in den Schockraum aufgenommen werden. Eine aktuelle wissenschaftliche Arbeit konnte zeigen, dass die Direktzuweisung zu einer Fachabteilung im Krankenhaus vor dem Hintergrund der noch nicht verifizierten Diagnose mit relevanten Zeitverzögerungen einhergehen kann [8]. Hieraus lässt sich ableiten, dass auch nichttraumatologisch kritisch kranke Patienten nicht unmittelbar einer Intensivstation zugewiesen werden sollten, sondern zunächst in der ZNA diagnostiziert, therapiert und erst nach Diagnosesicherung weiterverlegt werden sollten. Die ZNA hat hier einen relevanten Anteil in der Gesamtversorgung als Nahtstelle zwischen der präklinischen Situation und der Klinik.

Tab. 2 Aufnahmeindikation kritisch kranker Patienten in den Akutversorgungsbereich einer zentralen Notaufnahme. (Modifiziert nach [11, 21])

Um zeitgerecht diesen spezialisiert ausgestatteten Akutversorgungsbereich in einer ZNA noch vor Ankunft des Patienten einsatzbereit zu halten, hat sich die Einführung von Anmelde- und Übergabekonzepten als günstig erwiesen. Vorteile bieten hierbei eine strukturierte und standardisierte Anmeldung im Sinne einer kurzen Abfrage ggf. auch unter Zuhilfenahme von Checklisten. Hierbei erfolgt die kurze telefonische Anmeldung durch den Rettungs- und Notarztdienst beim Notfallkoordinator der ZNA, der die wesentlichen pathologischen Befunde/Störungen und die notärztlich oder rettungsdienstliche Verdachtsdiagnose erfasst. Ein ZNA-Arzt-Notarzt-Gespräch kann bei Bedarf vermittelt werden. Stellt sich bei der Anmeldung die Notwendigkeit der Aufnahme in den Schockraum heraus, wird der Schockraum vorbereitet und das notwendige pflegerische sowie ärztliche Personal informiert (Abb. 2). Ein entsprechendes Vorgehen ermöglicht es, die strukturellen, organisatorischen und personellen Ressourcen einer ZNA und eines Klinikums optimal einzusetzen.

Abb. 2
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Checkliste zur Vorbereitung einer Schockraumversorgung in der zentralen Notaufnahme/Notaufnahmestation des Universitätsklinikums Leipzig AöR. (Mit freundlicher Genehmigung)

Schockraumteam

Das „Basisschockraumteam“ für nichttraumatologisch kritisch kranke Patienten setzt sich aus Sicht der Autoren aus mindestens einem Assistenz- und einem Facharzt (Oberarzt) und 2 Pflegekräften der ZNA zusammen. Mindestens ein Arzt sollte über fundierte notfall- und intensivmedizinische Kenntnisse verfügen. Prinzipiell ist eine stattgehabte notfall- sowie intensivmedizinische Aus- und Weiterbildung sowohl des ärztlichen als auch des Pflegepersonals wünschenswert [3]. Dabei sind Kenntnisse zur Behandlung von Störungen des Atemwegs (z. B. Atemwegsmanagement), der Atmung/Beatmung (z. B. Beatmung mithilfe des Notfall- und Intensivrespirators) und des Kreislaufs (z. B. Katecholamin- und Herzrhythmustherapie) absolut notwendig. Gerade vor dem Hintergrund, dass nach der Stabilisierung der Vitalfunktionen eine weiterführende Diagnostik [z. B. Sonographie, Echokardiographie, kraniale Computertomographie (CCT), Thorax- oder Abdomen-CT] bei einer Vielzahl der kritisch kranken Patienten stattfindet oder aber ein (längeres) Zeitintervall bis zur Verfügbarkeit eines freien Intensivstationbetts zu überbrücken ist [13], muss entsprechende intensivmedizinische Kompetenz in der ZNA vorgehalten werden [3]. Vor dem Hintergrund der bei der Bundesärztekammer im Rahmen der Novellierung der Musterweiterbildung durch die DIVI zwar beantragten, allerdings aktuell noch fehlenden „Zusatzweiterbildung Notaufnahme“ erscheint hierzu heute die Zusatzbezeichnung „Intensivmedizin“ als entsprechende Qualifikationsvoraussetzung geeignet [14].

Im Rahmen des Schockraummanagements nichttraumatologischer kritisch kranker Patienten ist es wichtig, wesentliche Hinweise auf die richtige Diagnose nicht zu übersehen („missed diagnoses“ bzw. „missed injuries“, [2, 17, 18]). Gerade deswegen ist es im initialen Schockraummanagement essenziell, bestehende Fixationsfehler aus der präklinischen Situtation nicht in das innerklinische Setting zu übernehmen. Daher gehören außer den Fähigkeiten des aufnehmenden Arztes in der ZNA auch Kenntnisse im Umgang mit schwer verletzten und nichttraumatologisch kritisch kranken Patienten zu den Qualifikationen der Teamführung.

Neben der Behandlung der Vitalbedrohung ist es Aufgabe des Teams einer ZNA, die weiterbehandelnden Fachabteilungen frühzeitig in das interdisziplinäre Team zu involvieren und das weitere Vorgehen abzustimmen. Auch hier kann eine Parallele zur S3-Leitlinie „Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung“ [21] gezogen werden, denn jede Klinik ist verpflichtet, im „erweiterten Schockraumteam“ die spezielle Fachexpertise bei Bedarf in die Schockraumversorgung zu integrieren (z. B. Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, Neurochirurgie, [21]). Aus Sicht der Autoren gehören zum „erweiterten Schockraumteam“ bei nichttraumatologisch kritisch kranken Patienten – je nach Krankenhausstruktur – Kardiologie/Angiologie, Gastroenterologie, Neurologie und Neurochirurgie. In Krankenhäusern, in denen die entsprechenden Fachrichtungen nicht vorgehalten werden, bzw. in interdisziplinärer Absprache mit den vorhandenen Fachabteilungen kann die ZNA verschiedene Versorgungsaufgaben auch stellvertretend übernehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bestimmte Interventionen fachspezifisch erfolgen müssen und dass bereits bei Zuführung von Notfallpatienten durch den Rettungsdienst die tatsächlich vorgehaltenen Interventionsmöglichkeiten darüber entscheiden, ob eine mögliche Zielklinik geeignet ist oder eben nicht [1].

Ausbildungskonzepte

Während bereits seit Jahrzehnten strukturierte, einheitliche und verbindliche Ausbildungskonzepte für das innerklinische Traumamanagement bestehen, existieren diese für das nichttraumatologische Schockraummanagement kritisch kranker Patienten nur eingeschränkt. Einzig für das Vorgehen bei Patienten unter kardiopulmonaler Reanimation bestehen verbindliche Ausbildungskonzepte für ärztliches und nichtärztliches Personal durch die Advanced-Life-Support(ALS®)-Kurse des European Resuscitation Council (ERC) und die Advanced-Cardiac-Life-Support(ACLS®)-Kurse der American Heart Association (AHA). Diese Ausbildungskonzepte decken aber bei Weitem nicht die vielfältigen Probleme kritisch kranker Patienten im Schockraum einer ZNA ab. Einerseits durch die breite Vielfalt der Problemkonstellationen kritisch kranker Patienten, andererseits durch die Vielzahl und Unterschiedlichkeit der bisherigen Versorgungskonzepte kann hier keine Generalisierbarkeit der Versorgungsstrukturen erfolgen. Trotzdem lässt sich – in einer ersten Annäherung – das für das Trauma eingeführte „ABCDE“-Schema aus Sicht der Autoren sehr gut auch auf das Management nichttraumatologischer kritisch kranker Patienten übertragen. Vorteile entsprechender Ausbildungskonzepte liegen in der Einheitlichkeit und der Verständlichkeit „einer gemeinsamen Sprache“ für ärztliches und pflegerisches Personal [15]. Vor diesem Hintergrund wäre es sinnvoll, ein Advanced-Critical-Ill-Life-Support(ACILS®)-Konzept, in das bestehende Inhalte des Advanced Trauma Life Support (ATLS®), European Trauma Course (ETC®) und Advanced Cardiac Life Support (ACLS®) einfließen könnten, zu entwickeln.

Parallelen zum „ABCDE“

Legt man das „ABCDE“-Schema des ATLS®/ETC® zugrunde, lässt sich bei allen eintreffenden Patienten eine initiale Versorgungsstruktur im Schockraum umsetzen. Vor Ankunft des Patienten im Schockraum müssen standardgemäß alle Gerätschaften auf Einsatzbereitschaft überprüft und das initiale Vorgehen im Team besprochen („briefing“) werden (Abb. 2). Die initiale Abarbeitung der Prioritäten erfolgt dann nach Prüfung einer vorliegenden Gefahrenlage für das Team (z. B. Kontamination) und unter Berücksichtigung des Eigenschutzes (z. B. Tragen von Schutzbrille und Schutzkleidung).

A: „airway“

Kritische kranke Patienten sind primär durch eine Sauerstoffunterversorgung gefährdet. Daher gehören die initiale Sichtung und Prüfung eines freien Atemwegs (ATLS: „Airway maintenance with cervical spine protection“, ETC: „Airway“) zu den Aufgaben des Schockraumteams. Entsprechende Störungen, z. B. durch Verlegung des Atemwegs (z. B. zurückfallende Zunge bei Bewusstseinsstörung, Zungenschwellung mit Verlegung des Mund-Rachen-Raums) müssen primär angegangen werden. An dieser Stelle wird auf die DGAI-Empfehlung zum Atemwegsmanagement hingewiesen, die auch in der frühen innerklinischen Versorgungsphase eine wichtige Hilfestellung bieten kann [24]. Nicht selten finden sich bei Patienten mit nichttraumatologischen, aber kritischen Erkrankungen (z. B. quantitative Bewusstlosigkeit oder kardiogener Schock) weitere Traumata (z. B. Stürze), die ebenfalls der diagnostischen Abklärung bedürfen, um nicht wesentliche zusätzliche Erkrankungen zu übersehen. Daher fällt in diesen Versorgungsabschnitt auch die Evaluierung eines potenziellen Traumas der Halswirbelsäule bzw. des Schädels, sodass bei vermeintlich kritisch kranken Patienten mit dem Hinweis auf eine potenzielle Traumafolge die Immobilisation der Halswirbelsäule und die anschließende kraniozervikale Abklärung durchzuführen ist.

B: „breathing“

Im Anschluss an den Atemweg schließen sich die Prüfung der Atmung (z. B. Atemmechanik, Pulsoxymetrie) und bei Patienten nach prähospitaler Atemwegssicherung auch die Prüfung der korrekten Lage von Endotrachealtubus und ggf. Atemwegshilfen (z. B. Larynxtubus, Larynxmaske) an (ATLS: „Breathing and ventilation“, ETC: „Breathing“). Dabei wird nicht nur die Oxygenierung des Patienten überprüft, sondern auch eine effektive Ventilation und damit Kohlenstoffdioxid(CO2)-Elimination. Durch die Auskultation können Atemnebengeräusche und auch abgeschwächte Atemgeräusche (z. B. Pneumothorax, Pleuraerguss) eruiert werden. Bei beatmeten Patienten wird in dieser Versorgungsphase obligatorisch die Ventilation mithilfe der Kapnographie überwacht. Bei apnoeischen bzw. hypopnoeischen Patienten ist die unmittelbare Sicherung des Atemwegs dringlich notwendig.

C: „circulation“

Nach Prüfung des Atemwegs und der Atmung/Beatmung/Ventilation schließt sich die Überprüfung des Kreislaufs an (ATLS: „Circulation with hemorrhage control“, ETC: „Circulation“). Neben Bestimmung der Herzfrequenz, des Herzrhythmus (Elektrokardiogramm, EKG) und des nichtinvasiven Blutdrucks zählen zur Versorgungsphase auch die obligate Anfertigung eines 12-Kanal-EKG sowie dessen unmittelbare Interpretation. Eine Kreislaufdepression muss unmittelbar behandelt (z. B. Behandlung der auslösenden Ursache, Volumentherapie, Katecholamine) und ggf. eine invasive Blutdruckmessung etabliert werden. Die Anlage eines zentralen Venenkatheters in dieser Phase halten die Autoren in den meisten Fällen auch unter dem Aspekt der Zeit für nichtzielführend; diese sollte Einzelfällen vorbehalten bleiben. Darüber hinaus kann bei rhythmogener Ursache der Kreislaufinsuffizienz die Verwendung eines Defibrillators bzw. Schrittmachers notwendig werden.

D: „disability“

Anschließend gehören die Überprüfung der Bewusstseinslage und die Betrachtung der Pupillenfunktion zum initialen Management (ATLS: „Disability and neurological status“, ETC: „Disability and neurological assessment“). Eine Störung der Bewusstseinslage kann vielfältige Ursachen haben und außer einfach zu behandelnden Problemkonstellationen (z. B. Hypoglykämie) relevante weitere diagnostische bzw. therapeutische Maßnahmen nach sich ziehen (z. B. CCT, Bestimmung des Ammoniakspiegels bei Verdacht auf hepatische Enzephalopathie).

E: „environement“

In der abschließenden initialen Versorgungsphase gehört die Prüfung der Patientenumgebung, einschließlich der Entkleidung des Patienten und Betrachtung des Integuments (auch Rückenansicht „log-roll“, Inspektion „von Locke bis Socke“) und der Bestimmung der Körpertemperatur (Cave: Hypothermie, daher Verwendung geeigneter Thermometer und geeignetes Temperaturmanagement: milde therapeutische Hypothermie nach kardiopulmonaler Reanimation vs. wärmeerhaltende Maßnahmen bei akzidenteller Hypothermie) zum Arbeitsablauf (ATLS: „Exposure and environement control“, ETC: „Exposure“). Darüber hinaus gilt es Vorerkrankungen, Vormedikation, Allergien, letzte Nahrungsaufnahme und weitere Situationsbeschreibungen (z. B. üblicher Aufenthaltsort, Palliativversorgung) in Erfahrung zu bringen.

Übergabehygiene und Anamnese

In der klinischen Praxis sind die ruhige, sachliche und konzentrierte Übergabe und Übernahme im Schockraum wesentliche Voraussetzungen für die Informationsweitergabe und helfen, Informationsverluste zu vermeiden. Zunächst wird die kurze, prägnante, laut durch den Notarzt vorgetragene und an alle Mitarbeiter des pflegerischen sowie ärztlichen Teams gerichtete Übergabe abgewartet, bevor Umlagerungsmaßnahmen ergriffen werden. Ausnahmen bilden Patienten unter kardiopulmonaler Reanimation und solche, die im prähospitalen Setting nicht zu stabilisieren sind (z. B. klares A-Problem). Hier erfolgen immer die sofortige Umlagerung und Fortsetzung der Reanimationsmaßnahmen bzw. der Ausschluss einer akuten Lebensbedrohung durch das Schockraumteam, und die Übergabe wird nachgeholt.

Es liegt in der menschlichen Natur, sofort „Hand anzulegen“, aber im Sinne des kritisch kranken Patienten sollten zunächst die wichtigen Informationen des Notarztes gehört und im weiteren Verlauf berücksichtigt werden. Häufig ergeben sich hierdurch für das weitere Vorgehen entscheidende Informationen, die den Ablauf im Schockraum maßgeblich beeinflussen können. Zu den relevanten und vom Notarzt zu übergebenden Informationen gehören außer der Anamnese („Wer“, „Was“, „Wann“, „Wieso“, „Wie lange“) auch die Übermittlung von Angehörigenkontaktdaten (z. B. bei aphasischen Patienten mit Schlaganfall), Angaben zum zuletzt behandelnden Hausarzt, der Medikamentenplan (ggf. einschließlich Tabletten-Blister) und eine ggf. vorliegende Patientenverfügung. Gerade die Letztgenannte nimmt eine immer größere Bedeutung bei Schockraumaufnahmen von geriatrischen und multimorbiden Patienten ein. Von besonderer Bedeutung erscheint dies bei kritisch kranken Patienten mit langer Krankenvorgeschichte und bestehender Patientenverfügung, die sich an einem vorangegangenen Zeitpunkt gegen intensivmedizinische Maßnahmen entschieden haben. Diese wesentliche Information sollte zum Zeitpunkt der Schockraumaufnahme bekannt sein bzw. erruiert werden, um unnötige Diagnostik und Therapie entgegen des Patientenwillens zu vermeiden und die selbstbestimmte Entscheidung des Patienten zu achten, aber auch eine nichtgewünschte unnötige Ressourcenbindung zu vermeiden. Blinder Aktionismus kann hier also dem eigentlichen Patientenwillen entgegenlaufen und damit kontraproduktiv sein. Nicht zuletzt deshalb kommt der von Notarzt und Rettungsdienst übermittelten Anamnese ein bedeutender Stellenwert zu.

Zuletzt ist der Schockraum nicht die geeignete Lokalisation, um vermeintliche prähospitale Versorgungsdefizite zu diskutieren. Dies kann anschließend im Rahmen des „debriefing“ oder auch in strukturierten sowie gemeinschaftlichen Fallkonferenzen erfolgen. Vorgefundene prähospitale Versorgungsdefizite werden umgehend während der Schockraumphase aufgehoben und entsprechende Maßnahmen ergriffen (z. B. Initiierung einer milden therapeutischen Hypothermie nach erfolgreicher kardiopulmonaler Reanimation).

Weiteres Vorgehen

Nach Überprüfung der tatsächlich vorliegenden Vitalgefährdung durch das „ABCDE“-Schema müssen leitsymptomorientiert weitere diagnostische und therapeutische Maßnahmen ergriffen werden. Hierzu gehören:

  • Gewinnung weiterer diagnostischer Materialien [z. B. Urin für toxikologisches Screening, Blutprobe für Alkohol- und Ammoniakspiegelbestimmung sowie Blutkultur (2–3 Pärchen), Liquor für entsprechende Untersuchungen],

  • Durchführung einer gezielten und standardisierten (d. h. im Vorfeld mit den weiterversorgenden Fachrichtungen abgestimmte) laborchemischen Analyse mithilfe definierter Laborprofile (Abb. 3),

  • Initiierung der weiteren Bildgebung [je nach Leitsymptom: Sonographie des Abdomens, des Herzens und der Pleuraräume, konventionelle Röntgendiagnostik (z. B. Thoraxröntgen) bzw. schnittbildgebende Verfahren (z. B. CCT, CT-Thorax, CT-Abdomen)],

  • primär pflegerische Basismaßnahmen (z. B. Anlage eines Blasenkatheters mit Temperaturmessung),

  • Initiierung und Fortführung einer leitliniengerechten Therapie (z. B. milde therapeutische Hypothermie bei Patienten nach stattgehabter präklinischer oder innerklinischer erfolgreicher kardiopulmonaler Reanimation (Abb. 4).

Abb. 3
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Laborprofile der zentralen Notaufnahme/Notaufnahmestation des Universitätsklinikums Leipzig AöR. (Mit freundlicher Genehmigung)

Abb. 4
figure 4

„Standard operation procedure“ (SOP) für die Postreanimationsphase der zentralen Notaufnahme/Notaufnahmestation des Universitätsklinikums Leipzig AöR. ROSC „return of spontaneous circulation“. (Mit freundlicher Genehmigung)

Versorgungskonzepte

Zu den Aufgaben einer ZNA gehören die Sichtung und Ersteinschätzung der eintreffenden Patienten, die Erstellung einer Arbeitsdiagnose bzw. die Bestätigung einer prähospitalen Verdachtsdiagnose, die Organisation und Einleitung der entsprechenden Initialtherapie sowie die Durchführung von definierten Diagnostik- und Maßnahmenbündeln vor Aufnahme des Patienten auf eine spezifische weiterbehandelnde Station [6].

Bekannterweise führt die Etablierung von Schockraumalgorithmen (für die Versorgung von schwer verletzten Patienten) zu einer Zeitersparnis in der Versorgung und kann insbesondere bei den besonders schwer traumatisierten Patienten die Letalität reduzieren [7]. Hier sind Parallelen zu kritisch kranken Patienten zu vermuten – aufgrund der eingeschränkten Datenlage bislang aber nur für ausgewählte Krankheitsbilder (z. B. Sepsis [19], Schlaganfall [23], ST-Strecken-Hebungsinfarkt und kardiogener Schock [26]) nachgewiesen.

Nach initialer Stabilisierung gemäß dem „ABCDE“-Schema ist eine leitsymptomorientierte, jedoch ganzheitliche Versorgungsstrategie erforderlich, die der häufig zugrunde liegenden Multimorbidität nichttraumatologischer kritisch kranker Patienten gerecht wird. Hierin liegt nach Sicht der Autoren die besondere Herausforderung des nichttraumatologischen Schockraummanagements.

Darüber hinaus kann – wie oben bereits dargestellt – je nach vorliegender Problemkonstellation ggf. die betreffende Fachexpertise des Hauses hinzugezogen werden. Hierbei helfen im Vorfeld mit den weiterversorgenden Kliniken abgestimmte und verbindliche Versorgungskonzepte (z. B. Postreanimationsphase, Abb. 4, akutes Koronarsyndrom, Schlaganfall). Auch bei prähospital bereits gesicherter Diagnose (z. B. ST-Strecken-Hebungsinfarkt) kann die Weiterleitung an die weiterversorgende Struktur (z. B. Herzkatheterlabor) initiiert und gesichert werden. In einem solchen Fall passiert der Patient die ZNA lediglich und wird gemäß interdisziplinären Absprachen direkt weitergeleitet.

In der Klinik der Autoren stehen diese interdisziplinären Versorgungskonzepte als SOP in der Notaufname zur Verfügung und können darüber hinaus im Intranet des Krankenhauses eingesehen werden.

Auch die gängigen Leitlinien sowie Empfehlungen zur Behandlung unterschiedlicher Krankheitsbilder müssen bekannt sein und umgesetzt werden (z. B. S3-Leitlinie kardiogener Schock, [20, 21]). Nach Durchführung der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen erfolgt die Zuführung des Patienten zur weiteren innerklinischen Versorgung auf einem geeigneten Versorgungslevel (z. B. Intensivstation, Herzkatheterlabor, Angiographie, OP).

Die rasche sowie effektive Versorgung und der zeitnahe innerklinische Transport unter intensivmedizinischen Bedingungen sind dabei essenziell. Ziel muss es sein, den Patienten so rasch wie möglich der entsprechenden Intervention und/oder Intensivtherapie zuzuführen; dafür müssen entsprechende Intensivbehandlungskapazitäten jederzeit verfügbar sein. Die zeitnahe Übernahme des kritisch kranken Patienten in der weiterversorgenden Institution ist sowohl für den Patienten als auch für die erneute Bereitstellung der Schockraumversorgung besonders wichtig.

Dokumentation

Neben der reinen medizinischen Versorgung ist eine gute und standardisierte Dokumentation bei der Versorgung kritisch kranker Patienten besonders relevant. In vielen Kliniken werden hierzu sehr differente Dokumentationsformen genutzt. Bislang hat sich keine bestimmte Art der Dokumentation durchgesetzt, jedoch soll an dieser Stelle auf die Vorschläge der Sektion Notaufnahmeprotokoll der DIVI hingewiesen werden (http://www.notaufnahmeprotokoll.de). Einzelne dieser grundsätzlich interdisziplinär erarbeiteten Dokumentationsvorschläge in der ZNA wurden bereits publiziert [16, 25].

Fazit für die Praxis

Das Herangehen an die Schockraumversorgung kritisch kranker Patienten unterscheidet sich in der initialen Versorgungsphase gemäß dem „ABCDE“-Schema nicht von der Vorgehensweise bei schwer verletzten Patienten. In Analogie zur Versorgung von schwer verletzten Patienten ist auch beim nichttraumatologisch kritisch kranken Patienten ein Schockraumteam notwendig, um Erkrankungen und/oder Verletzungen zu diagnostizieren, Zustandsverschlechterungen zu vermeiden und dem Patienten keinen weiteren Schaden zuzufügen. Nach der initialen Stabilisierung der Vitalfunktionen ist eine im Vergleich zum traumatologischen Patienten deutlich differenziertere Herangehensweise unter Berücksichtigung intensivmedizinischer Aspekte erforderlich, um die optimale Versorgung des Patienten zu gewährleisten und nicht zu einer Aggravierung der Akuterkrankung beizutragen (gemäß dem Motto im ATLS®: „Do no further harm“). Aspekte einer adäquaten strukturellen, logistischen und personellen Versorgungsorganisation sind für die Versorgung von nichttraumatologisch kritisch kranken Patienten im Schockraum notwendig, auch wenn hierfür aktuell noch keine klaren Vorgaben bestehen. Parallelen hierzu können aus dem DGU-Weißbuch gezogen und entsprechende Forderungen unterstützt werden. Zukünftig werden dem ATLS®/ETC® vergleichbare Ausbildungskonzepte notwendig, die weit über ACLS®-Kursformate hinausgehen. Letztlich ist die Entwicklung eines Advanced-Critical-Ill-Life-Support(ACILS®)-Konzepts für nichttraumatologisch kritisch kranke Schockraumpatienten sinnvoll und zu fordern.