Zusammenfassung
Jugendforschung weist viele Themen und Problemstellungen auf, sie ist vielfältig und facettenreich. Das Forschungsprogramm kennzeichnen unterschiedliche theoretische und methodische Zugriffe, um die Lebenswirklichkeit von Jugendlichen aufzuschließen und Entwicklungsprozesse und jugendspezifische Entwicklungsaufgaben, den Einfluss sich verändernder Lebens- und Aufwachsensbedingungen sowie Zeitverhältnisse auf das Leben von Jugendlichen in ihren historischen, gesellschaftlichen und institutionellen Bezügen, Bildungs- und Erziehungsprozesse, Gesundheitsförderung und Versorgung sowie Risiken im Jugendalter, aber auch Jugendbewegungen, Jugendkulturen und Jugendszenen zu untersuchen. Vielzählige Theorien und Konzepte sind generiert worden, um Jugend theoretisch und empirisch zu vermessen sowie (inter-) disziplinär einzubetten. Auch wenn Jugendforschung ein interdisziplinär orientiertes Forschungsfeld ist, werden disziplinär unterschiedliche thematische Schwerpunkte gesetzt und Jugend wird in der jeweiligen Disziplin sowohl theoretisch entworfen als auch empirisch reflektiert. Aus diesem Grund bedarf es einer disziplinären Selbst- und Rückvergewisserung, der im vorliegenden Beitrag nachgegangen werden soll. Im Mittelpunkt steht die Frage nach dem spezifisch ‚Erziehungswissenschaftlichen‘ an Jugendforschung.
Abstract
Youth research has many topics and problem statements, it is multifaceted and divers. The research program is characterised by different theoretical and methodological approaches in order to unlock the realities of young peoples lives and to investigate on development processes as well as youth-specific development tasks, the influence of changing living and growing conditions and time relations on the lives of young people in their historical, social and institutional contexts, educational and educational processes, health promotion and care as well as risks in adolescence, but also youth movements, youth cultures and youth scenes. Numerous theories and concepts have been developed to measure the youth theoretically and empirically, as well as to embed them (inter-)disciplinarily. Even though youth research is an interdisciplinary research field, different thematic focuses are set in different disciplines, youth is theoretically described and empirically reflected. For this reason, there is a need for a disciplinary self-assurance and reassurance, which will be explored in this article. The focus is on the thematic question of the specific ‘educational science’ of youth research.
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Notes
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Die folgenden Ausführungen beschränken sich jedoch auf die drei Bezugsdisziplinen, die Psychologie, Soziologie und Erziehungswissenschaft, die das Forschungsfeld im Wesentlichen kennzeichnen.
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Zum Wandel der Jugendforschung siehe bspw. Pfaff (2015), Gaupp und Lüders (2015), Krüger und Grunert (2010a, b) oder Hübner-Funk und Lüders (2004), zur gegenstands- und problembezogenen transdisziplinären Auseinandersetzung mit Jugend bspw. Ecarius et al. (2017), King und Busch (2012) oder King (2010).
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Wichtige Hinweise für eine Literaturumschau zur Jugendforschung sind im Band von Schierbaum (2018) gegeben.
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Zu ergänzen ist in Bezug auf Defila und Di Giulio (1998, S. 217), dass Interdisziplinarität „zur weiteren Spezialisierung und Kompartimentalisierung in der Wissenschaft bei[trägt], sie wird zu neu institutionalisierter Disziplinarität, die wiederum der interdisziplinären Zusammenarbeit bedarf. Eine solche Institutionalisierung von Interdisziplinarität führt damit paradoxerweise zu ihrer Disziplinierung, sie verliert gewissermaßen ihre Interdisziplinarität“.
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Die folgenden Ausführungen beziehen auf die qualitative deutschsprachige Jugendforschung. Einen Überblick zur Vermessung der quantitativen Jugendforschung geben Tippelt (1992) oder Walper und Tippelt (2002). Die Entwicklung der Jugendforschung in anderen europäischen Ländern dokumentieren bspw. Wallace (2003) oder auch die internationalen Berichte in den Bänden der Reihe Jahrbuch Jugendforschung ab 2001.
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Weitere zentrale Themen sind: Freizeitverhalten und Jugendszenen, Gesundheit, Sexualität und Partnerschaft, Familien- und Peerbeziehungen, Medien- und Internetnutzung, politische Sozialisation und gesellschaftliches Engagement, Risiko und Delinquenz sowie Schule und Lernen, Bildungsverläufe oder Übergänge (siehe Gaupp und Lüders 2015).
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Schierbaum, A. (2020). Forschung zu Jugend – Was ist das spezifisch „Erziehungswissenschaftliche“ an Jugendforschung?. In: Grunert, C., Bock, K., Pfaff, N., Schröer, W. (eds) Erziehungswissenschaftliche Jugendforschung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-27612-6_4
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