Zusammenfassung
Der vorliegende Grundlagenbeitrag im Praxishandbuch Aufstellungsarbeit erläutert, was Aufstellungsarbeit ist, wo sie herkommt, wie sie sich entwickelt hat und durchgeführt werden kann. Aufstellungsarbeit hat ihre Wurzeln im Psychodrama und findet heute breite Anwendung in verschiedensten Verfahren und Arbeitsfeldern wie Psychotherapie, Beratung, Coaching oder Organisationsberatung. Die Methodik wird in Bezug auf Settings (Arbeit mit Gruppen und Einzelpersonen) und im Hinblick auf die immanenten Wirklichkeitskonstruktionen beschrieben. Ziele, Nutzen und Inhalte von Aufstellungen finden ebenso Erwähnung wie Wirkfaktoren und eine kritische Würdigung.
Similar content being viewed by others
Notes
- 1.
Siehe auch Abschn. 1.3. Entwicklung der Aufstellungsarbeit: Die Familienaufstellungen Bert Hellingers.
- 2.
Systemisch ist mittlerweile ein inflationärer Begriff geworden. Eine allgemeine Definition dafür legt Varga von Kibéd (in: Weber et al. 2005, S. 229) vor: „Eine Erklärung (Theorie, Methodologie, Vorgehensweise [...] Therapieform, Intervention ...) A ist dann systemischer als eine Erklärung (Theorie, ...) B [...], wenn A in höherem Maße als B erlaubt, von der Zuschreibung von Eigenschaften an Systemelemente abzusehen (zugunsten der Betrachtung von Relationen, Strukturen, Kontexten, Dynamiken und Choreografien).“ Der Begriff der systemischen Arbeit wurde letztlich von der Mailänder Schule der Familientherapie geprägt, die immer alle Mitglieder eines (Familien-)Systems in der therapeutischen Situation anwesend haben wollten, d. h. nicht mit Stellvertretern gearbeitet haben.
- 3.
Als Surplus Realität wird im Psychodrama die auf der Bühne dargestellte und erlebte „symbolische Handlungswelt“ bezeichnet, „eine äußere Entsprechung der inneren Wirklichkeit des Protagonisten, die auf dessen innere Wirklichkeit zurückwirkt.“ (Ameln und Kramer 2014, S. 295)
- 4.
Neben Moreno gelten Kurt Lewin und Raoul Schindler als hauptsächliche Begründer der Gruppendynamik.
- 5.
Unter Rollenfeedback wird verstanden, dass die StellvertreterInnen berichten, welche Gedanken, Gefühle und Handlungsimpulse sie in ihren jeweiligen Positionen hatten. Im Identifikationsfeedback schließlich können Identifikationen mit verschiedenen Personen und Positionen der Aufstellung geäußert werden. Buer (2005b, S. 293) spricht bei Aufstellungen von einem „Positionsfeedback“, da die Gruppenmitglieder als Hilfs-Ich nur eine Position in der Aufstellung einnehmen und die Rolle nicht szenisch darstellen.
- 6.
Für Böszörmenyi-Nagy gibt es zwei Schreibweisen, die ungarische und die amerikanische vereinfachte Version: Ivan Boszormenyi-Nagy.
- 7.
Der Begriff Intermediärobjekt für Gegenstände (wie Steine, Holzfiguren etc. ohne direkten Symbolgehalt für die Situation) wurde von dem brasilianischen Psychodramatiker José Fonseca (2004) geprägt.
- 8.
In der englischen Literatur wird im Zusammenhang mit Aufstellungen der Begriff „constellations“ (systemic-/-family constellations) verwendet, denn Aufstellungen sind statische Momentaufnahmen sozialer und innerpsychischer Konstellationen.
- 9.
Im Rollentausch tauschen zwei RollenträgerInnen wechselseitig ihre Rollen, z. B. die aufstellende Person mit dem/der StellvertreterIn für die ‚Mutter‘. Im Rollenwechsel wechselt die Person nur in eine andere Rolle, z. B. in die nicht von einer anderen Person besetzte Rolle der ‚Krankheit‘.
- 10.
Im Sharing äußern die TeilnehmerInnen, was sie von dem Aufgestellten aus ihrem eigenen Leben kennen.
Literatur
Ameln, F. von, & Kramer, J. (2014a). Psychodrama: Grundlagen (3. Aufl.) Heidelberg: Springer.
Ameln, F. von, & Kramer, J. (2014b). Psychodrama: Praxis. Heidelberg: Springer.
Ameln, F. von, & Kramer, J. (2016). Organisationen in Bewegung bringen. Handlungsorientierte Methoden für die Personal-, Team- und Organisationsentwicklung. Berlin: Springer.
Bateman, A. W., & Fonagy, P. (2015). Handbuch Mentalisieren (Psychodynamische Therapie). Gießen: Psychosozial.
Boszormenyi-Nagy, I., & Spark, G. M. (1981). Unsichtbare Bindungen. Die Dynamik familiärer Systeme. Stuttgart: Klett-Cotta.
Buer, F. (2005a). Aufstellungsarbeit nach Moreno. Soziometrie, Psychodrama und Gruppenarbeit – die vergessenen Wurzeln. Personalführung, 5, 24–33.
Buer, F. (2005b). Aufstellungsarbeit nach Moreno in Formaten der Personalarbeit in Organisationen. Beispiel: Aufstellen von Führungsdilemmata. Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie ZPS, 4(2), 285–310.
Daimler, R. (2014). Basics der systemischen Strukturaufstellungen. Eine Anleitung für Einsteiger und Fortgeschrittene (3. Aufl.). München: Kösel.
Donabedian, A. (1982). An exploration of structure, process and outcome as approaches to quality of medical care. In H. K. Selbmann & K. Überla (Hrsg.), Quality assessment of medical care (S. 69–92). Gerlingen: Bleicher.
Drexler, D. (2015). Einführung in die Praxis der Systemaufstellungen. Heidelberg: Carl Auer.
Fonseca, J. (2004). Contemporary psychodrama: New approaches to theory and technique. London: Routledge.
Gilde, H. (2010). Supervision und Aufstellungsarbeit. State of the Art und Anregungen für die Praxis der systemischen Supervision. Hamburg: Diplomatica.
Goldner, C. (2003). Der Wille zum Schicksal. Die Heilslehre des Bert Hellinger. Wien: Ueberreuter.
Grawe, K. (2000). Psychologische Therapie. Göttingen: Hogrefe.
Grawe, K. (2005). (Wie) kann Psychotherapie durch empirische Validierung wirksamer werden? Psychotherapeutenjournal, 1, 4–11.
Hellinger, B. (1994). Ordnungen der Liebe. Ein Kursbuch. Heidelberg: Carl Auer.
Hellinger, B., & ten Hövel, G. (1996). Anerkennen, was ist. Gespräche über Verstrickung und Lösung (14. Aufl.). München: Kösel.
Heß, T., & Roth, W. L. (2001). Professionelles Coaching: Eine Expertenbefragung zur Qualitätseinschätzung und -entwicklung. Heidelberg: Asanger.
Holmes, P. (1992). The inner world outside. Object relations theory and psychodrama. London: Routledge.
Hunger, C., & Link, L. (2014). RCT-Studie: Veränderungen des Systemerlebens. In J. Weinhold, A. Bornhäuser, C. Hunger & J. Schweitzer (Hrsg.), Dreierlei Wirksamkeit. Die Heidelberger Schule zu Systemaufstellungen (S. 123–133). Heidelberg: Carl Auer.
Hutter, C., & Schwehm, H. (Hrsg.) (2012) J.L Morenos Werk in Schlüsselbegriffen. Wiesbaden: Springer.
Kleve, H. (2011). Aufgestellte Unterschiede. Systemische Aufstellung und Tetralemma in der Sozialen Arbeit. Heidelberg: Carl Auer.
König, O. (2004). Familienwelten. Theorie und Praxis von Familienaufstellungen. Stuttgart: Pfeiffer Klett-Cotta.
Krüger, R. T. (2005). Szenenaufbau und Aufstellungsarbeit. Praxis und Theorie. Variationen und Indikationen im Gruppensetting und in der Einzelarbeit. Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie ZPS, 4(2), 249–274.
Krüger, R. T. (2015). Störungsspezifische Psychodramatherapie. Theorie und Praxis. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Krüger, R. T., & Stadler, C. (2015). Mentalisieren durch psychodramatisches Spielen – Zur therapeutischen Wirkung des Psychodramas. Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie, 14(2), 301–310.
Kumbier, D. (2016). Aufstellungsarbeit mit dem Inneren Team. Methoden- und Praxisbuch für Gruppen. Stuttgart: Klett-Cotta.
Kunz Mehlstaub, S., & Stadler, C. (2018). Psychodrama-Therapie. Stuttgart: Kohlhammer.
Lehner, B. (2000). Familiengefühle in der Familienskulptur. In S. K. D. Sulz & G. Lenz (Hrsg.), Von der Kognition zur Emotion. Psychotherapie mit Gefühlen (S. 249–262). München: CIP-Medien.
Leutz, G. A. (1986). Das klassische Psychodrama nach J.L. Moreno. Berlin: Springer.
Mack, O., Khare, A., Kramer, A., & Burgartz, T. (Hrsg.). (2016). Managing in a VUCA World. New York: Springer.
Mahr, A. (1998). Die Weisheit kommt nicht zu den Faulen. Vom Geführtwerden und von der Technik in Familienaufstellungen. In G. Weber (Hrsg.), Praxis des Familienstellens. Beiträge zu systemischen Lösungen nach Bert Hellinger (S. 30–39). Heidelberg: Carl Auer.
Maturana, H., & Varela, F. (1994). Der Baum der Erkenntnis. München: Goldmann.
Minuchin, S. (1974). Families & familiy therapy. Oxford: Harvard University Press.
Moreno, J. L. (1974). Die Grundlagen der Soziometrie. Wege zur Neuordnung der Gesellschaft (2. Aufl.). Opladen: Westdeutscher.
Moreno, J. L. (1981). In H. Petzold (Hrsg.), Soziometrie als experimentelle Methode. Paderborn: Junfermann.
Moreno, J. L. (2001). Psychodrama und Soziometrie. Essentielle Schriften. Bergisch-Gladbach: EHP.
Nazarkiewicz, K., & Kuschick, K. (Hrsg.). (2015). Handbuch Qualität in der Aufstellungsleitung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Nelles, W. (2009). Die Hellinger-Kontroverse. Fakten – Hintergründe – Klarstellungen. Freiburg. i. Br.: Herder.
Prochaska, J. O., & Prochaska, J. M. (2016). Changing to thrive: Using the stages of change to overcome the top threats to your health and happiness. Minnesota: Hazelden Publishing.
von der Recke, T., & Wolter-Cornell, U. (2017). Dimensionen systemischer Familienrekonstruktion. Lebensentwürfe in familiärem, historischem und politischem Kontext. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Reiter, L. (1992). Clinical constellations: A concept for therapeutic practice. In W. Tschacher, G. Schiepek & E. J. Brunner (Hrsg.), Self-organization and clinical psychology. Empirical approaches to synergetics in psychology (S. 323–340). Berlin: Springer.
Rosselet, C. (2016). Teaminterne Aufstellungsarbeit zu Fragen des Managements – „Management Constellations“. In G. Weber & C. Rosselet (Hrsg.), Organisationsaufstellungen. Grundlagen, Settings, Anwendungsfelder (S. 173–193). Heidelberg: Carl Auer.
Satir, V., & Baldwin, M. (1988). Familientherapie in Aktion. Die Konzepte von Virginia Satir in Theorie und Praxis. Paderborn: Junfermann.
Sautter, C., & Sautter, A. (2015). Familienstellen nach Virgina Satir. In K. Nazarkiewicz & K. Kuschick (Hrsg.), Handbuch Qualität in der Aufstellungsleitung (S. 285–303). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Schacht, M., & Hutter, C. (2016). Mensch und soziokulturelles Atom. Haben und Sein. Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie, 15(2), 199–212.
Schlippe, A. von, & Schweitzer, J. (2002). Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Schneider, J. R. (2009). Das Familienstellen. Grundlagen und Vorgehensweisen (2. Aufl.). Heidelberg: Carl Auer.
Schulz-Venrath, U. (2013). Lehrbuch Mentalisieren. Psychotherapie wirksam gestalten. Stuttgart: Klett-Cotta.
Schweitzer, J., & Reinhard, A. (2014). Phänomen Aufstellungsarbeit: Geschichte, Konzepte, Anwendungen, Kritik. In J. Weinhold, A. Bornhäuser, C. Hunger & J. Schweitzer (Hrsg.), Dreierlei Wirksamkeit. Die Heidelberger Schule zu Systemaufstellungen (S. 13–35). Heidelberg: Carl Auer.
Sheldrake, R. (2001). Das morphische Feld sozialer Systeme. In G. Weber (Hrsg.), Derselbe Wind lässt viele Drachen steigen. Systemische Lösungen im Einklang (S. 29–42). Heidelberg: Carl Auer.
Simon, F. B., & Retzer, A. (1995). Das Hellinger-Phänomen. Psychologie heute, 6, 28 ff.
von Sparrer, I., & Varga von Kibéd, M. (2010). Klare Sicht im Blindflug: Schriften zur Systemischen Strukturaufstellung. Heidelberg: Carl Auer.
Stadler, C. (Hrsg.). (2013). Soziometrie. Messung, Darstellung, Analyse und Intervention in sozialen Beziehungen. Wiesbaden: Springer.
Stadler, C. (2014) Psychodrama. München: Ernst Reinhardt.
Stadler, C. (2017). Ich bin viele. Psychotherapie mit Ich-Anteilen. München: ERV.
Stadler, C., & Kern, S. (2010). Psychodrama. Eine Einführung. Wiesbaden: Springer.
Stadler, C., & Kress, B. (2019). Praxishandbuch Aufstellungsarbeit. Wiesbaden: Springer.
Stadler, C., & Wickert, N. (2018). Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie 17(2). Themenheft: Integrationsphase.
Stierlin, H. (1978). Delegation und Familie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Stierlin, H. (1980). Von der Psychoanalyse zur Familientherapie. Stuttgart: Klett-Cotta.
TRENDONE. (2018). https://www.trendone.com/trends/mega-trends/mega-trend-detail/attention-economy.html. Zugegriffen am 30.01.2018.
Tschacher, W., & Storch, M. (2012). Die Bedeutung von Embodiment für Psychotherapie. Psychotherapie, 17(2), 259–267.
Varga von Kibéd, M. (2000). Unterschiede und tiefere Gemeinsamkeiten der Aufstellungsarbeit mit Organisationen und der systemischen Familienaufstellung. In G. Weber (Hrsg.) Praxis der Organisationsaufstellung – Grundlagen, Prinzipien, Anwendungsbereiche (S. 11–33). Heidelberg: Carl-Auer.
Varga von Kibéd, M. (2008). Repräsentierende Wahrnehmung. In R. Daimler (Hrsg.), Basics der systemischen Strukturaufstellungen. Eine Anleitung für Einsteiger und Fortgeschrittene (S. 27–33). München: Kösel.
Varga von Kibéd, M., & von Sparrer, I. (2005). Ganz im Gegenteil. Tetralemmaarbeit und andere Grundformen Systemischer Strukturaufstellungen. – Für Querdenker und solche, die es werden wollen (5. Aufl.). Heidelberg: Carl Auer.
Weber, G. (1993). Zweierlei Glück. Die systemische Psychotherapie Bert Hellingers. Heidelberg: Carl Auer.
Weber, G. (2016). Basics des Aufstellens von Organisationen und Arbeitsbeziehungen. Grundlagen und Vorgehensweisen. In G. Weber & C. Rosselet (Hrsg.), Organisationsaufstellungen. Grundlagen, Settings, Anwendungsfelder (S. 24–71). Heidelberg: Carl Auer.
Weber, G., Schmidt, G., & Simon, F. B. (2005). Aufstellungsarbeit revisited. … nach Hellinger? Heidelberg: Carl Auer.
Weinhold, J., & Link, L. (2014). RCT-Studie: Veränderungen der psychischen Gesundheit. In J. Weinhold, A. Bornhäuser, C. Hunger & J. Schweitzer (Hrsg.), Dreierlei Wirksamkeit. Die Heidelberger Schule zu Systemaufstellungen (S. 110–122). Heidelberg: Carl Auer.
Weinhold, J., Bornhäuser, A., Hunger, C., & Schweitzer, J. (2014). Dreierlei Wirksamkeit. Die Heidelberger Schule zu Systemaufstellungen. Heidelberg: Carl Auer.
Yalom, I. D. (2007). Theorie und Praxis der Gruppenpsychotherapie. Ein Lehrbuch. Stuttgart: Klett-Cotta.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2019 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature
About this entry
Cite this entry
Stadler, C., Kress, B. (2019). Aufstellungsarbeit – was ist das? Definition, Bedeutung und Methodik. In: Stadler, C., Kress, B. (eds) Praxishandbuch Aufstellungsarbeit. Springer, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-18152-9_1-1
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-18152-9_1-1
Received:
Accepted:
Published:
Publisher Name: Springer, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-18152-9
Online ISBN: 978-3-658-18152-9
eBook Packages: Springer Referenz Psychologie