Zusammenfassung
Der Beitrag stellt die unterschiedlichen Entwicklungsphasen des polizeilichen Führungsdiskurses seit den 1970er-Jahren vor. Dabei wird herausgearbeitet, dass die Akademisierung des Polizeiberufes im Zuge des sog. Bologna-Prozesses seit der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts direkte Auswirkungen auf die bis dahin propagierte Führungslehre hat: Die bis zu diesem Zeitpunkt unhinterfragten Grundannahmen eines betriebswirtschaftlichen und motivationspsychologischen Führungsverständnis werden freigelegt und damit deutlich gemacht, dass die klassischen, führerzentrierten bzw. heroischen Konzepte angesichts der beruflichen Wirklichkeit von Führungskräften in der Polizei keinen Bestand mehr haben können. Die Akademisierung des Polizeiberufes erfordert also a) eine kritische Reflexion der bis dahin geltenden Führungstheorien und b) eine berufsfeldverankerte, soziologisch informierte Führungstheorie.
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Notes
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S. den „Erlass der Landesregierung“ zur Einführung der „Leitlinien für die Führung und Zusammenarbeit in der Verwaltung des Landes Baden – Würtemberg“ (21.02.1980) – hinterlegt bei Altmann und Berndt: Grundriss der Führungslehre 1 – Grundlagen der kooperativen Führung, 2. Auflage, Bd. 1, 1982, Schmidt/Römhild, Lübeck.
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Bereits 1953 wurden das verbindliche Führungskonzept der Bundeswehr, die „Grundsätze der Inneren Führung“, in den einzelnen Standorten und der Ausbildung der Führungskräfte übernommen.
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Z. B. das Motivationsmodell nach Maslow, die X-Y-Theorie nach McGregor, die Motivationsmodelle nach Atkinson und Herzberg. Auch die damalig aktuellen Managementkonzepte – Management by Exception, Delegation, Objektives, Motivation – werden als Referenzen für die Sechs Elemente benannt.
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Erfunden wurde das Harzburger Modell von Reinhard Höhn – Gründer der Führungsakademie in Bad Harzburg. Er war Mitglied der NSDAP, der SS und direkter Zuarbeiter seines Vorgesetzten Reinhard Heidrich. Höhn wurde 1955 entnazifiziert und gründet die o. g. Akademie – ein Unterschlupf für Nazifunktionäre in den 1950er-Jahren, eine Propagandamaschine gegen Gewerkschaften, Sozialdemokraten, Kommunisten und v. a. den Ostblock. Die Führungsakademie Bad Harzburg hat den größten Teil der bundesrepublikanischen Führungskräfte auf allen Ebenen der Wirtschaft und Verwaltung bis in die 1980er-Jahre fortgebildet.
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Das lag u. a. auch daran, dass die Innenministerkonferenz der Länder das KFS immer wieder als offizielle Führungsleitlinie bestätigte.
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Den Anschluss an dieses heroische und zugleich instrumentalistische Führungsverständnisses haben zuletzt das Autorenteam Thielmann, G. und Weibler, H.-J. (2014) „Polizeiliche Führungslehre – Begründung, Gestaltung, Perspektiven“ vorgelegt. Hier wird dann auch nicht mehr von der „entwicklungsorientierten Führungskraft“ sondern von der transformationalen, authentischen, vorbildlichen usw. Führungskraft gesprochen. Trotz des führungsmodischen Wordings und dem Versprechen der „transformationalen Kooperation als neues Leitmodell“ handelt es sich hier sinngemäß um den identischen Ansatz wie ihn die Vorgänger Holzner/Vossen formuliert haben. Im Unterschied zu den Vorgängern wird hier allerdings die wissenschaftliche Legitimation durch den Aufweis eines umfänglichen Literaturverzeichnisses beansprucht.
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Projektmanagement wurde zu Beginn des 21. Jahrhunderts nicht einfach als Werkzeug verstanden. Es wurde vielmehr als Verheißung für eine detaillierte Planungsbürokratie zu fast jedem Thema erhoben. Faszinierend schien es den frisch gebackenen Controllern, Projektbeauftragten und Change Managern in der allgemeinen wie auch in der Ordnungsverwaltung deshalb, weil „Tools“ wie „Microsoft Project“ eine perfekte Administrierbarkeit und Kontrolle in der realen (Organisations-)Welt versprachen.
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Inklusive der sich recht bald abzeichnenden Nicht-Realisierbarkeit des Reformkonzeptes – s. hierzu Lange und Schenck 2004.
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Wir wollen uns an dieser Stelle nicht in die bis heute andauernde innerpolizeiliche Kontroverse einmischen, ob die Akademisierung der beruflichen Ausbildung im Gehobenen und Höheren Dienst der Berufspraxis dient oder eher schädlich ist. Wir gehen vielmehr davon aus, dass die Akademisierung klassischer Beruflichkeit – nicht nur in der Polizei, sondern in sehr vielen Berufen (z. B. Pflege- und Gesundheitsberufen, technischen Berufen usw.) – ein nicht aufzuhaltender Trend ist. Ob dies bisher im Bolognaprozess geleistet werden konnte, wollen wir hier nicht erörtern (s. dazu kritisch Nida-Rümelin 2014; Lenzen 2014).
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S. Brunson (1989) zu „Talk, Decision and actions in Organizations“.
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Klassischerweise ist der Polizeiberuf eben ein „Beruf“ und keine „Profession“, genauso wie dies auf traditionellen Pflege- und Gesundheitsberufe, die Sozialarbeit usw. zutrifft. Das Konzept und der Begriff der Profession waren traditionell den Professionen der Ärzte, Juristen, Theologen vorbehalten. Die Akademisierung der klassischen Berufe führt nun allerdings zu einer Professionalisierung der Berufsarbeit im Sinne einer Vertiefung und Verbreitung der beruflichen Wissensbasis. Im Umkehrschluss kann man von einer Deprofessionalisierung der Professionen sprechen, zumindest hinsichtlich ihres sozialen Status und dem Aufbrechen ihres vormals exklusiven Wissenskorpus (s. a. Meyer 2015).
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Mit Moldaschl (2016, S. 9) könnte man sagen „deflektierte“ Erfahrung.
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Wir wagen an dieser Stelle die These, dass insbesondere berufsfeldnahe akademische Einrichtungen wie die DHPol in besonderer Weise diesen gestiegenen Anforderungen in theoretischer, praxisreflektierender und didaktischer Hinsicht entsprechen können. Sie vereinen die Vorteile der Universität (theoretische und empirische Forschung), der berufsfeldnahen Fachhochschule (Praxiswissen) und können (auch wegen der überschaubaren Studentenzahlen) didaktische Formate entwickeln und erproben.
Literatur
Altmann R, Berndt G (1976/1982) Grundriss der Führungslehre – Grundlagen kooperativer Führung, Bd. 1. Schmidt-Römhild, Lübeck
Altmann R, Berndt G (1978/1983) Grundriss der Führungslehre – Führen in der Organisation, Bd. 2. Schmidt-Römhild, Lübeck
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Barthel C, Lorrei C (Hrsg) (2010) Empirische Forschungsmethoden – Eine praxisorientierte Einführung für die Bachelor- und Masterstudiengänge der Polizei. Verlag für Polizei und Wissenschaft, Frankfurt
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Moldaschl M (2000) Reflexivität – Zur Bestimmung und Anwendung der Kategorie in Organisationsforschung, Beratung und Gestaltung; Working Papers No. 3
Moldaschl M (2016) Im Spiegel der Organisation – Innovationsfähigkeit durch institutionelle Reflexivität. Hampp, München
Neuberger O (2002) Führen und führen lassen. Lucius & Lucius, Stuttgart, S 100–141
Nida-Rümelin J (2014) Der Akademisierungswahn: Zur Krise beruflicher und akademischer Bildung. Edition Körber-Stiftung, Hamburg
Pongratz HJ (2002) Subordination: Inszenierungsformen von Personalführung in Deutschland seit 1933. Hampp, Mering
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Thielmann G, Weibler J (2014) Polizeiliche Führungslehre – Begründung, Gestaltung, Perspektive. Verlag Deutsche Polizeiliteratur, Hilden
Uhlendorff W, Osterroth T (1992) Führungslehre: Lehr- und Lernbuch mit praktischen Beispielen. Boorberg, Stuttgart
Weibler J (2013) Entzauberung der Führungsmythen. In: Roman Herzog Institut, Essay Nr. 2
Weinhauer K (2003) Schutzpolizei in der Bundesrepublik – Zwischen Bürgerkrieg und Innerer Sicherheit: die turbulenten sechziger Jahre. Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn
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Barthel, C., Heidemann, D. (2017). Einleitung: Entwicklungsphasen und Perspektiven des polizeilichen Führungsdiskurses. In: Barthel, C., Heidemann, D. (eds) Führung in der Polizei. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-10349-1_1
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