Zusammenfassung
Die moderne Gesellschaft besitzt viele Namen. Ebenso vielfältig sind die Erzählungen, die ihre Genese, Struktur und Dynamik zu begreifen suchen. Die Soziologie kultiviert solche Narrationen in Form von Theorien; sie kann als ein Kommunikationszusammenhang rekonstruiert werden, der sich in der modernen Gesellschaft ausdifferenziert hat, um diese zu beschreiben. Soziologie ist professionalisierte Selbstbeschreibung der Gesellschaft. Theorien entstehen und vergehen in diesem Kommunikationszusammenhang, der sowohl seine eigenen Spielregeln kennt, als auch von gesellschaftlichen Großwetterlagen abhängig ist. Wenngleich soziologische Theorien durch das Nadelöhr der Kommunikation müssen, um Gehör zu finden, so bleiben sie unabdingbar auf Bewusstsein angewiesen, da die Kommunikation weder denken noch wahrnehmen kann. Theorien sind stets individuell vermittelt, auch wenn sie in Fachdebatten eine Dynamik entfalten mögen, die keine der beteiligten Personen intendiert hat. Das bedeutet auch: So sehr Theorien nach Abstraktion streben, sie bleiben an sinnlich affizierte Wahrnehmung und individuelle Erfahrung gebunden, mittelbar oder unmittelbar.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Similar content being viewed by others
Notes
- 1.
Das Buch Teoria della società umfasst 400 Seiten. Von kleineren Veränderungen abgesehen, die sich auch aus der Übersetzung ergeben, wurde der Text nahezu identisch in Die Gesellschaft der Gesellschaft übernommen. Die Gliederung in die fünf Kapitel ist beibehalten worden; ebenfalls tauchen alle Unterkapitel im späteren, deutlich umfangreicheren Buch wieder auf.
- 2.
In äußerst knapper Form finden sich die zwei entscheidenden Thesen, die im Folgenden verhandelt werden sollen, bereits in Luhmann (1992, S. 3 f.).
- 3.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Gradualisierung ergibt sich nicht auf der Ebene der einzelnen Operationen – hier herrscht ein Entweder-oder. Chancen, Häufigkeit und Intensität von Inklusion lassen sich hingegen gradualisieren.
Literatur
Balke, Friedrich. 1998. Inklusion, Exklusion und Normalität. Kulturrevolution 36:75–80.
Balke, Friedrich. 2002a. Tristes tropiques. Systems theory and the literary scene. Soziale Systeme 8 (1): 27–37.
Balke, Friedrich. 2002b. Der Raum der modernen Gesellschaft und die Grenzen seiner Kontrolle. In Raum – Wissen – Macht, Hrsg. Rudolf Maresch und Niels Werber, 117–134. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Esser, Hartmut. 2000. Inklusion und Exklusion – oder: die unvermutete Entdeckung der leibhaftigen Menschen und der Not in der Welt durch die soziologische Systemtheorie. In Demokratie und Partizipation. Festschrift für Max Kaase, Hrsg. Oskar Niedermayer und Bettina Westle, 407–416. Wiesbaden: Westdeutscher.
Farzin, Sina. 2011. Die Rhetorik der Exklusion. Zum Zusammenhang von Exklusionsthematik und Sozialtheorie. Weilerswist: Velbrück.
Fuchs, Peter, und Dietrich Schneider 1995. Das Hauptmann-von-Köpenick-Syndrom. Überlegungen zur Zukunft funktionaler Differenzierung. Soziale Systeme 1 (2): 203–224.
Hiller, Petra. 2005. Korruption und Netzwerke. Konfusionen im Schema von Organisation und Gesellschaft. Zeitschrift für Rechtssoziologie 26 (1): 57–77.
Holzer, Boris. 2006. Spielräume der Weltgesellschaft: Formale Strukturen und Zonen der Informalität. In Die Vielfalt und Einheit der Moderne. Kultur- und strukturvergleichende Analysen, Hrsg. Thomas Schwinn, 259–279. Wiesbaden: VS.
Holzer, Boris. 2007. Wie „modern“ ist die Weltgesellschaft? Funktionale Differenzierung und ihre Alternativen. Soziale Systeme 13 (1 + 2): 357–368.
Japp, Klaus P. 2007. Regionen und Differenzierung. Soziale Systeme 13 (1 + 2): 185–195.
Joas, Hans, und Wolfgang Knöbl. 2008. Kriegsverdrängung. Ein Problem in der Geschichte der Sozialtheorie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Kieserling, André. 2004a. Selbstbeschreibung und Fremdbeschreibung. Beiträge zur Soziologie soziologischen Wissens. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Kieserling, André. 2004b. Klasse und Klassengesellschaft: Zur Entkopplung zweier Begriffe. In Soziale Ungleichheit – Kulturelle Unterschiede. Verhandlungen des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, Hrsg. Karl-Siegbert Rehberg, 4425–4436. Frankfurt a. M.: Campus.
Kronauer, Martin. 2002. Exklusion. Die Gefährdung des Sozialen im hochentwickelten Kapitalismus, 123–137. Frankfurt a. M.: Campus.
Leanza, Matthias. 2010. Semantik und Diskurs. Die Wissenskonzeptionen Niklas Luhmanns und Michel Foucaults im Vergleich. In Zwischen Sprachspiel und Methode. Perspektiven der Diskursanalyse, Hrsg. Robert Feustel und Maximilian Schochow, 119–146. Bielefeld: transcript.
Leanza, Matthias. 2014. Grenzrauschen. Zur Figur des Parasiten in der Systemtheorie. Behemoth 7 (1): 28–47.
Luhmann, Niklas. 1964. Funktionen und Folgen formaler Organisation. Berlin: Duncker & Humblot.
Luhmann, Niklas. 1981. Vorwort. In Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft, Zweiter Band, Hrsg. Niklas Luhmann, 7. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Luhmann, Niklas. 1984. Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Luhmann, Niklas. 1992. Zur Einführung. In Verfassung und Positivität des Rechts in der peripheren Moderne. Eine theoretische Betrachtung und eine Interpretation des Falls Brasilien, Hrsg. Marcelo Neves, 1–4. Berlin: Duncker & Humblot.
Luhmann, Niklas. 1995. Kausalität im Süden. Soziale Systeme 1 (1): 9–28.
Luhmann, Niklas. 1997. Die Gesellschaft der Gesellschaft. Zwei Bände. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Luhmann, Niklas. 1999. Jenseits von Barbarei. In Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft. Vierter Band, Hrsg. Niklas Luhmann, 138–150. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Luhmann, Niklas. 2002. In Die Politik der Gesellschaft, Hrsg. André Kieserling. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Luhmann, Niklas. 2005. In Einführung in die Theorie der Gesellschaft, Hrsg. Dirk Baecker. Heidelberg: Carl-Auer.
Luhmann, Niklas. 2008. Inklusion und Exklusion. In Soziologische Aufklärung 6. Die Soziologie und der Mensch, Hrsg. Niklas Luhmann, 226–251. Wiesbaden: VS.
Luhmann, Niklas. 2009. Die Praxis der Theorie. In Soziologische Aufklärung 1. Aufsätze zur Theorie sozialer Systeme, 317–335, Hrsg. Niklas Luhmann. Wiesbaden: VS.
Luhmann, Niklas. 2011. In Warum haben Sie keinen Fernseher, Herr Luhmann? Letzte Gespräche mit Niklas Luhmann, Hrsg. Wolfgang Hagen. Berlin: Kadmos.
Luhmann, Niklas, und Raffaele De Giorgi. 1991. Teoria della società. Mailand: FrancoAngeli.
Nassehi, Armin. 2004a. Inklusion, Exklusion, Ungleichheit. Eine kleine theoretische Skizze. In Differenzierung und soziale Ungleichheit. Die zwei Soziologien und ihre Verknüpfung, Hrsg. Thomas Schwinn, 323–352. Frankfurt a. M.: Humanities Online.
Nassehi, Armin. 2004b. Eliten als Differenzierungsparasiten. Skizze eines Forschungsprogramms. In Elitenmacht, Hrsg. Roland Hitzler, Stefan Hornborstel, und Cornelia Mohr, 25–41. Wiesbaden: VS.
Nassehi, Armin. 2008. Exklusion als soziologischer oder sozialpolitischer Begriff? In Exklusion. Die Debatte über die „Überflüssigen“, Hrsg. Heinz Bude und Andreas Willisch, 121–130. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Ohlendieck, Lutz. 2003. Gender Trouble in Organisationen und Netzwerken. In Frauen, Männer, Gender Trouble. Systemtheoretische Essays, Hrsg. Ursula Pasero und Christine Weinbach, 171–185. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Opitz, Sven. 2008. Die Materialität der Exklusion: Vom ausgeschlossenen Körper zum Körper des Ausgeschlossenen. Soziale Systeme 14 (2): 229–253.
Reiter, Uli. 2009. Lärmende Geschenke. Die drohenden Versprechen der Korruption. Weilerswist: Velbrück.
Schimank, Uwe. 2007. Theorien gesellschaftlicher Differenzierung. Wiesbaden: VS.
Schneider, Wolfgang L., und Isabel Kusche. 2010. Parasitäre Netzwerke in Wissenschaft und Politik. In Netzwerke in der funktional differenzierten Gesellschaft, Hrsg. Michael Bommes und Veronika Tacke, 173–210. Wiesbaden: VS.
Schroer, Markus. 2010. Funktionale Differenzierung versus soziale Ungleichheit. Ein Beitrag zur Debatte über die Grundstruktur der modernen Gesellschaft. In Soziologische Kontroversen. Beiträge zu einer anderen Geschichte der Wissenschaft vom Sozialen, Hrsg. Georg Kneer und Stephan Moebius, 291–313. Berlin: Suhrkamp.
Schwinn, Thomas, Hrsg. 2004. Differenzierung und soziale Ungleichheit. Die zwei Soziologien und ihre Verknüpfung. Frankfurt a. M.: Humanities Online.
Serres, Michel. 1987. Der Parasit. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Srubar, Ilja. 2006. Systemischer Materialismus oder Konstitutionsanalyse sinnverarbeitender Systeme? Zwei Wege systemtheoretischer Wissenssoziologie. Soziologische Revue 28 (1): 3–13.
Stäheli, Urs. 2000. Sinnzusammenbrüche. Eine dekonstruktive Lektüre von Niklas Luhmanns Systemtheorie. Weilerswist: Velbrück.
Stichweh, Rudolf. 2000. Semantik und Sozialstruktur. Zur Logik einer systemtheoretischen Unterscheidung. Soziale Systeme 6 (2): 237–250.
Stichweh, Rudolf. 2005. Erzeugung und Neutralisierung von Ungleichheit durch Funktionssysteme. In Inklusion und Exklusion. Studien zur Gesellschaftstheorie, Hrsg. Rudolf Stichweh, 163–177. Bielefeld: transcript.
Tyrell, Hartmann. 1998. Zur Diversität der Differenzierungstheorie. Soziologiehistorische Anmerkungen. Soziale Systeme 4 (1): 119–149.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2014 Springer Fachmedien Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Leanza, M. (2014). Zentren und Ränder funktionaler Differenzierung. Niklas Luhmanns Theorie der modernen Gesellschaft. In: Farzin, S., Laux, H. (eds) Gründungsszenen soziologischer Theorie. Neue Bibliothek der Sozialwissenschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19801-9_12
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-19801-9_12
Published:
Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-531-19800-2
Online ISBN: 978-3-531-19801-9
eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)