Zusammenfassung
Die Themenwahl ›Kleists Dinge‹ erwies sich als ungemein produktiv auf der Jahrestagung der Heinrich-von-Kleist-Gesellschaft im November 2014: Die Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmer fokussierten auf der Tagung in Frankfurt (Oder), die dieser Publikation vorausgegangen ist, ›Kleists Dinge‹ nicht nur als reale Überbleibsel aus dem Kleist-Fundus, als Artefakte, sondern schenkten insbesondere der Funktion von Dingen in Kleists Texten größte Aufmerksamkeit. Es gehört zur Originalität von Kleists Texten, dass sie neuen methodischen Ansätzen der Literatur- und Kulturwissenschaften immer wieder einen reichhaltigen Interpretationsgrund liefern. Im folgenden Beitrag sollen drei Auswahltexte, Kleists Dramen ›Der zerbrochne Krug‹ und ›Amphitryon‹ sowie die Briefe zu Kleists Kant-Krise aus der Perspektive der Ding-Forschung präsentiert werden. Hierbei gilt es nicht nur, anhand dieses methodischen Zugriffs der Komplexität der Texte Kleists gerecht zu werden, sondern darüber hinaus die Relevanz dieses innovativen Interpretationsansatzes durch neue Einsichten nachzuweisen.
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Anmerkungen
Vgl. Michel Foucault, Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften, übers. von Ulrich Köppen, Frankfurt a.M. 1980, bes. Kapitel 3 ›Repräsentieren‹ (S. 78–113) und Kapitel 5 ›Klassifizieren‹ (S. 165–210).
Hermann Bausinger nennt hier das Beispiel des Eherings. Vgl. Hermann Bausinger, Die Botschaft der Dinge. In: Joachim Kallinich und Bastian Bretthauer (Hg.), Botschaft der Dinge, Berlin 2003, S. 10–13, hier S. 10.
Vgl. Christopher Tilley, Introduction. In: Ders. u.a. (Hg.), Handbook of Material Culture, London 2006, S. 1–7, hier S. 4.
Vgl. Jörg Kreienbrock, Malicious Objects, Anger Management, and the Question of Modern Literature, New York 2013. Kreienbrock diskutiert Kleist nicht in seiner Studie, widmet aber ein Kapitel Kleists Zeitgenossen Jean Paul (S. 67–121).
Vgl. Marianne Alphant, Ces choses-là, Paris 2013, exemplarisch S. 21–49. Alphant setzt sich hier u.a. mit Eric Hobsbawm und Waltet Benjamin auseinander.
In der Kleist-Forschung wurde das hier skizzierte Problem bereits von Gerhard Neumann angesprochen, der von einem für Kleist fundamentalen Widerspruch zwischen einem »beschädigten Anfang« — auch als »Kollabieren einer Ordnung« umschrieben — und einem sich dem entgegensetzenden »Glücksanspruch« ausgeht (Gerhard Neumann, Das Stocken der Sprache und das Straucheln des Körpers. Umrisse von Kleists kultureller Anthropologie. In: Ders. [Hg.], Heinrich von Kleist. Kriegsfall — Rechtsfall — Sündenfall, Freiburg i.Br. 1994, S. 13–29, hier S. 13).
Die Unordnung der Dinge ist ein prägendes Merkmal der sogenannten neuen Komödie im antiken Griechenland, die von Menander eingeführt wurde. Vgl. dazu das Kapitel ›Menander und die Neue Komödie‹ in Bernhard Zimmermann, Die griechische Komödie, Frankfurt a.M. 2006, S. 177–208. Jochen Schmidt spricht von der »klassischen Komödien-Situation der werkehrten Welt‹« (Jochen Schmidt, Heinrich von Kleist. Die Dramen und Erzählungen in ihrer Epoche, Darmstadt 2003, S. 67).
Vgl. dazu den Kommentar zum ›Zerbrochnen Krug‹ in DKV I, 741. Auf Ödipus wird von Kleist auch in seiner Vorrede zum ›Zerbrochnen Krug‹ verwiesen (vgl. DKV I, 259). Gerhard Neumann erklärt das mit dem Klumpfuß verbundene »Straucheln des Körpers« mit einer »Dezentrierung seines Schwerpunkts«, einer Art von Unordnung also, die er auch, in einer weiteren Assoziation, mit dem Sündenfall verbindet (Neumann, Das Stocken der Sprache, wie Anm. 12, S. 21). Diese von der Forschung häufig signalisierte Assoziation des Sündenfalls wird tatsächlich vom Text nahegelegt, trägt »allerdings wenig zur Aufklärung des verwickelten Falls bei, sondern verdunkelt eher das zugrundeliegende Problem« des Textes (Ethel Matala de Mazza, Hintertüren, Gartenpforten und Tümpel. Über Kleists krumme Wege. In: Nicolas Pethes [Hg.], Ausnahmezustand der Literatur. Neue Lektüren zu Heinrich von Kleist, Göttingen 2011, S. 185–207, hier S. 189) und könnte insofern als falsche Fährte bezeichnet werden.
Vgl. Bernd Hamacher, Kommentar. In: Ders. (Hg.), Heinrich von Kleist, Der zerbrochne Krug, Stuttgart 2011, S. 203f.
Zur Geschichte des Carolus Guldens vgl. nl.wikipedia.org/wiki/Geschiedenis_van_de_Nederlandse_gulden (26.6.2015). Vgl. auch Willem Korthals Altes, De Geschiedenis van de Gulden. Van Pond Hollands tot Euro, Amsterdam 2001, S. 31f.
Bernhard Greinet, Kleists Dramen und Erzählungen. Experimente zum »Fall« der Kunst, Tübingen und Basel 2000, S. 241.
Helga Gallas, Kleist. Gesetz, Begehren, Sexualität, Frankfurt a.M. und Basel 2005, S. 132, 141.
David E. Wellbery spricht vom ›Zerbrochnen Krug‹ als einem Drama, »das so seht die Bedingungen der Gattung Komödie erfüllt, daß es sich als eine Reflexion auf das Komische schlechthin verstehen läßt« (David E. Wellbery, Der zerbrochne Krug. Das Spiel der Geschlechterdifferenz. In: Waltet Hinderet [Hg.], Kleists Dramen. Interpretationen, Stuttgart 1997, S. 11–32, hier S. 21).
Dies wird in der Forschung sowohl in Bezug auf den ›Zerbrochnen Krug‹, in dem Eves Lage als tragisch zu interpretieren ist (vgl. Bernhard Greiner, Die Komödie, Tübingen 22006, S. 221), als auch hinsichtlich des ›Amphitryon‹, wo Alkmene tragische Züge hat (ebd., S. 240f), vertreten.
Eine Übersicht über die Forschung zu diesem Aspekt gibt Jeffrey L. Sammons, Jupiterists and Alkmenists. ›Amphitryon‹ as an Example of how Kleist’s Texts Read Interpreters. In: Bernd Fischer (Hg.), A Companion to the Works of Heinrich von Kleist, Rochester, NY 2003, S. 21–41, hier S. 23–25.
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Vogt, M., Niekerk, C. (2015). Die widersprüchliche Ordnung der Dinge. In: Blamberger, G., Breuer, I., de Bruyn, W., Müller-Salget, K. (eds) Kleist-Jahrbuch 2015. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-01399-6_10
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