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Digitale Medien fungieren bei Studierenden in unterschiedlicher Ausprägung als Alltagsritual, Lebensmodell und Experimentierfeld, soziale Anschlussstelle, aber auch als Accessoire und Requisite der Selbstdarstellung.Footnote 1 Dies bezieht sich vor allem auf die Freizeitnutzung. In der Lehre hingegen bevorzugen Studierende einen moderaten Einsatz neuer Technologien und stellen Qualität im Sinne des didaktischen Nutzens vor Quantität.Footnote 2

Diskussionsforen, Arbeitsplattformen, gemeinsam gepflegte Wikis und die Einbindung von Social-Media-Formaten bieten je nach didaktischem Einsatz Vorteile gegenüber der klassischen Vor-Ort-Lehre, stellen gleichzeitig jedoch Lehrende und Lernende gleichermaßen vor neue, bisher unbekannte Herausforderungen. Wie reagiert ein Lehrender beispielsweise auf die Herabsetzung eines Studierenden durch Kommilitonen in einem anonym eingerichteten Lehr-Forum? Was soll er tun, wenn Studierende den Arbeitsbereich dazu nutzen, um offen Kritik an der Lehrveranstaltung zu äußern?

In der virtuellen Welt sind die bisherigen Handlungsoptionen für Lehrende und Lernende neu zu überdenken. Ist es als Gegenmaßnahme in solchen Fällen angebracht, die Anonymität aufzuheben und damit den freien Meinungsaustausch eventuell einzuschränken? Mit welchen Optionen sollte oder muss eine Web 2.0-Komponente ausgestattet werden, um ein für die jeweilige Veranstaltung angemessenes und zweckmäßiges Lernumfeld zur Verfügung zu stellen? Und was ist überhaupt ein angemessenes und zweckmäßiges Lernumfeld im Web 2.0?

Solche und viele weitere, praxisorientierte Aspekte diskutierten die Teilnehmenden des Workshops ,,Herausforderungen kooperativen Lernens und Arbeitens im Web 2.0“.

Um möglichst viele Blickwinkel auf dieses Thema einbringen zu können, wurde für den Workshop die Moderationsmethode Dynamic FacilitationFootnote 3 gewählt. Ziel der Methode ist weniger eine konkrete Lösungssuche, als das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln zu reflektieren und somit intensiver aufzuschließen. Sie ermöglicht dem kommunikativen Prozess eine Eigendynamik, wodurch Raum für spontane Richtungswechsel in der Diskussion und neue Einsichten gegeben wird. Das Thema des Workshops wurde dabei aus den Perspektiven ,,Lehren im Web 2.0“, ,,Lernen im Web 2.0“ und ,,Web 2.0 in der ingenieurwissenschaftlichen Lehre“ betrachtet. Weitere Facetten ermöglichte die Unterteilung der Themenbereiche in

  • ,,Herausforderungen/Fragen“: Sammlung von Aussagen, die zu lösende Probleme beschreiben,

  • ,,Bedenken/Einwände“: Sammlung jener Befürchtungen, die zu den bereits bestehenden Lösungen formuliert wurden,

  • ,,Lösungen/Ideen“: Sammlung von Lösungen, die sich nicht zwingend auf bereits formulierte Probleme und Fragestellungen beziehen mussten, sowie

  • ,,Informationen/Sichtweisen“: Sammlung aller weiteren Fakten und Informationen, die im Verlauf der Diskussion geäußert wurden.

Auf diese Weise wurde eine komplexe Betrachtung aller Aspekte ermöglicht, ohne das Thema des Workshops zu verlassen. Ergebnis der einstündigen Diskussion war eine Vielzahl an praxisrelevanten Faktoren zum Themenfeld ,,Kooperatives Lehren und Lernen im Web 2.0“, die die langjährigen Erfahrungen der Teilnehmenden in der Lehre sowie ihre Erfolgserlebnisse, aber auch Befürchtungen im Umgang mit den neuen Medien widerspiegeln.

Herausforderungen beim Einsatz von Web 2.0-Anwendungen sahen die Teilnehmenden vor allem in der Frage, wie sich diese Medien didaktisch sinnvoll einbinden lassen. Zudem sahen viele in dem zusätzlichen administrativen Aufwand, etwa zur Kontrolle der von den Studierenden erstellten Inhalte, eine Mehrbelastung der Lehrtätigkeit. Das gleiche kann auch für die Studierenden gelten: Das neue Medienangebot kann zusätzliche, statt Arbeit zu erleichtern oder effektiver zu gestalten – zusätzliche provozieren, wodurch das Leistungspotenzial der in der virtuellen Welt kooperierenden Gruppe beeinflusst wird. Diskutiert wurde, wie viel Kontrolle der studentischen Nutzung möglich, förderlich oder rechtlich zulässig ist. Gerade im Bereich Datenschutz gibt es viele offene Fragen, darunter, ob die Web 2.0-Angebote geschlossen, offen oder öffentlich zur Verfügung gestellt werden sollten.

Zur Planung eines sinnvollen Einsatzes von Web 2.0-Anwendungen sollten, so die Workshopteilnehmer, zunächst verschiedene Aspekte wie Gruppengröße, Eignung des Themas, Angemessenheit des Aufwandes für den Lehrenden und zu erwartender Umfang des zu erstellenden Inhaltes beachtet werden. Um den administrativen Aufwand gering zu halten, erwogen die Teilnehmenden eine selbstverantwortliche Kontrolle der Studierenden, beispielsweise durch eine Bewertung der Beitragsqua-lität untereinander. Auch die Vorbildfunktion des Lehrenden wurde hervorgehoben: Der Lehrende sollte die angemessene und regelmäßige Nutzung vorleben. In Bezug auf die Häufigkeit der Nutzung konnten einige Teilnehmende beobachten, dass die Aktivität der Studierenden im gemeinschaftlichen virtuellen Arbeitsraum zum Ende des Semesters hin zunimmt.

Im Verlauf der Diskussion nahmen die Teilnehmenden auch immer wieder die Perspektive ihrer Studierenden ein. Für diese ergeben sich ebenfalls viele neue Fragen in Bezug auf das ,,Lernen im Web 2.0“: Wie können bestimmte, im Arbeits- und Lernprozess erstellte virtuelle Inhalte mit möglichst geringem Aufwand extrahiert und archiviert werden? Wie kann gleichzeitig Anonymität und die Sichtbarkeit des eigenen Beitrages für die individuelle Bewertung gewährleistet werden? Wie funktioniert überhaupt Gruppenarbeit im Web 2.0? Bestehen Unterschiede gegenüber der bisherigen Zusammenarbeit vor Ort an der Hochschule? Darüber hinaus formulierten die Teilnehmenden Bedenken gegenüber dem Medieneinsatz von studentischer Seite, wie zusätzlicher Zeitaufwand, nicht aufbereitete Inhalte und eine zunehmende Anzahl an Log-in-Daten.

In der ingenieurwissenschaftlichen Lehre identifizierten die Workshopteilnehmer ganz fachspezifische Herausforderungen im Umgang mit Web 2.0 in der Lehre. Lehrende müssen zum Beispiel die Möglichkeit haben, nichttextuelle Informationen, wie technische Zeichnungen, in Foren oder Social-Media-Formaten integrieren zu können. Zudem sollten Dateiformate leicht austauschbar sei – eine Standardisierung der Formate steht der Ermöglichung individueller Programmwahl gegenüber. Zwar ist eine bildliche Darstellung häufig möglich, die nachträgliche Editierung jedoch nicht.

Insbesondere im Studium der Ingenieurwissenschaften muss eine Web 2.0-Anwendung mit großen Hörerzahlen kompatibel sein. Bei einer großen Anzahl an Studierenden, die in der virtuellen Umgebung gemeinsam lernen soll, ergeben sich komplexe Anforderungen an die mediengestützte Lehre: Die kooperative Arbeit muss anders organisiert und verwaltet werden, als in virtuellen Lernräumen mit kleiner Teilnehmerzahl. Andererseits bietet der Web 2.0-Medieneinsatz gerade bei großen Hörerzahlen Vorteile und neue Möglichkeiten, wie etwa Feedback für jeden einzelnen Lehrenden durch entsprechend aufgebaute Anwendungen.

Am Ende des Workshops hatten die Teilnehmenden sechs Metaplanwände mit ihren Kommentaren, Einwänden sowie Ideen gefüllt und zeigten sich überrascht über die Vielzahl an neuen Aspekten, die ihnen bisher wenig oder noch nicht bewusst waren. Vor allem die praxisrelevanten Anregungen waren ihnen wichtig, ebenso die im Workshop gemachte Erfahrung, dass sich andere Lehrende mit ähnlichen Problemen in der Web 2.0-gestützten Lehre konfrontiert sehen. Für die Zukunft bleiben noch einige Lösungen für Fragen und Probleme in diesem Bereich sowie für die fachspezifischen Anforderungen in der ingenieurwissenschaftlichen Lehre, zu finden. Doch letztendlich war die Stimmung gegenüber dem Medieneinsatz positiv: Die Teilnehmenden zweifelten kaum die Sinnhaftigkeit und den Mehrwert eines kooperativen virtuellen Werkzeuges sowohl für Lehrende als auch für Lernende grundsätzlich an, sodass – trotz auch kritischer Einwände – stets der konstruktive Austausch darüber, wie den Herausforderungen zu begegnen sei, im Vordergrund stand.