Zusammenfassung
Im Beitrag wird die Familie als informelles Lern- und Bildungsfeld für Heranwachsende thematisiert. Dafür wird zum einen Bezug genommen auf die, vor allem bildungspolitisch diskutierten Anforderungen und Erwartungen an Eltern heute, die sich gleichsam im Konzept der ‚Bildungsarrangeure‘ bündeln lassen. Unter der Perspektive der in der Familie potenziell angesiedelten Lern- und Bildungsprozesse werden zunächst die Grundlinien des aktuellen pädagogischen Diskurses nachgezeichnet. Diskutiert werden dafür die Entwürfe spezifischer Kompetenzprofile sowie die sozialen und kulturellen ‚Vererbungsprozesse‘ in der Familie im Kontext familialer Habitusformation. In Erweiterung der so skizzierten Perspektiven auf das Lern- und Bildungsfeld Familie wird schließlich in das kindheitswissenschaftliche Akteurskonzept (agency) eingeführt, um am Beispiel der sog. young carers zu diskutieren, inwiefern die agency von Kindern, verstanden als Ergebnis einer reflexiven Selbstverständigung und spezifischen Positionierung zu ihren je konkreten Lebensrealitäten, auch Bildungspotenziale birgt, die möglicherweise im gegenwärtigen bildungstheoretischen Diskurs noch vernachlässigt werden.
Similar content being viewed by others
Notes
- 1.
Vermittlung steht hier sowohl für absichtsvoll initiierte Bildungsgelegenheiten wie auch für Gelegenheitsstrukturen, die aus dem routinisierten Alltag von Familien bzw. aus der Irritation jener Routinen erwachsen können.
- 2.
Für eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Themenfeld „Familie und Migration“ vgl. z. B. Hamburger und Hummrich 2007.
- 3.
Oevermann (1996) sieht u. a. in jenem Umstand die Professionalisierungsbedürftigkeit der pädagogischen Praxis.
- 4.
Von Hentig (2004) führt diese Charakteristik in seinem Essay „Bildung“ pointiert im Kapitel „Die Schule hat aus Bildung Schulbildung gemacht“ aus.
- 5.
Die Frage nach der hier zu vermutenden Differenz wird bei Brake und Büchner zum Forschungsproramm (z. Brake/Büchner 2011).
- 6.
Vgl. exemplarisch das Themenschwerpunktheft: „Kinder als Akteure- Agency und Kindheit“ (ZSE 2014, Jg. 34/3).
- 7.
Kinder, die in ihrer Familie Verantwortung für einen hilfebedürftigen Angehörigen übernehmen, indem sie sich an spezifischen Sorgeprozessen beteiligen.
Literatur
Beck, U. (1986). Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Beck-Gernsheim, E. (1991). Was Eltern das Leben erschwert: Neue Anforderungen und Konflikte in der Kindererziehung. In V. Teichert (Hrsg.), Junge Familien in der Bundesrepublik (S. 55–73). Opladen: Leske+Budrich.
Betz, T., de Moll, F. & Bischoff, S. (2013). Gute Eltern - schlechte Eltern. Politische Konstruktionen von Elternschaft. In L. Correll & J. Lepperhoff (Hrsg.), Kompetenzteam Wissenschaft des Bundesprogramms “Elternchance ist Kinderchance”, . Frühe Bildung in der Familie. Perspektiven der Familienbildung (S. 69–80). Weinheim: Beltz Juventa.
Bourdieu, P. (1983). Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. In R. Kreckel (Hrsg.), Soziale Ungleichheiten. Soziale Welt. Sonderband 2 (S. 183–198). Göttingen: Schwartz.
Brake, A. (2014). Der Wandel familialen Zusammenlebens. In C. Rohlfs, M. Harring & C. Palentien (Hrsg.), Kompetenz-Bildung: Soziale, emotionale und kommunikative Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen (2. Aufl., S. 113–152). Wiesbaden: Springer VS.
Brake, A., & Bremer, H. (Hrsg.) (2010). Alltagswelt Schule. Die soziale Herstellung schulischer Wirklichkeiten. Weinheim: Juventa.
Brake, A., & Büchner, P. (2011). Bildungsort Familie. Habitusgenese im Netzwerk gelebter Familienbeziehungen. In A. Lange & M. Xyländer (Hrsg.), Bildungswelt Familie. Theoretische Rahmung, empirische Befunde und disziplinäre Perspektiven (S. 142–166). Weinheim: Juventa.
Brake, A., & Büchner, P. (2013). Stichwort: Familie, Peers und (informelle) Bildung im Kindes- und Jugendalter. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 16(3), 481–502.
Büchner, P. (2006). Der Bildungsort Familie. Grundlagen und Theoriebezüge. In P. Büchner & A. Brake (Hrsg.), Bildungsort Familie. Transmission von Bildung und Kultur im Alltag von Mehrgenerationenfamilien (S. 21–49). Wiesbaden: VS Verlag.
Büchner, P., & Brake, A. (Hrsg.) (2006). Bildungsort Familie. Transmission von Bildung und Kultur im Alltag von Mehrgenerationenfamilien. VS Verlag: Wiesbaden.
Büchner, P., & Krah, K. (2006). Der Lernort Familie und die Bildungsbedeutsamkeit der Familie im Kindes und Jugendalter. In T. Rauschenbach, W. Düx & E. Sass (Hrsg.), Informelles Lernen im Jugendalter. Vernachlässigte Dimensionen der Bildungsdebatte (S. 123–154). Weinheim: Juventa.
Bühler-Niederberger, D. (2011). Lebensphase Kindheit. Theoretische Ansätze, Akteure und Handlungsräume. Weinheim: Juventa.
Busse, S., & Helsper, W. (2004). Schule und Familie. In W. Helsper & J. Böhme (Hrsg.), Handbuch der Schulforschung (S. 469–494). Wiesbaden: VS Verlag.
Cornelißen, W., & Blanke, K. (2004). Zeitverwendung von Mädchen und Jungen. In Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Alltag in Deutschland. Analysen zur Zeitverwendung. Forum der Bundesstatistik (Bd. 43/2004). Wiesbaden: Statistisches Bundesamt.
Ecarius, J. (2010). Familieninteraktion – Identitätsbildung und Kultur- soziale Reproduktion. In H.-R. Müller, J. Ecarius & H. Herzberg (Hrsg.), Familie, Generation und Bildung: Beiträge zur Erkundung eines informellen Lernfeldes (S. 17–32). Opladen: Barbara Budrich.
Eßer, F. (2014). Agency Revisited. Relationale Perspektiven auf Kindheit und die Handlungsfähigkeit von Kindern. Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation, 34(3), 233–246.
Gerzer-Sass, A. (2004). Familienkompetenzen als Potential einer innovativen Personalpolitik. In B. Hungerland & B. Overwien (Hrsg.), Kompetenzentwicklung im Wandel. Auf dem Weg zu einer informellen Lernkultur? (S. 87–108). Wiesbaden: VS Verlag.
Gerzer-Sass, A., Erler, W., Nußhart, C., & Sass, J. (2001). Die Kompetenzbilanz. Ein Instrument zur Selbsteinschätzung und zur beruflichen Entwicklung für berufstätige Mütter und Väter, an Weiterbildung Interessierte und BerufsrückkehrerInnen. München: Deutsches Jugendinstitut.
Grundmann, M., Groh-Samberg, O., Bittlingmayer, U. H., & Bauer, U. (2003). Milieuspezifische Bildungsstrategien in Familie und Gleichaltrigengruppe. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 6(1), 25–45.
Hamburger, F., & Hummrich, M. (2007). Familie und Migration. In J. Ecarius (Hrsg.), Handbuch Familie (S. 112–136). Wiesbaden: VS Verlag.
Heinzel, F., Kränzl-Nagel, R. & Mierendorff, J. (2012). Sozialwissenschaftliche Kindheitsforschung – Annäherungen an einen komplexen Forschungsbereich, In Theo-Web. Zeitschrift für Religionspðdagogik 11, H.:1, 9–37. http://www.theo-web.de/zeitschrift/ausgabe-2012-01/04.pdf. Zugegriffen am 08.07.2015.
Hempel, U. (2006). Erste Ergebnisse der KiGGS- Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Berlin: Robert Koch Institut.
Hungerland, B., & Kelle, H. (2014). Kinder als Akteure – Agency und Kindheit Agency und Kindheit Agency und Kindheit. Einführung in den Themenschwerpunkt. Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation, 34(3), 227–232.
Hurrelmann, K. (2002). Einführung in die Sozialisationstheorie (8. Aufl.). Weinheim: Beltz.
Hurrelmann, K. (2012). Der sozialisationstheoretische Ansatz in Sozialarbeit und Sozialpädagogik. 30 Jahre „Modell der produktiven Realitätsverarbeitung“. Sozialmagazin, 37(11), 27–36.
Jones, A., Jeyasingham, D., & Rajasooriya, S. (2002). Invisible families: The strengths and needs of black families in which young people have caring responsibilities. Bristol: The Policy Press.
Krappmann, L. (2003). Kompetenzförderung im Kindesalter, Aus Politik und Zeitgeschichte: Beilage zur Wochenzeitung, (S. 14–19), http://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/27764/aktivierende-gesellschaftspolitik. Zugegriffen am 08.07.2015.
Lange, A. (2010). Bildung ist für alle da oder die Kolonialisierung des Kinder- und Familienlebens durch ein ambivalentes Dispositiv. In D. Bühler-Niederberger, J. Mierendorff & A. Lange (Hrsg.), Kindheit zwischen fürsorglichem Zugriff und gesellschaftlicher Teilhabe (S. 89–114). Wiesbaden: VS Verlag.
Lange, A., & Soremski, R. (2012). Familie als Bildungswelt – Bildungswelt Familie. Einführung in den Themenschwerpunkt. Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation, 32(3), 227–232.
Lange, A., & Xyländer, M. (Hrsg.) (2011a). Bildungswelt Familie. Theoretische Rahmung, empirische Befunde und disziplinäre Perspektiven. Weinheim: Juventa.
Lange, A., & Xyländer, M. (2011b). Bildungswelt Familie: Disziplinäre Perspektiven Theoretische Rahmung und Desiderate der empirischen Forschung. In A. Lange & M. Xyländer (Hrsg.), Bildungswelt Familie. Theoretische Rahmung, empirische Befunde und disziplinäre Perspektiven (S. 23–94). Weinheim: Juventa.
Mead, G. H. (1991). Geist, Identität und Gesellschaft. Frankfurt a. M: Suhrkamp.
Metzing, S. (2007). Kinder und Jugendliche als pflegende Angehörige. Erleben und Gestalten familialer Pflege. Bern: Hans Huber.
Mierendorff, J., & Olk, T. (2010). Gesellschaftstheoretische Ansätze. In H.-H. Krüger & C. Grunert (Hrsg.), Handbuch der Kindheits- und Jugendforschung (2. Aufl., S. 125–152). Wiesbaden: VS Verlag.
Müller, H.-R. (2007). Differenz und Differenzbearbeitung in familialen Erziehungsmilieus. Eine pädagogische Problemskizze. In ZSE. Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation, 27. Jg., H. 2, (S. 143–159).
Nave-Herz, R. (2012). Familie im Wandel? – Elternschaft im Wandel? In K. Böllert & C. Peter (Hrsg.), Mutter+Vater=Eltern? (S. 33–50). Weinheim: VS Verlag.
Oevermann, U. (1996). Theoretische Skizze einer revidiertenTheorie professionalisierten Handelns. In A. Combe & W. Helsper (Hrsg.), Pädagogische Professionalität. Untersuchungen zum Typus pädagogischen Handelns (S. 70–182). Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Otto, H.-U., & Rauschenbach, T. (Hrsg.) (2008). Die andere Seite der Bildung. Zum Verhältnis von formellen und informellen Bildungsprozessen (2. Aufl.). Wiesbaden: VS Verlag.
Piorkowsky, M.-B. (2003). Neue Hauswirtschaft für die postmoderne Gesellschaft. Zum Wandel der Ökonomie des Alltags. In Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitschrift Das Parlament (Bd 9, S. 7–13).
Preissing, C., Schallenberg-Diekmann, R., Prott, R., Dreier, A. et al. (2014). Berliner Bildungsprogramm für Kitas und Kindertagespflege, (2. Aufl.), Im Auftrag der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft des Landes Berlin, aktualisierte Auflage, Weimar-Berlin.
Qvortrup, J. (1994). Childhood matters: An introduction. In J. Qvortrup, M. Bardy, G. Sgritta & H. Wintersberger (Hrsg.), Childhood matters. Social theory, practice and politics (S. 1–24). Aldershot: Avebury.
Rauschenbach, T. (2009). Zukunftschance Bildung. Familie, Jugendhilfe und Schule in neuer Allianz. Weinheim: Juventa.
Rauschenbach, T. (2011): Von Generation zu Generation. Die Bildungsvermittlung im Wandel. In E. Thomas; A. Von Hippel; M. Pietraß B. Schmidt-Hertha (Hrsg.), Bildung der Generationen, (S. 237–249). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Reichle, B., & Werneck, H. (1999). Übergang zur Elternschaft: aktuelle Studien zur Bewältigung eines unterschätzten Lebensereignisses. Stuttgart: Lucius & Lucius.
Schäfer, G. E. (Hrsg.). (2005). Bildung beginnt mit der Geburt. Weinheim: Beltz, 2. erw. Aufl.
Schier, M., & Karin J. (2007). „Familie als Herstellungsleistung“ in Zeiten der Entgrenzung. In Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitschrift Das Parlament (Bd. 34, S. 10–16), http://www.bpb.de/apuz/30284/entgrenzung-von-arbeit-und-leben. Zugegriffen am 05.01.2015.
Schmidt-Wenzel, A. (2006). Was Väter könn(t)en. Aktive Vaterschaft als Chance zur Kompetenzentwicklung. In M. Beham, D. Palz & H. Werneck (Hrsg.), Aktive Vaterschaft. Männer zwischen Familie und Beruf (S. 182–195). Gießen: Psychosozial Verlag.
Schmidt-Wenzel, A. (2008). Wie Eltern lernen. Eine empirisch qualitative Studie zur innerfamilialen Lernkultur. Opladen: Barbara Budrich.
Smolka, A., & Rupp, M. (2007). Die Familie als Ort der Vermittlung von Alltagskompetenz und Daseinskompetenz. In M. Harring, C. Rohlfs & C. Palantien (Hrsg.), Perspektiven der Bildung (S. 219–236). Wiesbaden: VS Verlag.
Soremski, R., & Lange, A. (2010). Bildungsprozesse zwischen Familie und Ganztagsschule. München: Deutsches Jugendinstitut.
Tronto, J. C. (1993). Moral Boundaries. A political argument for an ethic of care. New York: Routledge.
Uprichard, E. (2008). Children as being and becomings: Children, childhood and temporality. Children and Society, 22(4), 303–313.
Von Hentig, H. (2004). Bildung. Ein Essay (5. Aufl.). Weinheim, Basel.
Wihstutz, A. (2014). Agency von Kindern aus der Perspektive einer feministischenethic of care. Children’s Agency from a Feminist Ethic of Care Perspective. Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation, 34(3), 247–262.
Zinnecker, J. (2000). Kindheit und Jugend als pädagogische Moratorien. Zur Zivilisationsgeschichte der jüngeren Generation im 20. Jahrhundert. In D. Benner & T. Heinz-Elmar (Hrsg.), Bildungsprozesse und Erziehungsverhältnisse im 20. Jahrhundert (Zeitschrift für Pädagogik, Bd. 42, S. 36–68). Beiheft/Weinheim: Beltz.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2015 Springer Fachmedien Wiesbaden
About this entry
Cite this entry
Schmidt-Wenzel, A. (2015). Familie als informelles Lern- und Bildungsfeld. In: Rohs, M. (eds) Handbuch Informelles Lernen. Springer NachschlageWissen. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-06174-6_19-1
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-06174-6_19-1
Received:
Accepted:
Published:
Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
Online ISBN: 978-3-658-06174-6
eBook Packages: Springer Referenz Sozialwissenschaften und Recht