1 Persönlichkeitsmerkmale und Berufsentscheidung

Aus der Sicht der Berufspsychologie basiert die Entscheidung für ein Lehramtsstudium auf den gleichen theoretischen Grundlagen wie die Entscheidung für andere Studien und Berufe. Unterschiede liegen allerdings in den sozialen Rahmenbedingungen des angestrebten Berufes: In Österreich ist der erfolgreiche Abschluss einer Lehramtsausbildung de facto mit der Gewährleistung verbunden, ohne spezielles Bewerbungsverfahren in den Schuldienst aufgenommen zu werden. Die Durchgängigkeit der einmal beschrittenen Laufbahn und die gute soziale Absicherung werden damit zu einem herausragenden Merkmal des Berufs der Lehrerinnen und LehrerFootnote 1, das in dieser Form nur noch beim Eintritt in eine Laufbahn in der öffentlichen Verwaltung gegeben ist.

1.1 Theoretische Grundlagen

Für das Verständnis von Berufs- und Laufbahnentscheidungen sind vor allem vier Theoriegruppen relevant:

Die auf Super (1957) zurückgehende Laufbahnentwicklungstheorie postuliert, dass Berufsentscheidungen letzten Endes aus einem biografisch verankerten, lange dauernden personalen Entwicklungsprozess resultieren, der mit kindlichen Berufswünschen beginnt und das gesamte Leben umspannt (vgl. Super 1994; Bergmann 2004). „Lehrerin“ gehört neben anderen sozialen Berufen wie z. B. „Krankenschwester“ zu den charakteristischen kindlichen Berufswünschen von Mädchen; etwa ein Viertel der Lehramtsstudierenden geben an, dass sie „immer schon“ Lehrer/in werden wollten (Eder und Hörl 2011, S. 79).

Soziale Lerntheorien (Krumbholtz 1979) verweisen darauf, dass Berufswünsche, Berufsvorstellungen und Berufsentscheidungen aus Lernprozessen resultieren, die insbesondere auch familiär und sozial vermittelt sind. Entsprechende Lernprozesse beruhen vor allem auf Modelllernen und sozialer Verstärkung (Bergmann 2004, S. 371 f.). Der Lehrberuf ist ohne Zweifel jener Beruf, der Kindern und Jugendlichen aus ihrer eigenen Anschauung aus mindestens 15.000 Stunden Pflichtschulunterricht am besten bekannt ist; eine Auswirkung dieser Erfahrung liegt nicht zuletzt darin, dass es in der Ausbildung von Lehramtsstudierenden außerordentlich schwierig ist, die aus dieser langjährigen täglichen Anschauung resultierenden Muster des Unterrichtens zu durchbrechen. Zudem kommen etwa 30 % der österreichischen Lehramtsstudierenden aus Familien, in denen zumindest ein Elternteil den Lehrberuf ausübt, bei 10 % trifft es auf beide Elternteile zu (Eder et al. 2011, S. 213).

Soziologische Theorien (Daheim 1970; Jaide 1981) fokussieren auf gesellschaftliche Lenkungs- und Allokationsprozesse, durch die Menschen bestimmten Berufen oder Berufsbereichen zugeführt werden. Maßgebend dafür sind vor allem Merkmale des familiären Hintergrunds, die fördernd oder hemmend auf bestimmte Berufslaufbahnen einwirken. Für den Lehrberuf ist in dieser Hinsicht charakteristisch, dass er häufig als „Aufstiegsberuf“ beschrieben wird, der vor allem für Jugendliche aus bildungsferneren gesellschaftlichen Schichten oder Milieus attraktiv ist, während er für Jugendliche aus den oberen Bildungsschichten einen sozialen Abstieg bedeuten könnte (vgl. Denzler und Wolter 2008).

Psychologische Zuordnungstheorien versuchen zu zeigen, dass (erfolgreiche) Berufs- und Laufbahnentscheidungen auf einer psychologischen Entsprechung (Kongruenz) zwischen Person und gewählter beruflicher Umwelt basieren. Hier stehen vor allem die Theorie der Arbeitsanpassung von Dawis und Lofquist (1989) sowie das Person-Umwelt-Modell von Holland (1997) im Vordergrund. Hinweise auf Kongruenzaspekte im Lehrberuf sind beispielsweise darin zu sehen, dass der Beruf bevorzugt von (weiblichen) Jugendlichen mit sozialen Interessen gewählt wird.

Die Theorieansätze unterscheiden sich vor allem darin, wie aktiv sie die Rolle des Individuums sehen. Während die älteren soziologischen und sozialisationstheoretischen Berufswahltheorien eher den Aspekt der von außen wirkenden Beeinflussung und Lenkung ansprechen und den Handlungsspielraum des Individuums als eher gering einschätzen, verweisen die psychologischen Theorien eher auf den aktiven Part eines Individuums: Menschen entscheiden sich für bestimmte Ausbildungen oder Berufe, um sich selbst zu verwirklichen, das heißt, ihre Interessen, Fähigkeiten und Kompetenzen in eine berufliche Tätigkeit umzusetzen. Psychologische Berufswahltheorien sind speziell dafür geeignet, die Richtung einer Laufbahnentscheidung zu erklären, indem sie fast alle am Konzept der Kongruenz (Passung) zwischen Person und Beruf ansetzen. Erklärungsansätze für das angestrebte Niveau einer beruflichen Laufbahn liefern bis jetzt vor allem soziologische und sozialisationstheoretische Ansätze, die insbesondere den Einfluss der Herkunftsfamilie ansprechen. Jugendliche aus Familien mit einem hohen sozioökonomischen Status bzw. einem hohen Bildungsniveau dürfen diesen Ansätzen entsprechend nicht hinter das Niveau ihrer Eltern zurückfallen, sondern müssen eine Berufstätigkeit auf zumindest dem gleichen Niveau anstreben.

1.2 Niveau-Entscheidungen von Lehramtsstudierenden als Ausdruck von Persönlichkeitsmerkmalen

In welchem Ausmaß Persönlichkeitsmerkmale der Jugendlichen nicht nur die Richtung, sondern auch das Niveau von beruflichen Entscheidungen bestimmen, ist bis jetzt nur wenig erforscht. Im Folgenden werden allgemeine kognitive Merkmale und Kompetenzen, Interessen, Persönlichkeitsfaktoren im engeren Sinn sowie motivationale Merkmale im Hinblick auf ihren Beitrag zu Niveau-Entscheidungen im Lehrberuf analysiert.

Von Niveau-Entscheidungen kann deshalb gesprochen werden, weil sich die unterschiedlichen Bildungsgänge für den Lehrberuf in den Ausbildungsanforderungen und auch in der Einschätzung durch die Öffentlichkeit und die Betroffenen deutlich unterscheiden: (a) In Österreich (und manchen deutschen Bundesländern und der Schweiz) hinsichtlich des akademischen Niveaus – universitäre Ausbildung für das gymnasiale Lehramt, Pädagogische Hochschule (bis 2007 „Pädagogische Akademie“) für die Pflichtschullehrerausbildung – und (b) innerhalb der Pflichtschullehrerausbildung hinsichtlich der Stufe (Volksschule vs. Hauptschule). In der öffentlichen Wahrnehmung (Image) liegt das gymnasiale Lehramt deutlich über dem Pflichtschullehramt (IFES 2009); das entscheidende Kriterium ist vermutlich der volle akademische Abschluss und die damit signalisierte fachliche Kompetenz.

1.2.1 Allgemeine kognitive Merkmale und Kompetenzen

Die vorliegenden Forschungsergebnisse thematisieren die Frage, inwieweit die Entscheidung für den Lehrberuf generell mit einer negativen intellektuellen Selektion verbunden ist, und inwieweit sich diese auch innerhalb der Lehrämter fortsetzt (Binnenselektion). Die Ergebnisse sind allerdings nicht eindeutig. Untersuchungen aus den USA belegen, dass sich Jugendliche mit überdurchschnittlichen Werten im ACT (American College Test) deutlich seltener für den Lehrberuf entscheiden, vor allem nicht für das Unterrichten an Grundschulen; dies gilt ohne Unterschied für Männer und Frauen. Wenn sie tatsächlich in den Schuldienst eintreten, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie den Beruf wieder verlassen, deutlich erhöht. (Vgl. Podgursky et al. 2004) Untersuchungen aus dem deutschsprachigen Bereich liefern zum Teil unterschiedliche Ergebnisse. Bei Bergmann und Eder (1994) unterscheiden sich Schüler/innen aus höheren Schulen mit dem Berufswunsch „Lehrer/in“ in ihren Intelligenzleistungen nicht von den übrigen Schüler/innen; zum Befragungszeitpunkt bestand allerdings noch ein erheblicher zeitlicher Abstand zur tatsächlichen Studienentscheidung. Gold und Giesen (1993) verweisen auf eine negative Auswahl (vgl. auch Giesen und Gold 1994). Bei Spinath et al. (2005) unterscheiden sich Lehramtsstudierende in ihren intellektuellen Leistungen insgesamt negativ von Studierenden in naturwissenschaftlichen Fächern (die aber für Studierende insgesamt nicht typisch sind – Anm. d. Autor/innen), und es bestehen Unterschiede zwischen den verschiedenen Lehrämtern (Grundschullehramt, Sekundarstufe I, Sekundarstufe II) in der Form, dass Lehramtsstudierende der Sekundarstufe I niedrigere Werte aufweisen. Keine Unterschiede gibt es hingegen zu Studierenden des Grundschullehramts; die zur Verfügung stehenden Stichproben sind jedoch relativ klein.

Trautwein et al. (2006) zeigen an den Daten der TOSCA-Studie, dass sich die Studierenden an den Pädagogischen Hochschulen in allen intellektuellen Merkmalen (Schulnoten, TIMSS-Leistungen, Intelligenzleistungen im KFT) negativ von Studierenden an den Universitäten unterschieden; teilweise lagen sie auch noch signifikant unter den Studierenden von Fachhochschulen und Berufsakademien (Trautwein et al. 2006, S. 403). Klusmann et al. (2009) finden – ebenfalls am Datensatz der TOSCA-Studie – keine Hinweise auf kognitive Unterschiede zwischen den (späteren) Studierenden des Gymnasiallehramts und ihren Mitabiturient/innen; die späteren Studierenden für das Grundschullehramt bzw. Lehramt der Sekundarstufe I zeigen hingegen deutlich niedrigere Werte in verschiedenen Leistungsindikatoren. Retelsdorf und Möller (2012, S. 13) finden zwischen den Studierenden verschiedener Lehrämter (Grundschule, Sekundarstufe I, Gymnasium) keine Unterschiede in der Intelligenz (gemessen mit einem Subtest des KFT), wohl aber in der Abiturnote: Studierende für das Lehramt der Sekundarstufe I weisen hier im Vergleich zum Gymnasiallehramt die ungünstigsten Werte auf, gefolgt von den Studierenden des Grundschullehramts. Insgesamt bleibt damit weiterhin offen, inwieweit sich Lehramtsstudierende an der Universität von ihren Mitstudierenden in intellektuellen Merkmalen unterscheiden. Hingegen bestehen klare Hinweise auf eine Binnenselektion innerhalb der Lehrämter, wobei jedoch die Studierenden für das Grundschullehramt nicht durchgehend die schlechteren Werte aufweisen als die Studierenden für das Lehramt auf der Sekundarstufe II.

1.2.2 Interessen

Bei Trautwein et al. (2006, S. 405) ergibt sich ein Bild der beruflichen Interessen von Studierenden an Pädagogischen Hochschulen (PH), das von anderen Studienrichtungen markant abweicht. Bei den PH-Studierenden dominieren soziale, sprachlich-künstlerische und unternehmerische Interessen, während vor allem die selbst im Vergleich zu den Fachhochschulen niedrigen Werte im intellektuell-forschenden Bereich auffallen.

Klusmann et al. (2009, S. 276) berichten, dass sich die Entscheidung für den Lehrberuf am besten aus den beruflichen Interessen der Jugendlichen vorhersagen lässt: „Bei Kontrolle von Geschlecht, sozioökonomischem Hintergrund des Elternhauses und kognitiven Leistungen hatten die beruflichen Interessen den größten Erklärungswert für die Studienentscheidung. Dabei war insbesondere das soziale Interesse ausschlaggebend für die Wahl eines Lehramtsstudiums. Die Ergebnisse machen deutlich, dass sich bei gleichen kognitiven Voraussetzungen diejenigen Abiturientinnen und Abiturienten für ein Studium des Gymnasiallehramtes – anstatt eines reinen Fachstudiums an einer Universität – entscheiden, die gleichzeitig ein deutlich höheres Interesse an sozialen und sprachlich-künstlerischen sowie ein niedrigeres Interesse an praktisch-technischen und konventionellen Tätigkeiten aufweisen.“ Ebenso gehen berufliche Beratungsverfahren bzw. computerunterstützte BeratungssystemeFootnote 2 davon aus, dass soziale Interessen zum Zielprofil des Lehrberufs gehören. Im Berufsregister des Explorix (Jörin et al. 2004), das sich auf das Person-Umwelt-Modell von Holland (1997) stützt, sind die Pflichtschullehrfächer durch eine einheitliche Kombination aus sozialen und sprachlich-künstlerischen Interessen auf den beiden ersten Positionen des Profils beschrieben; an der dritten Position folgen in der Regel unternehmerische oder auch ordnend-verwaltende Interessen. Die universitären Lehramtsfächer weisen soziale Interessen jeweils an der ersten oder zweiten Stelle des Interessenprofils aus; die jeweils komplementäre Position wird von einer Interessenorientierung eingenommen, die dem gewählten Fach entspricht. Grundlage dieser Einschätzungen bilden Testungen entsprechender Gruppen von Lehrpersonen und Lehramtsstudierenden sowie Experteneinschätzungen. Für Lehramts-Studierende an den Universitäten ist also eine vielfältigere Interessenstruktur zu erwarten als bei den Pflichtschullehrämtern; darüber hinaus sollte die Dominanz der sozialen Interessen weniger ausgeprägt sein. Das „Pflichtschulmuster“ entspricht darüber hinaus in hohem Ausmaß dem „weiblichen“ Interessenstereotyp, was angesichts des sehr hohen Frauenanteils in diesem Studienbereich nicht überraschend ist.

Auch die Wissenschaftsorientierung der Studierenden an Pädagogischen Hochschulen ist markant niedriger als jene von Studierenden an Universität, Fachhochschule oder Berufsakademie (Trautwein et al. 2006, S. 405). Einen vergleichbaren Befund berichten Denzler und Wolter (2008). Sie befragten 1459 Schweizer Maturand/innen knapp vor dem Abschluss des Gymnasiums nach ihren Berufswünschen und untersuchten, inwieweit sich angehende Lehrpersonen von den übrigen Maturand/innen bzw. angehende Lehrpersonen für die Gymnasien von jenen unterscheiden, die ein Studium für das Pflichtschullehramt an einer Pädagogischen Hochschule anstreben. Angehende Lehrpersonen unterscheiden sich von ihren Mitschülern und Mitschülerinnen neben anderen Merkmalen insbesondere durch ihre geringere Wissenschaftsorientierung: „Der Lehrberuf wird vor allem von Personen angestrebt, die nicht an einer wissenschaftlich ausgerichteten Ausbildung interessiert sind“ (Ebenda, S. 18; vgl. auch Denzler et al. 2005). Sie haben sich schon im Gymnasium für eine musische und sozialwissenschaftliche Fächerkonstellation entschieden, die ihnen kreative und musische Aktivitäten ermöglicht (Denzler und Wolter 2008, S. 18). Bezogen auf das Modell der Persönlichkeitsorientierungen nach Holland würde dies in einer geringeren Ausprägung vor allem der intellektuell-forschenden Interessen sichtbar werden.

Die vorliegenden Daten zu den Interessenorientierungen lassen somit erwarten, dass sich Lehramtsstudierende durch ihre ausgeprägten sozialen und teilweise auch sprachlich-künstlerischen Interessen sowie durch ihre niedrige intellektuell-forschende und wissenschaftsorientierte Ausrichtung von allen anderen Studienrichtungen abheben. Innerhalb der Lehramtsstudien ist eine Differenzierung zu erwarten, dass sich hohe soziale und niedrige intellektuell-forschende Interessen vor allem bei den Studierenden der Pflichtschullehrämter finden.

1.2.3 Persönlichkeitsfaktoren im engeren Sinn

Persönlichkeitsmerkmalen wird in der Lehrer/innenbildung erhebliche Bedeutung zugesprochen. Mayr und Neuweg (2006) verweisen insbesondere darauf, dass es nach einer kurzen Phase der Abwendung von persönlichkeitspsychologisch orientierten Erklärungsmustern in den eher behavioristisch ausgerichteten 1970er Jahren mit dem Aufkommen des „Expertenparadigmas“ und im Kontext der Professionalisierungsdebatte zu einer Renaissance personbezogener Betrachtungsweisen kam, in denen es vor allem darum ging, den Beitrag von Persönlichkeitsmerkmalen für erfolgreiches Handeln von Lehrpersonen zu klären. Die Forschungen dazu (vgl. Mayr und Neuweg 2006; Mayr 2011) belegen, dass Persönlichkeitsmerkmale zumindest ab dem späten Jugendalter relativ stabil sind und eine prognostische Validität für bestimmte Aspekte des Lehrerhandelns aufweisen (Mayr und Neuweg 2006, S. 194).

Zur Erfassung von Persönlichkeitsmerkmalen wird gegenwärtig vor allem das auf dem System der 16 Persönlichkeitsfaktoren von Cattell (1965) beruhende Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit herangezogen (z. B. McCrae und Costa 1999). Es umfasst die Dimensionen Belastbarkeit (Neurotizismus), Extraversion, Offenheit, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit. Die berufsfeldbezogene Forschung dazu wird von Mayr und Neuweg (2006) so zusammengefasst: „Extraversion, psychische Stabilität und Gewissenhaftigkeit gehen einher mit engagiertem Studierverhalten, guten Praxisleistungen im Studium sowie kompetentem Lehrerhandeln und Wohlbefinden im Beruf.“ (Ebenda, S. 188) Und: „Je stärker Extraversion und Offenheit ausgeprägt sind, desto schülerorientiert-kommunikativer erleben die Schüler/innen (erwartungsgemäß) das Verhalten ihrer Lehrer/innen.“ (Ebenda, S. 190) Von den 5 Dimensionen scheint demnach Verträglichkeit die geringste Bedeutung für die Berufstätigkeit als Lehrer/in aufzuweisen.

Bei Klusmann et al. (2009, S. 273) finden sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Studierenden des Gymnasiallehramts und anderen Studierenden, wohl aber ein erheblicher Unterschied zwischen den Lehrämtern in Offenheit (zugunsten Gymnasiallehramt) und ein geringerer Unterschied in Verträglichkeit (zugunsten Pflichtschullehramt). Der Faktor Offenheit leistet damit auch einen signifikanten Beitrag zur Aufklärung, für welches Lehramt sich jemand entscheidet. Retelsdorf und Möller (2012, S. 13) berichten keine nennenswerten Unterschiede in den Persönlichkeitsfaktoren zwischen den verschiedenen Lehrämtern; am ehesten zeigen sich noch Unterschiede zugunsten des Grundschullehramtes im Faktor Verträglichkeit.

Zusammenfassend ist daher zu erwarten, dass Offenheit und Verträglichkeit einen Beitrag zum Verständnis von Niveau-Entscheidungen leisten.

1.2.4 Leistungsmotivation

Leistungsmotivation als günstige Berufsvoraussetzung für Lehrpersonen wird eher selten untersucht. Angesprochen wird weniger ihr Beitrag zu einem professionellen beruflichen Handeln, sondern eher ihre Bedeutung als Erziehungsziel. Leistungsmotiviertheit bei Schülern und Schülerinnen entwickelt sich vor allem durch das Vorbild der Erwachsenen. Um eine entsprechende sachlich bezogene Motivation bei den Schülerinnen und Schülern zu unterstützen, sollen daher nicht nur deren Eltern, sondern auch die Lehrpersonen leistungsmotiviert sein (vgl. z. B. Klafki 1985).

Aspekte von Leistungsmotivation kommen indirekt in die Diskussion, insofern bei Erwartungs-Wert-Modellen zur Erklärung von Laufbahnentscheidungen die „Schwierigkeit“ der Anforderungen ein wichtiges Kriterium darstellt (vgl. Retelsdorf und Möller 2012). Pohlmann und Möller (2010) berichten, dass die geringere Schwierigkeit des Studiums eher beim Grundschullehramt als Wahlmotiv bedeutsam ist; in diese Kategorie fallen möglicherweise auch Überlegungen, die sich auf die Kürze der jeweiligen Studien beziehen. Aufgrund theoretischer Überlegungen wäre jedenfalls zu erwarten, dass die Bereitschaft, sich den vermuteten oder zugeschriebenen höheren Herausforderungen, die mit einem universitären Studium verbunden sind, zu stellen, bei der Entscheidung eine Rolle spielt.

1.3 Hypothesen

Aufgrund der theoretischen Überlegungen und der vorliegenden empirischen Befunde ist daher zu erwarten:

  1. 1.

    Studierende unterschiedlicher Lehrämter unterscheiden sich in ihren kognitiven Fähigkeiten und Kompetenzen. Je höher die kognitiven Fähigkeiten, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein universitäres Lehramt gewählt wird.

  2. 2.

    Lehramtsstudierende an der Pädagogischen Hochschule haben höhere soziale, hingegen deutlich niedrigere intellektuell-forschende Interessen.

  3. 3.

    Bei der Entscheidung für ein akademisches Studium haben Persönlichkeitsmerkmale eine gewisse Bedeutung. Angenommen wird, dass höhere Offenheit die universitär Studierenden kennzeichnet, während Verträglichkeit bei den Pflichtschullehrämtern ausgeprägter ist. Allerdings ist hier zu berücksichtigen, dass diese Merkmale im Grund nicht lehramtsspezifisch sind, sondern generell Studierende an der Universität gegenüber anderen Jugendlichen abgrenzen. Der Stellenwert von Belastbarkeit, Extraversion und Gewissenhaftigkeit lässt sich auf Basis der vorliegenden Ergebnisse nicht eindeutig bestimmen.

  4. 4.

    Es ist anzunehmen, dass Lehramtsstudierende an der Universität eine höhere Leistungsmotivation aufweisen als jene an der Pädagogischen Hochschule.

Insgesamt wird erwartet, dass mit den hier beschriebenen Persönlichkeitsmerkmalen eine substantielle Vorhersage möglich ist, welches Niveau – Gymnasiallehramt an der Universität oder Pflichtschullehramt an der Pädagogischen Hochschule – für ein Lehramtsstudium gewählt wird.

2 Methodischer Zugang

2.1 Datengewinnung und Stichprobe

Die Daten zur Überprüfung dieser Annahmen wurden im Rahmen eines Beratungsprojekts erfasst, das an der Universität Salzburg seit dem Studienjahr 2005/06 angeboten wird (vgl. Eder und Hörl 2007, 2011). Seit dem Studienjahr 2009/10 nehmen auch Studierende an der Pädagogischen Hochschule Salzburg daran teil. Für die vorliegende Analyse wurden die Daten aus den Studienjahren 2009 bis 2011 herangezogen, in denen 2080 Studierende aus beiden Einrichtungen an den Beratungstests teilnahmen. Der Ausschöpfungsgrad an der Universität liegt bei 99 %, an der Pädagogischen Hochschule nach Jahrgängen unterschiedlich zwischen 50 und 95 %.

Für die Darstellung der deskriptiven Unterschiede zwischen den beiden Einrichtungen werden die jeweiligen Gesamtgruppen herangezogen, für die Analyse der Frage, welche Faktoren für die Niveauentscheidung relevant sind, wurde eine parallelisierte Stichprobe gebildet, für die zu den Studierenden der Pädagogischen Hochschule jeweils ein Testzwilling aus dem universitären Lehramtsstudium gesucht wurde, der nach dem Geschlecht, der konkreten Schule, an dem die Matura abgelegt wurde, und den Schulleistungen vergleichbar ist. Dadurch kommt es allerdings zu einer Reduktion der Stichprobe (Tab. 1).

Tab. 1 Aufgliederung der Stichprobe nach Lehramtsstudien

2.2 Erhebungsverfahren und Instrumente

Die Datenerhebungen fanden bei den Studierenden an der Universität zu Beginn des 2. Studiensemesters statt, bei den Studierenden an der Pädagogischen Hochschule nach Beginn des ersten Semesters. In diesem Kontext wurden auch die gewählten Unterrichtsfächer bzw. die Entscheidung für einen bestimmten Studiengang an der Pädagogischen Hochschule (Lehramt Hauptschule, Lehramt Volksschule, Lehramt Sonderschule) mit-erfasst.

Kognitive Merkmale

Zur Erfassung kognitiver Merkmale wurden aus dem Kognitiven Fähigkeitstest (Heller und Perleth 2000) die Subtests Sprachlich-schlussfolgerndes Denken (KFT-V1), Rechnerisches Denken (KFT-Q2) sowie Nichtsprachlich-figurales Denken (KFT-N1) erfasst. Diese drei Subtests decken einerseits die Grundstruktur des Verfahrens ab und erlauben damit eine gute Schätzung eines allfälligen Gesamtwertes für kognitive Fähigkeiten; zugleich sind die für den Lehrberuf besonders relevanten sprachlichen Fähigkeiten auch unmittelbar angesprochen. Zusätzlich wurden die Abschlussnoten aus der Maturaklasse (Deutsch, Englisch, Mathematik) über Selbstberichte der Studierenden erhoben.

Als Maß für Allgemeinbildung wurde ein überwiegend aus dem InternetFootnote 3 stammender Wissenstest eingesetzt. Er setzt sich aus 50 Multiple-Choice-Fragen zusammen, die vornehmlich Bereiche „traditioneller“ Bildung in einer schulwissensnahen Form ansprechen (Kunst und Kultur, Geschichte, Politik, Naturwissenschaften). Beispielaufgabe:

Eine mit Inhalten aus der Tierwelt gestaltete kurze Erzählung, die häufig eine Belehrung enthält, bezeichnet man als

  • A Fabel

  • B Legende

  • C Anekdote

  • D Gleichnis

Interessen

Die beruflichen Interessen wurden mit dem Allgemeinen Interessen-Struktur-Test (AIST-R) von Bergmann und Eder (2005) erfasst. Der AIST-R besteht aus einer Liste von 60 Tätigkeiten, die sich sechs grundlegenden Interessenorientierungen zuordnen lassen: Praktisch-technische Orientierung (R – realistic), Intellektuell-forschende Orientierung (I – investigative), Sprachlich-künstlerische Orientierung (A – artistic), Soziale Orientierung (S – social), Unternehmerische Orientierung (E – enterprising), Ordnend-verwaltende Orientierung (C – conventional).

Persönlichkeitsfaktoren

Persönlichkeitsfaktoren im engeren Sinn wurden mit dem NEO-FFI (Borkenau und Ostendorf 1993) erfasst. Das Verfahren misst fünf grundlegende Dimensionen der Persönlichkeit (vgl. Eder 2008): Belastbarkeit, Extraversion, Offenheit für Erfahrungen, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit.

Leistungsmotivation

Mit einer Kurzform des Leistungsmotivations-Inventars von Schuler et al. (2001) wurden drei Aspekte von Leistungsmotivation erfasst: Wettbewerbsorientierte Leistungsmotivation, Aufgabenbezogene Leistungsmotivation und Leistungsstolz. Die Skalen sind nicht situations- oder bereichsspezifisch formuliert, sondern messen die generalisierte Leistungsmotivation.

Tabelle 2 listet die Erhebungsverfahren nach Merkmalsgruppen auf. Mittelwert (MW) und Standardabweichung (SD) sowie Cronbachs Alpha sind für den in der Analyse verwendeten Datensatz in den weiteren Spalten angeführt.

Tab. 2 Überblick über die Erhebungsverfahren

2.3 Statistische Analysen

Zur Überprüfung der Einzelhypothesen (vgl. Abschnitt 1.3) werden Gruppenvergleiche durchgeführt und varianzanalytisch auf Signifikanz getestet. Da die drei Vergleichsgruppen Grundschul-, Hauptschul- und Gymnasiallehramt deutlich unterschiedlich mit Frauen und Männern besetzt sind (vgl. Tab. 1) und das Geschlecht mitunter einen bedeutsamen Einfluss auf die untersuchten Persönlichkeitsmerkmale hat, wird auch jeweils der Erklärungsgrad des Lehramtstyps bei Kontrolle des Geschlechts angeführt. Bedeutsame Wechselwirkungen (ω2 ≥ 0,01) zwischen Geschlecht und Lehramtstyp wurden in vorgeschalteten Analysen nicht gefunden.

Anschließend wird mit Hilfe von Diskriminanzanalysen geprüft, inwieweit auf Basis der vorliegenden Prädiktoren eine über die stochastische Trefferquote hinausgehende Zuordnung zu den jeweiligen Ausbildungseinrichtungen möglich ist. Diese Analyse erfolgt auf Basis einer parallelisierten Stichprobe, um auf diese Weise Moderatorvariablen zu neutralisieren. Der Einfluss des Geschlechts wird bei dieser Vorgangsweise auf Stichprobenebene kontrolliert. Da aber zu den Fällen der Pädagogischen Hochschule jeweils ein Pendant im universitären Lehramtsstudium gesucht wurde, besitzen diese Analysen vor allem für Studentinnen Gültigkeit (vgl. Tab. 1).

3 Ergebnisse

Unterschiede in kognitiven Merkmalen

Tabelle 3 bringt eine Gegenüberstellung der erfassten kognitiven Merkmale nach Studiengängen.

Tab. 3 Kognitive Merkmale im Vergleich der Studiengänge. Varianzanalysen

Praktisch bedeutsame Unterschiede zu Gunsten des gymnasialen Lehramts sind im Bereich der sprachlichen Intelligenz, in den Maturanoten und in der Allgemeinbildung gegeben. Im letztgenannten Bereich finden sich die stärksten Unterschiede: Lehramtsstudierende, die sich für die Universität entschieden haben, verfügen in einem erheblichen Ausmaß über ein höheres Allgemeinwissen, sind also „gebildeter“ als ihre Kolleginnen und Kollegen von der Pädagogischen Hochschule. Die Studierenden für das Lehramt an der Grundschule liegen noch einmal deutlich hinter den Studierenden für das Hauptschullehramt zurück. Der Einfluss des Lehramtstyps bleibt unter Kontrolle des Geschlechts erhalten, lässt sich also nicht alleine als Kompositionseffekt beschreiben.

Zur Illustration zeigt Abb. 1 die kumulierten Häufigkeiten für die sprachliche Intelligenz innerhalb der Studiengänge.

Abb. 1
figure 1

Kumulierte Intelligenzverteilung (Prozentwerte). GS Grundschullehramt, HS Hauptschullehramt, GYM Gymnasiallehramt

Die Darstellung lässt erkennen, dass eine relativ parallele Verschiebung zwischen den drei Studiengängen vorliegt, die primär daraus resultiert, dass sich vermehrt Personen mit vergleichsweise niedrigeren intellektuellen Fähigkeiten für das Grundschullehramt und Hauptschullehramt entscheiden.

Insgesamt lässt sich damit resümieren, dass sich die Studierenden an den Pädagogischen Hochschulen in ihrer sprachlichen Intelligenz, ihrem Allgemeinwissen sowie ihren Schulnoten negativ von den Lehramtsstudierenden der Universität unterscheiden. Die Unterschiede in diesen Merkmalen sind in einer praktisch relevanten Größenordnung und im vorliegenden Datensatz statistisch signifikant.

3.1 Unterschiede in den Interessen

Lehramtsstudierende an der Universität haben deutlich höhere intellektuell-forschende Interessen als ihre Kolleg/innen an der Pädagogischen Hochschule (wobei die intellektuellen Interessen der angehenden Gymnasiallehrpersonen eher im Durchschnitt der Studierenden liegen).Footnote 4 Dieser Effekt bleibt auch bei Kontrolle der unterschiedlichen Zusammensetzung nach Geschlecht erhalten.

In den übrigen Interessendimensionen sind die Unterschiede zwischen den Institutionen nicht konsistent: Bei den sprachlich-künstlerischen Interessen fallen die späteren Hauptschullehrpersonen gegenüber den beiden anderen Studiengängen deutlich ab; bei den sozialen Interessen dominieren die Studierenden aus dem Grundschullehramt, während zwischen Gymnasial- und Hauptschullehrpersonen praktisch kein Unterschied besteht. Der Einfluss des Lehramtstyps auf die soziale Interessenorientierung liegt bei Kontrolle des Geschlechts unter einer praktisch bedeutsamen Effektstärke, es handelt sich hierbei also vor allem um einen Kompositionseffekt (vgl. Tab. 4).

Der Gesamtverlauf aller drei Interessenprofile (Abb. 2) bestätigt, dass für den Lehrberuf jedenfalls die sozialen Interessen dominieren, bei den Student/innen für das Grundschul- und Gymnasiallehramt gefolgt von sprachlich-künstlerischen (A) und unternehmerischen Interessen (E), bei den Student/innen für das Hauptschullehramt gefolgt von E und ordnend-verwaltenden Interessen (C).

Abb. 2
figure 2

Interessenprofile der Studierenden verschiedener Lehrämter. R Praktisch-technisch, I Intellektuell-forschend, A Sprachlich-künstlerisch, S Sozial, E Unternehmerisch, C Ordnend-verwaltend

3.2 Unterschiede in Persönlichkeitsfaktoren

Gegenüber der Eichstichprobe des NEO-FFI zeichnen sich Lehramtsstudierende insgesamt durch deutlich höhere Werte in den Bereichen Extraversion, Verträglichkeit und mit Abstrichen auch Gewissenhaftigkeit aus; Offenheit weist in jedem Studiengang die niedrigste Durchschnittsausprägung auf (vgl. Tab. 5). Dies erscheint konsistent mit ihren ausgeprägten sozialen Interessen.

Tab. 4 Allgemeine Interessen im Vergleich der Studiengänge. Varianzanalysen

Im Vergleich der Studiengänge zeigen sich deutliche Unterschiede in den Dimensionen Offenheit (zu Gunsten des Gymnasiallehramts gegenüber den beiden anderen Studiengängen) sowie Verträglichkeit (zugunsten des Grundschullehramts gegenüber den beiden anderen Studiengängen). Beide Effekte erreichen auch bei Kontrolle des Geschlechts noch eine bedeutsame Effektstärke. Im Fall der Offenheit ist der Effekt sogar verstärkt, da Männer insgesamt leicht niedrigere Durchschnittswerte haben, das stärker mit Männern besetzte gymnasiale Lehramt aber die höchsten Werte bei Offenheit zeigt.

Angehende Grundschullehrer/innen erscheinen etwas weniger belastbar (ein Kompositionseffekt), angehende Gymnasiallehrpersonen etwas weniger gewissenhaft als ihre Vergleichsgruppen.

3.3 Unterschiede in der Leistungsmotivation

Keine relevanten Unterschiede bestehen in der generalisierten Leistungsmotivation. Zwar sind die Unterschiede in der wettbewerbsorientieren Leistungsmotivation signifikant, die Effektstärke erscheint jedoch zu gering, um von einem bedeutsamen Unterschied sprechen zu können (vgl. Tab. 6). Die in Abschnitt 1.2.4 vermuteten Effekte in Richtung einer geringeren Leistungsmotivation von Studierenden des Grundschullehramts könnten dennoch existieren, aber nur durch eine bereichsspezifische Messung in Hinblick auf studienrelevante Tätigkeiten vorgefunden werden.

Tab. 5 Persönlichkeitsmerkmale im Vergleich der Studiengänge. Varianzanalysen

3.4 Diskriminanzanalytische Prädiktion der Niveau-Entscheidung

Die oben beschriebenen Variablengruppen wurden herangezogen, um mit Hilfe von Diskriminanzanalysen die Entscheidung zwischen universitärem Lehramt vs. Pflichtschullehramt und innerhalb des Pflichtschullehramts die Entscheidung zwischen Grundschul- und Hauptschullehramt vorherzusagen. Die Analysen erfolgten auf Basis der parallelisierten Stichprobe und zeigen einen deutlichen Zusammenhang zwischen der DiskriminanzfunktionFootnote 5 und der Entscheidung auf den verschiedenen Niveaustufen (vgl. kanonische Korrelationskoeffizienten in Tab. 7):

Tab. 6 Leistungsmotivation im Vergleich der Studiengänge. Varianzanalysen
Tab. 7 Ergebnisse der Diskriminanzanalysen

Ein höherer Wert der Diskriminanzfunktion bedeutet in der Unterscheidung von UNI/PH, dass ein Fall eher dem Universitätsstudium zugeordnet wird. In der Binnen-Unterscheidung innerhalb der Pädagogischen Hochschule zwischen Grundschullehramt (GS) und Hauptschullehramt (HS) bedeutet ein höherer Wert, dass ein Fall eher für das Hauptschullehramt typisch ist.

Die stärkste Prädiktionskraft für die Entscheidung für das universitäre Lehramt haben somit Allgemeinwissen, intellektuell-forschende Interessen und das Persönlichkeitsmerkmal Offenheit. In geringerem Ausmaß sind auch niedrigere Gewissenhaftigkeit, sprachlich-künstlerische Interessen und sprachliche Intelligenz Hinweise auf ein universitäres Lehramt.

Innerhalb des Pflichtschullehramts entscheiden sich Studierende mit höheren sprachlich-künstlerischen Interessen, höherer Verträglichkeit und höheren sozialen Interessen eher für die Grundschule; höheres Allgemeinwissen, höhere Belastbarkeit und höhere Werte im nichtsprachlich-figuralen Denken sind eher für Studierende im Hauptschullehramt charakteristisch.

Das in Tab. 8 dargestellte Gesamtergebnis der Klassifikation zeigt, dass im Hinblick auf die Gymnasial-/Pflichtschulentscheidung 67,7 %, für die Binnenentscheidung innerhalb der Pflichtschullehrämter 68,4 % aus den erhobenen Daten richtig klassifiziert würden. Dies bedeutet gegenüber einer Zufallszuordnung (50 % Chance) doch eine substantiell bessere Zuordnung.Footnote 6

Tab. 8 Klassifikationsergebnis

4 Diskussion

4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse

Die durchgeführten Analysen führen zu einer weitgehenden Bestätigung der formulierten Erwartungen:

  • Studierende unterschiedlicher Lehrämter unterscheiden sich in ihren kognitiven Fähigkeiten. Je höher die kognitiven Fähigkeiten, desto eher wird ein universitäres Lehramt gewählt; für die Entscheidung zwischen Volks- und Hauptschullehramt gelten im Ansatz ähnliche Aussagen.

  • Lehramtsstudierende an der Pädagogischen Hochschule haben höhere soziale, höhere sprachlich-künstlerische, hingegen deutlich niedrigere intellektuell-forschende Interessen als die Lehramtsstudierenden an der Universität.

  • Lehramtsstudierende der Universität weisen mehr Offenheit und größere Belastbarkeit, Studierende an der Pädagogischen Hochschule höhere Extraversion und speziell im Lehramt für die Grundschule mehr Verträglichkeit auf.

  • Nicht bestätigt wurden die Erwartungen hinsichtlich der Leistungsmotivation.

Für die Entscheidung zu Gunsten der Universität gegenüber der Pädagogischen Hochschule zählen vor allem eine höhere Ausprägung von Allgemeinwissen, intellektuell-forschende Interessen, Offenheit als Persönlichkeitsmerkmal, sprachliche Intelligenz, und sprachlich-künstlerische Interessen. Negativ indiziert sind Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit.

Für die Entscheidung zu Gunsten des Hauptschullehramts gegenüber dem Grundschullehramt zählt ein höheres Ausmaß an Belastbarkeit, an Allgemeinwissen, an nichtsprachlich-figuraler Denkfähigkeit und an unternehmerischen Interessen. Höhere sprachlich-künstlerische und soziale Interessen sowie Verträglichkeit zeigen eher die Wahl des Grundschullehramts an. Die Entscheidung für die Hauptschule ist vermutlich zum Teil eine Entscheidung gegen Merkmale, die den „Habitus“ der Grundschullehrerin/des Grundschullehrers konstituieren.

Die analysierten Merkmalsgruppen – Fähigkeiten, Interessen, Persönlichkeitsfaktoren, Leistungsmotivation – leisten mit Ausnahme der Leistungsmotivation einen substantiellen Beitrag zum Verständnis, wie Niveauentscheidungen bei der Wahl der Lehramtsstudiengänge determiniert sind. Die Ergebnisse stimmen gut mit den Resultaten der bisherigen Forschung, insbesondere mit Klusmann et al. (2009), überein bzw. bestätigen an einigen Stellen Trends, die bisher nicht in dieser Klarheit sichtbar waren. Das betrifft vor allem die Rolle der Persönlichkeitsfaktoren, die bei Retelsdorf und Möller (2012) – möglicherweise aufgrund der verkürzten Messung – keinen Effekt zeigen. Der Bereich der kognitiven Variablen wurde um das Merkmal Allgemeinwissen erweitert, das sich als der relativ stärkste Prädiktor erwies; aber auch das sprachliche Denken erwies sich als nicht sehr starker, aber konsistenter Prädiktor.

Aufgrund der Konvergenz mit der bisherigen Forschung und der inneren Schlüssigkeit der Ergebnisse kann vermutet werden, dass methodische Einschränkungen nicht verzerrend wirksam geworden sind. Zu solchen gehört insbesondere, dass es sich um eine Querschnittsanalyse handelt, sodass sich die „Prädiktion“ nicht auf die Zukunft bezieht, sondern die Prädiktormerkmale zum Entscheidungszeitpunkt erhoben wurden. Die Daten stammen aus einer einzigen Universität (hier jedoch aus einer Vollerhebung) bzw. aus einer einzigen Pädagogischen Hochschule. Es gibt allerdings keinen zwingenden Grund für die Annahme, dass die Variation der hier untersuchten Merkmale bzw. deren Relation zueinander in einer breiteren Stichprobe erheblich anders wären. Die Parallelisierung der Stichproben stützt sich auf wenige Merkmale und hat potentiell zur Folge, dass möglicherweise für extremere Ausprägungen in einer Stichprobe keine Entsprechung gefunden werden kann.

Nicht zuletzt ist einschränkend anzumerken, dass die Lehramtsstudierenden zum Zeitpunkt der Befragungen bzw. Testungen ihre Entscheidung bereits getroffen hatten, und dieser Sachverhalt möglicherweise ihr Antwortverhalten bei einigen Merkmalen beeinflusst haben könnte.

4.2 Auswirkungen auf die Tätigkeit und den Beruf von Lehrpersonen

Inhaltlich sollen die Ergebnisse im Hinblick auf berufliche Beratung, auf ihre unmittelbare Bedeutung für Schule und Unterricht sowie ihre langfristigen Auswirkungen diskutiert werden.

  1. 1.

    Für den Beratungskontext, aus dem die Daten für die vorgelegte Analyse stammen, erscheinen die Ergebnisse unmittelbar nützlich. Sie enthalten klare Aussagen, durch welche Einflüsse Niveauentscheidungen determiniert sind/sein können. Informationen darüber können Studierenden mit einem darauf gerichteten Beratungsbedarf als Referenzinformation zur Verfügung gestellt werden. Auch ein auf die Testdaten gestützter diskriminanzanalytisch ermittelter Studienvorschlag wäre – mit entsprechender Vorsicht im Grad der formulierten Verbindlichkeit – realisierbar.

  2. 2.

    Grundsätzlich ist allerdings zu fragen, ob das in den Daten sichtbare Merkmalsprofil der angehenden Lehrpersonen, das ja zumindest im Durchschnitt durch eine tendenziell negative Selektion im intellektuellen Bereich und durch geringe Interessen im intellektuell-forschenden Bereich auf der einen sowie durch starke soziale und sprachlich-künstlerische Interessen auf der anderen Seite geprägt ist, insgesamt ein tragfähiges Zielprofil für die Rekrutierung von Lehrerinnen und Lehrern bildet. Die vorliegenden Forschungsbefunde zu den Auswirkungen von Persönlichkeitsmerkmalen auf Studium und Berufspraxis implizieren vor allem Belastbarkeit, Extraversion und Gewissenhaftigkeit, ansatzweise auch Offenheit, als förderliche Merkmale (Mayr 2011). Von diesen Merkmalen weisen die Lehramtsstudierenden jedoch lediglich im Bereich Extraversion relativ hohe Werte auf. Auch wenn sich die „Intelligenz“ als Ganzes nicht direkt in Schülerleistungen niederschlägt, sind Sprachfähigkeiten der Lehrpersonen unmittelbar mit den Schülerleistungen verknüpft (Blömeke 2004); intellektuelle Fähigkeiten helfen den Lehrpersonen, ihr Fach und die Fachdidaktik besser zu verstehen und damit auch die Qualität des Unterrichts zu steigern. Allgemeinwissen und Allgemeinbildung bilden eine grundlegende Voraussetzung für eine unterrichtliche Kommunikation zwischen Lehrpersonen und Schülerinnen und Schülern, die nicht allein auf fachliche Ziele, sondern multikriteriell auf die vielseitige Entwicklung der Schülerinnen und Schüler ausgerichtet ist.

    Die von uns untersuchten Lehramtsstudierenden vermögen diesen Zielvorstellungen nur ansatzweise zu entsprechen. Verstärkt gilt dies für das Merkmalsprofil der Lehrpersonen an Pflichtschulen. Sofern man annimmt, dass sich grundlegende Persönlichkeitsorientierungen wie z. B. soziale oder (niedrigere) intellektuell-forschende Ausrichtungen, (geringere) kognitive Fähigkeiten oder (geringere) Offenheit in irgendeiner Form auch in der Gestaltung des Unterrichts manifestieren, wäre aufgrund der Ergebnisse zu erwarten, dass sich der Unterricht generell in Richtung Fürsorglichkeit und Verträglichkeit auf der einen, Wissenschaftsabwehr und Senkung von Anforderungen auf der anderen Seite entwickelt, allerdings je nach Institution in unterschiedlicher Intensität: verstärkt bei den Lehrpersonen in der Pflichtschule, etwas abgemildert in der Tätigkeit der Gymnasiallehrer/innen. Ergebnisse aus den Zusatzanalysen zu PISA 2009 liefern Hinweise, dass ein solcher Prozess bereits in Gang sein könnte: Seit den ersten PISA-Testungen im Jahre 2000 ergibt sich in der subjektiven Wahrnehmung der Schüler/innen eine Entwicklung, wonach – bei gleichzeitigem Absinken der gemessenen Leistungen – die von den Schüler/innen berichtete Unterstützung im Unterricht, das Wohlbefinden in der Schule und die Schulzufriedenheit gestiegen sind, während die von den Schüler/innen wahrgenommenen Anforderungen gesunken sind (Eder und Haider 2012, S. 114 f.). Durch die beschriebenen Prozesse der Außen- und Binnenselektion entstehen Aggregierungen von Lehrpersonen mit vergleichbaren Merkmalen an den einzelnen Standorten, die sich in ihren Haltungen wechselseitig verstärken.

  3. 3.

    Im Sinne der Theorie von Holland (1997), dass Personen Berufe konstituieren, ist zu erwarten, dass es im Generationentransfer zu einer verstärkten Reproduktion des derzeit bestehenden Musters kommt. Personen mit dem charakteristischen, durch Extraversion, soziale Interessen und Verträglichkeit geprägten Persönlichkeitsmuster bzw. mit einem geringen intellektuell-forschenden Anspruch würden demnach verstärkt in den Lehrberuf eintreten und dort entsprechende Realisierungsmöglichkeiten vorfinden oder schaffen; junge Menschen mit dazu konträren Persönlichkeitsmerkmalen sich jedoch bereits im Studium als inkongruent wahrnehmen und tendenziell ausscheiden. Erste Ergebnisse aus Längsschnittanalysen zeigen, dass jene Studierenden, die aus dem universitären Lehramt in ein anderes Studium wechseln, sich u. a. durch stärkere Offenheit, höhere Wettbewerbsmotivation und höhere Selbstwirksamkeitserwartungen – Merkmale, die einem modernen Berufsprofil sehr wohl entsprechen würden – von den anderen unterscheiden (Eder und Hörl 2013).

Da Fähigkeiten, Interessen und Persönlichkeitsfaktoren relativ stabil sind, scheint – unter der Annahme, dass der Reproduktionsprozess in der beschriebenen Weise abläuft – eine Gegenwirkung oder eine Durchbrechung dieses Prozesses nur durch eine aktive Auswahl von Personen möglich, die dem angesprochenen Zielprofil besser entsprechen. Unter anderem könnten Ansätze, Personen in den Lehrberuf zu bringen, die bereits Erfahrungen in anderen Berufen gesammelt haben, einen Beitrag leisten, diesen Reproduktionsmechanismus zu durchbrechen.