Anämie hat im höheren Lebensalter über 65 Jahre eine Prävalenz von bis zu 40% unter stationären geriatrischen Patienten [10]. In ca. einem Drittel der Fälle liegt eine Anämie der chronischen Erkrankung (Anemia of Chronic Disease, ACD) mit funktionellem Eisenmangel vor, bei welchem charakteristischerweise die Eisenspeicher gefüllt sind bei gleichzeitig eingeschränkter Eisenfreisetzung bzw. eingeschränkter enteraler Eisenresorption [23]. In einem weiteren Drittel der Fälle liegt eine Anämie mit absolutem Eisenmangel vor, bei welchem typischerweise die Eisenspeicher leer sind [2]. Beim letzten Drittel der Fälle liegt eine nicht erklärbare Anämie vor (Unexplainable Anemia, UE) [18].

Hepcidin

Wesentlicher Regulator der Eisenhomöostase ist das Hepcidin [17]. Dieses hepatisch synthetisierte Oligopeptid bewirkt auf intravasaler Seite der Enterozyten eine Internalisierung des spezifischen Eisenkanals Ferroportin, so dass die Freisetzung von Eisen ins Blut vermindert wird [9, 10]. Im Anschluss wird auf duodenaler Ebene an der luminalen Seite der Enterozyten der Divalent Metal Transporter 1 (DMT-1) herabreguliert, was eine verminderte Resorption von enteralem Eisen zur Folge hat. Weiter wirkt Hepcidin auf die Eisenspeicherzellen (v. a. auf die Markophagen des retikuloendotelialen Systems in Milz und Leber, aber auch zum Teil auf die Hepatozyten), indem es die auch hier exprimierten Ferroportinkanäle herunterregulieren und somit die Eisenverwertung und -verfügbarkeit steuern kann. Stimulatoren für Hepcidin sind unter anderem hohe Eisenserumspiegel und Interleukin-6 [17], welches z. B. bei chronisch inflammatorischen Zuständen wie chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED), Tumorleiden oder fortgeschrittener Nierenerkrankung (Chronic Kidney Disease, CKD) [20, 29] erhöht ist [27]. Umgekehrt führen Hypoxie und niedrige Serum-Eisenspiegel zu einer Hemmung der Hepcidinbildung, was eine enterale Resorption bzw. Freisetzung von Eisen begünstigt [17]. Die bei onkologischen Patienten zu beobachtende ACD ist häufig mit eingeschränkter Organfunktion verbunden und mit verminderter Lebensqualität assoziiert [1, 14].

Eisenmangel im höheren Lebensalter

Eisenmangel im höheren Lebensalter führt zu signifikanten Einschränkungen kognitiver sowie koordinativ-motorischer Fähigkeiten mit einem erhöhten Risiko für Invalidität, Morbidität und Mortalität. Insbesondere die kognitiven Einschränkungen und motorischen Defizite können zu vermehrten Stürzen führen [13, 28] und damit zu einem erhöhten Frakturrisiko bei geriatrischen Patienten beitragen [3]. Doch trotz hoher Relevanz der Anämie hinsichtlich Mortalität, Morbidität und Hospitalisierung bei geriatrischen Patienten fehlen bisher orientierende Leitlinien [21]. Eine differenzierte Diagnostik zur Einleitung gezielter therapeutischer Maßnahmen ist bei geriatrischen Patienten von hoher klinischer und ökonomischer Bedeutung. Eisencarboxymaltose (Ferinject®) steht seit 2007 zur intravenösen Behandlung von Eisenmangelzuständen zur Verfügung. Effektivität und Verträglichkeit sind durch mehrere klinische Studien bei Patienten gut belegt [6, 12, 19]. Daten zu geriatrischen Patienten > 70 Jahre sind jedoch rar. Im Folgenden werden die gepoolten Daten aus drei multizentrischen nicht-interventionellen Studien vorgestellt, in deren Rahmen an drei verschiedenen Patientengruppen (nicht dialysepflichtige ND-CKD, CED, onkologische Patienten) erstmals die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Eisencarboxymaltose in der intravenösen Therapie der Anämie bei Patienten mit funktionellem Eisenmangel gezeigt werden konnte. Die vorgestellten Daten basieren auf der Subgruppenanalyse der über 70-Jährigen unter den Patienten der drei nicht-interventionellen Studien zur intravenösen Eisensubstitution [2426].

PATIENTEN UND METHODE

In den drei nicht-interventionellen Studien wurden anämische Patienten mit den folgenden chronischen Erkrankungen untersucht:

  • Onkologische Erkrankungen,

  • CED (Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa) sowie

  • ND-CKD im Stadium III und IV.

Die Daten der geriatrischen Patienten im Alter > 70 Jahre wurden aus den drei nicht-interventionellen Studien zusammengefasst und eine Analyse der Behandlungsmodalitäten, Effektivität und Verträglichkeit von Eisencarboxymaltose in diesem Patientenkollektiv durchgeführt. Alle Patienten erhielten mindestens eine Gabe von Eisencarboxymaltose und wurden über zwölf Wochen beobachtet. Aufgrund des nicht-interventionellen Charakters der Studien wurden keine Therapieschemata vorgegeben; die Daten bilden den routinemäßigen Einsatz des intravenösen Eisens in der täglichen Praxis ab. Den Gruppen wurden die Anämie-Definitionen der WHO zugrunde gelegt: Frauen bei einem Hämoglobin-(Hb) Wert > 12 g/dl und Männer bei einem Hb-Wert < 13 g/dl [4]. In der Gruppe der ND-CKD Patienten lag eine Anämie mit einem Hb-Wert < 11 g/dl vor.

ERGEBNISSE

Zwischen 2009 und 2011 wurden im Rahmen von drei nicht-interventionellen Studien 823 Patienten behandelt. In der Onkologie-Studie wurden 420 Patienten bezüglich Effektivität ausgewertet, von denen 168 (40%) älter als 70 Jahre waren. In der ND-CKD-Studie waren 90 von 210 (43%) und in der CED-Studie 6 von 193 (3%) Patienten älter als 70 Jahre [25, 26]. Insgesamt wurden Daten von 264 Patienten über 70 Jahren betrachtet. Das mittlere Alter lag bei 76,9 ± 5,2 Jahren (Bereich 70–90) (Tab. 1 ). Die mittlere, kumuliert verabreichte Eisendosis pro Patient betrug bei den onkologischen Patienten 1283 mg, bei den ND-CKD-Patienten 746 mg und bei den CED-Patienten 1575 mg Eisencarboxymaltose (Tab. 2 ).

Tab. 1 Patientencharakteristika der drei Beobachtungsstudien
Tab. 2 Verabreichte Eisendosis und Anzahl der Infusionen

Die Gabe von Eisencarboxymaltose führte in allen drei untersuchten Patientenkollektiven zu einem Anstieg des Hb-Wertes sowie des Serum-Ferritins und der Transferrinsättigung (Abb. 13). Innerhalb der Gruppe der CKD-Patienten war der Hb-Anstieg hoch signifikant, der Anstieg von Ferritin und Transferrinsättigung dagegen signifikant. Innerhalb der Gruppe der CED-Patienten war der Anstieg für Hämoglobin (p < 0,05) und Transferrinsättigung (p < 0,05) signifikant, der Anstieg von Ferritin verfehlte dagegen die Signifikanz. Innerhalb der Gruppe der onkologischen Patienten zeigten sowohl Hämoglobin als auch Ferritin einen hoch signifikanten Anstieg (p < 0,0001) und die Transferrinsättigung einen signifikanten Anstieg (p = 0,02) (Abb. 13).

Abb. 1:
figure 1

Hämoglobinwert zu Studienbeginn (Bsl, Baseline) und Studienende (EoS) nach Gabe von Eisencarboxymaltose in allen drei geriatrischen Patientengruppen (NK-CKD, nicht dialysepflichtige chronische Nierenerkrankung; CED, chronisch entzündliche Darmerkrankung).

Abb. 2:
figure 2

Ferritin zu Studienbeginn (Bsl, Baseline) und Studienende (EoS) nach Gabe von Eisencarboxymaltose in allen drei geriatrischen Patientengruppen (NK-CKD, nicht dialysepflichtige chronische Nierenerkrankung; CED, chronisch entzündliche Darmerkrankung).

Abb. 3:
figure 3

Transferrinsättigung (TSAT) zu Studienbeginn (Bsl, Baseline) und Studienende (EoS) nach Gabe von Eisencarboxymaltose in allen drei geriatrischen Patientengruppen (NK-CKD, nicht dialysepflichtige chronische Nierenerkrankung; CED, chronisch entzündliche Darmerkrankung).

Die bei ND-CKD- als auch bei CED-Patienten unternommene Erhebung klinischer Symptome zu Beginn und am Ende der Studie anhand eines Symptomen-Scores (0–4) zeigte in beiden Patientenkollektiven eine deutliche Verbesserung der Symptome in Bezug auf Müdigkeit/Abgeschlagenheit, Konzentrationsschwäche und Belastungsdyspnoe.

In keiner der untersuchten Patientenpopulationen traten schwerwiegende Nebenwirkungen in kausalem Zusammenhang mit der Gabe von Eisencarboxymaltose auf, wobei gemäß § 4 Abs. 13 AMG eine Nebenwirkung als „schwerwiegend“ eingestuft wurde, wenn sie tödlich oder lebensbedrohend gewesen wäre oder aber eine stationäre Behandlung oder Verlängerung einer stationären Behandlung erforderlich gemacht hätte [30].

DISKUSSION

Trotz hoher Prävalenz der Anämie im vorangeschrittenen Lebensalter fehlen bis heute Leitlinien und einheitliche Empfehlungen zu Diagnostik und Therapie [21]. Bei einer Anämie mit leeren Eisenspeichern bei absolutem Eisenmangel (Iron Deficiency Anemia, IDA) ohne begleitende Entzündungsreaktion kann Eisen oral oder intravenös, je nach Schwere der Symptomatik, substituiert werden. Bei der Anämie der chronischen Erkrankung mit begleitendem funktionellen Eisenmangel im Zusammenhang mit einer Entzündungsreaktion gibt es bisher jedoch keine einheitliche Empfehlung zum Substitutionsweg. Die Strategie der Eisensubstitution in dieser Situation hat sich inzwischen zwar durchgesetzt, doch bleibt hinsichtlich der Rolle von Hepcidin die Frage offen, welche Applikationsform — oral oder intravenös — die effektivere darstellt. Im Bereich der Onkologie konnte inzwischen in einigen randomisierten Studien der letzten Zeit die Überlegenheit einer intravenösen gegenüber einer oralen Eisengabe in Zusammenhang mit der Therapie mit ESA (Erythropoese stimulierende Agentien) gezeigt werden [8], so dass zumindest bei Tumoranämien mit durch ESA induziertem funktionellen Eisenmangel die intravenöse Eisengabe empfohlen wird [31]. Im Bereich der Nephrologie wurde die intravenöse Eisensubstitution in den letzten Jahren ebenso intensiv diskutiert [16] wie im Bereich der Gastroenterologie bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen [7]. Die zunehmenden Hinweise darauf, dass die Serumspiegel von Hepcidin bei chronisch-inflammatorischen und urämischen Zuständen erhöht sind [5, 11, 21], legen die Schlussfolgerung nahe, in diesen Fällen eine intravenöse einer oralen Eisensubstitution vorzuziehen [15, 22]. Die aktuellen Leitlinien zum Anämiemanagement bei Patienten mit CKD [32] und Colitis ulcerosa wurden inzwischen dementsprechend angepasst [33]

Die zur Verfügung stehenden intravenösen Eisenpräparate unterscheiden sich durch die Art der Kohlenhydrate, die den Eisenkern ummanteln (z. B. Eisenglukonat, Eisendextran, Eisencarboxymaltose). Der Einsatz dieser Präparate wurde durch zum Teil lebensbedrohliche allergische Reaktionen (Eisen-III-Dextran) sowie durch lange und wiederholte Infusionszeiten limitiert. Seit 2007 steht Eisencarboxymaltose zur Behandlung von Eisenmangelzuständen zur Verfügung, welches sich durch gute Verträglichkeit und die Möglichkeit, eine hohe Applikationsdosis in kurzer Zeit zu verabreichen, auszeichnet. Während Effektivität und Verträglichkeit von Eisencarboxymaltose an Patientenkollektiven im mittleren Alter (< 70 Jahre) im Rahmen mehrerer randomisierter, klinischer Studien gezeigt werden konnte [12, 19], sind Daten von geriatrischen Patienten bisher rar. Die vorliegende Subgruppenanalyse dreier nicht-interventioneller Studien konnte zeigen, dass die Anämie bei geriatrischen Patienten (> 70 Jahre) in allen drei untersuchten Indikationsbereichen durch die Behandlung mit Eisencarboxymaltose ebenso effizient korrigiert werden konnte wie bei jüngeren Patienten und dass die Behandlung mit Eisencarboxymaltose von der betrachteten Patientengruppe gut toleriert wurde. In allen drei untersuchten Patientenkollektiven führte die Gabe von Eisencarboxymaltose zu einer zum größten Teil signifikanten Verbesserung der Anämie und der Eisenparameter (Hb-Werte, Ferritin und Transferrinsättigung) sowie zu einer Verbesserung der klinischen Symptomatik, wie Müdigkeit und Konzentrationsschwäche.

Fazit für die Praxis

Aus der vorliegenden Beobachtungsstudie kann geschlossen werden, dass Eisencarboxymaltose auch bei geriatrischen Patienten mit funktionellem Eisenmangel bei ACD infolge chronischer Erkrankungen effizient und gut tolerierbar einsetzbar erscheint. Mit dem Ziel, diese Ergebnisse zu bestätigen, befindet sich derzeit am Lehrstuhl für Geriatrie der Universität zu Köln eine randomisierte Studie in Vorbereitung.