Präambel

Der adäquate Einsatz des seit 2005 in Deutschland verfügbaren, tragbaren Kardioverter-Defibrillators (WCD) bei Patienten in der Phase der Risikostratifizierung bis zur endgültigen Entscheidung über eine mögliche ICD-Therapie ist ein vielfach diskutiertes Thema. Aufgrund der wachsenden Studienlage inklusive einer ersten randomisierten kontrollierten Studie „Vest Prevention of Early Sudden Death Trial“ (VEST) [1] hat sich die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V. (DGK) entschieden, die wesentlichen Erkenntnisse in diesem Positionspapier zusammenzufassen und Handlungsempfehlungen für die klinische Praxis abzuleiten. Sie spiegeln den gegenwärtigen Stand des medizinischen Wissens wider und sollen eine fachgerechte Entscheidungsfindung ermöglichen. Diese Empfehlungen ersetzen nicht die individuelle und der klinischen Situation angemessene ärztliche Evaluation inklusive der dazugehörigen Diagnostik und krankheitsbezogenen Therapie des einzelnen Patienten.

In diesem Positionspapier haben sich die Autoren in den Empfehlungsgraden an die neuen EHRA-Positionsdokumente angelehnt und eine einfache Graduierung in „wird empfohlen“ (grüne Markierungen), „sollte oder kann erwogen werden“ (gelbe Markierungen) und „wird nicht empfohlen“ (rote Markierungen) gewählt. Ein Evidenzgrad wird nicht angegeben.

Einleitung und Hintergrund

Die jährliche Inzidenz des PHT ist in den letzten Jahren trotz Senkung der allgemeinen kardiovaskulären Mortalität mit ca. 100.000 Fällen pro Jahr in Deutschland weitgehend konstant. Der ICD hat sich als effektive Option in der Sekundär- und Primärprophylaxe des PHT erwiesen. Allerdings ist die ICD-Langzeittherapie mit Komplikationen, Lebensqualitätseinschränkungen und hohen Kosten assoziiert. Es existiert eine Reihe von Situationen, in denen ein nur temporär erhöhtes PHT-Risiko besteht.

Seit 2005 steht in Deutschland für Patienten mit passager erhöhtem Risiko für den PHT die Defibrillatorweste (LifeVest 4000, Zoll Lifecor Cooperation; Pittsburgh, USA) zur Verfügung. Der WCD kann ventrikuläre Arrhythmien detektieren, einen externen Schock applizieren und somit lebensbedrohliche Rhythmusstörungen terminieren [2]. Seit 2015 ist der WCD in den Empfehlungen zahlreicher Fachgesellschaften (DGK [2, 3], ESC [4, 5], AHA/ACC/HRS [6, 7], ÖKG [8], EHRA [9]) mit Empfehlungsgraden zwischen I und IIb etabliert (s. auch Abb. 1). Die bisher erstellten Empfehlungen basieren lediglich auf Registerdaten.

Abb. 1
figure 1

Für Deutschland angepasste Empfehlungen für den WCD, basierend auf überwiegend Registerdaten und einer randomisierten Studie. aTrotz der methodischen Schwächen der VEST-Studie (geringe Patientenzahl, fehlerhafte Klassifikation der Todesfälle, große Crossover-Rate, geringe Tragecompliance) hat sich die Autorenschaft gegen eine generelle Ablehnung der WCD-Versorgung bei diesen Patienten entschieden. bDiese Empfehlung weicht von den Empfehlungen der europäischen und amerikanischen Leitlinien ab (Tab. 1), da die Nutzung eines WCD bei den aktuellen Wartezeiten auf eine Herztransplantation in Deutschland unrealistisch lang ist. VES Ventrikuläre Extrasystole, MRT Magnetresonanztomographie, VT ventrikuläre Tachykardie, EF Ejektionsfraktion

Tab. 1 Darstellung der bisherigen Empfehlungen zum Einsatz des WCD in den publizierten europäischen und amerikanischen Leitlinien

Aufbau und Funktionsweise des WCD

Beim WCD handelt es sich um einen nichtinvasiven automatischen externen Defibrillator, der 2001 durch die FDA zugelassen wurde. Die einzige aktuell verfügbare Version eines WCD ist die Lifevest 4000®. Er besteht aus einem tragbaren Westenteil, in das 4 Detektions- sowie 3 Defibrillationselektroden eingefügt sind, und wiegt insgesamt ca. 600 g. Diese sind verbunden mit einem batteriebetriebenen Monitor-Defibrillator-System. Die 4 Elektroden dienen der kontinuierlichen Aufzeichnung eines Basiselektrokardiogramms über je 2 Ableitungen (bipolare EKG-Ableitungen: anterior-posterior und links-rechts) sowie der Weiterleitung dieser Informationen an die angeschlossene Monitoreinheit, die die Batterie/den Akku, einen LCD-Bildschirm und 2 Reaktionstasten beinhaltet. Der WCD wird mit 2 Akkus ausgeliefert, die jeweils mindestens über eine 24-h-Kapazität verfügen, sodass ein kontinuierliches Tragen der Weste möglich ist. Die Akku-Ladestation ist über ein Funksignal (Bluetooth) mit der Weste verbunden. Schrittmacher stellen keine Kontraindikation für einen WCD dar, sofern sie auf bipolare Stimulation programmiert werden. Die aufgezeichneten und gespeicherten Episoden der Weste werden über das Funksignal an die Ladestation und von dort an einen Server mit internetbasiertem Zugang für den behandelnden Arzt (LifeVest-Network®) gesendet. Auf dieses Online-System kann der behandelnde Arzt über einen passwortgeschützten Zugang auf seine Patienten jederzeit zugreifen, um die aufgezeichneten Episoden und Alarme zu analysieren. Hierüber ist aktuell ein tägliches Remote-Monitoring insbesondere von VA-Episoden und -Therapien, EKG und Therapieadhärenz/Compliance (dokumentiert anhand der täglichen Tragezeit) möglich. Der WCD kann auch als Eventrekorder fungieren und im Falle einer vom Patienten registrierten Rhythmusstörung manuell aktiviert werden [10]. Dies ist v. a. für Rhythmusereignisse unterhalb der eingestellten Detektionsgrenze relevant. Auch hier werden die Daten an die internetbasierte Datenbank weitergeleitet.

Programmierbare Parameter des WCD sind die Frequenzintervalle für die Detektion von Kammerflimmern (120–250/min) sowie eine Zone zur Detektion von ventrikulären Tachykardien (120/min bis zu VF-Zone), Schockverzögerung (Zeit von Arrhythmiedetektion bis zur Schockabgabe; 60–180 s in der VT-Zone und 25–55 s in der VF-Zone) und die Schockenergie (75–150 J). Der WCD ist so konzipiert, dass er unabhängig (also ohne zusätzliche Interventionen durch den Patienten oder andere Personen) durch die Abgabe eines Defibrillationsschocks lebensbedrohliche ventrikuläre Tachyarrhythmien terminieren soll. Die Arrhythmiedetektion und -differenzierung (VT- vs. VF-Zone) erfolgt automatisiert innerhalb weniger Sekunden nach Arrhythmiebeginn. Bei fehlender Unterdrückung des WCD-Schocks durch Drücken der Reaktionstasten wird der Therapieschock abgegeben (in der VT-Zone R‑Zacken synchron).

Nach Detektion einer VA wird der Patient innerhalb von 5 s zuerst durch Vibration der Defibrillationselektroden und im Weiteren durch akustische Warnungen (initial monoton, später bitonal) darauf hingewiesen. In dieser Phase kann der Patient selber die Reaktionstasten drücken, um die Abgabe von Therapieschocks (z. B. im Rahmen von Fehldetektionen oder hämodynamischer Toleranz) zu unterdrücken. Unterbindet der Patient nach Aufforderung des Gerätes durch Drücken der beiden Reaktionstasten diese Alarmsequenz nicht, geht das Gerät von einem bewusstlosen Patienten aus. Nach Freisetzung eines blauen Gels, das den elektrischen Hautwiderstand senken und die Haut vor Verbrennungen schützen soll, aus an den 3 Defibrillationselektroden angelegten Kapseln kommt es in der Folge zur Schockabgabe. Parallel werden die umstehenden Personen durch Sprachausgabe auf die Notfallsituation hingewiesen und gebeten, den Patienten nicht zu berühren. Weiterhin werden sie aufgefordert, den Notarzt zu rufen. Insgesamt können bis zu 5 Schockabgaben pro Sequenz nach jeweils erneuter Rhythmusanalyse und Redetektion erfolgen. In der Regel erfordert die Detektion einer ventrikulären Tachyarrhythmie ca. 10–15 s, und die Gesamtdauer von Beginn einer Arrhythmie bis zur Therapieabgabe beträgt ca. 50 s. Eine „Post-Schock“-Stimulation bei möglicher Bradykardie oder Asystolie ist nicht möglich, scheint aber auch angesichts der vorliegenden Daten [11], keine Rolle zu spielen. Eine Überstimulation (im Sinne einer antitachykarden Stimulation, ATP-Abgabe) ist ebenfalls nicht möglich.

Patientenschulung und Compliance

Die Verordnung des WCD erfolgt durch den behandelnden Kardiologen. Voraussetzung für die Effektivität des WCD ist eine ausreichende Patientencompliance, hierfür ist eine intensive Aufklärung und Schulung des Patienten erforderlich. Aspekte, die im Rahmen einer Patientenschulung betont werden sollten, sind unter anderem die entsprechende Anlage der Weste, Batteriewechsel, Umgang mit möglichen Ansagen und Alarmierungen des WCD, die adäquate Handhabung der Patientenreaktionstasten, um bei Bedarf die Therapieabgabe zu unterdrücken, sowie das Verhalten nach einer WCD-Therapie. Geschätzt sind ca. 10–15 % der Patienten, die für einen WCD vorgesehen waren, nicht in der Lage, diesen zu bedienen [11]. Neben der initialen Patientenschulung zu Beginn der WCD-Therapie kann ein zweiter Schulungstermin im Intervall von wenigen Wochen hilfreich sein, um die Therapieadhärenz zu gewährleisten und einzelne Themenkomplexe (s. oben) erneut und intensiviert anzusprechen. Auch die Information über die tägliche Therapieadhärenz, die über das LifeVest-Network mittels Remote-Monitoring (s. unten) abfragbar ist, kann helfen, die Compliance zu erhöhen.

In mehreren Studien traten die meisten Todesfälle im Verlauf bei Patienten auf, die den WCD entweder nicht oder falsch angelegt hatten [12, 13]. Das kontinuierliche Tragen des WCD ist entscheidend für den Nutzen der Therapie. Nach Meinung der Autoren ist eine Tragezeit von mehr als 20 h pro Tag zu fordern. In Registerdaten wurde eine Tragecompliance von >22 h/Tag bei >90 % der Patienten berichtet [11, 14]. Um eine möglichst hohe Compliance zu erzielen, sollte das LifeVest-Network verwendet werden (s. unten 2.2). Wird eine ausreichende Tragezeit des WCD trotz mehrfacher Interventionen durch den betreuenden Arzt nicht erreicht, so empfiehlt die Autorengruppe, die Therapie zu beenden (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Empfehlung der Autorengruppe für Patienten, die mit einem WCD versorgt werden/worden sind

Telemonitoring und LifeVest-Network

Das vom Hersteller des WCD zur Verfügung gestellte „LifeVest-Network“ stellt ein telemedizinisches Nachsorgekonzept zur Datenanalyse (Remote Monitoring) dar. Individuell können Patientenalarme programmiert werden, die dann innerhalb des Netzwerkes als Benachrichtigung erscheinen. In diesem Rahmen sind auch EKG-Dokumente übertragbar. Aktuell sind 2 unterschiedliche Parametergruppen darstellbar: 1. Tragzeit des WCD und 2. vorprogrammierte Arrhythmieepisoden. Allerdings ist bislang die automatische Aufzeichnung von EKG-Episoden auf wenige prädefinierte Ereignisse, wie beispielsweise therapieinduzierende VA, nicht therapierte VA sowie Asystolien >3 s, beschränkt.

Die Detektion von anderen Rhythmusstörungen wie Vorhofflimmern ist auf patienteninitiierte und damit symptomatische Episoden beschränkt, eine automatisierte Detektion von Vorhofflimmern existiert nicht. In der WEAR-IT II-Studie [14] traten bei 3,6 % der Patienten symptomatische atriale Arrhythmien sowie bei 0,3 % Asystolien auf, die eine weiterführende Diagnostik oder Therapie nach sich zogen. Diese Ereignisse können evtl. im LifeVest-Network kurzfristiger detektiert werden und demnach auch frühzeitiger zu ärztlichen Handlungen führen.

Aktuelle Datenlage

Retrospektive Studien- und Registerdaten

Bereits 1998 und 2003 konnten in Wirksamkeitsstudien von Auricchio et al. [15] und Reek et al. [16] die zu 100 % korrekte Detektion und Terminierung von VT durch den WCD nachgewiesen werden. Insgesamt zeigen alle retrospektiven Datenanalysen eine hohe Effektivität des WCD in der Detektion und Terminierung von VT/VF.

Die ersten Studien zur klinischen Effektivität des WCD erfolgten im Rahmen der Zulassung [13, 15, 16]. Die Primärhypothese prognostizierte eine erfolgreiche Wiederbelebung durch den WCD in 25 % der Fälle. Die angenommene korrekte Detektionsrate sollte zwischen 85 und 90 % liegen, die Wiederbelebungsrate zwischen 50 und 95 %. Das sequenziell aufgebaute Design der Studie verlangte, dass die verbundenen Studien gestoppt werden, sobald die Studienhypothese bestätigt oder verworfen werden konnte. Nach 239 Patienten konnte die Studienhypothese mit einer Erfolgsrate von 69 % bestätigt werden.

Prospektive Studien- und Registerdaten

Neben umfangreichen retrospektiven Registerdaten liegen seit 2015 auch prospektive Registerdaten von mehr als 2000 Patienten vor [11, 14, 17,18,19]. Das WEARIT-II-Register [14] dokumentiert, dass es bei ca. 3 % der Patienten mit ICM und 1 % der NICM-Patienten in einem Beobachtungszeitraum von 3 Monaten zum Auftreten einer behandlungsbedürftigen VT/VF kam. Nach Trageende des WCD hatte sich die LVEF bei 41 % der Patienten so weit verbessert, dass ein ICD nicht indiziert war. Insgesamt konnte festgestellt werden, dass einer von 14 Patienten ein therapierelevantes Ereignis hatte. Im Follow-up zeigte sich mit 97 % eine hohe 1‑Jahres-Überlebensrate [14]. Zusammenfassend konnte in WEARIT-II und den retrospektiven PROLONG-Daten [20] gezeigt werden, dass nach 3 Monaten unter WCD-Therapie aufgrund einer Erholung der LV-Funktion nur etwa die Hälfte der Patienten mit einem ICD versorgt werden müssen. Bei NICM zeigte sich nach Einsatz des WCD bei 51,2 % der Patienten eine verbesserte LVEF über einen Wert von 35 %. In der weiteren Nachbeobachtung der PROLONG-Studie kamen noch 22 % der Patienten hinzu, sodass insgesamt bei nur 25 % der Patienten eine LVEF <35 % persistierte und diese Patienten schließlich mit einem ICD versorgt wurden. Bei Patienten, die nach Beendigung der WCD-Therapie keinen ICD implantiert bekamen, wurde im Follow-up keine VT/VF oder PHT dokumentiert.

VEST-TRIAL (randomisierte kontrollierte Studie)

Die erste randomisiert kontrollierte Studie (RCT) mit dem WCD, der VEST-TRIAL [1], bei Patienten früh nach einem akuten Myokardinfarkt wurde 2018 publiziert [1]. Eingeschlossen wurden Patienten nach akutem Myokardinfarkt mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion ≤35 %. Insgesamt wurden 2302 Patienten randomisiert, wovon 1524 Patienten den WCD erhielten. Allerdings trugen nach der Randomisierung 2,8 % (43 Patienten) der Patienten der WCD-Gruppe niemals einen WCD, während in der Kontrollgruppe 2,6 % (20 Patienten) einen WCD erhielten. Insgesamt erhielten 20 (1,4 %) Patienten einen adäquaten Schock, ein weiterer adäquater Schock durch den WCD war in der Kontrollgruppe zu verzeichnen; 4,5 % der Patienten unterdrückten mithilfe der Reaktionstasten unnötige Schocks. Inadäquate Schocks traten bei 0,6 % der Patienten auf.

Der primäre Endpunkt (Tod durch plötzlichen Herztod und VT) trat in beiden Gruppen nicht unterschiedlich häufig auf. Von 48 Todesfällen wurden 25 als arrhythmogen klassifiziert, von diesen trugen 9 zum Todeszeitpunkt den WCD (4 verstarben mit rezidivierenden VT/VF, 5 verstarben ohne VT/VF). Insgesamt verstarben von 20 Patienten mit adäquatem WCD-Schock (1,3 %) 6 innerhalb von 2 Wochen (Tabelle S12, Appendix, VEST-Studie) [1]. Auch wenn in der „as-treated“-Analyse eine signifikante Senkung des primären Endpunktes berichtet wurde (p = 0,03, relative Senkung des PHT-Risikos um 54 %) erschweren relevante methodische Schwächen Schlussfolgerungen hieraus. Eine entscheidende Schwäche scheint die WCD-Trage-Compliance zu sein, so trugen von 48 Verstorbenen in der WCD-Gruppe lediglich 12 Patienten die Weste zum Todeszeitpunkt. Die mediane WCD-Tragezeit der Patienten in der WCD-Gruppe lag mit 18 h/Tag deutlich unter den Erfahrungen aus publizierten Registern. Bei den Nebenwirkungen kam es in der WCD-Gruppe signifikant häufiger zu Hautreaktion und Juckreiz (p < 0,001).

Zusammenfassend zeigt VEST, dass bei Patienten mit akutem Infarkt und einer LVEF <35 % der WCD im Vergleich zur Kontrollgruppe nicht zu einer signifikanten Reduktion des PHT geführt hat. Der WCD war funktionell wirksam und sicher. Methodische Limitationen und geringe Tragecompliance schränken die Interpretation der Studie erheblich ein. Die beobachtete signifikante Senkung der Gesamtmortalität (p = 0,04) als sekundärer Endpunkt kann, wie von den VEST-Autoren vermutet, zufällig sein.

Metaanalyse

Ergänzend zu den bisherigen Registerdaten wurde eine Metaanalyse der nicht randomisierten Studien veröffentlicht [21]. Analysiert wurden 11 von 411 zwischen 2008 und 2017 publizierten Studien mit insgesamt 19.882 Patienten; 64 % der berücksichtigten Studien waren multizentrisch, 18 % prospektiv. 2,6 % der WCD Patienten hatten VT/VF-Episoden. Bei 1,7 % der Patienten gab der WCD mindestens einen adäquaten Schock ab. Dies entspricht einer Rate von 9,1 adäquat therapierten Patienten pro 100 Patientenjahre. Die Gesamtmortalität aufgrund von VT/VF-Ereignissen lag bei 0,2 %. Die Metaanalyse zeigte eine Effektivität des WCD in 95,5 % der Fälle. Dabei trugen die Patienten den WCD im Schnitt zwischen 17 und 24 h pro Tag.

Effektivität des WCD

In allen Studien zum WCD konnte eine hohe Effektivität des WCD in der Erkennung und Terminierung von VT/VF dokumentiert werden. Eine effektive Terminierung erfolgt bei über 95 % der VT-Ereignisse [21]. Dennoch sind auch in der VEST-Studie [1] Patienten an rezidivierenden nichtterminierbaren VT/VF trotz WCD-Therapie verstorben.

Inadäquate WCD-Therapie/Akzeptanz

Etwa 0,5 % der mit dem WCD versorgten Patienten erhalten mindestens einen inadäquaten Schock, die häufigsten Ursachen stellen Störpotenzialwahrnehmung („noise“), T‑Wellen-Oversensing und tachykardes Vorhofflimmern dar [1, 11, 14]. Die Rate inadäquater WCD-Therapien ist im Vergleich zu implantierten ICDs geringer, da die Möglichkeit einer aktiven Therapieunterdrückung durch den Patienten genutzt werden kann. Auch die längere Detektionszeit des WCD trägt zur selteneren Rate an inadäquaten Schocks bei.

Hautirritationen und häufige Alarme können zu einer Reduktion der Trage-Compliance führen. In der VEST-Studie hatten ca. 10 % der Patienten mehr als 100 überwiegend falsche Alarmierungen [1]. Das LifeVest-Netzwerk stellt diesbezüglich ein vielversprechendes Monitoringsystem zur frühzeitigen Identifikation und evtl. gezielten Schulung dieser Patienten oder Therapie (z. B. atrialer Tachykardien) dar.

WCD in der Wartezeit bis zur ICD-Indikationsklärung bei KHK-Patienten

Die VALIANT-Studie konnte dokumentieren, dass das Risiko für das Auftreten potenziell lebensbedrohlicher Rhythmusereignisse innerhalb der ersten 30 Tage nach einem Myokardinfarkt am höchsten ist [22]. Bei Patienten mit einer EF ≤30 % betrug es 2,3 %. Dennoch konnte bei Patienten mit eingeschränkter EF in der frühen Postinfarktphase (<40 Tage) durch die ICD-Implantation kein Mortalitätsvorteil nachgewiesen werden. Auch die VEST-Studie konnte keinen Vorteil in der Terminierung von VT/VF durch den WCD in diesem Patientenkollektiv dokumentieren [1]. Methodische Mängel erschweren die Interpretation der VEST-Studie, sodass die Autoren dieses Positionspapiers von einer generell negativen Bewertung der Versorgung von Risikopatienten dieser Patientengruppe mit dem WCD Abstand genommen haben und eine dezidiertere Risikostratifikation, wie in Abb. 1 vorgeschlagen, für sinnvoll erachten.

WCD in der Wartezeit bis zum Erzielen einer optimierten medikamentösen Herzinsuffizienztherapie/bei Erstdiagnose einer eingeschränkten LV-Funktion

Während aktuelle Leitlinien eine ICD-Therapie bei Patienten mit chronischer LV-Dysfunktion (EF ≤35 %) unter optimierter Herzinsuffizienztherapie empfehlen, konnte die kürzlich publizierte DANISH-Studie über einen Nachbeobachtungszeitraum von 8 Jahren bei Patienten mit nichtischämischer Kardiomyopathie (NICM) keinen Überlebensvorteil durch den ICD dokumentieren [23]. Eine aktuelle Metaanalyse von 11 ICD-Studien zeigt allerdings im Gegensatz dazu auch für die NICM einen Überlebensvorteil durch die ICD-Therapie in der Primärprophylaxe [24]. Der Identifizierung von Patienten, die von einem ICD langfristig profitieren, kommt demnach eine große Bedeutung zu. Aktuell ist die Einschränkung der linksventrikulären Pumpfunktion der primäre Parameter in der Risikostratifikation. Register unter Nutzung des WCD konnten zeigen, dass es bei ca. 40 % der Patienten mit Erstdiagnose einer eingeschränkten LV-EF nach Optimierung einer Herzinsuffizienztherapie zu einer deutlichen Verbesserung der Pumpfunktion kommt und diese Patienten keinen ICD erhalten müssen. Eine Nachuntersuchung von Röger et al. [19] konnte in einem Zeitraum von 20 Monaten nach Ablegen des WCD zeigen, dass in diesem Kollektiv keine VT/VF oder ein PHT aufgetreten war.

Insgesamt wird das PHT-Risiko bei Patienten nach Erstdiagnose einer LV-Dysfunktion in der Literatur kontrovers beschrieben, eine Inzidenz von relevanten VT/VF von bis zu 7 % ist beschrieben [20, 25]. Randomisierte Daten wie für die ischämische Kardiomyopathie existieren nicht, sodass keine generelle Empfehlung in Bezug auf den WCD ausgesprochen werden kann, es sollte jeweils eine individualisierte Entscheidung getroffen werden. Tendenziell erscheint das Risiko für VT/VF in der Akutphase der LV-Dysfunktion höher als in der chronischen Phase einer Herzinsuffizienz. Dies betrifft neben der Erstdiagnose durchaus auch Patienten mit einer akuten kardialen Dekompensation aufgrund einer LV-Funktionsverschlechterung. Im Gegensatz dazu ist das Risiko eines PHT in der chronischen Phase einer NICM unter adäquater Herzinsuffizienzmedikation geringer als bei der ICM, und der Nutzen einer ICD-Therapie ist möglicherweise nur in Subgruppen signifikant [23].

Eine Identifikation von Patienten mit erhöhtem PHT-Risiko in der Frühphase der Therapieeinstellung erscheint sinnvoll, hier können z. B. detektierte Narbenzonen im kardialen MRT sowie VT in der Frühphase potenziell prädiktiv sein [26,27,28].

Empfehlungen zur Therapie mit dem WCD für Deutschland

Patienten mit temporär erhöhtem Risiko für VT/VF bis zur Re-Evaluation einer Indikation zur ICD-Implantation

Koronare Herzerkrankung

Das Einsatzspektrum des WCD bei Patienten mit einer koronaren Herzerkrankung ist auf wenige Konstellationen beschränkt: Ein temporär erhöhtes PHT-Risiko kann zum einen bei einzelnen Patienten in der Akutphase nach einem Myokardinfarkt, zum anderen nach einer Koronarintervention/Revaskularisation identifiziert werden.

Bei Patienten akut nach einem Myokardinfarkt konnte bisher keine Studie eine Reduktion der Mortalität durch den ICD oder eine Reduktion des PHT durch den WCD dokumentieren [29, 30]. Lediglich in Einzelfällen mit einer EF ≤35 % kann deshalb die Therapie mit einem WCD für den Zeitraum von 6 Wochen erwogen werden, insbesondere wenn Faktoren ein hohes PHT-Risiko anzeigen, z. B. anhaltende oder nicht anhaltende monomorphe VT (>48 h nach dem Akutereignis), gehäufte VES oder eine relevante Narbenlast (nachgewiesen mittels Late-Enhancement-MRT [26, 31]).

Ähnliches trifft auch für Patienten innerhalb von 90 Tagen nach Koronarintervention/Revaskularisation zu. Eine dezidierte Studie zum Benefit des WCD fehlt, ein ICD ist innerhalb dieses Zeitraums nicht indiziert. Auch hier erscheint lediglich in Einzelfällen (s. oben) eine WCD-Versorgung bis zu 90 Tage sinnvoll.

Dilatative Kardiomyopathie

Es existiert bisher keine randomisierte, prospektive Studie zum Einsatz des WCD bei NICM. Dennoch stellt die Patientengruppe der NICM in den vorhandenen Registerstudien jeweils den größten Anteil dar.

Aus Sicht der Autoren ist bei neu diagnostizierter NICM mit hochgradig eingeschränkter LV-Funktion während Etablierung und Optimierung der Herzinsuffizienztherapie lediglich in Einzelfällen eine WCD-Therapie für 90 Tage sinnvoll [25]. Während der Risikostratifizierung z. B. mittels MRT [26, 27] und Genetik kann im Einzelfall der Einsatz des WCD gerechtfertigt sein.

Akute Myokarditis

Bei bis zu 15 % der Patienten manifestiert sich eine akute Myokarditis über Herzrhythmusstörungen. Etwa 60 % der Patienten entwickeln zumindest temporär eine Herzinsuffizienz. Eine besondere Bedeutung bezüglich der Diagnostik und Risikostratifikation kommt der Kardio-MRT zu. Bei vorhandenem Late-Enhancement ist unabhängig von der linksventrikulären Pumpfunktion von einem deutlich erhöhten VA-Risiko für den Patienten auszugehen [31, 32].

Bei nur begrenzter Datenlage hinsichtlich des Einsatzes des WCD in dieser Gruppe sollte der WCD nach Ansicht der Autoren bei akuter Myokarditis und oft erheblichem PHT-Risiko sowie einer eingeschränkten LV-Funktion im Einzelfall bis zur definitiven Therapieentscheidung erwogen werden.

Sonderfälle

Der Nutzen des WCD in kleinen Subgruppen struktureller kardialer Erkrankungen ist zwar nicht durch Studien belegt, aber im Sinne einer individuellen Abwägung insbesondere bei jungen Patienten gerechtfertigt. In Abb. 1 sind diese Sonderfälle zusammengestellt, bei denen die Autoren ausreichende Daten zum einen bezüglich des PHT-Risikos und zum anderen zur Option des Einsatzes des WCD identifizieren konnten.

Für die Hämochromatose, kardiale Amyloidose und pharmakologisch/nutritiv ausgelöste Kardiomyopathien existieren keine Daten zum Nutzen des WCD. Dennoch kann in Einzelfällen ein temporärer Schutz vor dem PHT sinnvoll sein.

Patienten mit bestehender ICD-Indikation und temporären Kontraindikationen, Patienten nach ICD-Explantation

Besteht bei vorhandener ICD-Indikation eine temporäre Kontraindikation für die Implantation, ist der Einsatz eines WCD zur Überbrückung sinnvoll. Entsprechende Empfehlungen oder Texthinweise finden sich in den europäischen und amerikanischen Leitlinien [4,5,6,7, 33, 34]. Eine Kontraindikation für eine ICD-Versorgung bzw. -Re-Implantation kann beispielsweise bei einer lokalen oder systemischen Infektion (z. B. Abszessen, Zahninfektionen), einer generalisierten Sepsis, einer Endokarditis, einer Sondeninfektion, Aggregattascheninfektion, Ulzera bei Diabetes mellitus oder pAVK, bei einer laufenden oder geplanten Strahlen- oder Chemotherapie sowie einer relevanten Gerinnungs- oder Blutbildungsstörung vorliegen. Hier gilt es, durch eine gezielte Therapie die Kontraindikation zu beseitigen, um baldmöglichst eine ICD-Implantation durchzuführen. Die Dauer bis zur transvenösen Re-Implantation sollte mindestens 2 bis 3 Monate betragen [35]. Durch den WCD kann ein längerfristiges stationäres Monitoring vermieden werden. Als Alternative zum transvenösen ICD sollte in diesen Fällen neben dem WCD die Option eines subkutanen ICD (s-ICD) geprüft werden [36, 37].

WCD bei pädiatrischen Patienten

Während der WCD in den USA für die Anwendung bei Kindern zugelassen ist existiert in Deutschland bisher keine Zulassung für dieses Patientenkollektiv. In einer retrospektiven Analyse aller pädiatrischen Patienten (Median 15 Jahre [3–17]), die zwischen 2009 und 2016 in den USA einen WCD verordnet bekommen haben, zeigte sich eine gute Tragecompliance von im Median >20 h pro Tag. Die Tragedauer der Patienten lag im Median bei 33 Tagen (1–999). Es traten 7 Todesfälle auf, wobei kein Patient den WCD zum Todeszeitpunkt trug; 1,3 % der Patienten erhielten einen adäquaten Schock durch den WCD. Alle Episoden wurden erfolgreich konvertiert, und die Patienten überlebten. Die inadäquate Schockrate lag bei 0,5 %. Die Erfahrungen in den USA rechtfertigen einen Einsatz des WCD im Einzelfall bei pädiatrischen Patienten, eine dezidierte Prüfung und evtl. Zulassung sollten in Deutschland erfolgen [38].

Kosten-Nutzen-Betrachtung der WCD-Therapie

Der WCD ist seit 2005 im Hilfsmittelverzeichnis des GKV Spitzenverbandes eingetragen und inzwischen in verschiedene kardiologische Leitlinien aufgenommen. Sollte nach entsprechender Nutzen-Risiko-Abwägung unter Berücksichtigung des hier dargestellten Indikationsspektrums die Entscheidung durch den betreuenden Kardiologen für die Versorgung mit einem WCD erfolgen, so ist eine Versorgungsdringlichkeit gegeben, und eine Bewilligung durch die Krankenkassen muss unkompliziert innerhalb weniger Tage (≤5 Werktage) erfolgen. Eine langwierige Prüfung durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen hat bei gefährdeten Patienten eine wochen- bis monatelange Monitorüberwachung unter stationären Bedingungen mit hohen Kosten zur Folge.

Unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten kommt einer sorgfältigen individualisierten Risikostratifizierung im Rahmen einer möglichst frühzeitigen Identifikation von Patienten mit einem dauerhaft erhöhten Risiko für einen plötzlichen Herztod eine entscheidende Bedeutung zu. Einer solchen umfassenden Risikostratifizierung bedarf es insbesondere bei Patienten mit struktureller Herzerkrankung, wie beispielsweise einer ischämischen oder auch nichtischämischen Kardiomyopathie mit einer eingeschränkten linksventrikulären Pumpfunktion ≤35 %. Der WCD stellt eine Option zur kurzfristigen Überwachung/Therapie von Patienten mit nur temporär erhöhtem PHT-Risiko dar.

Treten innerhalb des WCD-Monitoring-Zeitraums relevante ventrikuläre Arrhythmieereignisse ein, so ist in der Regel eine kurzfristige/vorzeitige ICD-Implantation notwendig. In diesen Fällen kann eine ICD-Implantation auch vor Ende der verordneten WCD-Periode sinnvoll sein. Am Ende der initialen Verordnungsdauer mit dem WCD sollte die kardiologische Verlaufskontrolle mit anschließender erneuter Risikostratifikation erfolgen. Abhängig von den neu erhobenen Befunden kann zu diesem Zeitpunkt die Indikation oder das Fehlen einer Indikation für eine ICD-Implantation gesichert werden bzw. in seltenen Fällen bei weiterhin unklarer Evaluation auch die Verordnung des WCD verlängert werden.

Fazit

Der WCD stellt eine sichere und effektive Monitoring- und Therapieoption für Patienten mit einer temporären Risikophase für lebensbedrohliche VT/VF dar. Daten von über 30.000 Patienten dokumentieren eine hohe Effektivität und Sicherheit vergleichbar dem ICD mit seltenen inadäquaten WCD-Therapien bzw. Komplikationen. Eine generelle Empfehlung für unselektierte Risikopatientenkollektive kann aufgrund der aktuellen Studienlage aber nicht abgeleitet werden. Für die meisten Kardiomyopathien und seltenen Konstellationen beruht die Empfehlung eines WCD auf einer individuellen Risikoabwägung. Die Entscheidung zur Versorgung mit einem WCD ist an eine kardiologische Evaluation gebunden und beinhaltet immer eine Re-Evaluation während oder spätestens nach Ende der WCD-Phase und eine Festlegung der weiteren Therapie. Eine Kontrolle der Therapieadhärenz während der WCD-Therapie ist entscheidend, da diese Voraussetzung für die Effektivität des WCD ist.

Der WCD kann Patienten und Kostenträgern eine stationäre Monitorüberwachung ersparen. Neben der unmittelbaren Möglichkeit zur Defibrillation bei VT/VF ist mithilfe des WCD eine optimale Einstellung der Herzinsuffizienztherapie unter PHT-Schutz möglich. Der WCD kann während der leitliniengerechten Evaluationsphase vor einer ICD-Implantation eingesetzt werden und in diesem Zusammenhang evtl. helfen, eine nicht erforderliche Implantation zu vermeiden. Die Kosten, die durch unnötige ICD-Implantationen, aber auch durch Nachsorgeuntersuchungen und Komplikationen bei einer ICD-Therapie entstehen, sind relevant. Der WCD kann unter Kosten-Nutzen-Aspekten einen sinnvollen Beitrag leisten. Prinzipiell sind die Konzepte des WCD und der ICD-Therapie nicht vergleichbar. Bei ungewissem PHT-Risiko kann ein temporärer Schutz mit einem WCD bei der Klärung der ICD-Indikation hilfreich sein.

Im Hinblick auf die Kostenerstattung des WCD wird vonseiten der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V. eine unproblematische und kurzfristige Bewilligung innerhalb von ≤5 Werktagen der WCD-Therapie durch die Krankenkassen gefordert, wenn der verschreibende Facharzt nach sorgfältiger Risikostratifizierung einen WCD für medizinisch sinnvoll erachtet.