1 Problembeschreibung

Die erschwerten Ausbildungszugänge für Personen mit Migrationshintergrund gelten als vielfach belegt. Zugewanderte Jugendliche stoßen dabei auf einen Ausbildungsmarkt, der im dualen System, dem größten vollqualifizierenden Sektor der beruflichen Ausbildung, im letzten Jahrzehnt bundesweit durch eine Angebotsunterdeckung an Ausbildungsplätzen gekennzeichnet war. Zwar zeichnete sich in den letzten Jahren demografisch bedingt eine leichte Entspannung im Ausbildungszugang auch für zugewanderte Jugendliche ab (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, S. 104), die jedoch nicht über die bestehenden massiven regionalen und berufsbezogenen Passungsprobleme und fortdauernden Schwierigkeiten für Ausbildungsinteressierte mit Migrationshintergrund hinwegtäuschen darf (Seeber et al. 2018). Im Schulberufssystem, dem zweiten der beiden vollqualifizierenden Sektoren, ist zwar der Zugang zur Ausbildung nicht wie im dualen System von betrieblichen Entscheidungsparametern abhängig, jedoch sind die formalen Eingangshürden an das Vorliegen mindestens eines Hauptschulabschlusses gebunden, de facto setzen aber die meisten Ausbildungsgänge oberhalb der sogenannten Helferberufe einen mittleren Abschluss voraus. Allerdings hat sich der mittlere Abschluss auch in der dualen Ausbildung, obwohl rechtlich gesehen kein Bildungszertifikat vorausgesetzt wird, zum dominierenden Vorbildungsniveau entwickelt, das als ein Resultat des Zusammenspiels wirtschaftsstruktureller Veränderungen, steigender Wissensanforderungen in vielen Berufen auf mittlerer Qualifikationsebene und einer anhaltenden Bildungsexpansion zu betrachten ist. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen zeichnet sich – trotz eines Rückgangs der Neuzugänge in den Übergangssektor seit 2005 von etwa zwei Fünfteln auf ein knappes Drittel – ein stabiler Sockel von deutlich mehr als ein Viertel Million Neuzugänge in den beruflichen Übergangssektor ab. Dort finden sich zu hohen Anteilen Jugendliche mit maximal Hauptschulabschluss und vor allem Jugendliche mit Migrationshintergrund (Seeber et al. 2018, S. 104).

Die genannten Entwicklungen in der Vorbildungsstruktur für die beiden vollqualifizierenden Sektoren erschweren den Zugang zu Ausbildung für Jugendliche mit Migrationshintergrund, da nach wie vor Disparitäten in der Bildungsbeteiligung und im Abschlusserwerb in der Ausbildung vorgelagerten Bildungsprozessen zu erkennen sind, die zu einem Wettbewerbsnachteil beim Übergang in eine berufliche Ausbildung führen. Zwar zeichnet sich in den Bildungsbiografien von zugewanderten Kindern und Jugendlichen eine positive Entwicklung im Schulsystem ab, jedoch verlassen ausländische Jugendliche immer noch mehr als doppelt so häufig die Schule ohne Hauptschulabschluss wie deutsche und erreichen dreimal seltener die Hochschulreife (Seeber et al. 2018, S. 175). Daher sind ihre Chancen in der Einmündung in eine vollqualifizierende berufliche Ausbildung nach wie vor schlechter, auch wenn sie von der Entspannung des Ausbildungsmarktes nach 2005 profitierten und sich der Anteil der Neuzugänge in die beiden vollqualifizierenden Sektoren erhöht hat. Jedoch kommt das berufliche Bildungssystem mit Blick auf die zugewanderten, vor allem schutz- und asylsuchenden, Jugendlichen der letzten Jahre erneut unter Druck. Knapp 30 % der im Zeitraum Januar 2014–April 2016 über 850.000 Asylantragsteller befanden sich im ausbildungsrelevanten Alter von 16–25 Jahren (vgl. Baethge und Seeber 2016, S. 7). Selbst unter der Annahme, dass nicht alle Anträge positiv beschieden wurden bzw. werden und nicht alle Antragsteller im fraglichen Alter eine berufliche Ausbildung anstreben werden, so gehen Schätzungen doch von bis zu 88.000 zusätzlichen Plätzen in der Ausbildungsvorbereitung aktuell und etwa 70.000 bis knapp 100.000 zusätzlichen Ausbildungsplätzen in den nächsten Jahren aus, auch wenn vor allem letztere sicherlich zeitversetzt erforderlich werden (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, S. 202 f.). Um das Ausmaß der Herausforderung deutlich zu machen, sei einerseits auf die Qualifikationsstruktur der zugewanderten schutz- und asylsuchenden Personen verwiesen (Worbs und Bund 2016; Worbs et al. 2016) und andererseits daran erinnert, dass von den vor 1995 in weitaus geringerer Zahl nach Deutschland gekommenen schutz- und asylsuchenden Personen nur acht Prozent bis 2011 ein beruflicher Abschluss gelungen ist, 56 % hatten auch nach 16 Jahren noch keinen anerkannten Ausbildungsabschluss (Granato et al. 2016, S. 4 und S. 25). Angesichts dieser Tatsache, dass die berufliche Integration in der Bundesrepublik in der Vergangenheit schon nicht sonderlich gut gelungen ist (Baethge und Seeber 2016, S. 3), verbinden sich für die Ausbildungs- und Arbeitsmarktintegration auch vor dem Hintergrund sich ändernder Qualifikationsprofile und wachsender Passungsprobleme auf dem Ausbildungsmarkt immense Herausforderungen, die Reformperspektiven in der beruflichen Bildung einfordern.

2 Forschungsstand zu Einflussfaktoren auf die Ausbildungseinmündung und die Rolle des Migrationshintergrunds

2.1 Migration in der beruflichen Bildung

Die Forschung zu Disparitäten im Ausbildungszugang zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrationserfahrung ist vor allem durch die Beschreibungen des Ausmaßes, der Stabilität bzw. der Veränderung von Ungleichheiten, teilweise auch mit Blick auf Differenzen zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen, gekennzeichnet. Bei diesen Beschreibungen werden meist Ausbildungszugänge in das duale System ins Zentrum gestellt, punktuell sind auch Analysen zum Schulberufssystem und nach berufsstrukturellen Merkmalen zu finden. Die Forschung ist vielfältig, bezieht sich auf bundes- und landesweite Daten aus der amtlichen Statistik sowie auf Daten aus Surveys und Evaluationen zu Modellversuchen für die Verbesserung der beruflichen Integration der Betroffenen. Es wird in diesem Beitrag sicherlich nicht möglich sein, auf die gesamte Forschung, insbesondere nicht auf das gesamte Spektrum der Befunde aus der vielfältigen Evaluationsforschung einzugehen, sondern es werden vor allem Ergebnisse aus komplexen Analysen mit bundes- und/oder landesweit repräsentativen Daten ins Zentrum gestellt.

Ein zentrales Problem der Forschung zu beruflichen Übergängen zugewanderter Jugendlicher ist dabei allein schon die Erfassung des Migrationshintergrunds. Hier sind für bildungsbezogene Daten unterschiedliche Konzepte zu finden, die von der Staatsangehörigkeit, über Migrationsgenerationen bis hin zu der im Familienalltag anzutreffenden Sprachpraxis reichen. Vor allem die Statistiken zur beruflichen Bildung weisen deutliche Einschränkungen auf, da lediglich die Staatsangehörigkeit erfasst wird und auch keine Zuwanderungsdaten nach Zeitpunkt und Herkunftsregion zur Verfügung stehen. Daher werden in Analysen mit diesen Daten das Ausmaß von Migration, aber auch differenzielle Problemlagen deutlich unterschätzt (vgl. Gresch und Kristen 2011; Busse 2017).

Darüber hinaus spielen bei der Erklärung von Bildungsungleichheiten soziale Herkunftsfaktoren eine zentrale Schlüsselrolle, denn in vielen Studien im schulischen Bereich konnte gezeigt werden, dass bei Kontrolle sozialer Hintergrundmerkmale der eigenständige Einfluss des Migrationshintergrunds deutlich zurückgeht. Soziale Herkunftsmerkmale werden in den einschlägigen Schul- und Berufsbildungsstatistiken ebenso wenig erfasst wie die zuvor angesprochen Merkmale des Migrationshintergrunds. In den wenigen Surveys stehen jedoch über verschiedene Konzeptualisierungen erfasste Merkmale des sozialen Hintergrunds zur Verfügung und können daher berücksichtigt werden.

2.2 Forschungsansätze zur Erklärung von Disparitäten im Ausbildungszugang

In der Forschung zu Bildungsungleichheiten allgemein wurden verschiedene Ansätze entwickelt, die zur Erklärung der Entstehung von Disparitäten Aufschlüsse liefern und die auch für die Beleuchtung von Disparitäten im Zugang zu beruflicher Bildung genutzt werden (für einen Überblick vgl. z. B. Solga und Becker 2012). Insbesondere wird in jüngeren Studien nicht nur eine deskriptive Ungleichheitsbetrachtung in verschiedenen Ausdifferenzierungen vorgenommen, sondern es wird auch versucht, Mechanismen der Disparitäten aufzudecken, wobei allerdings theoretisch gestützte Modellannahmen nur vereinzelt in Studien zu finden sind. Meist wird eine Vielzahl von Einflussfaktoren geprüft, die unterschiedlichen theoretischen Begründungsmustern entstammen. So sind auf dem Rational-Choice-Ansatz beruhende humankapitaltheoretische Überlegungen zu finden, die vor allem auf individuelle Kosten-Nützen-Kalküle und Erträge von Bildungsinvestitionen abstellen (Becker 1993). In Erweiterung dieses Ansatzes durch Boudon (1974) werden auch Merkmale der sozialen Schicht und Komponenten von Bildungsentscheidungsprozessen einbezogen. Auf diesem theoretischen Ansatz basierende Analysen unterscheiden primäre (leistungsbezogene Stratifikationseffekte) und sekundäre Effekte der Schichtzugehörigkeit, insbesondere Unterschiede in den antizipierten Kosten- und Nutzenerwartungen in Abhängigkeit von der Sozialschichtzugehörigkeit. Neben diesem „klassischen“ Ansatz, der Varianten entscheidungs- und handlungstheoretischer Modellspezifikationen unter anderem durch Breen und Goldthorpe (1997), Erikson und Jonsson (1996) sowie Esser (1999) erfahren hat, finden sich für die Erklärung erfolgreicher Ausbildungszugänge auch ressourcentheoretische Konzepte (vgl. Eberhard 2012). Solche Konzepte unterscheiden auf individueller Ebene ökonomische, soziale und kulturelle Ressourcen und integrieren darüber hinaus institutionelle und ausbildungsmarktbezogene Merkmale in die Analysen. Da Einmündungsprozesse in Ausbildung – anders als Bildungsentscheidungen an Gelenkstellen innerhalb des allgemeinbildenden Systems – neben individuellen Bildungsentscheidungen stark von Fremdselektionsprozessen durch die aufnehmenden Betriebe beeinflusst sind, zumindest bei der dualen Ausbildung, werden diese Selektionsmechanismen anhand von Zertifikaten und Noten, aber auch äußeren Personenmerkmalen wie Alter, Geschlecht und Migrationshintergrund und daraus entstehende Disparitäten für bestimmte soziale Gruppen häufig mit signaltheoretischen Ansätzen erklärt (vgl. Spence 1973; Seibert und Solga 2005). Inwiefern von einer individuellen und einer „institutionellen Diskriminierung“ (vgl. dazu Gomolla 2005) beim Ausbildungszugang für Jugendliche mit Migrationshintergrund allgemein und/oder bestimmter ethnischer Herkunftsgruppen gesprochen werden kann, muss an dieser Stelle offenbleiben. Bislang liegen nur begrenzt Studien zu Rekrutierungsstrategien und Selektionspraktiken der ausbildenden Unternehmen oder der Berufsfachschulen des Schulberufssystems vor, die Ausmaß und Mechanismen der Diskriminierung im Ausbildungszugang hinreichend beleuchten (vgl. Hunkler 2014).

Wenig Forschung gibt es über politisch-rechtliche Aufnahmekontexte – dies spielt in der Arbeitsmarktforschung eine größere Rolle –, ist jedoch auch aktuell für die Ausbildungsintegration schutz- und asylsuchender Zuwanderungsgruppen relevant. Neben den direkten Einflüssen über rechtliche Regelungen auf den Ausbildungszugang wären aus einer Bildungsforschungsperspektive hier vor allem auch indirekte Effekte, wie beispielsweise die motivationalen Einflüsse der Bleibesicherheit auf Bildungsanstrengungen (vgl. Söhn 2012), Ausbildungssuche, Lern- und Leistungsverhalten in etwaigen beruflichen Vorbereitungsmaßnahmen, von Interesse, die jedoch für die berufliche Bildung kaum untersucht sind.

2.3 Forschungsbefunde zu migrationsbedingten Disparitäten im Ausbildungszugang

Bei aller Kritik an den nach wie vor noch ausstehenden theorieprüfenden Forschungszugängen zur Erklärung migrationsbedingter Disparitäten im Ausbildungszugang und den in diesem Zusammenhang vor allem fehlenden Analysen zu den spezifischen Entscheidungsprozessen der betroffenen Jugendlichen – meist wird nur rückblickend die Bildungslaufbahn anhand bestimmter Merkmale rekonstruiert –, so wurde doch eine Reihe von Einflussfaktoren herausgearbeitet. Diese können der Weiterentwicklung von Modellannahmen zur Erklärung von Disparitäten dienen, auch sind sie geeignet, Problemlagen im Ausbildungszugang näher zu bestimmen und bildungspolitische Handlungsbedarfe aufzuzeigen. D. h., bei allen Einschränkungen lassen sich Abschätzungen von Effekten einzelner Faktoren ableiten, die nachfolgend knapp erläutert werden.

Auch wenn sich die Studien in ihrer Anlage, den erfassten Merkmalen sowie in den Operationalisierungen einzelner Merkmale deutlich unterscheiden, so zeigt sich doch über alle Studien der letzten Dekade hinweg ein negativer Effekt eines Migrationshintergrunds beim Ausbildungszugang, der zumindest für bestimmte ethnische Herkunftsgruppen auch bei Kontrolle verschiedener individueller kognitiver und personenbezogener sowie sozialer Hintergrundmerkmale bestehen bleibt und kaum erklärt werden konnte. Unterschiede in den migrationsbedingten Disparitäten zeigen sich auch in Abhängigkeit vom betrachteten vollqualifizierenden Sektor (vgl. Seeber 2009; Beicht und Gei 2015), allerdings ist der betriebliche Ausbildungszugang stärker untersucht als der Zugang zum Schulberufssystem.

Bei den ausbildungsmarktrelevanten Ressourcen erweisen sich die Schulabschlüsse, Zeugnisnoten und/oder Kompetenzen in den meisten Studien als signifikanter und erklärungsmächtiger Einflussfaktor. Allerdings variieren auch hier die Ergebnisse abhängig von der Modellspezifikation, teilweise bei gleichen Datensätzen, wie die Analysen auf der Grundlage des Nationalen Bildungspanels (NEPS) mit der Startkohorte 4 zeigen (vgl. Holtmann et al. 2017; Beicht und Walden 2017; Tjaden 2017). Die Unterschiede in der Signifikanz und Stärke der Einflüsse kognitiver und schulleistungsbezogener Merkmale in Form von Abschlüssen, Noten und getesteten Kompetenzen erklären sich vermutlich aus den variierenden weiteren Faktoren, die in den Studien kontrolliert wurden, aber auch aus der unterschiedlichen Operationalisierung der abhängigen Variable (Einmündung in duale Ausbildung: z. B. Beicht und Walden 2017 auf der Grundlage des NEPS; Beicht 2017; Eberhardt 2012 auf Basis von BA/BIBB-Bewerberbefragungen; Einmündung in duales und Schulberufssystem insgesamt: z. B. Holtmann et al. 2017; Tjaden 2017 anhand von NEPS-Daten; Beicht und Walden 2015 auf Basis der BIBB-Übergangsstudie 2011; getrennte Analysen zur Einmündung in das duale System und Schulberufssystem: Seeber 2009; Beicht und Gei 2015). Die meisten Studien mit überwiegend repräsentativen bundes- oder landesweiten Daten bestätigen bedeutsame Effekte von schulleistungsbezogenen Merkmalen in Form von Zertifikaten, teils auch Noten und/oder Kompetenzen, wobei in allen Studien bei Kontrolle dieser Merkmale ein Migrationseffekt bestehen bleibt. Die Analysen nach Herkunftsregionen zeigen bei Kontrolle kognitiver und schulleistungsbezogener sowie sozialer Merkmale, dass in Abhängigkeit von der Herkunftsregion nicht über alle Migrantengruppen gleichermaßen hinweg ein Nachteil in der Ausbildungseinmündung besteht. Insbesondere sind Nachteile für türkisch- und arabisch-stämmige Jugendliche erkennbar, aber auch für Personen mit Wurzeln im Iran, in Afghanistan sowie in ausgewählten südeuropäischen Staaten (z. B. Griechenland, Portugal, Spanien, Italien) (vgl. Seeber 2011; Ulrich 2013; Beicht und Gei 2015).

Die Nachteile von Personen mit Migrationshintergrund aus den genannten Herkunftsgruppen werden von Kalter et al. (2006a, 2006b) mit der klassischen Arbeitsmigration in Verbindung gebracht, in deren Kontext vor allem eine Zuwanderung in an- und ungelernte Tätigkeiten und aus überwiegend sozial schwächeren Familien erfolgte. Die multivariaten Analysen zu den Einflüssen der sozialen Herkunft auf die Ausbildungseinmündung zeigen überwiegend keine signifikanten Effekte, wobei unterschiedliche bildungs-, berufs- und tätigkeitsbezogene Merkmale der Eltern kontrolliert wurden. Es ist davon auszugehen, dass primäre und sekundäre Herkunftsfaktoren einen stärkeren Einfluss in vorgelagerten Bildungsprozessen und damit verbundene Bildungsbiografien und -ergebnisse haben, so dass in der beruflichen Ausbildung nur noch ein begrenzter Einfluss sozialer Herkunftsfaktoren sichtbar wird (vgl. Konietzka 2008). Allerdings verweist eine Studie von Nagy et al. (2005) zum Bewerbungsverhalten von Jugendlichen am Ende der allgemeinbildenden Schulzeit auf einen positiven Einfluss der Sozialschicht in der Bewerberauswahl auf Ausbildungsplätze bei Kontrolle von Schulleistungen, Geschlecht und Bewerbungsverhalten. Jedoch konnte nicht geklärt werden, ob dieser positive Effekt aus günstigeren sozialen Netzwerken der Eltern oder aus arbeitergeberseitigen Präferenzen für die Auswahl von Jugendlichen aus höheren Sozialschichten resultiert.

Einige weitere Studien zur Ausbildungseinmündung machen einen Einfluss elterlicher Ressourcen (z. B. Unterstützung im Bewerbungsprozesse) sowie sozialer Netzwerke geltend (vgl. einen Überblick bei Kalter 2006a, 2006b; Diehl et al. 2009). Freundschafts- und Bekanntschaftsbeziehungen können indirekt, z. B. durch informelle Empfehlungen an potenzielle Arbeitgeber, den Zugang zu Ausbildungsplätzen unterstützen. Migranten und Einheimische unterscheiden sich dabei in der Zusammensetzung der Freundschaftsnetzwerke (Seibert und Solga 2005; Kalter 2006a). Nach Diehl et al. (2009, S. 64) können jedoch Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz in ähnlichem Ausmaß auf „gute Beziehungen“ zurückgreifen; die Autoren verweisen darauf, dass die Effekte sozialer Netzwerke für die Ausbildungseinmündung möglicherweise überschätzt werden.

Kulturelle Ressourcen wie Sprachkenntnisse der Aufnahmegesellschaft sind weiterhin als unmittelbarer Bestandteil der Produktivität zu verstehen (Kalter 2006a, S. 157). Mit unzureichenden deutschsprachlichen Fähigkeiten gehen beträchtliche Positionierungshürden am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt einher (Kalter 2006a; Diehl et al. 2009), wodurch sich für die Integration der in den letzten Jahren zugewanderten Personen, die nicht das deutsche Schulsystem durchlaufen haben und die deutsche Sprache nur unzureichend beherrschen, besonders große Schwierigkeiten für die Ausbildungs- und Arbeitsmarktintegration stellen. Allerdings verweisen diverse Studienergebnisse darauf, dass auch bei Kontrolle von Lesekompetenzen oder sprachlichen Fähigkeiten höhere Ausbildungshürden für Personen mit Migrationshintergrund bestehen bleiben (Lesekompetenz: Tjaden 2017; Wissen im Texterschließen: Seeber 2011; Deutschnote: z. B. Eberhard 2012; Ulrich 2013; Beicht und Walden 2014).

Bildungspräferenzen haben sich in der migrationsbezogenen Forschung zur Teilhabe an beruflicher Ausbildung als wichtiger Erklärungsfaktor erwiesen (Becker und Gresch 2015; Tjaden 2017). Widersprüchliche Befunde liegen hinsichtlich des Wunsches eine Ausbildung aufzunehmen zwischen jugendlichen Migranten und Einheimischen vor. Einige Studien belegen, dass jugendliche Migranten und Einheimische ähnlich häufig eine berufliche Ausbildung anstreben (Friedrich 2006; Diehl et al. 2009; Granato 2014). Tjaden (2014, 2017) hingegen zeigt, dass Unterschiede in den Präferenzen beider Gruppen bestehen, die zudem zwischen verschiedenen ethnischen Herkunftsgruppen variieren und Unterschiede im Zugang zu beruflicher Ausbildung mit erklären können. Hier könnten Befragungszeitpunkte und spätere Änderungen in den Präferenzen eine Rolle eine Rolle spielen.

Fortbestehende Disparitäten im Ausbildungszugang, die je nach ethnischer Zugehörigkeit unterschiedlich stark ausgeprägt sind, werden bei Vorliegen ähnlicher ausbildungsmarktrelevanter Ressourcen häufig als eine Diskriminierung auf dem Ausbildungsmarkt durch Arbeitgeber betrachtet (siehe u. a. Diehl et al. 2009; Hunkler 2014, 2016). Entscheidungen für die Rekrutierung von Auszubildenden sind mit Ungewissheiten über die tatsächliche und zukünftige Produktivität bzw. Leistungsfähigkeit von Bewerberinnen und Bewerbern gekennzeichnet. Nach der Signaling-Theorie (Spence 1973) greifen Arbeitgeber bei diesen Entscheidungen auf Indikatoren zurück, die leicht beobachtbar, mit wenig Aufwand zu erheben sowie zuverlässig zu erfassen sind und Annahmen über die Produktivität von Bewerberinnen und Bewerbern erlauben. Dazu gehören neben den weiter oben angesprochenen Signalwirkungen von Bildungsabschlüssen auch nicht veränderbare Merkmale wie etwa Alter, Geschlecht oder ethnische Herkunft. Mit der Gruppenzugehörigkeit verbundene Annahmen und Stereotypen dienen dem Arbeitgeber als Bewertungskriterium bezüglich der künftigen Produktivität oder Leistungsbereitschaft eines Bewerbers bzw. der Bewerberin.

In den Erklärungen über die Ursachen systematischer Benachteiligungen wird davon ausgegangen, dass Unsicherheiten über die Produktivität verschiedener ethnischer Herkunftsgruppen dazu führen, dass Arbeitgeber Personen aus den Gruppen auswählen, denen eine höhere Verlässlichkeit der Leistungsannahmen zugesprochen wird. In diesem Fall wird einer „statistischen Diskriminierung“ gesprochen (vgl. Arrow 1971; Phelps 1972). Seibert und Solga (2005, S. 367) sprechen von einer „ethnisierenden Wahrnehmung der Leistungsfähigkeit“, die in der betrieblichen Rekrutierungspraxis zu einer Überbetonung bestimmter Qualifikationen führen kann, die die Abweisung von Bewerbern mit Migrationshintergrund legitimieren. Hier wird die Grenze zur Diskriminierung aufgrund ethnischer Präferenzen der Arbeitgeber berührt, die Becker (1971) als „tastes of discrimination“ bezeichnet.

Inwiefern Arbeitergeber bei der Bewerberauswahl auch Aufenthaltstitel und damit eine potenzielle Beschäftigung nach der Ausbildung im Auswahlprozess berücksichtigen und bei Unsicherheiten über Beschäftigungsmöglichkeiten aus ökonomischen Kalkülen zugewanderte Bewerberinnen und Bewerber abweisen, ist kaum systematisch beleuchtet. Hunkler (2014, S. 27) spricht von einer „abschreckenden Wirkung“ auf ausbildende Unternehmen, insbesondere kleinere Unternehmen, die wegen möglicher rechtlicher Beschäftigungsprobleme nach Ausbildungsabschluss deutschen Bewerbern den Vorzug geben könnten. Insgesamt verweisen die Ergebnisse von Hunkler (2014), eine der wenigen Forschungsarbeiten, in denen Diskriminierung beim Ausbildungszugang systematisch untersucht wurde, auf eher schwache Belege einer direkten individuellen Diskriminierung, jedoch auf de facto Nachteile von Jugendlichen mit Migrationshintergrund durch (schul-)leistungsbezogene Erwartungshaltungen der Arbeitgeber, die nach Gomolla (2005) eine Form der „institutionellen Diskriminierung“ darstellen können. Im Gegensatz zur individuellen Diskriminierung sieht Gomolla (2005) die Ursachen institutioneller Diskriminierung im organisatorischen Handeln. Hierunter sind Regelungen zu verstehen, die durch ihre Struktur einzelne soziale Gruppen unbewusst benachteiligen oder bevorzugen. Ob die Veränderungen in der Vorbildungsstruktur hin zu mittleren und höheren Schulabschlüssen beim Ausbildungszugang eine institutionelle Diskriminierung darstellen, ist nicht einfach zu beantworten, da sich diese Prozesse vor dem Hintergrund auch wandelnder Qualifikationsanforderungen in den Berufen und wachsender Bildungsaspirationen vollziehen, wodurch sich Konkurrenzbedingungen am Ausbildungsmarkt für Jugendliche ohne oder mit niedrigem Schulabschluss verschärfen können.

Der Zugang zu beruflicher Ausbildung ist jedoch nicht nur von individuellen und institutionellen Merkmalen bestimmt, sondern unabdingbar mit demografischen, wirtschaftlichen, sozioökonomischen und berufsbildungspolitischen Kontextfaktoren der Bundesländer und Regionen verknüpft. Multivariate Betrachtungen auf Basis der BA/BIBB-Bewerberdaten zu Einmündungen in das duale System 2016 bestätigen einen starken Effekt des regionalen Arbeitsmarktes bei Kontrolle individueller Merkmale wie Geschlecht, Alter, Schulabschluss, Deutsch- und Mathematiknote sowie des Bewerbungsverhaltens (Beicht und Walden 2016; Beicht 2017). Wie auch schon Analysen einige Jahre zuvor zeigten, resultieren daraus regionale Chancenunterschiede im Zugang zu beruflicher Ausbildung, die Probleme der Ausbildungseinmündung bei Personen mit Migrationshintergrund verstärken oder abschwächen können (Ulrich 2013).

3 Forschungsfragen und methodisches Herangehen

Auf welche Situation in der beruflichen Bildung zugewanderte Jugendliche treffen, welche Einmündungshürden sie am Übergang zu bewältigen haben und wie das berufliche Bildungssystem mit aktuellen Herausforderungen der zugewanderten schutz- und asylsuchenden Jugendlichen umgeht, auch welche Reformbedarfe sich daraus ergeben, soll Gegenstand der nachfolgenden Analysen und Erörterungen sein. Durch die Arbeitsmarktnähe entfalten berufliche Integrationsprozesse eine hohe Dynamik, durch die Disparitäten im Ausbildungszugang verstärkt oder abgeschwächt werden können. Zentrales Anliegen des Beitrags ist es, die Ausbildungsintegration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund der letzten Jahre näher zu beleuchten, vor allem unter der Perspektive der Herausforderungen, die sich mit dem Übergang in Ausbildung für die große Zahl zugewanderter schutz- und asylsuchender Jugendlicher im ausbildungsrelevanten Alter ergeben. In diesem Zusammenhang werden auch bildungspolitische Handlungsimplikationen der Ausbildungsintegration von jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund unter den zwei zentralen Zielfunktionen beruflicher Bildung, der sozialen Integration und der Versorgung des Arbeitsmarktes mit Fachkräften, diskutiert.

Die Erforschung von migrationsbedingten Disparitäten im Ausbildungszugang trifft insgesamt auf eine schwierige Datenlage: Einerseits liegt eine Reihe von Studien aus Modellmaßnahmen und Begleitevaluationen vor, die aufgrund der eingeschränkten Repräsentativität kaum verallgemeinerbare Schlussfolgerungen erlaubt. Andererseits unterschätzen repräsentative Daten wie die amtliche Statistik (z. B. integrierte Ausbildungsberichterstattung) die Situation im Ausbildungszugang für Personen mit Migrationshintergrund, da dort lediglich die Staatsangehörigkeit erfasst wird. Auch liegen keine Daten zu Hintergrundinformationen der Jugendlichen vor, was das Analysepotenzial und das Erklären von Benachteiligungsmechanismen erheblich einschränkt. Ausnahmen bilden die alle fünf Jahre wiederholte Schulabsolventenbefragung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und die alle zwei Jahre durchgeführten BA-/BIBB-Bewerberbefragungen, die sich jedoch nur auf die bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten Personen beziehen. Die Schulabsolventenbefragung ist zwar repräsentativ, weist jedoch Einschränkungen in den Analysemöglichkeiten aufgrund des Erhebungskonzepts auf. So sind beispielsweise schulleistungsbezogene Merkmale nur zu Abschlüssen und Schulnoten verfügbar. Anders als im allgemeinbildenden Bereich, wo durch internationale Leistungsstudien, die Überprüfung von Bildungsstandards sowie flankierende Bildungsforschungsprogramme wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse zur Situation von Personen mit Migrationshintergrund im Bildungswesen vorliegen und Entwicklungen kontinuierlich beobachtet werden, ist der Forschungsstand zur Situation in der beruflichen Bildung deutlich unbefriedigender. Eine verlässliche Datenbasis für die Steuerung von Ausbildungszugängen und -prozessen, bei der beispielsweise systematisch die Chancengleichheit für verschiedene soziale Gruppen beobachtet wird, liegt für das Berufsbildungssystem als Ganzes nicht vor. Vor dem Hintergrund dieser stark einschränkenden Situation, ist es nur begrenzt möglich, Ursachen von Disparitäten, die sich aus Zuwanderungsmerkmalen ergeben, differenziert und theoriebegründet herauszuarbeiten. Die verfügbaren Daten des Nationalen Bildungspanels, insbesondere der Startkohorte 4, schließen hier zentrale Datenlücken, weisen jedoch aufgrund der Stichprobe Einschränkungen in der Differenzierungstiefe auf, z. B. für Analysen nach Berufen, und können auch die Situation am aktuellen Rand zu den Schutz- und Asylsuchenden nicht abbilden.

Als zentrales Forschungsdesidarat erweist sich dabei die Frage, ob die festgestellten Mechanismen des Ausbildungszugangs für das duale System auch gleichermaßen für den anderen vollqualifizierenden Sektor gelten. Das Schulberufssystem gewinnt angesichts der Fachkräftesituation in Erziehung und Gesundheit an Relevanz, ist jedoch bislang deutlich weniger erforscht. Die bisherige Forschung anhand der BIBB-Schulabsolventenbefragungen (vgl. Diehl et al. 2009; Beicht und Walden 2014) und der BA/BIBB-Bewerberdaten (z. B. Eberhard 2012; Ulrich 2013; Beicht 2017) konzentriert sich auf die duale Ausbildung. Einige wenige Analysen der BIBB-Schulabsolventenbefragung betrachten auch die Einmündung in eine vollqualifizierende Ausbildung, fassen dabei jedoch das Schulberufssystem und die Aufnahme eines Studiums zusammen (vgl. Beicht und Walden 2014). Bisherige Analysen mit dem Nationalen Bildungspanel (NEPS) wiederum betrachten entweder den Übergang in das duale System (vgl. Beicht und Walden 2017) oder die Ausbildungseinmündung insgesamt ohne weitere Differenzierung nach Sektoren (z. B. Holtmann et al. 2017). Aufgrund der unterschiedlichen Zugangsregelungen beider Sektoren wird daher der Frage nach Disparitäten im Ausbildungszugang für Personen mit Migrationshintergrund auf der Grundlage von NEPS-Daten in getrennten Analysen nachgegangen. Mit unterschiedlichen Mechanismen der Benachteiligung beim Zugang zu den beiden vollqualifizierenden Sektoren können sich daher auch unterschiedliche Implikationen für die Verbesserung der Ausbildungsintegration zugewanderter Personen verbinden. Die aktuelle Situation im Ausbildungszugang für Personen mit Migrationshintergrund, die vor allem auch Effekte der Zuwanderung in den letzten Jahren beleuchtet, kann nur anhand der amtlichen Statistik auf deskriptiver Basis dargestellt werden. Sie ermöglichen dennoch das Herausarbeiten aktueller Problemlagen und eine Diskussion struktureller Entwicklungen sowie institutioneller Regelungen beim Zugang zur Ausbildung.

Im Einzelnen wird folgenden Fragestellungen nachgegangen:

  1. 1.

    In welchem Ausmaß zeichnen sich für Personen mit Migrationshintergrund Ungleichheiten im Ausbildungszugang in die duale Ausbildung und in das Schulberufssystem ab, wenn bildungs- und herkunftsbezogene Merkmale kontrolliert und die beiden Sektoren, duales System und Schulberufssystem, getrennt analysiert werden?

  2. 2.

    Wie stellt sich die aktuelle Situation im Ausbildungszugang vor dem Hintergrund der starken Zuwanderung von schutz- und asylsuchenden Personen im ausbildungsrelevanten Alter dar und welche Unterschiede in der Ausbildungseinmündung lassen sich nach Herkunftsregionen und nach Ausbildungsberufen feststellen?

  3. 3.

    Welche Herausforderungen und Perspektiven zeichnen sich für das berufliche Ausbildungssystem für die Integration von Personen mit Zuwanderungsgeschichte aufgrund der aktuellen Situation in der beruflichen Bildung ab?

Als Datengrundlagen für Frage 1 wird das Nationale Bildungspanel der Startkohorte 4 genutzt (vgl. Blossfeld et al. 2011). Die Analysen zu migrationsbedingten Disparitäten im Zugang zum dualen System und zum Schulberufssystem erfolgen auf Basis logistischer Regressionen und die Interpretation anhand durchschnittlicher Effektindikatoren. Die Fragen 2 und 3, die auf berufsstrukturelle Merkmale und die aktuelle Situation abzielen, werden auf deskriptiver Basis anhand von Daten der Schulstatistik und der integrierten Ausbildungsberichterstattung sowie der BIBB/BA-Bewerberbefragung diskutiert.

4 Ergebnisse zu migrationsbedingten Disparitäten im Ausbildungszugang nach Sektoren und Berufssegmenten

Wie im vorangegangenen Abschnitt gezeigt, betrachten die meisten Studien Disparitäten der Ausbildungseinmündung für das duale System oder fassen die beiden vollqualifizierenden Sektoren bei Analysen zum Übergang in Ausbildung zusammen. Die wenigen vorliegenden, teils auf älteren Daten basierenden Befunde, deuten jedoch auf unterschiedliche Benachteiligungsmechanismen bei der Einmündung in das duale System und das Schulberufssystem für zugewanderte Personen hin. Diese hängen mit den eingangs erwähnten verschiedenen institutionellen Regelungen des Zugangs in die beiden Sektoren zusammen. Es wird daher im ersten Abschnitt auf Basis multivariater Betrachtungen der Übergang in Ausbildung getrennt für das duale System und das Schulberufssystem betrachtet. Um zu zeigen, dass selbst diese Betrachtungen zur Einmündung in das duale System und in das Schulberufssystem noch zu kurz greifen, um etwaige Disparitäten zu erforschen, wird anschließend anhand von Daten der amtlichen Statistik ein Blick auf die Einmündung nach Berufsgruppen geworfen, mit denen sich unterschiedliche soziale Positionierungen und berufliche Weiterentwicklungsoptionen verbinden. Schließlich wird die aktuelle Situation der Ausbildungseinmündung von Personen mit Migrationshintergrund dargestellt, in der sich auch schon die starke Zuwanderung von schutz- und asylsuchenden Personen niederschlägt, für die allerdings trotz politischer Relevanz, die Datenlage immer noch sehr beschränkt ist.

4.1 Ausbildungseinmündung für Personen mit Migrationshintergrund: Differenzielle Analysen für das duale System und das Schulberufssystem

4.1.1 Hypothesen

Es wird vermutet, dass aufgrund unterschiedlicher Zugangsregelungen zu den beiden vollqualifizierenden Sektoren die Effektstärken der Benachteiligung von Personen mit Migrationshintergrund unterschiedlich hoch ausfallen. Aufgrund des Forschungsstands wird davon ausgegangen, dass auch bei Kontrolle der Schulabschlüsse vor allem Disparitäten im Ausbildungszugang zur betrieblichen Ausbildung bestehen bleiben, dies legen die Forschungsbefunde zumindest nahe, während die Disparitäten des Zugangs zum Schulberufssystem aufgrund formaler Eingangskriterien weniger stark ausgeprägt sind (Hypothese 1). Es wird darüber hinaus erwartet, dass Disparitäten im Ausbildungszugang weniger stark ausgeprägt sind als für Personen, die hier geboren und aufgewachsen sind, bei denen also höchstens ein Elternteil zugewandert ist (Hypothese 2). Bei Kontrolle weiterer Einflussfaktoren wie sozialen Hintergrundfaktoren sowie elterlicher Unterstützung im Übergangsprozess wird eine Minderung der migrationsspezifischen Disparitäten erwartet (Hypothese 3).

4.1.2 Datenbasis und methodisches Vorgehen

Die nachfolgenden Analysen basieren auf Daten des Nationalen Bildungswelle der Startkohorte 4, Welle 9 (vgl. https://doi.org/10.5157/NEPS.SC4.9.1.0, Blossfeld et al. 2011)Footnote 1. Als Schulentlassene werden alle Personen gezählt, die eine allgemeinbildende Schulform verlassen haben und zum Zeitpunkt der erstmaligen Einmündung in einen der drei Sektoren der beruflichen Bildung maximal einen mittleren Schulabschluss erreicht haben. Die Einmündung in Ausbildung wurde über den chronologischen Verlauf der Biografieepisoden bestimmt. Es wurde die erste Episode einer Ausbildungsform oder Berufsvorbereitungsmaßnahme nach dem Verlassen der allgemeinbildenden Schule nach der 9. bzw. 10. Klasse als Ausbildungseinmündung betrachtet. Haben NEPS-Befragte eine Hauptschule, Realschule, verbundene Haupt- und Realschule, Gymnasium, Gesamtschule, Waldorfschule oder Sonder‑/Förderschule nach einer Befragung innerhalb der ersten sieben Wellen verlassen und anschließend keine (Fach‑)Hochschulzugangsberechtigung an einer allgemeinbildenden Schulform erzielt, wurden sie als Schulentlassene betrachtet und der bis zur 10. Klasse erzielte Schulabschluss berücksichtigt. Mit dieser Abgrenzung der Personengruppe stehen n = 5747 Fälle für die Analysen zur Verfügung. Für die Repräsentativität der NEPS-Daten wurde für deskriptive Darstellungen das kalibrierte Querschnittgewicht für die Personen, die an Welle 1 teilnahmen, verwendet. Die Repräsentativität des Datensatzes bezieht sich entsprechend auf die Ausgangsstichprobe der Neuntklässler des Schuljahres 2010/11.

Für die Analyse von Einflussfaktoren auf die Einmündung in die Berufsausbildung dienen binomial logistische Regressionen, bei denen average marginal effects (AMEs) berechnet werden. Der AME gibt die durchschnittliche Veränderung der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses (z. B. Einmündung in das duale System) an, wenn der zu betrachtende Prädiktor um eine Einheit steigt. Die AMEs wurden über das R‑Package ‚margins‘ (Leeper und Arnold 2017) berechnet.

Zur Prüfung der Hypothesen werden unterschiedliche Variablen des NEPS-Datensatzes genutzt und zum Teil recodiert. Für die Identifikation eines Migrationshintergrunds wird der in NEPS berichtete Indikator des Generationenstatus verwendet, der allerdings auf drei Kategorien vereinfacht wird: (1) Kein Zuwanderungshintergrund, (2) selbst zugewandert und (3) mindestens ein Elternteil im Ausland geboren. Neben dem Schulabschluss werden die korrigierten Skalen der Lesekompetenz, mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenz sowie ICT-Literacy, die zum Zeitpunkt der 9. Jahrgangsstufe getestet wurden, berücksichtigt. Die bereitgestellten Personenfähigkeitsschätzer dieser Kompetenzskalen wurden auf einen Mittelwert von 50 und einer Standardabweichung von 10 normiert. Zusätzlich werden das Geschlecht, der Ausbildungsort (in einer Differenzierung von ost- und westdeutschen Ländern aufgrund der großen Unterschiede im Anteil zwischen den beiden vollqualifizierenden Sektoren) und Hintergrundvariablen der Eltern zu den bildungsrelevanten Ressourcen (als Mittelwert über alle zugehörigen Kategorien) sowie das Unterstützungsverhalten zur Einmündung in Ausbildung kontrolliert. Fehlende Werte wurden (mit Ausnahme des Ausbildungsortes) über eine multiple Imputation mit 10 Schätzungen ermittelt.

4.1.3 Befunde

Zunächst zeigt sich der aus Daten der amtlichen Statistik bekannte Befund, dass auch bei gleichem Schulabschluss Personen mit Migrationshintergrund zu beträchtlich geringeren Anteilen in einen der beiden vollqualifizierenden Sektoren der beruflichen Ausbildung einmünden (Tab. 1). Die Analysen zeigen ferner, dass selbst zugewanderte Jugendliche bei gleichem Abschluss nochmals schlechtere Übergangschancen in Ausbildung haben als Personen, bei denen ein Elternteil oder beide Elternteile zugewandert sind. Hier sei angemerkt, dass es sich um Personen handelt, die noch vor der Zuwanderungswelle 2014 bis 2016 nach Deutschland gekommen sind. Die Befunde zeigen zudem, dass die Differenzen des Übergangs in dualer Ausbildung zwischen Personen mit und ohne Migrationshintergrund größer sind als beim Übergang ins Schulberufssystem. Bei Vorliegen eines mittleren Abschlusses gehen Jugendliche mit Migrationshintergrund etwas häufiger in das Schulberufssystem über als Personen ohne Migrationshintergrund.

Tab. 1 Ersteinmündung von Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 9 (2010/2011) in die berufliche Ausbildung nach Sektoren, Schulabschluss und Migrationshintergrund (in %). (NEPS, Startkohorte 4, Welle 1–9, https://doi.org/10.5157/NEPS.SC4.9.1.0, gewichtete Daten, eigene Berechnungen)

In einem nächsten Schritt wird für die beiden vollqualifizierenden Sektoren jeweils in getrennten Regressionen geprüft, ob auch bei Kontrolle von über die Schulabschlüsse hinausgehenden schulleistungsbezogenen Merkmalen sowie Merkmalen der bildungsbezogenen Herkunft und des elterlichen Unterstützungsverhaltens die migrationsbedingten Disparitäten bestehen bleiben. Die Analysen zeigen, dass bei Kontrolle des Schulabschlusses (Modell 1) für die Eintrittswahrscheinlichkeit in das Schulberufssystem der Migrationshintergrund nur bei selbst zugewanderten Personen relevant wird. Selbst zugewanderte Personen haben bei Kontrolle des Schulabschusses eine um acht Prozent verminderte Wahrscheinlichkeit des Übergangs in das Schulberufssystem. Beim dualen System fällt die verminderte Wahrscheinlichkeit für diese Gruppe ähnlich hoch aus, geringfügig höher sogar für die Personen, die hier geboren sind und bei denen mindestens ein Elternteil einen Zuwanderungshintergrund aufweist (−9 %). Werden über die Abschlüsse hinaus die Kompetenzen berücksichtigt (Modell 2), so reduziert sich die Differenz in der Eintrittswahrscheinlichkeit beim dualen System auf 6 bzw. 7 %, beim Schulberufssystem hingegen zeigt sich kein Effekt des Migrationshintergrunds. Besser mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzen erhöhen zudem die Eintrittswahrscheinlichkeit in das duale System, beim Schulberufssystem zeigt sich ein solcher Effekt für die mathematischen Kompetenzen und die Fähigkeiten im Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT-Literacy). Während bei zusätzlicher Kontrolle von Kompetenzen in ausgewählten Domänen ein nachteiliger Migrationseffekt für den Übergang in das duale System bestehen bleibt, ist dieser für das Schulberufssystem nicht mehr signifikant. Bei Frauen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit des Übertritts in das Schulberufssystem, beim dualen System fällt sie hingegen geringer aus, was wohl vor allem auf die Berufsstrukturen in den beiden Sektoren und eine nach wie vor geschlechtsspezifische Berufswahl zurückzuführen ist. Die Verfügbarkeit bildungsrelevanter Ressourcen wie Zugang zu Büchern, Internet etc. erhöht die Eintrittswahrscheinlichkeit sowohl in das Schulberufssystem als auch in das duale System. Ein niedriger Bildungsabschluss des Vaters vermindert die Wahrscheinlichkeit des Übergangs in das Schulberufssystem bei Kontrolle von Abschlüssen, Kompetenzen und Geschlecht. Für das duale System weisen Bildungsmerkmale der Eltern keinen signifikanten Einfluss auf (Modell 4), jedoch das Unterstützungsverhalten der Eltern (Modell 5), das offenbar für die Aufnahme einer dualen Ausbildung eine wichtige Rolle spielt. Werden die genannten Merkmale kontrolliert, bleibt ein signifikanter Benachteiligungseffekt bei Personen, bei denen mindestens ein Elternteil zugewandert ist (Tab. 2).

Tab. 2 Binomial logistische Regressionen zur Erklärung der Ersteinmündung in das duale System und das Schulberufssystem (in AME). (Quelle: LIfBi, NEPS, Startkohorte 4, Welle 1–9, https://doi.org/10.5157/NEPS.SC4.9.1.0, eigene Berechnungen)

4.1.4 Diskussion der Ergebnisse

Hypothese 1 zu den erwarteten geringer ausgeprägten Disparitäten für Übergänge in das Schulberufssystem bei Kontrolle bildungsbezogener Faktoren kann angenommen werden. Dieser Befund ist wohl vor allem auf die stärker an Abschlüssen gebundenen Zugangsbedingungen zurückzuführen. Hypothese 2 kann nur teilweise als bestätigt betrachtet werden. Es bleibt ein Benachteiligungseffekt bestehen, wenn bildungsrelevante Ressourcen und Elternunterstützung kontrolliert werden. Erwartungswidrig zeigt sich ein solcher Effekt aber nur bei der 2. Generation und nicht bei den selbst zugewanderten Jugendlichen. Die vermutete Abschwächung des Benachteiligungseffekts für Migrantinnen und Migranten (Hypothese 3) tritt für beide Sektoren ein, wenn bildungsrelevante Faktoren kontrolliert werden.

Die Effektstärken zu den migrationsbedingten Disparitäten weichen von anderen NEPS-Analysen geringfügig ab (Beicht und Walden 2017; Holtmann et al. 2017). Die Unterschiede sind vermutlich auf unterschiedliche Operationalisierungen der betrachteten Konstrukte, aber auch Zuschneidung der NEPS-Stichprobe zurückzuführen. Bei Holtmann et al. (2017) zeigt sich eine hinsichtlich der AMEs zwar vergleichbare Effektstärke der migrationsbedingten Disparitäten, jedoch auf nicht signifikantem Niveau. Für diese Analyse wurden Personen bis zu einem mittleren Abschluss einbezogen, während Holtmann et al. (2017) sich auf Abgänger mit maximal Hauptschulabschuss beschränkt haben. Darüber hinaus wurde bei der hier vorlegten Analyse der Generationenstatus unterschieden, während Holtmann et al. (2017) den Migrationshintergrund dichotom berücksichtigten und zudem nicht nach Einmündungen zwischen Schulberufssystem und dualem System differenzieren. Beicht und Walden (2017) beobachten ebenfalls signifikante migrationsbedingte Disparitäten, allerdings zeigt sich dort, dass bei einem Zuwanderungshintergrund durch die Eltern die Einmündung in Ausbildung leichter als bei einer Zuwanderung durch die Jugendlichen selbst gelingt. Die hier vorgelegten Analysen verweisen auf eher geringe Unterschiede in der Benachteiligung von erster und zweiter Generation. Die Modelle von Beicht und Walden (2017, S. 453 ff.) unterscheiden sich jedoch konzeptionell von dieser Analyse, da dort das Unterstützungsverhalten der Eltern nicht berücksichtigt wurde und zudem lediglich die mathematischen Kompetenzen, nicht jedoch die anderen Kompetenzdimensionen einbezogen wurden. Zusätzlich wurden Merkmale des Berufs (Dienstleistungs- vs. Produktionsberuf) und des beruflichen Status des Vaters einbezogen. Mit einem Nagelkerke von 0,26 erweist sich das hier präsentierte Modell jedoch als erklärungsmächtiger im Vergleich zur Spezifikation bei Beicht und Walden (2017, S. 454) mit Nagelkerke = 0,178.

Insgesamt zeigen die beiden vorgelegten Analysen, dass migrationsbedingte Disparitäten unterschiedlichen Wechselwirkungen bei der Einmündung in das duale System und in das Schulberufssystem unterlegen. Für Einmündungen in das Schulberufssystem sind bei Kontrolle von Schulabschluss, Kompetenzen und Geschlecht systematische Einflüsse eines Migrationshintergrunds nicht mehr beobachtbar, bei der Einmündung in das duale System bleiben diese bestehen, sie verringern sich bei Kontrolle weiterer Merkmale wie bildungsrelevante Ressourcen und elterliches Unterstützungsverhalten, ohne sich vollständig aufzulösen. Verfügen zugewanderte Personen nicht über solche Ressourcen und Stützfaktoren, fallen ihre Ausbildungschancen schlechter aus. Dies dürfte vor allem eine Herausforderung für die Ausbildungsintegration der in den letzten Jahren zugewanderten schutz- und asylsuchenden jungen Erwachsenen sein, die in der Regel nicht auf familiäre Stützsysteme und Netzwerke zurückgreifen können und zudem allein schon aufgrund der Vorbildungsstruktur besondere Hürden am Ausbildungsmarkt zu überwinden haben. Auf diese Situation wird in Abschn. 3.3 gesondert eingegangen.

Disparitäten können aber nicht nur bei der Einmündung in einen der beiden vollqualifizierenden Sektoren entstehen, sondern auch beim Zugang zu bestimmten Berufen, mit denen sich eine unterschiedliche soziale Positionierung verbinden kann. Daher wird nachfolgend anhand einer beruflichen Segmentationsskala auf deskriptiver ein Schlaglicht darauf geworfen werden, inwiefern migrationsbedingte Benachteiligungen bei der Einmündung in perspektivenreichere Berufe zu erkennen sind.

4.2 Deskriptive Analysen zur Ausbildungseinmündung nach Berufssegmenten

Das duale Ausbildungssystem, aber auch das Schulberufssystem weisen eine hohe soziale Stratifikation nach Berufen auf. Erstmalig wurde im Nationalen Bildungsbericht 2008 über die Berufssegmentation nach Vorbildungsstruktur berichtet, nach der sich im Zuge von Bildungsexpansion und wachsenden Qualifikationsanforderungen eine Entsprechung von Schulabschlüssen und Ausbildungsberufen herausgeschält hat, nach der vier, über die Zeit relativ stabile Segmente in beiden Sektoren unterschieden werden können (für das duale System vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008, 2016; für Schulberufssystem vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016). Innerhalb dieser vier Segmente sind unterschiedlich perspektivenreiche Ausbildungsberufe angesiedelt.

Im Schulberufssystem ist beispielsweise mit Ausbildungen wie Sozialhelfer/-in, Altenpflegehelfer/-helferin, Hauswirtschafter/-in und Hauswirtschaftshelfer/-in, die eher als Ausbildungsvorstufen zu betrachten sind, eine niedrigere soziale Stellung verbunden als mit Ausbildungsberufen wie Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/-in, Logopäde/Logopädin, Physiotherapeut/-in, naturwissenschaftlich-technischen Assistenzberufen. Im oberen Segment des dualen Systems finden sich kaufmännische und verwaltende Berufe des Banken- und Versicherungswesens und der Industrie sowie Informatik- und neue Medienberufe. Die obere Mitte umfasst ebenfalls kaufmännische und Büroberufe, ebenso diverse gewerbliche Berufe wie Elektroniker- und Mechatronikerberufe. Die untere Mitte umfasst vor allem gewerbliche und technische Berufe und das untere Segment enthält klassische Handwerksberufe, beispielsweise des Bau‑, Bauneben- und Ernährungsgewerbes, sowie Berufe der Hotel- und Gastronomiewirtschaft (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016).

Die unterschiedliche Wertigkeit der Berufe findet ihren Ausdruck in den mit ihnen verbundenen Arbeitsmarkt- und Beschäftigungschancen (z. B. niveauadäquate Erwerbstätigkeit, Beschäftigungsstabilität, Einkommen, vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, S. 118 ff.), in der sozialen Anerkennung der Berufe, in den Teilhabechancen an beruflicher Weiterbildung, aber auch in beruflichen Aufstiegsoptionen und persönlicher Weiterentwicklung. Über die berufsspezifische Ausbildungseinmündung erfolgen also gravierende Weichenstellungen. Abb. 1 zeigt exemplarisch für das duale System, dass ausländische Personen zu weitaus höheren Anteilen in das unterste Segment der Berufe einmünden und zu weitaus geringeren Anteilen in das obere Segment. Die geringeren Einmündungschancen in das obere Segment werden wohl aber auch mit der dort meist erwarteten (Fach‑)Hochschulreife im Vorbildungsniveau zusammenhängen und hier weisen ausländische Personen geringere Anteile als deutsche auf.

Abb. 1
figure 1

Neuverträge in der dualen Berufsausbildung nach Berufssegmenten und Staatsangehörigkeit 2014 (Anzahl, in %). (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, Webtabelle H2-24web; Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Berufsbildungsstatistik)

Besonders häufig sind ausländische Männer in Handwerksberufen wie dem Friseur-, und Baugewerbehandwerk, aber auch in Hotel‑, Gastronomie- und Verkaufsberufen zu finden. Ausländische Frauen münden ebenfalls ähnlich wie die Männer häufiger in Hotel‑, Gastronomie-, und Verkaufsberufe sowie in das Friseurhandwerk ein, höhere Anteile sind auch in den Freien Berufen, vor allem bei den Medizinischen und Zahnmedizinischen Fachberufen zu erkennen. Sehr selten sind ausländische Männer und Frauen hingegen in Medien‑, Bank- und Sozialversicherungsberufen zu finden (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, Tab. H2-25web).

Betrachtet man die am stärksten von ausländischen Personen besetzten Ausbildungsberufe, so sind dies nicht nur überwiegend Berufe des unteren Segments oder der unteren Mitte, sondern es sind auch Berufe, die durch ein höheres Maß an Ausbildungsinstabilität gekennzeichnet sind. Die vorzeitigen Vertragslösungsquoten liegen mit Lösungsquoten von 42–43 % in den Ernährungsberufen, im Hotel- und Gastgewerbe und in Berufen der Körperpflege sowie des Verkaufs mit ca. 30 % deutlich über dem Gesamtdurchschnitt von knapp einem Viertel (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, S. 113 ff.). Insofern überrascht es wenig, dass die vorzeitigen Vertragslösungsquoten für ausländische Personen höher liegen als für deutsche bei erheblichen Streuungen zwischen den Herkunftsregionen. Die niedrigsten Lösungsquoten waren 2014 für Personen aus den EU-15-Staaten (30 %; deutsche Personen: 24 %) und die höchsten vorzeitigen Lösungsquoten von Auszubildenden aus Asien, Afrika sowie Amerika (34–40 %) zu verzeichnen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, Tab. H4-5web). Dies bedeutet mit Blick auf die Zuwanderungen in den letzten Jahren, die gerade aus asiatischen und afrikanischen Ländern erfolgten, ein erhöhtes Risiko vorzeitiger Vertragslösungen, wenn nicht berufswahlbezogene und flankierende Begleitangebote die Ausbildung stützen.

Insgesamt verweisen die hier präsentierten Daten für ausländische Jugendliche auf ein ungünstiges Zusammenspiel von erschwertem Ausbildungszugang sowie einer verstärkten Einmündung in weniger perspektivenreiche Berufe des unteren Segments und der unteren Mitte sowie auf höhere Instabilitäten des Ausbildungsverlaufs. Auch die schwierigere Erwerbsintegration nach Abschluss der Ausbildung, die sich vor dem Hintergrund einer vergleichsweise guten und vor allem anhaltend günstigen Wirtschaftssituation nicht allein über gewählte Berufe oder Arbeitsmarktlagen der Regionen erklären lässt (vgl. Seeber et al. 2018), unterstreicht die besonderen Hürden, die Personen mit Migrationshintergrund für die Ausbildungs- und Arbeitsmarktintegration überwinden müssen.

4.3 Deskriptive Analysen zur aktuellen Situation der Einmündung ausländischer Personen

Die beim Forschungsstand berichteten und die in Abschn. 4.1 und 4.2 dargestellten Ergebnisse haben zwei Nachteile: Sie lassen keine Aussagen zur Entwicklung über Zeit zu, und sie beziehen sich auf Bewerberinnen und Bewerber, deren Ausbildungseinmündung teilweise weit, in jedem Fall etliche Jahre zurückliegt. Damit wird die aktuelle Situation des Ausbildungszugangs, die sich mit der Aufnahme einer großen Zahl schutz- und asylsuchender Jugendlicher im ausbildungsrelevanten Alter in den Jahren 2014–2016 deutlich verändert hat, nicht berücksichtigt. Es wird daher in den nachfolgenden Betrachtungen nochmals gesondert auf die Ausbildungssituation der letzten Jahre eingegangen. Um die strukturellen Rahmenbedingungen der beruflichen Integration von zugewanderten Personen am aktuellen Rand abzubilden, wird nachfolgend erneut auf amtliche Daten zurückgegriffen, auch wenn diese mit Einschränkungen in der Analysetiefe einhergehen (vgl. Abschn. 3). Ein Vorteil ist jedoch die zeitliche Betrachtung bis zum aktuellen Rand, um Aussagen über die Entwicklung der Ausbildungsintegration von zugewanderten Personen treffen zu können.

Vor der Ende 2014 bis zur ersten Hälfte 2016 eingesetzten starken Zuwanderung schutz- und asylsuchender Menschen schienen sich die Bedingungen der Einmündung in berufliche Ausbildung – bei weiterhin bestehenden Unterschieden zwischen ausländischen und deutschen Jugendlichen – zu verbessern, ohne dass sich die Nachteile für ausländische Personen aufgelöst hätten. Abb. 2 zeigt, dass die Entwicklung deutscher und ausländischer Neuzugänge in die drei Sektoren der beruflichen Ausbildung bis 2013 parallel verläuft, allerdings auf unterschiedlichem Niveau: Zunächst reduzieren sich die Neuzugänge in den Übergangssektor für beide Gruppen bis 2013, während der Anteil der Neuzugänge in die duale Ausbildung bei den deutschen und ausländischen Personen ansteigt, bei den ausländischen Personen geringfügig stärker. Danach verharrt der Anteil bei den deutschen Jugendlichen bis 2017 auf diesem Niveau, während der relative Anteil unter den ausländischen Neuzugängen ab 2014 abnimmt. Der letztgenannte Effekt zeigt sich auch für das Schulberufssystem. Diese Veränderung ist eine Folge der Zuwanderung Schutz- und Asylsuchender, denn zwischen 2014 und 2016 hat sich die Zahl ausländischer Neuzugänge im Übergangssektor mehr als verdoppelt. Sie erhöhte sich von ca. 50.000 auf mehr als 110.000, auch 2017 verblieb sie auf einem hohen Niveau von ca. 103.000 Personen (vgl. Schnellmeldung der integrierten Ausbildungsberichterstattung 2017).

Abb. 2
figure 2

Neuzugänge in Ausbildung 2007 bis 2017 nach Sektoren für deutsche und ausländische Personen (in %). (Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Integrierte Ausbildungsberichtserstattung, Sonderauswertung, eigene Berechnungen)

Diese globalen Betrachtungen nivellieren jedoch die Unterschiede im Übergang ausländischer Jugendlicher nach Herkunftsregion. Deskriptive Daten, die nur über eine Sondererhebung in den Bundesländern für das Schuljahr 2014/15, an der sich 11 Länder beteiligt haben, erfasst wurden, zeigen dabei folgenden Befund: Den noch relativ günstigen Einmündungschancen für ausländische Jugendliche aus den EU-15-Staaten in eine vollqualifizierende Ausbildung stehen besonders schwierige Einmündungsprozesse für zugewanderte Personen aus Asien und Afrika gegenüber (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016). Für Jugendliche aus diesen beiden Herkunftsregionen, aus denen zugleich ein Großteil der Zuwanderungen zwischen 2014 und 2016 stammt, zeichnen sich erhebliche Schwierigkeiten im Ausbildungszugang ab, die wohl auch mit dem teils relativ niedrigen Vorbildungsniveau oder mit fehlenden Informationen und Belegen darüber (vgl. dazu Worbs und Bund 2016) zusammenhängen.

Die Zuwanderung der schutz- und asylsuchenden Personen und deren Integration ins Berufsbildungssystem macht sich folglich auch mit beträchtlichen Veränderungen in der Vorbildungsstruktur bemerkbar: Unter den ausländischen Personen im Übergangssektor steigt besonders stark der Anteil an Personen mit unbekannter und sonstiger Vorbildung, der sich zwischen 2013 und 2016 von ca. 6 auf 24 % erhöht hat. Der Anteil an Personen ohne Hauptschulabschluss ist von 26 auf 41 % angewachsen (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Veränderungen im Vorbildungsniveau deutscher und ausländischer Personen 2013 und 2016 in den drei Sektoren der beruflichen Ausbildung. (Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Integrierte Ausbildungsberichtserstattung, Sonderauswertung, eigene Berechnungen)

Diese veränderten Konstellationen im Übergangssektor bedeuten eine besondere Herausforderung für die Integration in Ausbildung, da sich der mittlere Schulabschluss zur zentralen Eingangsvoraussetzungen in beiden Sektoren etabliert hat und die Ausbildungschancen, wie die Analysen in Abschn. 4.1 zeigen, sich deutlich erhöhen, wenn ein solcher Abschluss vorliegt. Zudem zeigen die Analysen der Einmündung in die Berufssegmente in Abschn. 4.2, dass es ausländischen Personen schwieriger gelingt, in perspektivenreichere Ausbildungsberufe einzumünden.

5 Diskussion zu Herausforderungen für die berufliche Bildung

Die Berufsausbildungsperspektiven von zugewanderten Personen haben nicht unter dem Blickwinkel der Teilhabechancen eine hohe Dringlichkeit. Es gewinnt viel mehr die Frage der beruflichen Integration von bisher unterrepräsentierten Gruppen vor dem Hintergrund der Fachkräfteentwicklung und unter Berücksichtigung der sich jetzt schon abzeichnenden Engpässe in bestimmten Berufsbereichen und Regionen sowie der Verschärfung der Konkurrenz zwischen Hochschulen und ausbildenden Unternehmen um dieselben Schulabsolventinnen und -absolventen (vgl. dazu Baethge und Wolter 2015; Baethge und Wieck 2015) an ökonomischer und arbeitsmarktstrategischer Wichtigkeit.

Seit 2014 zeichnen sich mit der Zuwanderung schutz- und asylsuchender Personen veränderte Konstellationen für die berufliche Bildung ab. Diese machen es erforderlich, sollen sich nicht ungelöste Probleme einer unzureichenden Integration von Personen mit Migrationshintergrund einfach nur fortschreiben oder gar noch verschärfen, genauer diese Veränderungen in den Blick zu nehmen. Sie betreffen dabei vor allem die Zusammensetzung der Ausbildungsinteressierten nach Herkunftsregionen, Vorbildungsniveau, aber auch deren Vertrautheit mit den hiesigen Berufs- und Arbeitsmarktstrukturen.

Die BA/BIBB-Bewerberdaten auf betriebliche Berufsausbildungsstellen zeigen für das Jahr 2016 bereits einen Anstieg des Anteils an Personen mit eigener Migrationserfahrung und eine entsprechende Abnahme der Gruppe ohne eigene Migrationserfahrung (vgl. Beicht 2017). Dennoch ist aber nur ein sehr langsamer Anstieg der Beteiligung von schutz- und asylsuchenden Personen an den Angeboten der beruflichen Ausbildung zu beobachten. Von den rund 10.300 Geflüchteten, die im Ausbildungsjahr 2015/2016 bei der Bundesagentur für Arbeit als Bewerberinnen und Bewerber registriert waren, konnte ca. ein Drittel in eine duale Ausbildung münden (Bundesinstitut für Berufsbildung 2017, S. 472). Der Großteil der aus der Gruppe schutz- und asylsuchender erwarteter Bewerberinnen und Bewerber war und ist jedoch (noch) nicht als Ausbildungsbewerber registriert. Die Ursachen hierfür können in Bildungsaspirationen, aber insbesondere auch in der Vorbildungsstruktur mit deutlich geringeren Anteilen am mittleren und wesentlich größeren Anteilen am unteren Bereich des Qualifikationsspektrums im Vergleich zur deutschen Wohnbevölkerung liegen (Romiti et al. 2016, S. 48).

Ein Großteil der ausbildungsinteressierten schutz- und asylsuchenden Personen mündete daher zunächst in Berufsvorbereitungsangebote ein. Dies spiegelt sich auch in den in Abschn. 4.3 berichteten Daten zur strukturellen Entwicklung der beruflichen Bildung nach Ausbildungssektoren wider. In kürzester Zeit wurde eine beeindruckende Zahl von Maßnahmen der Ausbildungsvorbereitung auf den Weg gebracht (vgl. Braun und Lex 2016), denen vor allem gemeinsam ist, dass sie eine intensive Sprachförderung mit berufsorientierenden und lebensweltlichen Inhalten verknüpfen. Insgesamt weisen die Programme der Ausbildungsvorbereitung jedoch eine erhebliche Bandbreite auf, die nicht nur den zeitlichen Umfang (ein- und zweijährige Maßnahmen, Wiederholungsoptionen bei einjährigen Programmen, flexible Verweildauern mit dem Ziel des Wechsels in andere Vorbereitungsangebote etc.) und formale Zugangsregelungen (z. B. Altersgrenzen) betreffen, sondern vor allem die Verknüpfung von allgemeinbildenden und beruflichen Lernsequenzen, von Abschluss- und/oder Anschlussorientierung, von zielgruppenspezifischen und übergreifenden gemeinsamen Lernphasen sowie von curricularen Schwerpunktsetzungen. Gemeinsam ist allen Programmen, dass sie möglichst auf eine Verbindung von theoretischen und berufs- sowie betriebspraktischen Inhalten setzen, bei jedoch unterschiedlich starker curricularer Einbindung der Praxisphasen (vgl. Seeber et al. 2018, S. 60 ff.).

Auch wenn bislang kaum belastbare und repräsentative Daten zur Effektivität der berufsvorbereitenden Angebote für die jüngsten Zuwanderungsgruppen vorliegen, so zeigen doch die in Abschn. 3 erörterten Befunde zu den spezifischen Benachteiligungen bestimmter Herkunftsgruppen beim Ausbildungsübergang, dass erhebliche Integrationsanstrengungen für einen gelingenden Ausbildungseinstieg und Berufsabschluss erforderlich sind. So ist davon auszugehen, dass gerade die zuwanderten schutz- und asylsuchenden Personen nur begrenzt auf Eltern und private Netzwerke zurückgreifen können, die den Ausbildungsübergang unterstützen. Auch fehlende Kenntnisse über den hiesigen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt können als erschwerende Bedingung hinzukommen (Granato 2003, S. 29). Zudem verweisen Analysen darauf, dass die im Fluchtkontext zugewanderten Personen die Beratungsangebote der Bundesagentur für Arbeit bisher nur unzureichend nutzen, dies schließt die Angebote zur Berufsausbildungsberatung ein (zum positiven Einfluss dieser Angebote auf die Arbeitsmarktintegration vgl. Brückner et al. 2016, S. 34 f. und S. 54). Eine besonders schwere Hürde für selbst zugewanderte Personen, die erst zu einem späten Zeitpunkt in der Bildungsbiografie nach Deutschland gekommen sind, wird jedoch ein fehlender Schulabschluss sein, der die Ausbildungschancen erheblich verschlechtert. Ob es gelingt, die Berufsvorbereitungsangebote mit Sprachförderung, einer kulturellen Integration und einer unabweisbar erforderlichen individuellen Förderung so zu verknüpfen, dass zumindest für einen Teil der Jugendlichen auch der Erwerb eines Hauptschul- oder mittleren Schulabschlusses ermöglicht wird, muss derzeit offenbleiben.

Aktualisierte Modellrechnungen des Bundesinstituts für Berufsbildung gehen von einer zusätzlichen Ausbildungsplatznachfrage von 55.000–100.000 Ausbildungsstellen durch zugewanderte Personen im Fluchtkontext im Zeitraum 2017–2019 aus. Dabei werden vor allem höhere Bedarfe für die Jahre 2018 (18.500 bis ca. 34.000 Personen) und 2019 (18.000 bis ca. 41.000) angenommen (Bundesinstitut für Berufsbildung 2017, S. 471). Unsicher ist, ob mit den aktuell implementierten Maßnahmen der Ausbildungsintegration aus den Erfahrungen der Vergangenheit Lehren gezogen wurden. Die quantitativen und qualitativen Dimensionen beruflicher Integration zugewanderter Personen, vor allem der Gruppen zwischen 2014 und 2016, stellt das Berufsbildungssystem vor eine Herausforderung, „die schwerlich mit einer Fortschreibung der vorhandenen Ausbildungsstrukturen und -routinen angemessen beantwortet werden kann“ (Baethge und Seeber 2016, S. 12).

Vor dem Hintergrund des Rückzugs der Unternehmen aus der Ausbildung, die die kleinen Unternehmen stärker betrifft als die großen (vgl. Baas und Baethge 2017) und denen aber zugleich ein bedeutsames Integrationspotenzial für zuwanderte Personen zugesprochen wird (Bundesinstitut für Berufsbildung 2017), aber auch angesichts der regionalen und beruflichen Passungsprobleme, der Segmentation von Berufszugängen nach Vorbildungsstruktur und den damit einhergehenden sozialen Statuszuweisungen wird man um neue Formen der Steuerung beruflicher Ausbildungszugänge nicht umhinkommen. Dazu werden auch (Teil‑)Substitutionen dualer Ausbildung, beispielsweise durch geförderte oder vollzeitschulische Angebote sowie deren geregelte Anerkennung und Übernahmen in betriebliche Ausbildung, zählen. Qualitativ wird es vor allem darum gehen, in betrieblichen und vollzeitschulischen Ausbildungen die berufsfachlichen Sequenzen mit Sprachunterricht und Allgemeinbildung in ggfs. neuen Organisations- und Zeitmustern zu verschränken (vgl. Baethge und Seeber 2016). Ohne Bereitschaft zu neuen Ausbildungsformen und der Einbindung aller Akteure beruflicher Bildung dürften sich die teils verfestigten und die im letzten Teil des Beitrags aufgezeigten Problemlagen der Ausbildungsintegration zugewanderter Personen jedoch kaum lösen lassen.