1 Einleitung

Mit der Hochschulzugangsberechtigung eröffnen sich für SchülerFootnote 1 vielfältige Bildungsoptionen. Formal betrachtet – und dies gilt besonders für Abiturienten – können sie aus dem maximalen Angebot an postsekundären Ausbildungswegen wählen. Mit dem Abitur wird nicht nur der direkte Übergang an Hochschulen möglich, bei entsprechender Abiturnote stehen grundsätzlich auch alle Studiengänge an Hochschulen offen. Durch die Entkoppelung von Zertifikat und Schulform wird auch bei berufsfeldspezifischen Schwerpunktsetzungen (z. B. an Berufsgymnasien) die allgemeine Hochschulreife vergeben, was dann zwar häufig mit einer Kanalisierung akademischer Interessen und Fachwahlen verbunden ist, jedoch grundsätzlich alle Studienfachwahlen ermöglicht (Köller et al. 2004). Darüber hinaus ist die Hochschulreife von Vorteil im Wettbewerb um prestigeträchtige Ausbildungsberufe oder Ausbildungsgänge mit Schülern, die die allgemeinbildende Schule bereits nach der Sekundarstufe I mit einem Abschluss verlassen haben. Zudem besteht die Option, erst im Anschluss an eine Berufsausbildung ein Studium anzuschließen.

Wie eine Reihe von Publikationen in der empirischen Bildungs- und Ungleichheitsforschung der letzten Jahre eindrucksvoll belegt (Schnabel und Gruehn 2000; Watermann und Maaz 2004, 2006; Maaz 2006; Becker und Hecken 2007, 2008, 2009a, b; Erikson 2007; Müller und Pollak 2007; Lörz und Schindler 2009, 2011; Becker 2009; Müller et al. 2009; Reimer und Pollak 2010), unterscheiden sich Studienberechtigte unterschiedlicher sozialer Herkunft systematisch darin, wie sie diese Möglichkeiten nutzen und welche Ausbildungswege sie einschlagen. In der Regel fokussieren diese Studien die Frage, inwieweit die Chancen des Hochschulzugangs nach sozialer Klassenzugehörigkeit oder sozioökonomischem Status variieren. Becker und Hecken (2008) berichten für Sachsen, dass Angehörige der oberen Dienstklasse eine etwa 2,3-mal höhere Chance und Personen aus den Mittelschichten eine 1,4-mal höhere Chance aufwiesen, sich für ein Hochschulstudium zu entscheiden, als Angehörige aus den Arbeiterklassen. In der Arbeit von Maaz (2006) zeigte sich für Abiturienten in Baden-Württemberg, dass ein Anstieg des sozioökonomischen Status (gemessen mit dem International Socioeconomic Index [ISEI]) um eine Standardabweichung die Chance des Hochschulzugangs um 22 % erhöhte. Kritisch ist der in den meisten dieser Studien dokumentierte Effekt der sozialen Herkunft auf die Bildungsentscheidung über die Schulleistungen hinaus zu bewerten. Denn auch bei vergleichbaren Schulleistungen war mit höherem sozialem Status häufiger die Entscheidung für bzw. der Übergang in ein Hochschulstudium verbunden (Schnabel und Gruehn 2000; Knigge 2001; Schnabel et al. 2002; Watermann und Maaz 2010).

Wenngleich derartige Befundmuster sozialer Ungleichheiten an früheren Übergängen im Bildungsverlauf gut dokumentiert sind, ist die Konsistenz der Befundlage an dieser relativ späten Gelenkstelle im Bildungsverlauf durchaus bemerkenswert. Denn die meisten der genannten Studien analysieren die Bildungsübergänge nach dem Transitionsmodell von Mare (1980), das heißt, sie betrachten die Population der Schüler, die über eine Hochschulzugangsberechtigung verfügt und alle vorherigen Selektionsstufen des Bildungssystems bereits erfolgreich bewältigt hat. Die Selektivität des Hochschulzugangs sollte nach Mare (1980) zur Folge haben, dass die Effekte der sozialen Herkunft auf die Bildungsentscheidung mit jedem weiteren Bildungsübergang geringer werden. So kann zum einen argumentiert werden, dass mit dem erfolgreichen Durchlaufen des Bildungssystems die leistungsbezogenen Unterschiede zwischen den Herkunftsgruppen im Bildungsverlauf abnehmen und in Bezug auf den Hochschulzugang kaum oder nicht diskriminieren (Abschwächung des primären Herkunftseffekts im Bildungsverlauf). Zum anderen kann argumentiert werden, dass sich die Bewertungen und Erwartungen entscheidungsrelevanter Faktoren sowie die Bildungsmotivation trotz unterschiedlicher sozialer Herkunft ebenfalls zwischen den Gruppen annähern (Abschwächung des sekundären Herkunftseffekts im Bildungsverlauf) (Schindler und Reimer 2010).

Im Folgenden gehen wir der Frage nach, auf welche Mechanismen die soziale Ungleichheit bei der Wahl postsekundärer Bildungsgänge zurückgeht. Wir orientieren uns hierbei an der für die Analyse von Bildungsentscheidungen verbreiteten und auf Boudon (1974) zurückgehenden Unterscheidung von primären und sekundären sozialen Herkunftseffekten und betrachten Handlungstheorien, die bislang in der Literatur zur Erklärung des sekundären Herkunftseffekts genutzt wurden (Abschn. 2). Daran anschließend geben wir einen Überblick über die wichtigsten nationalen Studien, in denen primäre und sekundäre soziale Herkunftseffekte des Hochschulzugangs untersucht wurden (Abschn. 3). Sodann gehen wir der Frage nach, in welchem Ausmaß primäre und sekundäre Effekte die sozialen Ungleichheiten am Hochschulzugang erklären können und welche Bedeutung ihnen im individuellen Bildungsverlauf zukommt (Abschn. 4). Danach gehen wir auf Arbeiten ein, in denen die Wirkungsweise des sekundären Herkunftseffekts am Übergang in postsekundäre Bildungsgänge modellbasiert untersucht wurde (Abschn. 5). Des Weiteren werden Arbeiten betrachtet, die zeigen, welche Effekte die Expansion der zur Hochschulreife führenden Bildungsgänge sowie Entwicklungen im tertiären Bereich auf das Ausmaß sozialer Disparitäten am Hochschulzugang hatten (Abschn. 6). Abschließend werden Ansatzpunkte zur Verringerung der sozialen Selektivität des Hochschulzugangs diskutiert und ein Ausblick auf weitere Forschung gegeben (Abschn. 7).

2 Primäre und sekundäre Herkunftseffekte und deren Einflussfaktoren

In der empirischen Bildungs- und Ungleichheitsforschung ist gut dokumentiert, dass die entscheidenden Situationen der Entstehung von Bildungsungleichheiten die Übergangsschwellen von Bildungsverläufen sind (Erikson und Jonsson 1996; Breen und Goldthorpe 1997; Stocké 2007), da dort primäre und sekundäre herkunftsbedingte Effekte zusammenwirken. Boudon (1974) befasste sich mit den Selektionsentscheidungen im Bildungssystem und analysierte schichtspezifische Unterschiede in der Bildungsbeteiligung anhand der Unterscheidung von primären und sekundären Effekten der Sozialschichtzugehörigkeit. Unter primären Herkunftseffekten versteht er den Sozialisationsvorteil, den Schüler aus höheren Sozialschichten beim Erwerb der für den Schuleintritt bzw. einen Schulübergang erforderlichen Kompetenzen bzw. Zertifikate besitzen. Dieser Unterschied im erworbenen Kompetenzniveau – so die Annahme – ist primär von der sozialen Herkunft abhängig. Der herkunftsbedingte Sozialisationseffekt äußert sich darin, dass sich Familien verschiedener Sozialschichten bei der Vermittlung der Sprachkultur, in der Weitergabe der Lern- und Bildungsmotivation sowie metakognitiver Kompetenzen voneinander unterscheiden, sodass sich herkunftsspezifisch habitualisierte Lerngewohnheiten identifizieren lassen. Boudon (1974) zufolge äußern sich primäre Effekte in Unterschieden zwischen den sozialen Schichten im sozioökonomischen Status sowie in nichtmonetären Ressourcen wie dem kulturellen Kapital, die sich in den schulischen Leistungen der Kinder niederschlagen.

Sekundäre Herkunftseffekte wirken dagegen auf die Bildungsentscheidung. Bildungsentscheidungen werden dabei als Ergebnisse rationaler Entscheidungsprozesse aufgefasst, bei denen individuelle Abwägungen von Alternativen anhand wahrgenommener Erträge und wahrgenommener Kosten vorgenommen werden. Unter Rückgriff auf die Social Position Theory von Keller und Zavalloni (1964) argumentiert Boudon, das entscheidende Motiv für Bildungsentscheidungen läge in der Vermeidung von sozialer Abwärtsmobilität in der Generationenfolge. Der Ertrag einer Alternative bemesse sich also daran, ob ein Statusverlust vermieden werden kann. Bei der Entscheidung für einen Bildungsgang seien Personen aus akademischen Elternhäusern in höherem Maße motiviert, tertiäre Bildungsgänge (Hochschulstudium) zu wählen, als Personen aus statusniedrigeren Familien, weil ein Hochschulstudium eine Voraussetzung zur Vermeidung der Abwärtsmobilität darstellt, während für Letztere zur Statusreproduktion ein beruflicher Ausbildungsabschluss genügt. Später wurde diese Idee unter den Begriffen der relativen Risikoaversion oder des Statuserhaltmotivs weiterentwickelt (Breen und Goldthorpe 1997). Auch bezüglich der wahrgenommenen Kosten sollten sich die Sozialschichten unterscheiden, da die mit der Entscheidung für ein Hochschulstudium verbundenen wahrgenommenen Kosten statusniedrigere Gruppen eher von einem Studium abhalten. Hierbei kann es sich sowohl um direkte Kosten (Finanzierung des Studiums, Studiengebühren) als auch um indirekte Kosten des Studiums (das entgangene Gehalt im Falle einer Berufsausbildung, was durch lange Studienzeiten noch verstärkt würde) handeln.

In der neueren Theoriebildung (Erikson und Jonsson 1996; Breen und Goldthorpe 1997; Esser 1999; vgl. zusammenfassend Maaz et al. 2006) wurden die von Boudon zur Erklärung sekundärer Herkunftseffekte eingeführten Einflussfaktoren durch die subjektive Erfolgswahrscheinlichkeit ergänzt, den Ertrag der gewählten Alternative auch zu erhalten. Dieser ist wiederum abhängig von der Erwartung, in dem jeweiligen postsekundären Bildungsgang erfolgreich sein zu können sowie von der Erwartung, dass der erfolgreiche Abschluss des Bildungsgangs zum angestrebten Berufsziel führt. Auch bezüglich der subjektiven Erfolgswahrscheinlichkeit sollten statushöhere Personen höhere Werte aufweisen, weil sie über das Wissen um die Anforderungen des jeweiligen Ausbildungsgangs, die Verfügbarkeit elterlicher Ressourcen zur Unterstützung bei der Bewältigung dieser Anforderungen sowie die Orientierung an vorangegangenen Schulleistungen die Erfolgsaussichten günstiger einschätzen als statusniedrigere Gruppen. Auch die Erwartung der Realisierung des Berufsziels im Anschluss an einen postsekundären Bildungsgang könnte aufgrund des Wissens um die Verfügbarkeit sozialer Ressourcen bei statushöheren Personen günstiger ausfallen. Alles in allem ist also davon auszugehen, dass statushöhere Personen in Relation zu statusniedrigeren Personen bei der Bildungsalternative Hochschulstudium a) höhere Erträge, b) geringere Kosten und c) höhere Erfolgswahrscheinlichkeiten wahrnehmen.

Im Modell von Erikson und Jonsson (1996) wird aus diesen drei Einflussfaktoren für jede Entscheidungsalternative ein erwarteter Nutzenwert (EU, Expected Utility) für die Person ermittelt. Der erwartete Nutzenwert EU berechnet sich aus der Differenz des wahrgenommenen Ertrags (U) und der wahrgenommenen Kosten (C), wobei der Ertrag noch durch die subjektive Erfolgswahrscheinlichkeit (p) gewichtet wird: EU (Studium) = p * U (Studium) − C (Studium). Personen entscheiden sich dann für ein Hochschulstudium, wenn der erwartete Nutzenwert für ein Hochschulstudium größer ist als der entsprechende Wert für eine Bildungsalternative. Der Wert für die Bildungsalternative errechnet sich entsprechend: EU (Bildungsalternative) = p * U (Bildungsalternative) − C (Bildungsalternative).

Die Nutzentheorie von Esser (1999) ist eng verwandt mit dem Modell von Erikson und Jonsson (1996). Esser hat seine Nutzentheorie für Bildungsentscheidungen (von Eltern) noch spezifischer formalisiert, indem er sie um das Motiv und die Erwartung des Statuserhalts ergänzt hat. Sie wird in der Literatur als Werterwartungstheorie bezeichnet. Nach Esser resultiert der subjektiv erwartete Nutzen einer Bildungsalternative aus dem wahrgenommenen Ertrag U, den wahrgenommenen Kosten C, der subjektiven Wahrscheinlichkeit des Bildungserfolges p, dem Wert des drohenden Statusverlusts –SV und der subjektiven Wahrscheinlichkeit eines Statusverlusts c, wenn auf die Bildungsalternative verzichtet wird. Zwei Terme sind hierbei von besonderer Relevanz: die Bildungsmotivation und das Investitionsrisiko. Die Bildungsmotivation setzt sich additiv aus dem wahrgenommenen Ertrag und dem Produkt aus dem Wert des drohenden wahrgenommenen Statusverlusts und dem Wert der subjektiven Wahrscheinlichkeit für einen Statusverlust (U + cSV) zusammen. Die Bildungsmotivation ist umso höher, je höher der Wert für den wahrgenommenen Ertrag und je höher und je sicherer der drohende Statusverlust bei einer Bildungsalternative ist. Der Term C/p steht für das Investitionsrisiko, das bei konstanten wahrgenommenen Kosten mit der Unsicherheit des Bildungserfolgs steigt. Die Entscheidung zugunsten eines Studiums erfolgt dann, wenn der Wert für die Bildungsmotivation für ein Studium größer ist als der Wert für das Investitionsrisiko. In Anlehnung an Esser ist für postsekundäre Bildungsentscheidungen bei Personen aus einer höheren Sozialschicht eine höhere Bildungsmotivation zu erwarten. Denn mit einem Verzicht auf ein Hochschulstudium wäre bei ihnen die Wahrscheinlichkeit eines Statusverlusts höher. Das Investitionsrisiko sollte hingegen bei statusniedrigeren Personen höher sein, da die subjektive Erfolgswahrscheinlichkeit niedriger ist.

Ajzen (1991) hat mit seiner Theorie des geplanten Verhaltens ebenfalls eine Werterwartungstheorie entwickelt, die für die Erklärung sekundärer Herkunftseffekte am Hochschulzugang herangezogen wurde (Ingram et al. 2000). Die Theorie geht davon aus, dass ein spezifisches Verhalten – vermittelt über eine Verhaltensintention – durch drei Einflussfaktoren bestimmt wird: der Einstellung, der subjektiv empfundenen Norm und der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle gegenüber dem Verhalten. Die drei Faktoren werden jeweils als Produkte aus einer Erwartungs- und einer Wertkomponente gebildet (beliefs und evaluations). Die Einstellung gegenüber einem Verhalten wird determiniert durch die Erwartungen für Konsequenzen und deren Bewertungen. Die subjektive Norm wird determiniert durch die Erwartung, dass Mitglieder der Bezugsgruppe das Verhalten billigen, und dem Grad der Motivation, den Erwartungen zu entsprechen. Die wahrgenommene Verhaltenskontrolle wird determiniert durch die Erwartung für eventuelle Faktoren (z. B. personale, soziale oder materielle Ressourcen), die für die Ausführung eines Verhaltens gegeben sein müssen (control belief power), und die Bewertung, dass man selbst über die Faktoren verfügt bzw. diese in hinreichendem Maß vorhanden sind (control belief strength). Unter die wahrgenommene Verhaltenskontrolle fasst Ajzen (1991) auch die für die Ausführung eines Verhaltens erleichternden Bedingungen (Triandis 1977), Opportunitäten (Sarver 1983) und Ressourcen (Liska 1984). Schließlich postuliert die Theorie auch einen direkten Effekt der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle auf das tatsächliche Verhalten. Schüler sollten eine umso höhere Studienintention aufweisen, je positiver ihre Einstellung bezüglich der Aufnahme eines Studiums, je stärker die subjektive Normerwartung des sozialen Umfelds in Bezug auf ein Studium und je höher die wahrgenommene Kontrolle, ein Studium aufnehmen und erfolgreich bewältigen zu können, ausgeprägt sind. Die Studienintention wiederum gilt als zentrale Determinante der Studienaufnahme. In Bezug auf die Vermittlung sekundärer Herkunftseffekte wird davon ausgegangen, dass statushöhere Personen in allen drei Faktoren die höheren Werte aufweisen.

3 Datengrundlagen

Verschiedene Studien haben die Relevanz primärer und sekundärer Herkunftseffekte am Übergang in postsekundäre Bildungsgänge sowie den Erklärungsbeitrag handlungstheoretischer Modelle untersucht. Dabei kann zwischen verschiedenen Forschungsfeldern unterschieden werden, die im Schnittbereich der Disziplinen Erziehungswissenschaft, Soziologie und Psychologie angesiedelt und durch einen entsprechenden fachsystematischen und methodischen Zugang gekennzeichnet sind.

So lassen sich zum einen auf Grundlage von Lebensverlaufsdaten (z. B. German Life History Study [GLHS; Hillmert und Mayer 2004]) Bildungsentscheidungen von der Schulzeit bis in das Erwerbsleben untersuchen und Effekte der Veränderung von primären und sekundären Herkunftseffekten auf die schichtspezifischen Übergangsquoten simulieren (vgl. Neugebauer und Schindler 2012). Ergänzt um die Daten aus repräsentativen Bevölkerungsumfragen (Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften [ALLBUS], Sozioökonomisches Panel [SOEP] sowie ZUMA-Standarddemografie), wird mit dem Mannheimer Mobilitätsdatensatz zudem eine umfassende Datenbasis zur Untersuchung institutioneller Übergänge im Zeit- und Bildungsverlauf bereitgestellt (vgl. Müller und Pollak 2007; Müller et al. 2009). Das Analysepotenzial der retrospektiv erfassten Daten beschränkt sich im Wesentlichen jedoch auf einen Kohortenvergleich der in Abhängigkeit der sozialen Herkunft getroffenen Bildungsentscheidungen, da die für die Identifikation von Herkunftseffekten notwendigen Leistungsmaße sowie Motive der Ausbildungswahl nicht erfasst werden.

Zum anderen lassen sich auf Basis der Untersuchungen aus dem Bereich der Hochschulforschung und der schulbezogenen Bildungsforschung handlungstheoretische Modelle zur Analyse von Bildungsentscheidungen überprüfen. Aufgrund ihrer zentralen Bedeutung für die Erklärung sozialer Ungleichheitsmechanismen werden diese Studien im Folgenden eingehender betrachtet und spezifische Stärken, aber auch Limitationen in Bezug auf das Studiendesign, die Repräsentativität der Stichproben sowie die Operationalisierung der Konstrukte aufgezeigt.

Einen zentralen Stellenwert im Bereich der Hochschulforschung nehmen die seit den 1970er-Jahren in regelmäßigen Abständen stattfindenden Studienberechtigtenbefragungen des HIS-Instituts für Hochschulforschung ein (Heine et al. 2010). Über einen Erhebungszeitraum von insgesamt dreieinhalb Jahren werden die Studienberechtigten eines Jahrgangs in unterschiedlichen Zeitintervallen mehrfach schriftlich zu ihren Plänen, Motiven sowie zu ihren bisherigen und zukünftigen Werdegängen befragt. Bis zum Jahr 2005 fanden die ersten Befragungen ein halbes Jahr nach dem Schulabgang der Studienberechtigten statt. In aktuelleren Untersuchungen nach 2005 werden die Schüler bereits ein halbes Jahr vor dem Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung befragt, um Bildungsabsichten und deren Realisierung im Längsschnitt untersuchen zu können (Heine et al. 2010). Da zentrale Erhebungsinstrumente über verschiedene Befragungswellen hinweg immer wieder eingesetzt werden, liegt ein Vorteil der HIS-Untersuchungsreihe vor allem in der hohen Vergleichbarkeit über die Zeit und der Möglichkeit zur Analyse von Kohortenunterschieden (Weiss und Steininger 2013). Darüber hinaus handelt es sich bei den Studienberechtigtendaten um eine auf Bundes- und Landesebene repräsentative Stichprobe.

Um primäre Herkunftseffekte abbilden und die relative Bedeutsamkeit beider Effekte analysieren zu können, kann auf die Gesamtnote des Abiturs zurückgegriffen werden. Ihre Sichtbarkeit sowie die praktische Relevanz für den Vergleich mit Mitschülern und im Wettbewerb um Studien-, Ausbildungs- bzw. Arbeitsplätze sprechen für die Verwendung dieses Indikators. Im Vergleich zu Ergebnissen aus standardisierten Schulleistungstests sind Schulnoten jedoch nicht um den Einfluss sekundärer Effekte korrigiert. So kann ein frühzeitig beschlossener Studienverzicht von Schülern aus statusniedrigeren Familien eine Reduktion der Lernanstrengungen und schließlich eine schlechtere Abschlussnote zur Folge haben, da ein überdurchschnittliches Abitur als Zugangsvoraussetzung für tertiäre Bildungsgänge nicht mehr notwendig erscheint. In diesem Fall würde der sekundäre Effekt in den Analysen unterschätzt und der über Schulnoten gemessene Anteil primärer Effekte überschätzt (Schindler und Reimer 2010).

Da die HIS-Erhebungsinstrumente nicht eigens für eine empirische Prüfung bestimmter handlungstheoretischer Erklärungsansätze entwickelt wurden, verwenden Schindler und Reimer (2010) zur Modellierung sekundärer Effekte verschiedene Korrelate handlungstheoretischer Konzepte. Der Wunsch, durch die gewählte Ausbildung in eine leitende Position zu gelangen oder einen hohen Status zu erreichen sowie das Interesse an wissenschaftlicher Arbeit und an praktischer Tätigkeit werden in Anlehnung an das Modell von Erikson und Jonsson (1996) der Ertragsseite zugeschrieben. Die subjektiven Kosten messen die Autoren über die in HIS erfassten Wünsche nach einer baldigen finanziellen Unabhängigkeit sowie nach einer kurzen Ausbildungsdauer. Die Bewertung der akademischen Arbeitsmarktaussichten sowie die Wichtigkeit einer gesicherten beruflichen Zukunft werden dem theoretischen Konstrukt der subjektiven Erfolgswahrscheinlichkeit zugeordnet, da es den Untersuchungen bis 2005 an einer adäquaten Operationalisierung mangelt. Die Verwendung dieser Items begründen die Autoren mit der Annahme, dass Studienberechtigte aus statusniedrigeren Familien, im Vergleich zu Studienberechtigten aus statushöheren Familien, akademische Berufsaussichten pessimistischer einschätzen sollten und eine gesicherte berufliche Zukunft aufgrund der höheren Erfolgsaussichten eher bei der Wahl eines nichttertiären Ausbildungsganges erwarten würden. Während Schindler und Reimer (2010) die Wichtigkeit einer gesicherten beruflichen Zukunft als Motiv der Risikoaversion zur Messung der subjektiven Erfolgswahrscheinlichkeit heranziehen, ordnen Reimer und Schindler (2010) dieses Item als Motiv der Sicherheit der Ertragsdimension zu. Jüngere Untersuchungsreihen begegnen diesem Problem, indem sie die subjektive Erfolgswahrscheinlichkeit über die Einschätzung, ein Hochschulstudium erfolgreich bewältigen zu können, erfassen (Heine et al. 2005). Im Unterschied zu den Arbeiten von Schindler und Reimer, die primär auf die Daten der Studienberechtigtenjahrgänge der 1990er-Jahre zurückgreifen, liegt den Analysen von Lörz (2012) mit der Studienberechtigtenbefragung von 2008 eine neuere Datenbasis zugrunde, die eine entsprechende Operationalisierung der subjektiven Erfolgswahrscheinlichkeit erlaubt. Die Veränderungen im Erhebungsdesign finden darüber hinaus ihre Berücksichtigung bei den Indikatoren der Ertragskomponente. Diese wird zum einen über die Differenz in der Einschätzung der Berufsaussichten von Hochschulabsolventen und Absolventen einer Berufsausbildung gemessen, wobei positive Werte für bessere Chancen von Hochschulabsolventen stehen, und zum anderen über die Ziele, später ein hohes Einkommen zu erwerben sowie eine prestigeträchtige Position einzunehmen. Die subjektiven Kosten operationalisiert Lörz (2012) unverändert über den Wunsch der schnellen finanziellen Unabhängigkeit sowie über die Frage, welchen Einfluss finanzielle Überlegungen auf die Entscheidung hatten.

Die soziale Herkunft als zentrale unabhängige Variable wird in den HIS-Befragungen als ein mehrdimensionales Konstrukt erfasst. Die Datengrundlage enthält sowohl Angaben zum höchsten Bildungsabschluss als auch zur Berufsgruppe der Eltern, die eine Definition von Herkunftskategorien nach dem EGP-Klassenschema (Erikson et al. 1979) ermöglichen. Schindler und Reimer (2010) unterscheiden auf Basis der beruflichen Stellung des Vaters drei zusammengefasste Klassenkategorien: Dienstklassen, mittlere Klassen und Arbeiterklassen. Die Darstellung der Befunde bei Reimer und Schindler (2010) beschränkt sich dagegen auf einen Extremgruppenvergleich von Dienst- und Arbeiterklasse. Die Befragungen der Studienberechtigtenjahrgänge ab 2005 erfassen zusätzlich die Berufstätigkeit der Eltern, die Lörz (2012) in seiner Studie zur Bestimmung des beruflichen Prestiges mithilfe der Magnitude Prestige Scale nach Wegener (1985) verwendet.

Als abhängige Variable wird in den Untersuchungen von Reimer und Schindler (2010) und Schindler und Reimer (2010) die realisierte Bildungsentscheidung nach Erlangen der Hochschulzugangsberechtigung betrachtet. Die Analysen von Lörz (2012) beziehen sich sowohl auf die Studienentscheidung als auch auf die ein halbes Jahr nach Erwerb der Hochschulreife noch nicht umgesetzten Studienabsichten, gleichwohl für den von ihm untersuchten Jahrgang bereits Informationen über die Studienintention vor dem Erwerb der Hochschulreife zur Verfügung standen. Trotz der Veränderungen im Datendesign werden die jeweiligen Motive für die postsekundäre Ausbildungswahl jedoch weiterhin ausschließlich retrospektiv erfasst, das heißt erst nachdem eine konkrete Entscheidung getroffen wurde. Dies kann zu einer Überschätzung sekundärer Herkunftseffekte führen, da Schüler bei der Angabe von Beweggründen die eigene Wahlentscheidung im Nachhinein rationalisieren könnten und nur Motive auswählen, die den gewählten Werdegang als begründet und richtig erscheinen lassen (Festinger 1957; Warwas et al. 2011).

Während die HIS-Studienberechtigtenbefragungen vornehmlich zur Überprüfung der Modellannahmen von Erikson und Jonsson (1996) herangezogen wurden, erlauben die Daten zur Studien- und Berufswahl von Studienberechtigten der Abschlussjahrgänge in Sachsen darüber hinaus eine Modellierung sekundärer Effekte mithilfe der Werterwartungstheorie von Esser (1999). Bei der seit 1996 im Auftrag des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus durchgeführten Untersuchungsreihe werden alle zwei Jahre sächsische Abiturienten zu ihren nachschulischen Ausbildungs- und Berufswegen befragt (Lenz et al. 2010). Neben der Möglichkeit eines Kohortenvergleichs bietet diese regionale Studie den Vorteil, Auswirkungen länderspezifischer Reformen (z. B. zur Struktur der gymnasialen Oberstufe) untersuchen zu können. Eine Einschränkung der Datengrundlage ist darin zu sehen, dass sich die für die Analyse von Ungleichheitsmechanismen relevanten Konstrukte nicht in der gewünschten Weise operationalisieren lassen. So stehen im Unterschied zu den HIS-Befragungswellen keine Leistungsmaße zur Verfügung, die Auskunft über das Ausmaß primärer Herkunftseffekte geben können. In ihrer Studie zur Erklärung von Ungleichheitsmechanismen im Entscheidungsprozess greifen Becker und Hecken (2007, 2008) daher auf ein Korrelat der Schulleistung zurück, indem sie die Selbsteinschätzungen über den schulischen Leistungsstand als erklärende Variable heranziehen. Auch die Modellierung der sekundären Herkunftseffekte erfolgt, wie in Sekundäranalysen üblich, über Proxy-Variablen. Den Bildungsnutzen bemessen Becker und Hecken daran, wie günstig allgemein die Berufsaussichten für Akademiker durch die Abiturienten eingeschätzt werden. Die Bewertung der Berufsaussichten für Absolventen beruflicher Ausbildungsgänge ohne ein Studium nutzen die Autoren als Indikator für das Motiv des Statusverlusts infolge einer suboptimalen Bildungsentscheidung. Die bei einem Studienverzicht erwartete Wahrscheinlichkeit eines Statusverlusts ergibt sich aus der Einschätzung, ob die Abiturienten bei einer Berufsausbildung in Verbindung mit beruflicher Weiterbildung die gleichen beruflichen Chancen sehen wie mit einem Hochschulabschluss. Anhand der Frage, ob sich die Abiturienten gut vorbereitet fühlen, um ein Studium durchführen zu können, sowie über die Einschätzung, ob die Kosten eines Studiums einen Einfluss auf die Bildungsentscheidung haben, operationalisieren die Autoren schließlich die subjektive Erfolgswahrscheinlichkeit sowie die Kostenkomponente. Da Becker und Hecken (2007, 2008) für die Analysen nur Befragte berücksichtigen, die bereits eine eindeutige Entscheidung über ihren weiteren Bildungsverlauf getroffen haben, würde die retrospektive Messung der Auswirkungen von Kosten auf die Entscheidung dem werterwartungstheoretischen Ansatz streng genommen widersprechen. Zudem kann nicht eindeutig bestimmt werden, in welcher Richtung die Kosten die Studienentscheidung beeinflussen. Die Autoren kontrollieren daher zusätzlich für die soziale Distanz, die gemessen am Bildungsniveau der Eltern für den Hochschulzugang zurückgelegt werden muss. Wie der HIS-Untersuchungsreihe liegt auch der sächsischen Abiturientenstudie ein mehrdimensionales Verständnis von sozialer Herkunft zugrunde. Erfasst werden der Schul- und Berufsabschluss sowie der Berufsstatus beider Elternteile. Becker und Hecken (2007, 2008) unterscheiden anhand der beruflichen Stellung des Haushaltsvorstands in Anlehnung an Erikson und Goldthorpe (1992) sowie Esser (1999) zwischen drei sozialen Kassen: der Arbeiterklasse, der Mittelschicht und der oberen Dienstklasse. Die abhängige Variable des Entscheidungsmodells ist die Studienabsicht der Abiturienten, nicht zuletzt da aufgrund des querschnittlichen Erhebungsdesigns und des gewählten Befragungszeitpunktes vor dem Erwerb der Hochschulreife keine Daten über eine realisierte Entscheidung zur Verfügung stehen.

Auch in der schulbezogenen Bildungsforschung wurde der Übergang in das Studium untersucht. Im Zentrum des Interesses standen vor allem der Zusammenhang zwischen den in objektiven Leistungstests gemessenen Schulleistungen und dem Übergang in postsekundäre Bildungsgänge, wobei Fragen der Studierfähigkeit, der Fachwahlen sowie der Leistungsgerechtigkeit von besonderer Relevanz waren. In diesem Zusammenhang spielten auch Fragen der sozialen Ungleichheit beim Hochschulzugang eine Rolle.

Den Aufschlag machte hier die für die Bundesrepublik Deutschland repräsentative TIMSS/III-Untersuchung (Third International Mathematics and Science Study; vgl. Baumert et al. 2000), die 1996 erstmals die Schulleistungen von angehenden Abiturienten in Mathematik, Physik und mathematisch-naturwissenschaftlicher Grundbildung gemessen hat. In der nationalen Erweiterung zu TIMSS/III wurden auch Fragen zur Studienintention und zu Studienwahlmotiven gestellt. Somit war es möglich, im Querschnitt die primären und sekundären Effekte auf die Studienabsicht zu testen, wobei die soziale Herkunft über das kulturelle Kapital in der Familie (beruflicher Bildungsabschluss und Schulabschluss von Vater und Mutter, Bücher im Haushalt, klassische Musik) und ansatzweise auch über das konsumtive Verhalten (Konsumgüter im Haushalt) gemessen wurde. Eine Erfassung der sozialen Herkunft, wie sie heutzutage üblicherweise in international vergleichenden Schulleistungsuntersuchungen realisiert wird, gehörte zur damaligen Zeit noch nicht zum Standard. So fehlen insbesondere Angaben zur beruflichen Stellung, mit der die sozioökonomische Stellung abgebildet werden kann (z. B. ISEI). Die sekundären Effekte konnten weiterhin über verschiedene Studienwahlmotive erklärt werden. Die Studienwahlmotive folgten allerdings nicht explizit einem Handlungs- bzw. Entscheidungsmodell. In der maßgeblichen Publikation zu TIMSS/III (Schnabel und Gruehn 2000) wurde auf Aspekte, die auf eine materielle Orientierung schließen lassen („gut verdienen“, „angenehme Arbeit [keine Nacht- und Schichtarbeit]“ und „nicht so leicht arbeitslos werden“) zurückgegriffen. Schließlich wurden subjektive Normerwartungen von Vater und Mutter erhoben. Die Motive wurden mit den Modellen von Erikson und Jonsson (1996) und Ajzen (1991) in Verbindung gebracht.

In etwa zeitgleich zur TIMSS/III-Studie hat die Längsschnittstudie BIJU (Bildungsverläufe und psychosoziale Entwicklung im Jugend- und frühen Erwachsenenalter; vgl. Baumert et al. 1996) in ihrer 5. Welle die Schulleistungen von angehenden Abiturienten untersucht. BIJU ist repräsentativ für Berlin (ehemals West), Berlin (ehemals Ost), Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen. In BIJU wurde ein breiter Kranz von verschiedenen Studienwahlmotiven erfasst (z. B. extrinsische, intrinsische), die am umfassendsten in der Arbeit von Knigge (2001) analysiert wurden. Die Auswahl der Studienwahlmotive orientierte sich nicht explizit an einer Handlungstheorie, sie wurden in der Arbeit von Knigge jedoch zur Operationalisierung des auf Eccles (1983) zurückgehenden Erwartungs-Wert-Modells verwendet. Obwohl BIJU eine Längsschnittstudie ist, liegen bislang keine Publikationen zum realisierten Übergang vor. Die Erfassung der sozialen Herkunft wurde ab Welle 6 an den Standard der zeitgenössischen empirischen Bildungsforschung angepasst. Primäre Herkunftseffekte lassen sich über die Abiturnote und Schulleistungen in objektiven Leistungstests analysieren.

Die vermutlich fortgeschrittenste Datengrundlage zur Analyse primärer und sekundärer Herkunftseffekte dürfte die TOSCA-Studie (Transformation des Sekundarschulsystems und akademische Karrieren; Köller et al. 2004) vorweisen. Einzig die Begrenzung auf Abiturienten in Baden-Württemberg schränkt die Aussagekraft der Untersuchung ein. In TOSCA wurde eine repräsentative Stichprobe von angehenden Abiturienten am Ende der gymnasialen Oberstufe mit Schulleistungstests in Mathematik und Englisch untersucht. Darüber hinaus liegen Abiturnoten vor, die bei den Schulen nach erfolgter Abiturprüfung erfasst wurden. Eine Besonderheit dieser Studie besteht darin, dass ca. vier Fünftel der Schüler an beruflichen Gymnasien über nichtgymnasiale Bildungsgänge in diese Schulform gelangten und dass besonders Schüler mit einer im Vergleich zur traditionellen Gymnasialklientel geringeren sozioökonomischen Herkunft diese Schulform besuchten (vgl. Maaz et al. 2004a). Unterschiede in Kompetenzen und Zertifikaten zwischen sozialen Gruppen sollten deshalb auch mit den nach Sozialschicht variierenden Schullaufbahnen in der Sekundarstufe I und den Eingangsvoraussetzungen einhergehen. Merkmale sozialer Herkunft wurden analog zum Vorgehen in PISA 2000 mehrdimensional erfasst. In der TOSCA-Studie wurden mit der Werterwartungstheorie nach Esser (1999) und der Theorie des geplanten Verhaltens von Ajzen (1991) zwei handlungstheoretische Modelle operationalisiert. Die Werterwartungstheorie wurde analog zu den Arbeiten Beckers operationalisiert. Für die Operationalisierung der Theorie des geplanten Verhaltens wurde ein neuer Fragebogen entwickelt und validiert. Die Einstellung wurde über 20 mögliche Konsequenzen eines Studiums gemessen, die folgende Motivklassen umfassten: intrinsisches Motiv (z. B. „durch ein Studium meine Interessen verwirklichen zu können“), extrinsisches Motiv (z. B. „durch ein Studium günstige Beschäftigungsaussichten zu haben“), Moratoriumsmotiv (z. B. „durch ein Studium Zeit zu gewinnen, um mir über meine Zukunftsplanung klar zu werden“), Transitionsmotiv (z. B. „durch ein Studium mich direkt für meinen Beruf zu qualifizieren“, „durch ein Studium möglichst früh finanziell unabhängig zu sein“) und Wissenschaftsmotiv (z. B. „durch ein Studium mich mit der Lösung theoretischer Probleme auseinandersetzen zu können“). Die subjektive Norm wurde über die subjektiven Erwartungen der Eltern, des besten Freundes bzw. der besten Freundin, der Lehrer und sonstiger wichtiger Bezugspersonen gemessen, die sehr hoch miteinander korrelierten und einen gemeinsamen Faktor bildeten. Die wahrgenommene Verhaltenskontrolle wurde über die subjektive Erfolgswahrscheinlichkeit, ein Studium meistern zu können (z. B. „ein Studium ist eine Aufgabe, bei der ich mich bewähren kann“), bzw. über eine Reihe von Einzelindikatoren gemessen, die auf erschwerende Bedingungen hinweisen (z. B. „ein Studium ist für mich nicht finanzierbar“; „ich besitze zu wenig Informationen über ein Studium“, „ich möchte mein gewohntes Umfeld dafür nicht verlassen“). Während die Einstellung und die subjektive Norm über Wert- und Erwartungsvariablen erfasst wurden, erfolgte die Messung der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle direkt über die Bewertungsvariablen (control belief strength).

Die Vorzüge der Untersuchungen aus dem Bereich der Hochschulforschung sowie der schulbezogenen Bildungsforschung liegen vor allem in der Indikatorisierung handlungstheoretischer Modelle und der stetigen Optimierung entsprechender Befragungsinstrumente zur Bestimmung des Erklärungsbeitrags. Zukünftig wird mit dem Nationalen Bildungspanel (NEPS; Blossfeld et al. 2011) eine Datenbasis vorliegen, die nicht nur die Analyse des Übergangs von der gymnasialen Oberstufe in postsekundäre Ausbildungswege, sondern auch eine langfristige Betrachtung von Bildungsentscheidungen über den gesamten Lebenslauf erlaubt. Diese Daten wären somit in der Lage, die auf die Instrumentierung, die Repräsentativität der Stichprobe sowie auf das längsschnittliche Forschungsdesign bezogenen Limitationen der einzelnen Forschungsfelder zu kompensieren.

4 Zur Relevanz primärer und sekundärer Herkunftseffekte am Übergang in die Hochschule

Kompetenzen und Zertifikate sind zentrale Ressourcen und Voraussetzungen für den Übergang in die Hochschule. Bei der Analyse primärer Herkunftseffekte ist zu fragen, ob es bedeutsame Unterschiede zwischen den sozialen Gruppen hinsichtlich dieser Merkmale gibt und wie stark diese ausgeprägt sind. Unter Rückgriff auf die eingangs diskutierte Situation am Hochschulzugang, dass Studienberechtigte eine bereits hoch selektierte Gruppe darstellen (Mare 1980), kann erwartet werden, dass primäre Herkunftseffekte von einer eher geringen Bedeutung sind. Erstaunlicherweise existieren sehr wenige Untersuchungen, die sowohl Zertifikate als auch Kompetenzen erfassen und somit verlässlich Aufschluss über das Ausmaß primärer Herkunftseffekte geben (zur Bedeutung unterschiedlicher Kompetenzindikatoren für die valide Schätzung primärer Herkunftseffekte vgl. Stocké 2007). Am belastbarsten dürften noch immer die Ergebnisse der TOSCA-Studie sein. Maaz et al. (2004b) analysierten die Fachleistungen in Mathematik und Englisch. Ungeachtet dessen, ob Schüler ein allgemeinbildendes oder ein berufliches Gymnasium besuchten, ermittelten sie in der Gesamtstichprobe Korrelationen zwischen dem höchsten Berufsprestige (SIOPS) und der Mathematikleistung von r = 0,12 und der Englischleistung von r = 0,16. Unter Kontrolle der Schulform ergaben sich standardisierte Regressionskoeffizienten in einer praktisch wenig relevanten Größenordnung von b = 0,03 für Mathematik und b = 0,07 für Englisch. In dem Vergleich zwischen dem unkonditionalen (ohne Kontrolle der Schulform) und dem konditionalen Modell (unter Kontrolle der Schulform) deutet sich jedoch an, dass mit einer Expansion der gymnasialen Oberstufe, die auf eine Öffnung von Wegen zur Hochschulreife zurückgeht, eine höhere Koppelung von Sozialschicht und Schulleistung zu verzeichnen ist.

In einer Reanalyse der TOSCA-Daten gingen Maaz et al. (2011) der Frage nach, ob es am Ende der Oberstufe an allgemeinbildenden Gymnasien herkunftsbedingte Ungleichheiten bei der Leistungsbewertung (Noten) gibt. Ihre Befunde lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass in Mathematik und Englisch nach Berücksichtigung des Leistungsniveaus zwar statistisch signifikante, vom Ausmaß her betrachtet jedoch vergleichsweise geringe Effekte der familiären Herkunft beobachtet werden konnten. Mit Ausnahme der Fachnoten im Grundkurs Englisch ermittelten sie durchgängig einen Effekt des sozioökonomischen Status, der jedoch nach zusätzlicher Kontrolle der Indikatoren des kulturellen Kapitals nicht mehr statistisch signifikant wurde. Weiterhin ist in Rechnung zu stellen, dass die Effekte bei der Leistungsbewertung auch eine Folge der Unterspezifikation des Erklärungsmodells sein können, da weitere Variablen, die jenseits objektiver Kompetenzen in die Notengebung einfließen können (wie z. B. Merkmale des Arbeitsverhaltens), nicht in den Modellen berücksichtigt wurden. Es kann zusammenfassend festgestellt werden, dass am Ende der gymnasialen Oberstufe primäre soziale Herkunftseffekte bei Kompetenzen und Leistungsbewertungen bestehen, deren praktische Bedeutung jedoch auch bei einer Öffnung von Wegen zur Hochschulreife eher gering zu sein scheint (zur Entwicklung primärer Herkunftseffekte im Kohortenvergleich siehe Abschn. 6).

Ausgehend von diesen Befunden stellt sich die Frage, von welcher Größenordnung sekundäre Herkunftseffekte am Hochschulzugang sind bzw. welche relative Bedeutung primäre und sekundäre Effekte besitzen. Eine Reihe von Studien hat sekundäre Herkunftseffekte bei der Entscheidung für postsekundäre Bildungsgänge nachweisen können (Becker 2000; Schnabel und Gruehn 2000; Watermann und Maaz 2004; Maaz 2006; Becker und Hecken 2007, 2008, 2009a, b; Mayer et al. 2007; Lörz und Schindler 2009; Reimer und Pollak 2010). Nur wenige Untersuchungen haben allerdings die relative Stärke beider Effekte quantifiziert. Becker (2009) hat die relative Bedeutung beider Effekte für die Studienintention sächsischer Abiturienten untersucht. Nach seinen Schätzungen gehen 63 Prozent der sozialschichtspezifischen Unterschiede in der Studienintention auf den sekundären Effekt zurück. Schindler und Reimer (2010) untersuchten auf der Grundlage der HIS-Studienberechtigtenbefragung von 1999 und unter Anwendung einer von Erikson et al. (2005) vorgeschlagenen Effektdekompositionsmethode (vgl. auch Kartsonaki et al. 2013) den Anteil des sekundären Herkunftseffekts am Gesamteffekt. Der Unterschied in der Übergangsrate zwischen Studienberechtigten aus Dienst- und Arbeiterklassen ging zu 86 % auf den sekundären Herkunftseffekt zurück. Erikson (2007) hat für Schweden eine entsprechende Schätzung vorgenommen. Danach wurden 67 bis 73 % der Unterschiede zwischen Schülern aus Arbeiter- und Dienstklassen durch den sekundären Herkunftseffekt erklärt (zit. nach Schindler und Reimer 2010). Ein Vergleich dieser Schätzungen mit Befunden am Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe I (Müller-Benedict 2007; Stocké 2007; Maaz und Nagy 2009; Neugebauer 2010; Relikowski 2012) sowie am Übergang in die Sekundarstufe II (Erikson 2007) legt die Schlussfolgerung nahe, dass im individuellen Bildungsverlauf sekundäre Effekte anteilsmäßig eher an Bedeutung gewinnen. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die Untersuchungen zum Teil auf unterschiedlichen Untersuchungsdesigns, Operationalisierungen, Datengrundlagen und Effektdekompositionsmethoden beruhen. Die kumulative Wirkung sekundärer Effekte dürfte insgesamt noch größer sein, wenn man die soziale Selektivität an früheren Übergängen mit berücksichtigt. Becker (2009) und Neugebauer und Schindler (2012) haben mithilfe von Simulationen die relative Bedeutung primärer und sekundärer Effekte an den drei Gelenkstellen Grundschulübergang, Übergang in die Sekundarstufe II und Hochschulzugang geschätzt. Ihre Ergebnisse deuten auf die hohe Bedeutung insbesondere des Grundschulübergangs für die soziale Selektivität des Hochschulzugangs hin. Beide Studien zeigen, dass die Berücksichtigung der sozialen Selektivität an früheren Übergängen kumulativ betrachtet zu einem anteilsmäßig noch stärkeren Einfluss sekundärer Herkunftseffekte am Hochschulzugang führt.

Im Folgenden gehen wir der Frage nach, wie sekundäre Herkunftseffekte bei der Entscheidung für oder gegen ein Hochschulstudium erklärt werden können. Hierzu greifen wir auf Arbeiten zurück, in denen die Modelle von Erikson und Jonsson (1996), Esser (1999) und Ajzen (1991) zur Analyse von Bildungsentscheidungen angewandt wurden.

5 Analyse sekundärer Herkunftseffekte und ihrer Einflussfaktoren

Schindler und Reimer (2010) untersuchten sekundäre Herkunftseffekte auf der Grundlage der Daten der HIS-Studienberechtigtenkohorten der Jahre 1983, 1990, 1994 und 1999. Um eine über den Untersuchungszeitraum hinweg konsistente Operationalisierung des sozialen Hintergrunds zu gewährleisten, griffen die Autoren auf zusammengefasste Kategorien der EGP-Klassen zurück, indem sie zwischen Dienstklassen, mittleren Klassen und Arbeiterklassen unterschieden. Um die Einflussfaktoren der sekundären Herkunftseffekte in den einzelnen Studienberechtigtenkohorten bestimmen zu können, nutzten sie die Methode der nichtlinearen Dekomposition nach Fairlie (2005). Mit diesem Verfahren lässt sich der Erklärungsbeitrag einzelner Variablen für die Differenz zwischen den Übergangsraten verschiedener Herkunftsgruppen bestimmen. Kontrastierend stellten sie die Arbeiterklasse der Dienstklasse gegenüber und ermittelten, welcher Anteil des Unterschieds in der Wahrscheinlichkeit des Hochschulzugangs durch die Abiturnote (primärer Effekt) und die Motive der Ausbildungswahl (sekundärer Effekt) erklärt werden kann. Letztere können, wenn auch nur bedingt, als Indikatoren für die Einschätzung von Erträgen, Kosten und Erfolgsaussichten (Erikson und Jonsson 1996) verstanden werden. Die Analysen ergaben, dass es vorrangig die wahrgenommenen Kosten waren, die Studienberechtigte von einem Hochschulstudium abhielten: Das Motiv der finanziellen Unabhängigkeit erwies sich über alle vier Jahrgänge hinweg als das Item mit der größten Erklärungskraft (ca. 15–24 %). Auf der Seite der wahrgenommenen Erfolgsaussichten lieferte das Motiv der sicheren beruflichen Zukunft einen signifikanten Erklärungsbeitrag von ca. 4–7 Prozent, demgegenüber herkunftsspezifische Unterschiede bei der Einschätzung des Ertrags, gemessen über den Grad des akademischen Interesses, für ca. 7–14 % der Differenz in den Übergangsraten verantwortlich waren. Für den untersuchten Zeitraum von 1983 bis 1999 konnten insgesamt ca. 45–61 % des Unterschieds zwischen Arbeiterklassen und Dienstklassen durch die verschiedenen Variablen erklärt werden. Auch in der Arbeit von Schindler und Lörz (2011), in der zusätzlich die Studienberechtigtenkohorte des Jahres 2002 einbezogen werden konnte, bestätigten sich die Annahmen des Modells von Erikson und Jonsson (1996).

Bei der Analyse der Daten des Studienberechtigtenpanels von 2008 griff Lörz (2012) auf optimierte Befragungsinstrumente zurück, um die Mechanismen sozialer Ungleichheit zu erklären. Dazu untersuchte er zum einen auf Basis logistischer Regressionsmodelle, welche Prozesse den herkunftsspezifischen Unterschieden am Übergang zur Hochschule zugrunde liegen. Zum anderen ermittelte er über die nichtlineare Dekomposition den erklärten Anteil der Herkunftsdifferenz durch die einbezogenen Variablen. Wie Schindler und Reimer (2010) kommt auch Lörz (2012) zu dem Ergebnis, dass der Übergang in ein Studium am stärksten durch die Kostenüberlegungen bestimmt wird. Demnach lassen sich 36 % der Herkunftsdifferenz auf die höhere Kostensensibilität finanziell schwächerer Gruppen zurückführen. Die unterschiedlichen Erfolgsaussichten erklären 15 % der Herkunftsunterschiede. Weitere 12 % der sozialen Unterschiede werden durch die unterschiedliche Einschätzung der erwarteten Erträge verursacht. Demzufolge liegt die Erklärung dafür, dass Studienberechtigte aus Familien mit niedrigerem Berufsprestige deutlich seltener ein Studium aufnehmen, vor allem in den wahrgenommenen Kosten, Erträgen und Erfolgsaussichten, die gemeinsam mehr als die Hälfte der Herkunftsdifferenz ausmachen (63 %). Weitere im Modell berücksichtigte Aspekte wie kulturelle und schulische Rahmenbedingungen erklären dagegen nur einen Anteil von 21 Prozent.

Becker (2000) und Becker und Hecken (2007, 2008) haben die Grundannahmen der Werterwartungstheorie im Hinblick auf die Studienentscheidung von sächsischen Schülern am Ende der gymnasialen Oberstufe empirisch getestet. Sie zeigen regressionsanalytisch, dass bei Kontrolle der Schulleistungen (primärer Effekt gemessen über die Selbsteinschätzung des schulischen Leistungsstands) und der Sozialschicht alle fünf Variablen des Entscheidungsmodells einen Einfluss auf die Studienentscheidung besitzen. Der wahrgenommene Ertrag U, die Wahrscheinlichkeit für einen Statusverlust c, der Betrag des Statusverlusts –SV sowie die Wahrscheinlichkeit für den Studienerfolg p wiesen positive Effekte auf die Studienentscheidung auf, während die wahrgenommenen Kosten für das Studium einen negativen Effekt hatten. Mit Ausnahme eines Kontrasts (un- und angelernte Arbeiter vs. Angestellte mit einfacher Tätigkeit) wurden sämtliche sekundären Herkunftseffekte über die Variablen der Werterwartungstheorie vermittelt. In einer zweiten Modellsequenz gingen anstelle der fünf Variablen die neu gebildeten Terme Bildungsmotivation und das Investitionsrisiko in die logistische Regression ein. Mit diesen beiden Vermittlern verschwanden die Effekte der Klassenlage vollständig, das heißt, es gelang eine vollständige Vermittlung. Wie erwartet erhöhte die Bildungsmotivation die Studierneigung (um den Faktor 3,16) und reduzierte das Investitionsrisiko die Studierneigung (um 61 %). Ein weiterer Befund bezieht sich auf die relative Bedeutung der Bildungsmotivation und des Investitionsrisikos für die Vermittlung des sekundären Effekts. So berichten Becker und Hecken (2007), dass die Unterschiede zwischen den Herkunftsgruppen bezüglich des Investitionsrisikos deutlich höher ausfielen als bei der Bildungsmotivation und dass das Investitionsrisiko für die sozialen Ungleichheiten der Studienentscheidung primär verantwortlich war. Die Autoren interpretieren dies in dem Sinne, dass es vor allem die mit dem Studium wahrgenommenen Kosten sind, die Personen unterer Sozialschichten von einem Studium ablenken.

Becker und Hecken (2008) wendeten die Werterwartungstheorie außerdem an, um zwei Hypothesen zu überprüfen. Zum einen die von Müller und Pollak (2007) vorgetragene These, dass Arbeiterkinder durch attraktive und kostengünstigere Angebote im nichtakademischen Bereich von einem Studium abgelenkt würden („Ablenkungshypothese“). Zum anderen eine Erweiterung der Ablenkungshypothese durch Hillmert und Jacob (2003), wonach leistungsstärkere Schüler aus Arbeiterfamilien aus Kostengründen zunächst auf ein Studium verzichten, aber nach einer Berufsausbildung ein Studium anstreben („Umlenkungshypothese“). Für beide Hypothesen ergaben sich empirische Evidenzen. Aus handlungstheoretischer Sicht trug das Investitionsrisiko – und hier insbesondere die Kosten eines Studiums – zur Ablenkung von Arbeiterkindern bei, was in Anbetracht der Ergebnisse bei Becker und Hecken (2007) nicht überrascht, weil die Datengrundlage identisch ist. Im Hinblick auf die Umlenkungshypothese konnte ebenfalls gezeigt werden, dass leistungsstärkere Schüler aus statusniedrigeren Familien mit einer höheren Wahrscheinlichkeit ein Hochschulstudium im Anschluss an eine Berufsausbildung ins Auge fassten.

Maaz (2006) überprüfte mit den Daten aus TOSCA ebenfalls die Annahmen der Werterwartungstheorie. Er verwendete eine zu den Arbeiten Beckers in Teilen vergleichbare Operationalisierung. Im Unterschied zu Becker konnte er aufgrund der mittels objektiver Leistungstests und der Abiturnote erfassten Schulleistungen sehr gut für die primären Herkunftseffekte kontrollieren. Auch in seinen Analysen war der sekundäre Herkunftseffekt vollständig über die Variablen der Werterwartungstheorie vermittelt. Wie bei Becker und Hecken (2007, 2008), leisteten die Variablen der Werterwartungstheorie einen substanziellen Erklärungsbeitrag zur Studienentscheidung über die Vermittlung hinaus. Da TOSCA eine Längsschnittstudie ist, untersuchte Maaz (2006) ebenfalls den Effekt auf die vollzogene Studienaufnahme. Auch diesbezüglich bestätigten sich die Modellannahmen der Werterwartungstheorie: Je höher die Bildungsmotivation der Schüler und je geringer das Investitionsrisiko, desto wahrscheinlicher war die Studienaufnahme. Bei Kontrolle der Studienintention ergab sich ein schwacher positiver Effekt der Erfolgswahrscheinlichkeit auf die Studienaufnahme. Veränderungen zwischen Studienintention und Studienaufnahme ließen sich demnach auf Unterschiede in den Erfolgserwartungen zurückführen. Merkmale der sozialen Herkunft hatten bei Kontrolle der Studienintention keinen unabhängigen Effekt auf die Studienaufnahme.

Watermann und Maaz (2004) haben auf der Grundlage der ersten Erhebungswelle aus TOSCA zunächst eine auf die Studienintention begrenzte Prüfung der Theorie des geplanten Verhaltens vorgenommen. Neben den handlungstheoretischen Variablen berücksichtigten sie den höchsten beruflichen Bildungsabschluss der Eltern, die kulturelle Praxis, den höchsten International Socioeconomic Index (ISEI) der Eltern, die Schulform (allgemeinbildendes vs. berufliches Gymnasium) und die Schulleistungen (Testleistungen in Englisch und Mathematik, Abiturnote). Die berufliche Bildung und der ISEI erklärten zusammen 2,4 % der Studienintention. Der soziale Herkunftseffekt verringerte sich deutlich unter Kontrolle von Schulleistungen (primäre Disparitäten). Die Effekte des beruflichen Bildungsabschlusses wurden bereits vollständig über die Einstellung vermittelt, wobei das intrinsische Motiv den stärksten positiven Effekt auf die Studienintention aufwies. Das Transitionsmotiv hatte erwartungsgemäß einen negativen Effekt auf die Studienintention. Allerdings war der Effekt des Transitionsmotivs mit b = − 0,07 nicht sehr groß, dafür jedoch sehr robust. In nachfolgenden Modellen der Modellsequenz hatten die subjektive Norm (b = 0,28) und die wahrgenommene Verhaltenskontrolle (b = 0,21) einen ebenfalls substanziellen Einfluss, wobei die subjektive Norm den stärksten Effekt aufwies (b = 0,28). Der Effekt des intrinsischen Motivs betrug im Gesamtmodell b = 0,21. Weitere Merkmale, die auf erschwerende Bedingungen des Hochschulzugangs hindeuten, wie zum Beispiel die Einschätzung, dass ein Studium nicht finanzierbar sei, besaßen keine inkrementelle prognostische Validität. Möglicherweise waren die wahrgenommenen Kosten eines Studiums bereits durch das Transitionsmotiv, welches unter anderem die frühe finanzielle Unabhängigkeit als Konsequenz eines Studiums mitbeinhaltet, abgebildet. Während der Effekt der beruflichen Bildung der Eltern vollständig über die Schulleistungen und die Variablen der Theorie des geplanten Verhaltens vermittelt wurde, verringerte sich in den Modellsequenzen der Koeffizient des ISEI von b = 0,07 auf b = 0,04 bedeutsam, blieb jedoch statistisch signifikant. Somit lag lediglich eine partielle Vermittlung des Effekts der sozioökonomischen Stellung vor. Alles in allem sprechen die Analysen somit für einen eher kleinen sekundären Herkunftseffekt in Bezug auf die Studienintention, der fast vollständig über die Variablen der Theorie des geplanten Verhaltens erklärt werden konnte. Die Theorie war über die partielle Vermittlung des sekundären Herkunftseffekts hinaus sehr prädiktiv, von den 37,6 % der erklärten Varianz gingen 23,7 % auf das Konto der Variablen der Theorie des geplanten Verhaltens.

In einer jüngeren Arbeit gingen Watermann und Maaz (2010) der Frage nach, welche der Variablen der Theorie des geplanten Verhaltens für die Erklärung des sekundären Herkunftseffekts sowohl für die Studienintention als auch für die Studienaufnahme am bedeutsamsten sind. Sie verwendeten eine sparsamere Modellierung, indem sie die soziale Herkunft über den sozioökonomischen Status (HISEI) operationalisierten. In ihren Analysen zeigte sich, dass der sekundäre Herkunftseffekt der Sozialschichtzugehörigkeit auf die Studienintention am stärksten über die subjektive Norm vermittelt war. Bei der Prüfung der Theorie im Längsschnitt wiesen die Modellschätzungen allein für die subjektive Norm einen unabhängigen und damit direkten Effekt auf die Studienaufnahme aus.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass in den Arbeiten, die auf den HIS-Studienberechtigtenbefragungen basieren und die sich in ihren Operationalisierungen auf Erikson und Jonsson (1996) beziehen, jeder der Einflussfaktoren den sekundären Herkunftseffekt reduzieren, das heißt erklären konnte. Allerdings konnten nicht sämtliche Unterschiede zwischen den Herkunftsgruppen erklärt werden, was einer partiellen Vermittlung des sekundären Herkunftseffekts entspricht. Die lediglich partielle Vermittlung mag dadurch begründet sein, dass eine theoriescharfe Operationalisierung nicht realisiert werden konnte. In den Arbeiten, in denen eine Überprüfung der Werterwartungstheorie (auf Basis der sächsischen Abiturientenstudien) wie auch die Theorie des geplanten Verhaltens (auf Basis der TOSCA-Studie) vorgenommen wurde, sprechen die Befunde dagegen eher für eine nahezu vollständige Vermittlung des sekundären Herkunftseffekts.

In der empirischen Umsetzung der Werterwartungstheorie durch Becker war insbesondere das Investitionsrisiko für die Vermittlung des sekundären Herkunftseffekts von Bedeutung, also das Verhältnis zwischen Erfolgswahrscheinlichkeit und der Bewertung der Kosten. Becker diskutiert vor allem die hohe Bedeutung der Kosten für ein Studium, die Arbeiterkinder von einem Studium abhielten. Die Ergebnisse aus HIS reihen sich in diese Befundlage ein. In der TOSCA-Studie wurden die finanziellen Kosten über die wahrgenommene Verhaltenskontrolle operationalisiert. Die finanziellen Kosten hatten über die subjektive Erfolgswahrscheinlichkeit hinaus keinen eigenständigen Effekt auf die Studienintention. Jedoch war das Motiv nach finanzieller Unabhängigkeit als eine die Studienintention hemmende Konsequenz als Aspekt des Transitionsmotivs (Einstellung) im Fragebogen enthalten. Dieses Motiv hatte einen negativen Effekt auf die Studienintention. Insofern können sich die wahrgenommenen finanziellen Kosten des Studiums auch in der TOSCA-Studie hemmend auf die Studienintention ausgewirkt haben. Als wichtigster Faktor der Vermittlung des sekundären Herkunftseffekts erwies sich in TOSCA jedoch die subjektive Normerwartung. Dieses Ergebnis reiht sich in die Befundlage zahlreicher Arbeiten zum Wisconsin-Modell (z. B. Jencks et al. 1983) ein, die der Bezugsgruppe eine bedeutsame Rolle bei Bildungsentscheidungen zuweisen.

6 Soziale Disparitäten vor dem Hintergrund der Expansion und der Öffnung des Bildungswesens

Durch die Bildungsexpansion und den damit verbundenen Ausbau des Sekundär- und Tertiärbereichs hat das deutsche Bildungssystem innerhalb der vergangenen Jahrzehnte wesentliche Veränderungen erfahren. Die Bildungswege haben sich ausdifferenziert und vervielfacht, was Schülern variantenreiche Übergangsmuster ermöglicht. Neben dem klassischen Weg über die Sekundarstufe II des allgemeinbildenden Gymnasiums kann die Hochschulreife auch über alternative Bildungswege an beruflichen Gymnasien oder Fachoberschulen erworben werden (Köller et al. 2004). Die Erweiterung der Zugangswege zum Abitur und die verschiedenen Arten des Erwerbs der Hochschulreife haben zu einer Öffnung beigetragen und die Bildungsbeteiligung erhöht. Auch im postsekundären Bereich haben sich bildungspolitische Veränderungen vollzogen, die sich in einem breiteren Spektrum an Ausbildungswegen widerspiegeln. Mit einem Angebot an stärker anwendungsbezogenen Studiengängen konnten sich die Fachhochschulen, neben den stärker wissenschaftsorientierten Universitäten, als ein bedeutender Hochschulzweig etablieren (vgl. Reimer und Schindler 2010). Darüber hinaus eröffnet das Studium an Berufsakademien oder Verwaltungshochschulen weitere Bildungswege innerhalb des tertiären Bereichs (Trautwein et al. 2006).

Die institutionelle Öffnung des Bildungssystems war nicht zuletzt an die Erwartung geknüpft, herkunftsbedingte Ungleichheiten abbauen zu können. Rückblickend stellt sich daher die Frage, inwiefern die Bildungsexpansion individuelle Entscheidungen am Übergang in die Sekundarstufe II bzw. nach Erlangen der Hochschulzugangsberechtigung beeinflusst und wie sich die Relevanz von primären und sekundären Herkunftseffekten über die Zeit gewandelt hat. In der Literatur finden sich zwar verschiedene Arbeiten, die sich mit der Entwicklung sozialer Ungleichheiten im Kohortenvergleich beschäftigen (Jacob und Weiss 2010; Klein et al. 2010; Reimer und Schindler 2010; Lörz und Schindler 2011), doch nur wenige untersuchen die Rolle primärer und sekundärer Herkunftseffekte im Zeitverlauf (Schindler und Reimer 2010; Schindler und Lörz 2011; Lörz 2013; Schindler 2013).

Die theoretischen Überlegungen gehen zum einen davon aus, dass im Zuge der Expansion die Leistungsvarianz unter den Studienberechtigten zunimmt, was einen Bedeutungszuwachs primärer Herkunftseffekte zur Folge hätte. Zum anderen wird, aufgrund des Angebots an postsekundären Ausbildungswegen, auch den sekundären Herkunftseffekten ein zunehmendes Gewicht zugeschrieben. In Abhängigkeit der Herkunft würden die mit den jeweiligen Ausbildungsalternativen verbundenen Kosten und Erträge unterschiedlich attraktiv wahrgenommen. Das ließe insbesondere bei statusniedrigeren Gruppen ein im Zeitverlauf geändertes Übergangsverhalten erwarten.

Schindler und Reimer (2010) überprüften die Annahmen zur relativen Bedeutung primärer und sekundärer Herkunftseffekte anhand der Studienberechtigtenkohorten der Jahre 1983, 1990, 1994 und 1999. Um eine über den Untersuchungszeitraum hinweg konsistente Operationalisierung des sozialen Hintergrunds zu gewährleisten, griffen die Autoren auf zusammengefasste Kategorien der EGP-Klassen zurück, indem sie zwischen Dienstklassen, mittleren Klassen und Arbeiterklassen unterschieden. In einem Extremgruppenvergleich konnten sie zeigen, dass die sozialen Ungleichheiten beim Hochschulzugang im Zeitverlauf angestiegen sind: Während Angehörige der Dienstklassen 1983 eine im Vergleich zu Arbeiterklassen 1,9-mal höhere Chance hatten, ein Studium aufzunehmen, betrug das Chancenverhältnis im Erhebungsjahr 1999 2,4. Weiterhin ermittelten sie mit der von Erikson et al. (2005) vorgeschlagenen Dekompositionsmethode den relativen Anteil primärer und sekundärer Effekte. Die Wahrscheinlichkeit des Hochschulzugangs wird hierbei als das Integral des Produkts zweier Funktionen abgebildet: der klassenspezifischen Verteilung der Leistungen und der klassenspezifischen Wahrscheinlichkeit des Übergangs unter Kontrolle der Leistungen. Die analytische Trennung ermöglichte es, die Leistungsverteilung oder die Übergangsrate einer Herkunftsgruppe durch die entsprechende Funktion einer anderen Herkunftsgruppe zu ersetzen und kontrafaktische Kombinationen miteinander zu vergleichen. Der Einfluss primärer Herkunftseffekte wurde über die vier Erhebungszeitpunkte simuliert, indem das Übergangsverhalten der Arbeiterklasse konstant gehalten und die Leistungsverteilung variiert wurde. Durch die Zuweisung von Abiturleistungen der Mittel- und Dienstklasse haben sich die Übergangsraten jedoch nur geringfügig verändert, sodass über den gesamten Zeitverlauf hinweg nur marginale Abweichungen in den Leistungsniveaus zwischen Schülern verschiedener Herkunftsgruppen festgestellt werden konnten. Das Ergebnis spricht somit gegen die Erwartung einer zunehmenden Leistungsvarianz. In den Analysen, in denen die Leistungsverteilung konstant gehalten und Schülern der Arbeiterklasse das Übergangsverhalten der Dienstklasse zugewiesen wurde, stiegen die Übergangsraten hingegen deutlich an. Demnach fallen die sekundären Herkunftseffekte bei der Genese sozialer Ungleichheiten am Hochschulübergang deutlich stärker ins Gewicht. Bezogen auf den untersuchten Zeitraumvon 1983 bis 1999 erwies sich die relative Bedeutung von primären und sekundären Herkunftseffekten als weitestgehend stabil.

Mit der Analyse der Studienberechtigtenkohorten von 1976 bis 2002 wählten Schindler und Lörz (2011) einen längeren Beobachtungszeitraum, der wesentliche Veränderungen im Zuge der Bildungsexpansion abbilden sollte. Sie stellten fest, dass klassenspezifische Unterschiede am Hochschulübergang vor dem Hintergrund der Expansion nicht nur zugenommen haben, sondern dass diese auch auf einen im Kohortenvergleich gestiegenen Einfluss sekundärer Herkunftseffekte zurückzuführen sind: Die primären Effekte betrachtend, zeichnete sich gegenüber den Dienstklassen bei den Arbeiterklassen zwar ein Absinken der mittleren Abiturleistungen ab, der Unterschied betrug jedoch weniger als ein Viertel einer Standardabweichung. Bezogen auf die sekundären Effekte fällt auf, dass die Übergangsraten der Arbeiterklassen einem Abwärtstrend folgten, während die Zugangschancen der Dienstklassen über die Zeit stabil blieben. Ein Grund für die wachsende Kluft zwischen den Gruppen wird darin gesehen, dass ein zunehmender Anteil an Studienberechtigten aus Arbeiterklassen die Hochschulreife lediglich als einen Vorteil im Wettbewerb um attraktive Ausbildungsplätze nutzt, ohne je die Aufnahme eines universitären Studiums beabsichtigt zu haben. Berichtete Motive für die Wahl des nachschulischen Werdegangs unterstützen diese Vermutung: Frühe finanzielle Unabhängigkeit sowie der Wunsch nach einer sicheren beruflichen Zukunft wurden durch die Arbeiterklassen signifikant höher eingeschätzt. Im Vergleich dazu bewerteten Studienberechtigte der Dienstklassen wissenschaftliches Arbeiten und das Verfolgen eigener Interessen als bedeutsamer. Bemerkenswert ist, dass in der Arbeiterklasse bestimmte Motive im Zeitverlauf an Bedeutung gewonnen haben, die wiederum negativ mit dem Übergang an die Hochschule korreliert sind. Dazu zählen das Interesse an praktischen Tätigkeiten, die Dauer der Ausbildung sowie der Wunsch, früh finanziell unabhängig zu sein.

Zur Beantwortung der Frage, welche Anteile des Unterschieds zwischen Arbeiter- und Dienstklassen erklärt werden können, bedienten sich Schindler und Lörz (2011) ebenfalls der Methode der nichtlinearen Dekomposition. Übereinstimmend mit den Befunden von Schindler und Reimer (2010) konnten sie belegen, dass primäre Effekte, operationalisiert über die Abiturleistungen, nur in geringem Maße (< 5 %) zur Erklärung der Ungleichheiten beitragen. Klassenspezifische Unterschiede in den Motiven der Ausbildungswahl erklärten dagegen über den gesamten Zeitraum hinweg etwa 50 % der bestehenden Ungleichheiten zwischen Arbeiterklasse und Dienstklasse. Alles in allem bestätigen die Ergebnisse die Vermutung eines im Zuge der Bildungsexpansion veränderten Übergangsverhaltens der Herkunftsgruppen: Der Anteil der Studienberechtigten, die früh finanziell unabhängig sein möchten und gleichsam weniger Interesse an wissenschaftlichen Arbeiten zeigen, ist im Zeitverlauf gestiegen. Das Abitur dient demnach nicht mehr nur als Berechtigung für die Studienaufnahme, sondern auch als Zugangsweg zu lukrativen Ausbildungen, womit die Befunde die Annahmen der Ablenkungshypothese unterstützen (Müller und Pollak 2007).

Dagegen argumentiert Lörz (2013), dass die Ursache für die im Zeitverlauf zunehmenden Klassenunterschiede weniger in der Ablenkung von Arbeiterkindern in praxisorientierte Bildungsgänge als vielmehr in den frühen bildungsbiografischen Entscheidungen unterer Herkunftsgruppen begründet liegt. Wie Schindler und Lörz (2011) nutzt auch Lörz (2013) das Verfahren der nichtlinearen Dekomposition, um auf Basis der Studienberechtigtendaten von 2002 bis 2006 Herkunftsdifferenzen bei der Wahl des nachschulischen Werdegangs erklären zu können. Ein Unterschied besteht darin, dass er nicht die grundsätzliche Entscheidung für ein Hochschulstudium, sondern nur die konkrete Entscheidung für ein Studium an einer Universität als abhängige Variable wählt. Bezogen auf die Ablenkungshypothese nimmt Lörz (2013) somit lediglich eine Differenzierung innerhalb der tertiären Bildungsgänge (Fachhochschule vs. Universität) vor, während Schindler und Lörz (2011) sowie Müller und Pollak (2007) von einer Ablenkung von Arbeiterkindern vom allgemeinen Hochschulstudium in nichttertiäre Bildungsgänge ausgehen. Hinsichtlich der Wahl eines universitären Studiums kann Lörz (2013) zeigen, dass etwa die Hälfte der herkunftsspezifischen Unterschiede auf bildungsbiografische Unterschiede im Vorfeld der Studienaufnahme zurückzuführen ist. Innerhalb des Untersuchungszeitraums stieg der Erklärungsbeitrag der besuchten Schulform sogar deutlich von 6,5 auf 12,7 % an. Demnach scheint die Zunahme herkunftsspezifischer Unterschiede mit dem Ausbau beruflicher Schulen einherzugehen, da Schüler aus bildungsfernen Familien über alternative Wege oftmals nur die Fachhochschulreife erwerben und die Zugangsbeschränkungen universitärer Studiengänge nicht erfüllen. Schindler und Lörz (2011) kommen dagegen in ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass die institutionelle Öffnung bis zum Jahr 1992 einen negativen Erklärungsbeitrag hatte, das heißt mit einer Reduzierung der sozialen Ungleichheiten verbunden war. In den Folgejahren konnte ein Anteil von etwa 4 % in den klassenspezifischen Unterschieden der Übergangsraten durch den Bildungsgang erklärt werden, der auf ein selektives Übergangsverhalten verweist (Schindler und Lörz 2011). Begründet wird diese Entwicklung mit einer ungleichen Verteilung der Studienberechtigten über die verschiedenen Bildungsgänge, welche sich nachteilig auf die jüngsten Übergangsraten der Arbeiterklassen auswirkt. Bedeutsam für die Ablenkungshypothese sind auch die Befunde aus TOSCA zur Wahl des Hochschultyps. Das in Baden-Württemberg vorzufindende breite Spektrum an nicht universitären Bildungsgängen im tertiären Bereich (Berufsakademien, Fachhochschulen) stellt im Zusammenhang mit der kanalisierenden Funktion der beruflichen Gymnasien ein attraktives Angebot für statusniedrigere Personen dar. Watermann und Maaz (2004) untersuchten Effekte der sozialen Herkunft sowie der besuchten Schulart auf die Wahl des Hochschultyps in Baden-Württemberg (Universität vs. Fachhochschule/Berufsakademie). Die Ergebnisse der stufenweise durchgeführten multiplen logistischen Regressionsanalyse zeigen, dass die ungleichen Chancenverhältnisse zwischen Studienberechtigten von allgemeinbildenden Gymnasien und Wirtschaftsgymnasien zugunsten des allgemeinbildenden Gymnasiums bei Kontrolle der sozialen Herkunft reduziert werden. Die Präferenz für ein Universitätsstudium stieg mit dem elterlichen beruflichen Bildungsniveau an, und zugleich sank die Präferenz für ein Studium an einer Fachhochschule bzw. Berufsakademie. Der starke Effekt der sozialen Herkunft unterstützt die Annahme einer Ablenkung der Studienberechtigten aus nichtakademischen Familien von einem Universitätsstudium.

Eine Erklärung für die unterschiedlichen Befunde in den Arbeiten von Lörz (2013) und Watermann und Maaz (2004) könnte im Grad der Entkoppelung des Erwerbs der allgemeinen Hochschulreife von der besuchten Schulform in der Sekundarstufe II gesehen werden. In Abhängigkeit des jeweiligen Bundeslandes unterscheiden sich die durch alternative Wege zur Hochschulreife erworbenen Hochschulzugangsberechtigungen. So erwarben in Baden-Württemberg Schüler eines beruflichen Gymnasiums die allgemeine Hochschulreife, die ihnen einen freien Zugang zu allen universitären Studiengängen ermöglicht. Lörz (2013) dagegen nimmt bundeslandübergreifend stärker restriktive Konsequenzen des Besuchs beruflicher Schulen an (z. B. den Erwerb einer Fachhochschulreife), welche wiederum die Wahl eines entsprechenden Hochschultyps nahelegen. Für die Untersuchung der Effekte einer institutionellen Öffnung bedarf es daher bundesländerspezifischer Analysen, die regionale Unterschiede in den universitären Zugangsbeschränkungen sowie in dem Angebot an tertiären Bildungsgängen berücksichtigen.

Gleichwohl sich mit den beobachteten Daten im Kohortenvergleich bereits ein großer Teil an Unterschieden in den Übergangsquoten verschiedener Herkunftsgruppen beschreiben lässt, bleibt ein zunehmender Anteil der klassenspezifischen Ungleichheiten nach wie vor unerklärt. In den Analysen von Schindler, Lörz und Kollegen, denen die Daten der Studienberechtigtenerhebungen zugrunde liegen, ist dies mitunter auf eine unzureichende Abbildung der theoretischen Konzepte zurückzuführen (vgl. Schindler und Reimer 2010).

Jenseits der Betrachtung des relativen Gewichts primärer und sekundärer Herkunftseffekte am Übergang zur Hochschule über die Kohortenfolge stellt sich zusammenfassend die Frage, wie sich soziale Ungleichheiten im kumulativen biografischen Prozess über die Zeit entwickelt haben (vgl. Baumert und Schümer 2001). Auf Basis kombinierter Mikrozensus- und HIS-Studienberechtigtendaten konnten Lörz und Schindler (2011) im Zeitverlauf eine Verschiebung der sozialen Disparitäten von der Sekundarstufe II auf das Hochschulsystem feststellen, wonach mit der Verbesserung der Zugangschancen im Sekundarbereich II eine Zunahme der Ungleichheiten beim anschließenden Übergang ins Studium verbunden ist. Eine Besonderheit dieser Studie besteht darin, dass anstelle einer summativen Betrachtung des Bildungserfolgs am Ende der Bildungskarriere die einzelnen Übergänge auf Schul- und Hochschulebene separat analysiert wurden. Zudem fanden bei der Untersuchung der Veränderungen verschiedene Ungleichheitsindikatoren Verwendung, die die zeitliche Entwicklung von Ungleichheiten auf differenzielle Weise abbilden. Zur Bestimmung der relativen Unterschiede griffen die Autoren auf ein in der Literatur häufig zitiertes Maß zurück, indem sie basierend auf einem Vergleich von Extremgruppen die Chancenverhältnisse (odds ratios) für den Übergang ermittelten. Die absoluten Unterschiede wurden anhand der mittleren Distanz (Prozentsatzdifferenz) zwischen der Herkunftsgruppe mit der höchsten Übergangsrate und der mit der niedrigsten Übergangsrate beschrieben. Darüber hinaus wurde der Variationskoeffizient als ein weiteres Ungleichheitsmaß betrachtet, das neben den absoluten Abweichungen aller Herkunftsgruppen vom Mittelwert auch die Höhe des Bildungsniveaus im jeweiligen Jahr berücksichtigt. Bezogen auf den Erwerb der Hochschulreife konnten Lörz und Schindler (2011) über den Untersuchungszeitraum von 1976 bis 2006 hinweg zeigen, dass die Ungleichheitsindikatoren mit zunehmender Bildungsbeteiligung deutlich sanken. Beim Übergang ins Studium ließ sich – im Unterschied zur Bildungsbeteiligung in der Sekundarstufe II – jedoch keine gestiegene Studierbereitschaft beobachten. Ein vergrößertes Chancenverhältnis zwischen Studienberechtigten unterschiedlicher Herkunftsgruppen und ein Anstieg der mittleren Distanz sowie des Variationskoeffizienten beim Übergang ins Studium verwiesen auf eine tendenzielle Zunahme sozialer Ungleichheiten im Zeitverlauf. Bei der Analyse zum systematischen Zusammenhang der Ungleichheitsentwicklungen an beiden Übergängen ergab sich für alle drei Ungleichheitsmaße eine signifikant negative Korrelation. Die verbesserten Zugangschancen für statusniedrigere Gruppen beim Erwerb der Hochschulreife sind demnach mit der Zunahme sozialer Ungleichheiten am Hochschulübergang verbunden. Die Frage, inwiefern sich die gegenläufigen Entwicklungen über die gesamte Bildungskarriere hinweg ausgleichen, führt in Abhängigkeit des verwendeten Ungleichheitsmaßes zu unterschiedlichen Antworten. Der seit den 1980er-Jahren andauernde Rückgang sozialer Ungleichheiten beim Zugang zur Hochschulreife wurde durch die sozialen Selektivitäten des Hochschulsystems wieder aufgehoben, sodass sich aus einer absoluten Perspektive stabile Ungleichheitsverhältnisse beobachten lassen, während sich aus einer relativen Perspektive insgesamt eine Abnahme der Unterschiede zeigt. Die Erklärung hierfür ergibt sich aus der unterschiedlichen Sensibilität der Ungleichheitsmaße. Der Variationskoeffizient wie auch die mittlere Distanz sind im Vergleich zu den Chancenverhältnissen weitestgehend robust gegenüber Bildungsbeteiligungsquoten, sodass insbesondere die odds ratios je nach Phase der Bildungsexpansion deutlichen Schwankungen unterliegen. Bei der Interpretation von Ungleichheitsentwicklungen ist daher grundsätzlich zu beachten, welches Ungleichheitsverständnis den Analysen zugrunde liegt.

Alles in allem sprechen die Befunde dieser auf national repräsentativen Daten basierenden Studien allerdings dafür, dass die Expansion der zur Hochschulreife führenden Bildungswege wie auch die Ausdifferenzierung postsekundärer Bildungswege zu einer Verringerung sozialer Disparitäten beim Erwerb der Hochschulreife geführt haben, jedoch der erhoffte Effekt einer höheren Bildungsbeteiligung von Personen unterer Herkunftsgruppen im Tertiärbereich eher ausgeblieben ist.

7 Diskussion und Ausblick

Im vorliegenden Beitrag haben wir die soziale Ungleichheit der Bildungsbeteiligung primär aus der Perspektive des Transitionsmodells (Mare 1980) betrachtet und den Fokus darauf gelegt, das Ausmaß und die Mechanismen der sozialen Selektivität des Hochschulzugangs an der Gelenkstelle des Übergangs von der Sekundarstufe II in postsekundäre Bildungsgänge zu beschreiben. Dies ist auch dem Umstand geschuldet, dass es bislang erst wenige Arbeiten gibt, die den kumulativen Effekt der an früheren Gelenkstellen wirksamen primären und sekundären Disparitäten (Becker 2009; Neugebauer und Schindler 2012) analysieren. Die Datenbasis für eine Analyse primärer und sekundärer Herkunftseffekte im Lebensverlauf ist bislang noch suboptimal, sodass bisherige Arbeiten vornehmlich auf Simulationen dieser Effekte auf Grundlage kombinierter Datensätze beruhen. Daher soll der Schwerpunkt der Diskussion und des Ausblicks auf der sozialen Selektivität der Bildungsentscheidung an dieser späten Gelenkstelle liegen.

Schüler aus unterschiedlichen sozialen Schichten machen in unterschiedlichem Maße von der Möglichkeit Gebrauch, bestimmte postsekundäre Bildungswege im tertiären Bereich einzuschlagen. Trotz einer im Vergleich zu früheren Übergängen insgesamt noch stark ausbaufähigen Datenbasis, wurden seit Anfang 2000 eine Reihe von Arbeiten vorgelegt, die einen Blick auf das Ausmaß und Mechanismen sozialer Ungleichheit erlauben. Im Hinblick auf die Bedeutung primärer und sekundärer Effekte im individuellen Bildungsverlauf weisen die Arbeiten trotz unterschiedlicher Untersuchungsdesigns, Operationalisierungen, Datengrundlagen und Effektdekompositionsmethoden auf die Prädominanz sekundärer Effekte am Übergang in die Hochschule hin. Dies hängt vor allem mit der leistungsbezogenen Homogenität der Schülerpopulation zusammen, die Bildungsgänge besuchen, die zum Erwerb einer Hochschulzugangsberechtigung führen. Im Zeit- bzw. Kohortenverlauf deuten die Befunde national repräsentativer Studienberechtigtenbefragungen des HIS darauf hin, dass eine Expansion und eine Öffnung von Wegen zur Hochschulreife zwar die sozialen Ungleichheiten des Erwerbs der Hochschulzugangsberechtigung verringern konnten, dass jedoch die sozialschichtspezifischen Chancenverhältnisse des Hochschulzugangs weitgehend stabil geblieben sind. Für Befundmuster bundesweit repräsentativer Untersuchungen ist in der Regel charakteristisch, dass regionale Besonderheiten und Entwicklungen in der Schul- und Hochschulstruktur weniger in den Blick geraten. Regionale Studien wie etwa die in Baden-Württemberg durchgeführte TOSCA-Studie oder die Befragung sächsischer Abiturienten erlauben grundsätzlich eine detailtiefere Analyse des Übergangsverhaltens vor dem Hintergrund der länderspezifischen Angebotsstruktur an Bildungsgängen der Sekundarstufe II und des tertiären Bildungsbereichs (z. B. Berufsakademien). So deuten die Befunde für Baden-Württemberg darauf hin, dass Studierende die kanalisierende und studienpropädeutische Funktion von beruflichen Gymnasien für den Übergang ins Studium nutzen und hierbei Gebrauch von dem Angebot an stärker praktisch orientierten Bildungsgängen an Berufsakademien und Fachhochschule machen. Über die Realisierung dieser Wahlen ist es ihnen auch möglich, im sozialstrukturellen Gefüge aufzusteigen und in Berufe mit höherem Sozialprestige zu gelangen (Maaz 2006). Aus institutioneller Perspektive wäre es deshalb interessant, in regional vergleichenden Untersuchungen die individuellen und institutionellen Mechanismen des Hochschulzugangs genauer zu untersuchen, die mit einer unterschiedlichen Ausgestaltung voruniversitärer und tertiärer Bildungsangebote verbunden sind und somit Chancen sozialer Aufstiegsmobilität ermöglichen bzw. eingrenzen. Auch internationale Vergleichsstudien könnten hier wichtige Einblicke liefern, wenn Länder mit spezifischen Angebotsstrukturen in voruniversitären und tertiären Bildungsgängen einbezogen werden können. Eine institutionell vergleichende Perspektive sollte durch die zukünftige Forschung systematischer aufgegriffen werden. Zugleich mangelt es jedoch auch an deutschlandweit repräsentativen Befragungen, die verbesserte Befragungsinstrumente einsetzen, das heißt Instrumente, mit denen primäre und sekundäre Herkunftseffekte reliabel und valide untersucht werden können. Dies würde die Möglichkeit eröffnen, die Effekte unterschiedlicher institutioneller Rahmenbedingungen in den jeweiligen Ländern vergleichend zu analysieren, aber auch Mobilitätsprozesse zwischen den Ländern in den Blick zu nehmen. Das HIS hat seine Befragungsinstrumente in den letzten Jahren bereits verbessert. Die Instrumentierung im NEPS dürfte mit der Verbindung aus Kompetenz- und Entscheidungssäule nochmals deutlich zur Steigerung der Datenqualität beitragen. Forschungsmethodisch wäre es zudem wünschenswert, wenn zur empirischen Trennung primärer und sekundärer Effekte auch vergleichbare Analyseverfahren eingesetzt würden. In der soziologischen Hochschulforschung wurde ein derartiger Weg bereits eingeschlagen, als die Arbeiten mit wenigen Ausnahmen die von Erikson et al. (2005) vorgeschlagene Effektdekompositionsmethode verwenden.

In Anbetracht der relativen Dominanz sekundärer Herkunftseffekte müssten sich Bemühungen der Verringerung des sozial selektiven Zugangs darauf konzentrieren, diese am Übergang in postsekundäre Bildungsgänge zu thematisieren und zu verringern. Ausgehend von den Befunden der Studien, die sekundäre Herkunftseffekte mithilfe der Werterwartungstheorie untersuchen, könnte ein Ansatzpunkt darin bestehen, das für statusniedrigere Personen höhere Investitionsrisiko zu senken. Dies würde bedeuten, dass Maßnahmen entweder an der subjektiven Erfolgswahrscheinlichkeit oder an den zielbezogenen Kosten (direkte Kosten, Opportunitäts- wie Transaktionskosten) anzusetzen hätten. Die subjektive Erfolgswahrscheinlichkeit könnte zum einen darüber gesteigert werden, indem man zum Beispiel die Passung zwischen den zur Hochschulreife führenden Bildungsgängen der Sekundarstufe II und den Anforderungen des Studiums erhöht. Wir haben bereits thematisiert, dass berufskanalisierende Angebote wie Berufsgymnasien genau dieses leisten könnten. Zugleich ist aber auch deutlich geworden, dass entsprechende anschließende Angebote im tertiären Bildungsbereich (z. B. Berufsakademien) Studierende von einem Universitätsstudium wiederum ablenken können. Hier können die Befunde dahingehend gedeutet werden, dass dies zweifach motiviert ist: Zum einen möchten statusniedrigere Personen früher finanziell unabhängig sein, zum anderen verfolgen sie eher praktisch orientierte Studienangebote, die zugleich mit kürzeren Studienzeiten und attraktiven Finanzierungsmöglichkeiten (z. B. Berufsakademien) verbunden sind. Hier – so könnte man argumentieren – haben auf ein Berufsfeld vorbereitende und zur Hochschulreife führende Bildungsgänge möglicherweise auch implizit einen Ablenkungsmechanismus mit eingebaut, der statusniedrigere Schüler von einem Universitätsstudium ablenkt. In einer Erhöhung der Durchlässigkeit zwischen Fachhochschulen und Berufsakademien einerseits und den Universitäten andererseits könnte eine bildungspolitische Implikation der Befunde gesehen werden, damit solche Entscheidungen zu einem späteren Zeitpunkt in der akademischen Laufbahn korrigiert werden können. Inwieweit die Einführung von Bachelorstudiengängen, die berufsqualifizierend sind und kürzere Studienzeiten beinhalten, sekundäre Effekte verringern können, scheint bislang nicht geklärt. Während kürzere Studienzeiten die Kosten verringern sollten, könnte die Unsicherheit, ob ein Bachelorstudium ohne ein Masterstudium die gewünschten Bildungserträge nach sich zieht, die subjektive Erfolgserwartung bzw. -wahrscheinlichkeit verringern. Insofern würde das Investitionsrisiko weiterhin bestehen.

Die hier angedeuteten institutionellen Maßnahmen der Verringerung sekundärer Effekte müssten daher durch individuelle Maßnahmen arrondiert werden, wie etwa Stipendien- und Förderprogramme, die sich besonders an Schüler und Studierende aus statusniedrigeren Familien wenden und darauf abzielen, den Zugang zur Universität finanziell, studienpropädeutisch und bei der Bewältigung der Studieneingangsphase zu unterstützen. Überregionale Programme, die sich in besonderer Weise an Schüler und Studierende mit nichtakademischem Hintergrund richten, sind hier zum Beispiel die Initiative „Studienkompass“ der Stiftung der Deutschen Wirtschaft und die Initiative „ArbeiterKind.de“. Belastbare Daten zur Effektivität dieser Programme liegen bislang nicht vor.

Die auf Basis der Theorie des geplanten Verhaltens ermittelten Befunde haben die subjektive Normerwartung als einen weiteren Faktor identifiziert, der sekundäre Herkunftseffekte der Studienaufnahme und der Studienentscheidung vermittelt. Dies bedeutet, dass bei gleichen Leistungen und jenseits von der Einstellung gegenüber einem Studium und der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle die Erwartungen des Umfelds eine wichtige Rolle spielen. Wichtige Personen der Bezugsgruppe können Schüler für ein Studium motivieren, diese jedoch auch davon ablenken. Interventionen müssten dann entweder bei Eltern oder bei Lehrkräften ansetzen. Bei den Lehrkräften wäre daran zu denken, diese in ihrer Beratungskompetenz gezielter zu fördern, sodass sie Aufgaben der Laufbahnberatung auch unter Heterogenitätsgesichtspunkten wahrnehmen und noch effektiver umsetzen können. In Bezug auf die Rolle der Eltern gibt es ansatzweise erprobte erfolgreiche Beispiele für Lehrer–Eltern-Kooperationen im Bereich der Berufsvorbereitung (z. B. Mayhack und Kracke 2010), die auf den Hochschulzugang angepasst und übertragen werden könnten.