1 Einleitung

Spätestens mit der Veröffentlichung der Ergebnisse der ersten PISA-Studie (Baumert et al. 2001), die deutschen Schülerinnen und Schülern im Vergleich zu denen anderer OECD-Länder ein allenfalls mittleres Leistungsniveau bescheinigt und erneut den extrem starken Einfluss der sozialen Herkunft auf die Chancen des Bildungserwerbs in Deutschland herausgestellt hat, wird ein erhöhter und methodisch anspruchsvoller Forschungsbedarf zu Fragen der empirischen Bildungsforschung konstatiert. Zentral ist dabei die Verfügbarkeit von Daten in einer möglichst umfassenden individuellen Längsschnittperspektive, denn der Erwerb von Bildung vollzieht sich nicht nur durch die Beteiligung an formaler Bildung und der Erlangung von Zertifikaten, sondern er ist ein Prozess, der bereits im frühkindlichen Alter beginnt und – in einer Perspektive des lebenslangen Lernens – über das Verlassen des formalen Bildungssystems hinausgeht. Notwendig ist daher eine Perspektive, die sämtliche zielgerichteten Lernaktivitäten erfasst, die dazu dienen, Wissen und Fähigkeiten „von der Wiege bis zur Bahre“ zu entwickeln und zu verbessern. Nur eine solche, den gesamten Lebenslauf umspannende Datenbasis ermöglicht die Überprüfung von kausalen Zusammenhängen, die für eine rationale und forschungsbasierte Gestaltung von Bildungspolitik notwendig ist.

In Deutschland basieren aktuelle und bundesweit repräsentative Studien im Bildungsbereich zumeist auf Querschnittsbefragungen, die allenfalls mit wenigen Retrospektivangaben angereichert sind. Eine empirisch belastbare Rekonstruktion von individuellen Bildungsprozessen sowie ihrer familialen Einbettung ist somit häufig nicht möglich. Hierfür erforderliche aufwendigere Längsschnittbefragungen, die den Bildungsverlauf von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen über mehrere Jahre verfolgen, liegen derzeit nur für einzelne Bundesländer oder für spezifische Untersuchungsgruppen vor (vgl. Schmidt & Weishaupt 2004; Schrader, Helmke & Hosenfeld 2008). Dieses Problem ist bereits vor Jahren erkannt worden, was dazu geführt hat, dass von der Politik der Aufbau eines nationalen Bildungspanels (German National Education Panel Study – NEPS) angeregt wurde, dessen Erhebungsbeginn für den Herbst 2009 geplant ist.Footnote 1 Neben bundesweiten Querschnittserhebungen, länderspezifischen bzw. gruppenspezifischen Längsschnitterhebungen und dem im Aufbau befindlichen Bildungspanel besteht derzeit für die empirische Bildungsforschung freilich auch die Möglichkeit, bildungsrelevante Informationen aus langlaufenden Haushalts- und Personenbefragungen zu analysieren. In Deutschland kommt dafür insbesondere die seit 1984 laufende Haushalts- und Personenbefragung des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) infrage.Footnote 2 Um die Möglichkeiten für die empirische Bildungsforschung auf der Basis des SOEP geht es in diesem Beitrag, d. h., es werden die Analysepotenziale des SOEP im Bereich der Bildungsforschung umfassend dargestellt und vor dem Hintergrund bestehender Studien bewertet.Footnote 3

Im folgenden Abschnitt 2 werden die für die Bildungsforschung nutzbaren Informationen des SOEP sowie die im Laufe der Studie vollzogenen Erweiterungen des bildungsbezogenen Erhebungsprogramms näher beschrieben und exemplarische Auswertungsmöglichkeiten vorgestellt. Dabei konzentrieren wir uns zunächst auf individuelle Übergänge im Bildungssystem. Im Anschluss daran wird die Perspektive auf den gesamten Lebensverlauf gerichtet und die konzeptionellen und erhebungsmethodischen Besonderheiten und Innovationen des SOEP für eine umfassende Analyse von Bildungsprozessen ab der Geburt bzw. Schwangerschaft dargestellt und diskutiert (Abschnitt 3). Dabei wird vertiefend auf die Bereiche der Kompetenzmessung im Lebensverlauf sowie der Erhebung von Kontextinformationen eingegangen, die im SOEP insbesondere für den familialen Bereich reichhaltig vorhanden sind.

Als das SOEP in den 1980er-Jahren im Kontext des damaligen DFG Sonderforschungsbereichs 3 entwickelt wurde (vgl. dazu Hanefeld 1987; Hauser 1994; Krupp 2008), stand zunächst das Ziel im Vordergrund, individuelle Lebensverläufe mithilfe prospektiv erhobener Daten erfassen und aus dem Zusammenspiel von Haushaltskontext und institutionellen Kontexten erklären zu können. Dieser theoretische Rahmen der Lebensverlaufsforschung (vgl. Mayer 2002 sowie Hanefeld & Schupp 2008) war auch maßgebend für die Erhebung bildungsbezogener Informationen im SOEP. Auf dieser theoretischen Grundlage erfolgten eine ganze Reihe wichtiger komparativer Studien der Sozialstrukturanalyse sowie bildungssoziologische Beiträge (bspw. Blossfeld 1993). Mit der fortschreitenden Laufzeit des SOEP sollte sich diese Perspektive insofern bewähren, als dass sich immer längere individuelle Bildungsverläufe, von der frühkindlichen Bildung über schulische und berufliche Bildung bis hin zur Weiterbildungsteilnahme in späteren Erwerbsjahren, verfolgen lassen. Gleichzeitig hat sich das SOEP zunehmend den benachbarten Disziplinen der (Entwicklungs-)Psychologie, Erziehungs- und Gesundheitswissenschaften geöffnet und damit auch entsprechend neue bildungsrelevante Informationen bis hin zur Erhebung von kognitiven und nicht-kognitiven Fähigkeiten in das Erhebungsprogramm aufgenommen (vgl. Trommsdorff 2008). Auf diese komplexe Dynamik der Implementierung methodischer und theoretischer Innovationen in einen langlaufenden Haushaltspanelsurvey wird im Folgenden immer wieder eingegangen (vgl. dazu auch Schupp, Spieß & Wagner 2008).

2 Zur Analyse von Bildungsbeteiligungen und -übergängen

Neben der querschnittbezogenen Analyse der Bildungsbeteiligungsquoten steht die lebensverlaufsorientierte Betrachtung von individuellen Übergängen im Bildungssystem traditionell im Zentrum der empirischen Bildungsforschung. Der individuelle Bildungserwerb wird – in bildungsökonomischen wie in bildungssoziologischen Ansätzen – als Ergebnis einer Folge von Entscheidungsprozessen für oder gegen die (weiterführende) Beteiligung in Bildungsinstitutionen sowie von Übergängen zwischen Bildungsinstitutionen gefasst (vgl. Mare 1981; Mayer & Diewald 2007). Die Ressourcenausstattung im elterlichen Haushalt gilt dabei als zentraler Kontext, der die Bildungsentscheidungen der Heranwachsenden maßgeblich beeinflusst. Eine solche, auf institutionelle Übergänge fokussierende Perspektive liegt auch aus bildungspolitischen Gesichtspunkten nahe, da der Gestaltung von Übergängen und damit der Selektion im Bildungssystem eine zentrale Bedeutung zukommt (vgl. schon Hopper 1968 sowie Maaz, Watermann & Baumert 2007).

Das Ziel, institutionell bedingte Übergänge in einer individuellen Perspektive in einem repräsentativen Mehr-Kohortendesign für die gesamte deutsche Wohnbevölkerung modellieren zu können, ist zugleich einer der zentralen Punkte für die Entstehung des SOEP in den frühen 1980er-Jahren gewesen. Hinsichtlich der Bildungsindikatoren war dabei zunächst an Übergänge in berufliche oder tertiäre Ausbildungen bzw. in Weiterbildung und vor allem an Übergänge in den Arbeitsmarkt gedacht. Da über das Konzept des Haushaltspanels jedoch auch Kinder bereits ab Geburt beobachtet werden, stehen im SOEP seit dem Feldstart im Jahr 1984 auch Informationen zu frühen Übergängen im Bildungssystem vom Elementarbereich bis zur Sekundarschule zur Verfügung. Auch die auf dem SOEP basierenden Studien zu Bildung machen – neben der Trendanalyse von Bildungsbeteiligungsquoten (vgl. z. B. Müller & Pollak 2004; Heineck & Riphahn 2007) – primär von der Möglichkeit Gebrauch, einzelne Übergänge im Bildungssystem zu analysieren (z. B. Spiess 1997; Schneider 2004; Becker & Lauterbach 2007; Kratzmann & Schneider 2008). Da im SOEP für alle formalen Bildungsbereiche Indikatoren zur Beteiligung vorliegen, lassen sich – eventuell auch durch die Zusammenfassung von mehreren Perioden oder Kohorten – hinreichende Fallzahlen auch für tiefergehende gruppenspezifische Analysen gewinnen.

Inzwischen gibt es im SOEP fünf Erhebungsinstrumente, mit denen bildungsrelevante Informationen erfragt werden (vgl. Tab. 1). Diese richten sich teilweise an unterschiedliche Altersgruppen und bilden verschiedene Bereiche des Bildungsverlaufs ab. Als erstes erfasst der Personenfragebogen die aktuelle Bildungsbeteiligung von Personen ab 17 Jahren. Zweitens wird die Bildungsbeteiligung und Betreuung von Kindern bis 16 Jahren, die in einem SOEP-Haushalt leben, im Haushaltsfragebogen erfasst. Drittens werden seit dem Erhebungsjahr 2003 Mütter zu ihren neu geborenen und dann heranwachsenden Kindern befragt (Mutter-Kind-Fragebögen). Gegenwärtig gibt es drei Fragebögen, die sich an Mütter mit Kindern in unterschiedlichen Altersgruppen richten (0–1, 2–3, 5–6 Jahre). Diese enthalten u. a. Angaben zu Schwangerschaft und Geburt sowie Angaben zur Gesundheit und Entwicklung des Kindes. Weitere Fragebögen für Mütter mit älteren Kindern (8–9 und 12–13 Jahre) sind in Planung und sollen erneut (vgl. Schupp, Spieß & Wagner 2008) in Zusammenarbeit mit einschlägigen Expertinnen und Experten für diese Altersgruppen weiterentwickelt werden.

Tab. 1 Erhebungsinstrumente des SOEP mit Relevanz für die Bildungsforschung

Neben diesen Instrumenten, die zur prospektiven Erhebung von Informationen verwendet werden, gibt es zwei retrospektiv angelegte Lebenslauf-Fragebögen: Viertens werden erwachsene Befragungspersonen beim Eintritt ins SOEP zu ihrem bisherigen Leben befragt (Lebenslauf). Aus Sicht der Bildungsforschung sind dabei u. a. die Angaben zu erreichten Bildungsabschlüssen, zum Alter bei Verlassen des Schulsystems und zur Bildungsbeteiligung ab dem Alter von 15 Jahren von Interesse. Seit 2000 ist fünftens zusätzlich ein Jugendfragebogen im Feld, der sich insbesondere an die Jugendlichen richtet, die in einem SOEP-Haushalt aufgewachsen sind (aber auch an andere Erstbefragte im Alter von 17 Jahren). Themen sind die bisherige und aktuelle Bildungsbeteiligung (u. a. mit Angaben zu den letzten Schulnoten und zur Grundschulempfehlung), individuelle BildungsaspirationenFootnote 4 und außerschulische Aktivitäten. Seit 2006 werden im Rahmen der Jugendbefragung mit einem zusätzlichen Instrument kognitive Potenziale der etwa 17-Jährigen erfasst (vgl. Abschnitt 3.1).

Im Folgenden sollen zunächst die querschnitts- und übergangsbezogenen Analysemöglichkeiten der Bildungsbeteiligung im SOEP dargestellt werden. Eine tabellarische Übersicht über die im SOEP enthaltenen Informationen zu Bildung findet sich im Anhang (Tab. A1). Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich aufgrund des unterschiedlichen Alters der Personen bei Eintritt ins SOEP und der Veränderung von Erhebungsinstrumenten über die Zeit die Datenlage für einzelne Untersuchungsgruppen deutlich unterscheidet (vgl. Abschnitt 3). Die reichhaltigsten Informationen liegen für Kinder vor, die in einem SOEP-Haushalt geboren wurden.

2.1 Frühkindliche Bildung

Seit Beginn der Befragung im Jahr 1984 wird die institutionelle Betreuung aller im Haushalt lebenden Kinder jährlich über den Haushaltsfragebogen erhoben.Footnote 5 Damit können auf der Basis des SOEP sogar frühkindliche Bildungsprozesse vor dem Elementarbereich untersucht werden. Die Angaben zu Kindertageseinrichtungen und auch zur –tagespflege sind die Basis für eine Reihe von Studien, deren Anfänge in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre liegen. Sie beschäftigen sich mit der Frage, mit welchen Faktoren die Inanspruchnahme von Kindertageseinrichtungen (und der -tagespflege) zusammenhängt (vgl. für einige der ersten Studien Merkle 1994; Binder & Wagner 1996 oder Spiess 1997 sowie für neuere Studien Büchner & Spieß 2007; Coneus, Goeggel & Muehler 2007; Wrohlich 2007; Fuchs-Rechlin 2008). Mit diesen Studien kann sehr deutlich der signifikante Zusammenhang zwischen sozio-ökonomischen Merkmalen der Eltern und dem Besuch einer Kindertageseinrichtung belegt werden.

Im Jahr 2003 ist das Erhebungsprogramm für den Bereich der frühen Kindheit durch die Einführung der Mutter-Kind-Fragebögen gezielt ausgebaut worden. Darin werden neben der Kinderbetreuung auch weitere Bereiche der frühkindlichen Entwicklung und der Elternschaft abgefragt. Die Einführung der Mutter-Kind-Fragebögen stellt eine Reaktion auf das wachsende Forschungsinteresse an der frühen Kindheit und der These von der prägenden Bedeutung der ersten vier Lebensjahre für die gesamte weitere Entwicklung (vgl. z. B. Shonkoff & Phillips 2000 sowie Heckman 2006) dar. Sie ist aber zugleich Ausdruck der Erfahrung, dass ein institutionell gefördertes und wissenschaftlich verantwortetes Haushaltspanel tatsächlich Laufzeiten erreichen kann, die die intensive Erhebung frühkindlicher Entwicklungen enorm lohnend machen. So wurde in der Panel Study of Income Dynamics (PSID) knapp 30 Jahre nach Start des Haushaltspanels im sogenannten „Child Development Supplement“ die systematische Ergänzung der PSID-Daten zur frühen Kindheit und Jugend durchgeführt (Moore & Vandiverer 2007).

Der Fragebogen für Neugeborene enthält Fragen zu Schwangerschaft (u. a. auch nach dem körperlichen und seelischen Wohlbefinden der Mutter), Geburt, diagnostizierten Verzögerungen beim Kind, Störungen oder Behinderungen beim Kind, Häufigkeit der Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe, Krankenhausaufenthalten im ersten Lebensjahr, Veränderungen in den Lebensumständen durch die Geburt des Kindes und die Einstellung der Mutter zum Kind. Im Fragebogen für 2- bis 3-Jährige werden die Mütter über das Temperament, die Persönlichkeit, die Gesundheit und auch den Medien- und Sprachgebrauch befragt. Dieser Fragebogen enthält auch ein erstes Entwicklungsmaß für Kinder (vgl. dazu Abschnitt 3.1). Für die erste Geburtskohorte (Jahrgang 2002) wurde im Jahr 2008 die dritte Mutter-Kind-Befragung durchgeführt. Für die dann Fünf- und Sechsjährigen, die vor der Einschulung stehen, werden wieder Fragen zur Kinderbetreuung, Gesundheit und den Aktivitäten des Kindes gestellt. Auch hier werden Entwicklungsmaße erhoben (vgl. dazu Abschnitt 3.1.).

Pro Geburtskohorte enthält das SOEP etwa 200 bis 300 Kinder. Das bedeutet, dass bei den 0- bis 1-Jährigen mit dem SOEP-Release des Jahres 2008 bereits etwa 1.250 Beobachtungen vorliegen, bei den 2- bis 3-Jährigen immerhin mehr als 700 (jeweils Erhebungsjahr 2007; für erste deskriptive Analysen vgl. Schupp & Spieß 2008). Die Fallzahlen sind also bereits jetzt für eine Reihe von Analysen zu Bildungsprozessen im frühen Kindesalter ausreichend. Entsprechend der grundsätzlichen Anlage von Geburtskohortenstudien sind Analysen zum weiteren Bildungsverlauf, beispielsweise zum Schulerfolg unter Berücksichtigung der frühkindlichen Erfahrungen, allerdings erst später durchführbar (zu geplanten weiteren altersspezifischen Instrumenten vgl. Abschnitt 2).

2.2 Schulbesuch und Bildungsabschlüsse

Informationen zur Bildungsbeteiligung werden im SOEP aus unterschiedlichen Perspektiven erhoben. Im Haushaltsfragebogen, der von einer erwachsenen Person des Haushalts beantwortet wird, finden sich Angaben zu allen in einem Haushalt lebenden Kindern, wobei Kinder als Personen bis zum Alter von 16 Jahren definiert sind. Angaben zu Bildungsabschlüssen von Personen ab 17 Jahren werden über unterschiedliche Instrumente (Personenfragebogen, Lebenslauffragebogen und Jugendfragebogen) erfasst und in vereinheitlichter Form in entsprechenden generierten Variablen abgelegt. Grundsätzlich wird dabei nach dem besuchten Schultyp und den erworbenen Abschlüssen gefragt.

Diese Informationen werden in einer Reihe von Studien zu Bildungsentscheidungen nach Ende der Primarstufe verwendet. Die diversen Spielarten von Bildungsentscheidungstheorien betonen den investiven Charakter von Bildungsentscheidungen, die im Spannungsfeld der in der Herkunftsfamilie gegebenen Ausgangsbedingungen und der antizipierten Zukunft der Heranwachsenden stehen (vgl. Boudon 1974; Breen & Goldthorpe 1997; Esser 1999; auch Becker & Tomes 1979).Footnote 6 Beispiele für entsprechende Analysen sind die Studien von Schneider (2004) und Tamm (2007), die zeigen, dass das Einkommen bzw. der Arbeitsmarktstatus zum Zeitpunkt des Übergangs einen Einfluss auf die Bildungsentscheidung hat. Zu nennen sind auch Studien, die nicht allein einzelne Übergänge betrachten, sondern längere Abschnitte des Bildungsverlaufs. So untersucht Thorsten Schneider (2005, 2008) die Wahrscheinlichkeit des vorzeitigen Verlassens des Gymnasiums über die Dauer von sechs Jahren. Allerdings sind auch längere Episoden des Bildungsverlaufs mit dem SOEP abbildbar.

Diese Möglichkeit wird in einer zweiten Gruppe von Studien genutzt, die die Frage untersuchen, inwieweit sich der Besuch von Kindertageseinrichtungen und damit vorschulische Bildungserfahrungen auf den späteren Schulerfolg auswirken (vgl. z. B. für eine der ersten Studien Spiess, Büchel & Wagner 2003 sowie neuere Studien von Becker & Lauterbach 2007; Bertelsmann Stiftung 2008; Büchner & Spieß 2007 und Landvoigt, Mühler & Pfeiffer 2007). In derselben Weise gehen Kratzmann und Schneider (2008) vor, die den Einfluss der sozialen Herkunft und des Kindergartenbesuchs auf die Wahrscheinlichkeit von Rückstellungen und Früheinschulungen betrachten. Da bislang keine Kompetenzmessung im Grundschulalter erfolgt, liegen neben der Information, dass ein Kind die Grundschule besucht, nur wenige weitere Daten zum Primarbereich vor. Im Rahmen des Jugendfragebogens werden seit 2000 retrospektiv die Grundschulempfehlung und die Wiederholung von Jahrgangsstufen abgefragt. Studien, die diese Informationen nutzen, sind jedoch noch rar (vgl. aber Becker 2004 und Francesconi, Jenkins & Siedler 2005, 2009).

Prinzipiell nutzbar sind auch die im SOEP enthaltenen detaillierten Angaben zu (Aus-)Bildungsabschlüssen. Sie werden jährlich retrospektiv für das vergangene Kalenderjahr erfragt. Bei beruflichen Ausbildungen und Hochschulabschlüssen wird jeweils umfassend der Ausbildungsberuf bzw. die Fachrichtung erhoben. Diese detaillierten Daten liegen bislang nicht in vollständig aufbereiteter Form vor und sind daher noch nicht Teil der standardmäßigen Datenweitergabe. Sie können aber prinzipiell genutzt werden. Seit 2000 wird zudem explizit erfragt, ob die Beendigung einer Ausbildung mit oder ohne Abschluss erfolgte und seit 2005, ob der Abschluss in Deutschland oder im Ausland erfolgte. Über diese Angaben werden auch die bei jeder Befragungsperson erhobenen Angaben zum Bildungsabschluss aktualisiert. Diese liegen in folgender Form vor: Es gibt jeweils eine Variable zum höchsten allgemeinen Schulabschluss, zum beruflichen Bildungsabschluss und zum Hochschulabschluss.Footnote 7 Die getrennte Erhebung von beruflicher Ausbildung und (Fach-)Hochschulabschluss erlaubt es, beide in ihrer Abfolge zu untersuchen. Die Angaben werden auch für international vergleichende Analysen aufbereitet (ISCED- und CASMIN-Klassifikation, idealtypische Bildungsjahre).Footnote 8

Für Analysen, in denen der Abschluss als Indikator für den Bildungserfolg verwendet wird, sind die verfügbaren Fallzahlen relativ hoch, da entsprechende Angaben für fast alle jemals Befragten vorliegen (derzeit mehr als 45.000 Personen). Daher sind beispielsweise auch Vergleiche mit weiter zurückreichenden Alterskohorten möglich. Diese Analysestrategien verfolgen sowohl Studien zum Einfluss der sozialen Herkunft beim Übergang in die Sekundarstufe (vgl. auch Riphahn 2005; Heineck & Riphahn 2007) wie auch ihr Einfluss auf den Erwerb tertiärer Bildung (Müller & Pollak 2004; Mayer, Müller & Pollak 2007; Lauer 2003, 2006).Footnote 9 So gehen beispielsweise Müller und Pollak (2004) der Frage nach, ob Herkunftseffekte bei der Entscheidung für oder gegen den Hochschulbesuch nach Erlangen der Hochschulreife eine Rolle spielen.Footnote 10 Es zeigt sich, dass Abiturienten mit Eltern aus höheren Erwerbsklassen eine höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen, ein Studium aufzunehmen.Footnote 11 Diese Unterschiede haben sich über die Zeit verringert, bestehen aber weiter fort. Müller und Pollak (2004) argumentieren, dass hier vor allem Kosten-Nutzen-Abwägungen eine Rolle spielen. Primäre Effekte sollten weniger relevant sein, da die Leistungen der Schüler immerhin soweit einheitlich sind, dass sie ausreichend waren, um das Abitur zu erlangen. Eine Möglichkeit, die Annahme der Vergleichbarkeit der Leistungen zu überprüfen, wäre die Berücksichtigung von Schulnoten oder der Ergebnisse der kognitiven Tests, die aber erst in den letzten Jahren ins Erhebungsprogramm des SOEP aufgenommen wurden (vgl. Abschnitt 3.1).

2.3 Aspirationen und Arbeitsmarkteinstieg

Ein größerer Bereich der Bildungsforschung beschäftigt sich mit Fragen des Übergangs aus dem Bildungssystem in den Arbeitsmarkt (vgl. allgemein Shavit & Müller 1998 sowie als Beispiele für SOEP-Analysen Büchtemann, Schupp & Soloff 1993; Scherer 2001; Kurz & Steinhage 2002; Scherer 2005). Hierfür ist es notwendig, den Bildungsverlauf und die erste Erwerbstätigkeit zu beobachten (und ggf. weitere). Die aktuelle Erwerbstätigkeit gehört mit zu den zentralen Erhebungsinhalten des SOEP. Es liegt also eine Vielzahl von Informationen vor, über die an dieser Stelle kein umfassender Überblick gegeben werden kann. Pro Jahr wurden bislang etwa 120 bis 280 Ersteinstiege in den Arbeitsmarkt erfasst, sodass für den gesamten Erhebungszeitraum seit 1984 mehr als 4.000 Beobachtungen vorliegen. Für etwa ein Viertel dieser Fälle wurde auch bereits der Übergang aus der Grundschule beobachtet. Dies kann in etwa als Orientierung dafür dienen, für wie viele Befragte sowohl ein größerer Teil des Bildungsverlaufs als auch der Einstieg in den Arbeitsmarkt beobachtet wurde. Grundsätzlich ist allerdings anzumerken, dass die hier ausgewiesenen Zahlen nicht unterscheiden, inwieweit es sich bei den Einstiegen in den Arbeitsmarkt um Übergänge handelt, die noch während der Ausbildung erfolgt sind (z. B. Nebenjobs) oder um Übergänge nach der Beendigung der Ausbildung. Weitaus größere Fallzahlen stehen zur Verfügung, wenn die Analysen nicht allein auf prospektiv erhobenen Angaben basieren, sondern auch Retrospektivangaben verwenden. So wird im Rahmen des Lebenslauffragebogens auch der Berufseinstieg (einschließlich Angaben zur beruflichen Tätigkeit) erfragt. Diese Angaben liegen für den größten Teil der befragten Personen vor.Footnote 12

Seit der Einführung des Jugendfragebogens im Jahr 2000 werden jedoch nicht allein Informationen zu erfolgten Arbeitsmarkteinstiegen erhoben, sondern auch die (weiteren) Bildungsaspirationen, Einstellungen zur Berufswahl und Zukunftsaussichten der etwa 17-Jährigen. Einerseits wird darüber eine Überprüfung des Einflusses schicht- bzw. klassenspezifischer Aspirationen und Statuserhaltungsmotive ermöglicht (vgl. Gambetta 1987; Breen & Goldthorpe 1997). Andererseits erlaubt die Erhebung von Bildungsaspirationen und Zukunftsaussichten eine Abbildung der Entstehung von Bildungsentscheidungen als längerfristigem Prozess und nicht als punktuelle Entscheidung. So wird sich beispielsweise die aktuell diskutierte „Ablenkungsthese“ (vgl. Müller & Pollak 2004; Hillmert & Jacob 2005; Becker & Hecken 2008), die auf die niedrigeren Übergangsraten von Arbeiterkindern mit Abitur in tertiäre Ausbildungsgänge zielt, auf Basis der erhobenen SOEP-Daten überprüfen lassen.Footnote 13

Konkret wird im Jugendfragebogen nach den angestrebten Bildungsabschlüssen und dem angestrebten Beruf gefragt. Außerdem wird erhoben, in welchem Alter die finanzielle Unabhängigkeit erreicht werden soll. Damit liegt eine wichtige Information vor, um Kosten-Nutzen-Abwägungen bei Bildungsentscheidungen besser abbilden zu können. Einstellungen zur Berufswahl werden über einen Block von vier allgemeinen Aussagen (z. B. Zustimmung zu der Aussage „Mir geht es nicht darum, den einzig richtigen Beruf zu finden. Ich lasse einfach auf mich zukommen, was sich bietet“) und die Beurteilung der Wichtigkeit von zwölf Faktoren, die bei der Berufswahl berücksichtigt werden können, erhoben (z. B. sichere Berufsstellung, hohes Einkommen). Über ein drittes Instrument wird erfragt, für wie wahrscheinlich das Eintreten bestimmter Ereignisse in der privaten und beruflichen Entwicklung eingeschätzt wird (z. B. gewünschten Beruf bekommen, sich selbständig machen, ein Kind haben).Footnote 14 Gegenwärtig wird ein spezielles Modul zur Bildungsaspiration von Eltern vorbereitet und pilotiert.

2.4 Weiterbildung und lebenslanges Lernen

Bildungsprozesse sind jedoch nicht mit dem Arbeitsmarkteinstieg abgeschlossen. Ausbildungsaktivitäten werden im SOEP auch im weiteren Lebensverlauf beobachtet. Handelt es sich dabei um eine Schulausbildung, eine berufliche Ausbildung oder ein Studium, werden diese Ausbildungsschritte über die bereits dargestellten Instrumente erfasst. Eine wichtige Rolle bei der Anpassung von Qualifikationen an geänderte Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt spielt jedoch auch die allgemeine und berufliche Weiterbildung. Die Weiterbildungsaktivitäten lassen sich aus vier Perspektiven abbilden (für einen Überblick über empirische Studien auf Basis des SOEP vgl. Bellmann 2003; Büchel & Pannenberg 2004; Kuwan et al. 2006).

Erstens werden abgeschlossene Umschulungen und sonstige Ausbildungen über eine jährlich gestellte Retrospektivfrage erfasst, die nach den Ereignissen im letzten Jahr fragt. Die jährlichen Fallzahlen sind jedoch vergleichsweise gering ( < 100 Fälle), sodass sich diese Daten nur gepoolt über mehrere Jahre analysieren lassen. Die zweite Möglichkeit besteht in der Analyse der Angaben zum Befragungszeitpunkt für diejenigen, die sich aktuell in einer Einrichtung des Bildungssystems befinden. Hier werden größere Fallzahlen erreicht (etwa 150 bis 450 Fälle pro Jahr). Da relativ detailliert nach der Art der Weiterbildung gefragt wird, eignen sich diese Angaben zur Analyse des Weiterbildungsverhaltens oder der Struktur der Weiterbildungsteilnehmer im Zeitverlauf (vgl. z. B. Schömann & Leschke 2007). Drittens erfolgt eine vollständige Erfassung der Weiterbildungsaktivitäten innerhalb eines bestimmten Zeitraums (letztes Jahr) auch über das Erwerbskalendarium, in dem monatsgenau der Erwerbsstatus erfasst wird. Jedes Jahr geben mehrere 100 Personen an, an einer „Fortbildung, Umschulung oder beruflicher Weiterbildung“ teilgenommen zu haben. Viertens können mithilfe des SOEP Befragungsschwerpunktes „Weiterbildung und Qualifizierung“ berufliche Weiterbildungsaktivitäten im Lebensverlauf analysiert werden (vgl. z. B. Pannenberg 1995; Behringer 1999; Pischke 2001; Mühler, Beckmann & Schauenberg 2007). Gefragt wird nach Weiterbildungsaktivitäten in den jeweils letzten drei Jahren. Dieser thematische Schwerpunkt wurde bereits 1989 erstmals in Westdeutschland durchgeführt und in den Jahren 1993, 2000, 2004 sowie 2008 wiederholt.Footnote 15

3 „Von der Wiege bis zu Bahre“: Die Perspektive des gesamten Lebensverlaufs

Die im vorangegangenen Abschnitt dargestellten Indikatoren der Bildungsbeteiligung werden überwiegend im Querschnitt oder für einzelne Übergänge im Bildungssystem genutzt. Die Nachbildung von Bildungsprozessen über den gesamten Lebensverlauf hinweg erfordert idealerweise einen Beobachtungszeitraum, der bereits vor der Geburt (d. h. in der Schwangerschaft) beginnt und bis zum Eintritt in den Arbeitsmarkt und weit darüber hinaus reicht (Abb. 1). Mit dem Ziel der Erfassung derart langer individueller Lebensverläufe im SOEP sind parallel auch methodische und theoretische Innovationen verbunden, die darauf zielen, die individuelle Entwicklung von Fähigkeiten, aber auch der Gesundheit und Persönlichkeit, besser erfassen zu können. Insbesondere die zeitlichen „Ränder“ des Lebens, die Schwangerschaft und frühe Kindheit, aber auch die Phase vor dem Tod und das Nachleben einer Person in der Erinnerung der Verbliebenen, stellen zentrale Bereiche für surveymethodische Innovationen dar, die die humanistische Idee der Einheit von Lebens- und Bildungsgeschichte der empirischen Analyse zugänglich macht. Indem die ganze Lebensgeschichte der Person in den Blick rückt, ist davon auszugehen, dass sich künftig gleichzeitig die Erklärungskraft und Analysepower für spezifische institutionelle Übergänge erhöhen.

Abb. 1
figure 1

Bildungsprozesse in Längsschnittperspektive

Dabei sind vor allem die Familie und Bildungsinstitutionen als Kontexte entscheidend, die nicht nur punktuell, sondern über lange Zeiträume auf die individuelle Entwicklung wirken. Die Familie bietet nicht nur das prägende Umfeld für Bildungsprozesse im frühen Kindesalter, sondern hat auch einen Einfluss auf den weiteren Bildungsverlauf (sehr deutlich wird dies bei zentralen Bildungsentscheidungen). Aber auch aus weiteren Kontexten – beispielsweise der Peer-Group, dem außerschulischen oder dem betrieblichen Umfeld, aber auch der allgemeinen wirtschaftlichen Lage – ergeben sich Anreize und Restriktionen, die einen Einfluss auf den Kompetenzerwerb und auf Bildungsentscheidungen haben. Bildungsprozesse in Familien und Peer-Gruppen sind zugleich als reziproke bzw. simultane Prozesse zu sehen, in die alle Beteiligten involviert sind.

Im Gegensatz zu den meisten bildungsspezifischen Studien, deren Stichprobenzugang über Institutionen wie Kindertageseinrichtungen oder Schulen erfolgt (beispielsweise BiKS, LAU, TOSCA, in Zukunft auch NEPS), ist das SOEP als Haushaltsstichprobe der gesamten Wohnbevölkerung Deutschlands angelegt. Durch den Zugang über Haushalte ist eine umfassende Darstellung des familiären Kontexts gewährleistet, die es beispielsweise auch erlaubt, parallele bzw. aufeinander bezogene Bildungsprozesse aller Familienmitglieder zu verfolgen. In den letzten Jahren wurden auch verstärkt methodische Innovationen im SOEP durchgeführt, die gezielt versuchen, die Messung von individuellen Entwicklungen von der Geburt an zu verbessern sowie bei Teilgruppen der SOEP-Stichprobe Kompetenzen zu ermitteln. Die institutionellen Kontexte werden im SOEP bislang noch weniger gut oder gar nicht abgedeckt; hier sind für die Zukunft gezielte Verbesserungen geplant, die derzeit bereits getestet werden. Bedingt durch die Konzeption des SOEP als Stichprobe privater Haushalte werden sehr unterschiedliche familiale Entwicklungen, sei es die Trennung der Eltern, die Erwerbslosigkeit von Eltern oder auch Veränderungen in deren Lebenszufriedenheit, ab Geburt erfasst und zwar dann, wenn ein Kind in einem Befragungshaushalt geboren wird.Footnote 16 Außerdem ist das SOEP eine der wenigen Studien mit umfangreichen Bildungsinformationen, die das gesamte Bundesgebiet abdeckt, d. h. nicht regional begrenzt ist. Eine Nachbildung längerer Verläufe auf Basis einer bundesweiten Stichprobe ist aktuell allein mit dem SOEP möglich.Footnote 17

Über die inzwischen 25-jährige Laufzeit des SOEP sind Kinder in Panelhaushalten geboren worden und herangewachsen. Kinder, die bei der ersten Befragung gerade eingeschult wurden, haben inzwischen ihre Ausbildung abgeschlossen. Andere Kinder haben bedingt durch berufliche Veränderungen ihrer Eltern die Bildungsinstitution oder das Bundesland gewechselt. Kinder, die beim Start der SOEP-Erhebung kurz vor dem Schulabschluss standen, haben inzwischen vielfach selbst Kinder. Damit wiederum wächst das Potenzial für multigenerationale Analysen von Bildungsungleichheiten über drei Generationen hinweg, die – wie die Kontroverse zwischen Rolf Becker (2007) sowie Marek Fuchs und Michaela Sixt (2007a, b) zeigt – auch neue methodische Probleme aufwirft. Neben den ‚natürlichen‘ Veränderungen sind auch durch zusätzliche SOEP-Stichproben neue Befragte hinzugekommen.

Tab. 2 Untersuchungsgruppen und verfügbare Informationen

Aufgrund des unterschiedlichen Alters von Personen bei Eintritt ins SOEP und der Veränderung von Erhebungsinstrumenten über die Zeit unterscheidet sich die Datenlage für einzelne Untersuchungsgruppen teilweise deutlich. Wie bereits in Abschnitt 2 angesprochen, eignet sich nicht die gesamte Stichprobe des SOEP für umfangreiche Analysen von Bildungsverläufen. Folgende Gruppen können unterschieden werden (vgl. Tab. 2):

  • Die umfangreichsten Informationen liegen für Kinder vor, die in einem SOEP-Haushalt geboren wurden. Dies sind Kinder der Geburtsjahrgänge 1983 und jünger, wobei für die Jahrgänge ab 2002 durch die Einführung der Mutter-Kind-Fragebögen noch detailliertere Angaben zur frühkindlichen Entwicklung vorliegen. Betrachtet man die älteren Jahrgänge der ersten Gruppe sind dies im Idealfall Kinder, die während des Erhebungszeitraums geboren wurden und nach Erreichen des Befragungsalters selbst Befragungsperson geworden sind. Wie Abb. 2 zeigt, ist diese Gruppe inzwischen auf mehr als 500 Personen angewachsen. Mit jedem weiteren Erhebungsjahr werden – geht man von der Entwicklung der letzten Jahre aus – mehr als 100 neue Fälle hinzukommen.

  • Sehr viel größer ist jedoch eine zweite Gruppe, nämlich die derjenigen, die einen Teil ihrer Kindheit in einem SOEP-Haushalt verbracht haben; dies sind die Geburtsjahrgänge 1968 und jünger (etwa 4.750 Fälle). Für diese Kinder ist zwar nicht der gesamte Lebensverlauf ab Geburt beobachtet, häufig aber zentrale Übergänge wie z. B. der aus der Grundschule in die Sekundarstufe I oder von der Schule in eine Ausbildung oder vom Studium in den Arbeitsmarkt.

  • Deutlich weniger Informationen liegen für eine dritte Gruppe von Befragten vor: Diejenigen, die zum ersten Mal im Erwachsenenalter im SOEP erfasst wurden. Wenn der Eintritt ins SOEP erst nach dem letzten schulischen Bildungsabschluss erfolgt, beschränken sich Bildungsangaben auf das Alter bei Verlassen des Schulsystems, allgemeine Angaben zur Bildungsbeteiligung ab 15 Jahren, die höchsten Bildungsabschlüsse und aktuelle Weiterbildungsaktivitäten. Wie bei allen Befragten gibt es aber Angaben zur Erwerbsklasse bzw. zum beruflichen Prestige und zur Bildung der Eltern, sodass historisch relativ weit zurückreichende Kohortenvergleiche bezüglich der erreichten Qualifikation und Herkunftseffekte durchgeführt werden können. Die Informationen über die Eltern sind auch für intergenerationale Analysen im Bereich der Bildungsforschung von Interesse.

Abb. 2
figure 2

Beobachtungen ab Geburt (Fallzahlen nach Geburtsjahr und Erhebungsjahr)

3.1 Messung kognitiver und nicht-kognitiver Fähigkeiten

Ein zentrales Element in vielen Studien zu Schule und Bildung ist die Messung von Schulleistungen und Kompetenzen. Auch bei der Weiterentwicklung der Erhebungsinstrumente im SOEP ist diesem Bereich in den letzten Jahren eine verstärkte Bedeutung zugekommen. Im Gegensatz jedoch zur Bildungsbeteiligung, die für einen Teil der Stichprobe vollständig abgebildet wird, erfolgt die Erhebung von Leistungen und Kompetenzen bislang nur zu einzelnen Zeitpunkten im Lebensverlauf und nicht für sämtliche Altersgruppen (zu einem kritischen Überblick über unterschiedliche Kompetenzkonzepte in den Sozialwissenschaften vgl. Klieme & Hartig 2008). Nicht nur aufgrund der prospektiven Beobachtungen von Geburtskohorten über die Mutter-Kind-Fragebögen, sondern auch durch die im Jahr 2006 bzw. 2007 begonnene Erhebung kognitiver Potenziale von Jugendlichen und Erwachsenen werden jedoch mittelfristig im SOEP mehr Informationen in diesem Bereich vorliegen. Da diese Erweiterungen größtenteils zusätzlich zum bestehenden Erhebungsprogramm erfolgen, werden die entsprechenden Instrumente nicht den Umfang von Erhebungen erreichen, deren Schwerpunkt in genau diesem Bereich liegt (wie beispielsweise das künftige nationale Bildungspanel oder auch das von der OECD initiierte „Programme for the International Assessment of Adult Competencies – PIAAC“). Verglichen mit dem früheren Status quo des SOEP ermöglichen die bereits umgesetzten bzw. die geplanten Neuerungen – vor allem in Kombination mit dem übrigen umfassenden Datenbestand – jedoch eine deutliche Ausweitung der Analysemöglichkeiten.

Für den Bereich der frühen Kindheit sind insbesondere die folgenden Entwicklungsmaße zu nennen, die über die Befragung der Mutter erhoben werden. So wird für zwei- bis dreijährige Kinder seit 2005 ein Maß zur Abbildung ihrer Alltagsfertigkeiten erfasst. Dieses Maß zum adaptiven Verhalten von Kindern beruht auf einer angepassten Version der deutschen Vineland-Skala, welche 20 Einzelitems umfasst (vgl. dazu Schmiade, Spieß & Tietze 2008). Seit 2008 wird – auch über die Mütter – für fünf- bis sechsjährige Kinder deren Persönlichkeit (Big-Five Inventory aus 10-Items) und deren Sozialverhalten erhoben (angepasste Version des Strength and Difficulties Questionaire – SDQ mit 17 Items; für eine theoretische Herleitung vgl. auch Weinert et al. 2007). Letzteres ist ein wichtiges Entwicklungsmaß zur Abbildung der sozio-emotionalen Kompetenzen. Insbesondere das Entwicklungsmaß für zwei- bis dreijährige Kinder wurde bereits in einigen Studien verwandt. Als ein Beispiel kann die Studie von Coneus und Pfeiffer (2007) gelten, die den Einfluss elterlicher Merkmale und frühkindlicher Bildungsinvestitionen auf die Entwicklung des Kindes zeigen. Als Entwicklungsindikatoren verwenden sie u. a. das Geburtsgewicht und die adaptiven Fähigkeiten der 2- bis 3-Jährigen. Weiter sind die Studien von Cawley und Spiess (2008) sowie Mühler und Spieß (2008) zu nennen, die ebenfalls das adaptive Verhalten von Kindern als abhängige Variable verwenden. Letztere Studie ist außerdem ein Beispiel für eine Analyse, die informelle Förderangebote (wie z. B. Mutter-Kind-Gruppen, musikalische Früherziehung oder Kinderturnen) im Bereich der frühen Kindheit untersucht. Diese werden im SOEP seit 2006 in zweijährigem Rhythmus für alle Kinder unter 6 Jahren erfragt.

Mit dem Jugendfragebogen werden seit 2000 von allen 17-jährigen Erstbefragten als Selbstauskunft die Schulnoten in den zentralen Fächern Deutsch, Mathematik und in der ersten Fremdsprache des jeweils letzten Zeugnisses erhoben. Seit 2002 erfolgt eine Erhebung dieser Schulnoten auch für alle übrigen Personen, die erstmalig befragt werden (Lebenslauffragebogen). Die Informationen für die Jugendlichen gehen allerdings über die Schulnoten hinaus. So werden auch die Zufriedenheit mit den Schulnoten und die Wiederholung von Jahrgangsstufen abgefragt. Für Personen mit MigrationshintergrundFootnote 18 werden umfassend die Sprachkenntnisse erhoben. In regelmäßigen Abständen wird die Sprech- und Schreibkompetenz in Deutsch und in der Muttersprache abgefragt (Selbsteinschätzung). Seit 2006 sind diese Fragen auch Standardbestandteil des Jugendfragebogens, sodass seitdem für alle 17-Jährigen eine Messung der Sprachkompetenz vorliegt. Für die gesamte Stichprobe werden auch Aspekte der Sprachverwendung erhoben (Umgangssprache, Sprache der Zeitungslektüre). Während sich diese Fragen an Personen richten, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, gibt es auch Fragen, die auf den übrigen Fremdsprachenerwerb zielen. Im Jugendfragebogen wird erhoben, welche Fremdsprachen in der Schule gelernt wurden. Im Jahr 2000 wurden beispielsweise alle Erwerbstätigen gefragt, welche Fremdsprachen im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit benutzt werden (vgl. Tucci & Wagner 2003).

Während die bisher in diesem Abschnitt dargestellten Fragenbereiche auf die Erhebung von Selbst- oder Fremdauskünften von Fähigkeiten zielen, sind in den letzten Jahren auch standardisierte Instrumente zur Messung kognitiver Potenziale ins Befragungsprogramm aufgenommen worden. Um das kognitive Potenzial der Jugendlichen zu bestimmen, sind deren allgemeine kognitiven Fähigkeiten mit dem weit verbreiteten Intelligenz-Struktur-Test 2000R (Amthauer et al. 2001) getestet worden. Ausgehend von den speziellen Erhebungsbedingungen des SOEP wurden drei Subskalen ausgewählt, die den verbalen, numerischen sowie figuralen Bereich erfassen (vgl. Solga et al. 2005). Alle drei Subtests stammen aus dem Bereich fluider Intelligenz (Cattell 1987), deren Kombination ein zuverlässiges Maß für die allgemeine Denkfähigkeit (reasoning) darstellt. Seit 2006 wird im Rahmen der Erstbefragung der etwa 17-jährigen Jugendlichen ein etwa halbstündiger Test der drei Subtests durchgeführt. Im ersten Jahr wurden die Geburtsjahrgänge 1987 bis 1989 befragt, 2007 der Geburtsjahrgang 1990 und 2008 der Geburtsjahrgang 1991. Zusammengenommen werden mit Abschluss der Erhebung 2008 etwa 1.250 Fälle vorliegen. Die Ergebnisse der ersten Durchführung dieser Tests werden ab dem Jahr 2009 allen SOEP-Datennutzern verfügbar sein. Im Jahr 2006 wurde zudem für einen Teil der Gesamtstichprobe ein Schnelltest durchgeführt, in dem die Konzepte der „kognitiven Mechanik“ und der „intellektuellen Pragmatik“ erhoben werden (vgl. Lang 2005 sowie Lang et al. 2007).Footnote 19 Zielsetzung der Auswahl von erprobten kognitiven Tests für das SOEP war dabei, solche Aspekte der kognitiven Funktionstüchtigkeit zu erfassen, die eine gute Abschätzung von individuellen Differenzen im Bereich der kognitiven Fähigkeiten gewährleisten und damit einen über Bildungs- und Erwerbseinflüsse hinaus gehenden gruppenspezifischen Vorhersage- und Erkenntnisgewinn in Panel- und Survey-Erhebungen versprechen. Dies wird erreicht, wenn neben kulturfreien auch stärker bildungsnahe Indikatoren der intellektuellen Kompetenz kombiniert einbezogen werden, um so verschiedene Komponenten der mentalen Fähigkeiten differenzieren zu können. Im Rahmen dieses Anspruchs wurden zwei ultrakurze Tests zur Erfassung von Indikatoren der Wahrnehmungsgeschwindigkeit („speed“) und der Wortflüssigkeit („word fluency“) entwickelt, die im Kontext etablierter und standardisierter Testbatterien (HAWIE-R; BASECog) überprüft wurden (Lang et al. 2007). Erste inhaltliche Analysen zu diesen Kognitionsindikatoren im Rahmen von Humankapitalschätzungen haben Anger und Heineck (2008) vorgelegt. Die Ergebnisse dieser Kurztests sind allen SOEP-Nutzern seit dem Jahr 2008 zugänglich (Schupp et al. 2008). Beide Kurztests im SOEP folgen somit der Linie für künftige Entwicklungen im Bereich der Messung kognitiver Fähigkeiten, wie dies jüngst von Grabner und Stern (2008) skizziert wurde.

Ein weiterer Bereich, der zunehmend im SOEP erhoben wird, sind allgemeine Persönlichkeitseigenschaften. Diese können einerseits als Ergebnis von Entwicklungsprozessen interpretiert werden, aber andererseits auch in Analysen, die beispielsweise den Einfluss von Qualifikationen auf den Arbeitsmarkterfolg untersuchen, den Anteil unaufgeklärter Varianz reduzieren. Grundsätzlich wurden im SOEP bislang die folgenden Konzepte erhoben: angepasste Version des ‚Big-Five-Inventory-Tests‘, Kontrollüberzeugung, Reziprozität, Risikoneigung, Vertrauen und Fairness. Die meisten Konzepte werden nicht jährlich erhoben, was jeweils bei Analysen berücksichtigt werden muss. Langfristig ist vorgesehen, diese Persönlichkeitseigenschaften, die in der Ökonomie auch vielfach als nicht-kognitive Kompetenzen diskutiert werden (vgl. z. B. Ducksworth et al. 2008), in einem vier- bis fünfjährigen Replikationsrhythmus zu wiederholen (vgl. auch Schupp, Spieß & Wagner 2008).

3.2 Haushalt und Familie

Aufgrund seiner Anlage als Haushalts- und Personenbefragung sowie der Einbeziehung spezieller Migrationsstichproben enthält das SOEP umfangreiche Angaben zur sozialen und ethnischen Herkunft sowie zum familiären Hintergrund von Individuen. Diese Informationen sind für Fragen der Bildungsforschung von besonderem Interesse, da die Familie nicht nur das prägende Umfeld für Bildungsprozesse im frühen Kindesalter darstellt, sondern auch einen Einfluss auf den weiteren Bildungsverlauf hat. Grundsätzlich lassen sich drei Informationsquellen unterscheiden: Erstens werden für jede Befragungsperson über Standardinstrumente Angaben zur sozialen und ethnischen Herkunft erhoben. Dies umfasst die Angaben zur beruflichen Tätigkeit, zur beruflichen Stellung und zur Schul- und Ausbildung des Vaters und der Mutter (i.d.R. zum Zeitpunkt als die Befragungsperson 15 Jahre alt war). Außerdem wird seit einiger Zeit erfragt, ob die Eltern die deutsche Staatsbürgerschaft haben und in Deutschland geboren sind. In früheren Jahren lassen sich Personen mit Migrationshintergrund nicht immer eindeutig identifizieren, wenn sie in Deutschland geboren sind und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Die zweite und reichhaltigste Informationsquelle stellen jedoch die in den standardmäßigen jährlichen Befragungen erhobenen Daten dar. Für Personen, die als Kind mindestens ein Jahr in einem Befragungshaushalt gelebt haben, stehen sämtliche jemals gesammelten Angaben zu dem Haushalt und allen darin lebenden Personen zur Verfügung. Dies schließt nicht nur die prospektiv erhobenen Angaben ein, sondern auch retrospektive Daten wie die Erwerbstätigkeits- und Familienstandsbiographie und die Angaben zur sozialen Herkunft aller erwachsenen Haushaltsmitglieder. Zusätzlich zu den Angaben über die Eltern liegen darüber hinaus in vielen Fällen Angaben zu den Großeltern vor, sodass sich Möglichkeiten für mehrgenerational angelegte Analysen bieten. Ebenso wie für die Eltern werden (quasi ‚automatisch‘) auch Angaben zu allen im Haushalt lebenden Geschwistern (auch Zwillingen) erhoben, sodass sich auch in diese Richtung Analysemöglichkeiten bieten. Damit stehen für alle Haushaltsmitglieder vielfältige Informationen bereit. Zum Kernprogramm gehören Angaben zur Erwerbstätigkeit, zum Einkommen, zur Bildung und zur Lebenszufriedenheit. Darüber hinaus werden regelmäßig Freizeitaktivitäten, Aspekte der politischen Partizipation und die Einbindung in persönliche Netzwerke abgefragt, über die sich Aspekte des sozialen und kulturellen Kapitals operationalisieren lassen. Drittens werden – insbesondere über den Jugendfragebogen, aber auch über den Lebenslauffragebogen – retrospektiv Angaben zum eigenen Aufwachsen erhoben. Dieser umfasst Themen wie die Familienstruktur oder das Verhältnis zu den Eltern.

Viele der in Abschnitt 2 angesprochenen Studien nutzen Informationen zur Familie und zum Haushaltskontext. Zentral ist die Nutzung der Angaben zur Bildung der Eltern sowie zur sozialen und ethnischen Herkunft (vgl. Riphahn 2005; Heineck & Riphahn 2007; Müller & Pollak 2004; Mayer, Müller & Pollak 2007; Lauer 2003, 2006). Francesconi et al. (2005, 2009) untersuchen den Einfluss von Trennung, Scheidung und Verwitwung während der Kindheit auf den Bildungserfolg (vgl. auch Mahler & Winkelmann 2004). Bei der Analyse von Betreuungsentscheidungen spielt die Erwerbstätigkeit der Mutter eine zentrale Rolle (vgl. z. B. Büchel & Spieß 2002). In vielen Studien wird der Einfluss des aktuellen Haushaltseinkommens auf Bildungsentscheidungen betrachtet (vgl. T. Schneider 2004, 2008; Tamm 2007; Spiess & Wrohlich 2008). Das Beispiel „Einkommen“ verweist darauf, dass in einer Panelperspektive auch Faktoren zum Zeitpunkt einer Entscheidung oder eines Ereignisses berücksichtigt werden können, die nur schwer retrospektiv erfassbar sind.

3.3 Bildungsinstitutionen und weitere Kontexte

Kontexte für Bildungsprozesse umfassen neben der Familie und Bildungsinstitutionen auch außer-familiäre und außer-schulische Kontexte sowie weitere institutionelle und wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Wie im vorherigen Abschnitt bereits dargestellt, lässt sich der familiäre Kontext über die verfügbaren Haushaltsinformationen gut abbilden. Angaben zu den besuchten Bildungsinstitutionen liegen dagegen im SOEP kaum vor. In regelmäßigen Abständen werden die Träger von Schulen und Kindertageseinrichtungen für die in Befragungshaushalten lebenden Kindern erfasst. Außerdem wird im mehrjährigen Abstand gefragt, ob in den Einrichtungen ein Mittagessen angeboten wird und ob und in welcher Höhe Gebühren für den Besuch entrichtet werden. Im Jugendfragebogen und im Lebenslauffragebogen ist seit 2000 bzw. 2002 eine Frage zur ethnischen Zusammensetzung der gegenwärtig bzw. zuletzt besuchten Schulklasse enthalten. Für Ausländer, die in Deutschland einen Schulabschluss erworben haben, wurde bereits früher nach dem Ausländeranteil der Mitschüler gefragt.

Umfassender sind die Angaben zum Wohnumfeld, die auch Informationen zur Bildungsinfrastruktur enthalten. In regelmäßigen Abständen wird die Entfernung von der Wohnung zu Kindertageseinrichtungen und Schulen abgefragt (1986, 1994, 1999, 2004, 2009). Außerdem gibt es Informationen zum Gebäudetyp und zur Qualität des Wohnumfelds. Möglichkeiten zur Berücksichtigung des regionalen Kontextes bestehen über die verfügbaren Regionalangaben und die Angaben zum Gemeindetyp.Footnote 20 So weisen beispielsweise Spiess und Wrohlich (2008) auf Basis detaillierter Regionaldaten den Einfluss der Entfernung von einer Hochschule auf die Wahrscheinlichkeit nach, ein Studium zu beginnen. Teilweise sind diese Angaben jedoch aufgrund von Datenschutzbestimmungen nicht Teil der allgemeinen Datenweitergabe, sondern sind nur während Gastaufenthalten am DIW oder über Datenfernverarbeitung (SOEPremote) zugänglich. Damit besteht die Möglichkeit aus anderen Quellen verfügbare Aggregatdaten (beispielsweise Kinderbetreuungsdaten auf Kreisebene oder Schuldaten) mit den Befragungsdaten zu verknüpfen und darüber den institutionellen Kontext abzubilden. Prinzipiell kann so auch die Veränderung von Kontexten berücksichtigt werden. Dies setzt natürlich voraus, dass Aggregatdaten in über die Zeit konsistenter Form vorliegen.

4 Derzeitige Beschränkungen und geplante Erweiterungen

Im vorliegenden Beitrag wurden vor allem die Möglichkeiten der Nutzung des SOEP für die empirische Bildungsforschung dargestellt. Dabei wurde weniger auf bestehende Beschränkungen eingegangen. Diese sollen abschließend diskutiert werden. Basierend auf der Abb. 1 (vgl. Abschnitt 3) kann davon ausgegangen werden, dass bei einer längsschnittlichen Perspektive auf Bildungsprozesse grundsätzlich fünf zentrale Bereiche bedeutsam sind: (1) Bildungsbeteiligung/-übergänge, (2) Kompetenzerwerb über den Lebensverlauf, (3) soziale Herkunft/familiärer Hintergrund, (4) Bildungsinstitutionen und (5) weitere Kontextbedingungen, wie beispielsweise die sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Drei der fünf Bereiche lassen sich wie bereits dargestellt mit dem SOEP in einer längsschnittlichen Perspektive gut analysieren. Es gibt für einen ausreichend großen Teil der Stichprobe prospektiv erhobene Informationen zur Bildungsbeteiligung und zu Bildungsübergängen. Die Angaben zur sozialen Herkunft und zum familiären Hintergrund sind besonders reichhaltig. Durch die inzwischen fast 25-jährige Laufzeit des SOEP und die bundesweite Erhebung, die auch regionale Differenzierungen zulässt, sind Bildungsprozesse in unterschiedlichen sozialen und wirtschaftlichen Kontexten erfasst – allerdings können auch hier noch Kontextmerkmale ergänzt werden. Ergänzungsbedarf gibt es außerdem im Bereich der Kompetenzmessung und der weiteren Beschreibung von Bildungsinstitutionen, welche die SOEP Befragten nutzen.Footnote 21 Im Folgenden sollen diese weiter ausgeführt werden.

  • Kompetenzerwerb über den Lebensverlauf: Wie in Abschnitt 3.1 dargestellt, werden Schulleistungs- und Kompetenzindikatoren seit einigen Jahren insbesondere über die Mutter-Kind-Fragebögen, den Lebenslauffragebogen und den Jugendfragebogen erhoben. Gegenwärtig werden darüber entweder nur die Geburtskohorten seit 2002 erfasst, die – bis auf Ausnahmen – noch vor dem Eintritt in die Schule stehen. Oder die Messung bezieht sich auf einen – sehr viel späteren – Zeitpunkt im Lebensverlauf (i.d.R. wenn die Befragten etwa 17 Jahre alt sind). Aussagen über Schulleistungen seit dem Eintritt in die Schule liegen allein als retrospektive Angaben zur Wiederholung von Jahrgangsstufen und zur Grundschulempfehlung vor. Außerdem sind Sprachkenntnisse und Aspekte der Persönlichkeitsentwicklung zu nennen, die allerdings – außer bei den jüngsten Geburtskohorten – auch erst bei mindestens 17-Jährigen erhoben werden. Diese Beschränkungen bei der Kompetenzmessung können künftig, insbesondere über die Verfolgung des Geburtskohortenansatzes, verringert werden. Die Geburtsjahrgänge ab 2002 werden weiter über altersspezifische Instrumente erfasst, sodass in den nächsten Jahren auch Messungen für die weitere Phase des Bildungsverlaufs vorliegen werden, für die bislang fast ausschließlich die Bildungsbeteiligung erfragt wird.Footnote 22 Gleichzeitig fand mit der Befragung des Jahres 2006 ein Einstieg in die standardmäßige Messung kognitiver Potenziale von Erwachsenen statt, die in den nächsten Jahren weiterverfolgt wird. So sollen in einer der nächsten Erhebungswellen, also etwa im Fünfjahresrhythmus, die Messungen wiederholt werden, um mit dem SOEP erste Analysen zur Plastizität intellektueller Fähigkeiten bei Kontrolle materieller Umwelteinflüsse durchführen zu können (vgl. den Überblick in Kray & Lindenberger 2007). Außerdem wurden bereits erste Tests zur Erfassung der kognitiven Kompetenzen von fünfjährigen Kindern durchgeführt (für die konzeptionelle Einordnung vgl. Weinert et al. 2007).

  • Bildungsinstitutionen: Während der Zugang über Haushalte eine umfassende Nachbildung des familiären Hintergrundes ermöglicht, liegen Bildungsinstitutionen außerhalb der primären Untersuchungsperspektive im SOEP. Merkmale von Kindertageseinrichtungen und Schulen werden bislang nur unvollständig erhoben. Es wird deswegen konkret überlegt, die SOEP-Befragten nach dem Namen und der Adresse von Bildungsinstitutionen (Kindertageseinrichtungen, Schulen und Hochschulen) zu fragen, um die Möglichkeit zu erhalten, Informationen über diese Bildungseinrichtungen – sei es aus eigenen Erhebungen oder aus bereits vorliegenden Datenbeständen – mit den Individualdaten des SOEP zu verknüpfen. Wie die Beispiele des US-amerikanischen General Social Survey (GSS) oder der aktuellen Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS) zeigen, ist ein solches Vorgehen durchaus vorstellbar: Dort wurden die Namen und die Adressen der Arbeitgeber erfragt und entsprechende externe Informationen zugespielt. Als Pre-Test hat auch die SOEP-Forschergruppe bereits geprüft, inwiefern Befragte dazu bereit sind, die Adressen von Bildungseinrichtungen anzugeben und inwiefern diese Adressinformationen valide Informationen sind. Die Analysen zeigen, dass ein Großteil der Befragten bereit sind, die Adresse der Kindertageseinrichtung und der Schule anzugeben und diese Informationen auch sehr valide sind (vgl. auch Schupp, Spieß & Wagner 2008 sowie Meyermann et al. 2009).

  • Weitere Kontextbedingungen: Eine Berücksichtigung weiterer Kontextmerkmale, wie beispielsweise die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, ist über die Verknüpfung von Aggregatangaben auf regionaler Ebene mit den Befragungsdaten möglich. Aufgrund des langen Erhebungszeitraums von 1984 bis heute ist auch die Variation von Kontextmerkmalen nachbildbar, sofern interessierende Aggregatangaben auch in zeitlich veränderlicher Form vorliegen. Ein Bereich, der sich nur unzureichend über die Befragungsdaten und auch nicht über Aggregatdaten nachbilden lässt, sind außerschulische und außerfamiliäre Kontexte, wie beispielsweise der Freundeskreis von Heranwachsenden. Informationen über das persönliche Netzwerk sind allein für erwachsene Befragungspersonen verfügbar und auch diese bilden die betreffenden Kontexte nur teilweise ab (zum mittlerweile auch um Bildungshomogenität von Netzwerken erweiterten Erhebungskonzept vgl. Diewald et al. 2006).

Für spezifische Kohortenanalysen mit dem SOEP stellt es sich als Problem heraus, dass die Analyse einzelner Geburtsjahrgänge derzeit meist an zu geringen Fallzahlen scheitert. In vielen Fällen ist die Zusammenfassung mehrerer Geburtsjahrgänge zwar eine zufriedenstellende Möglichkeit, in anderen Fällen wäre dieses Problem aber allein durch eine Aufstockung der Gesamtzahl der Befragten zu lösen.Footnote 23 Ebenso könnte eine Ausweitung des Stichprobenumfangs des SOEP die Analysemöglichkeiten vergrößern. Ziel sollten Jahrgangsstärken von durchschnittlich 500 Fällen sein (vgl. Anger et al. 2008). Während der Zeitpunkt für eine größere SOEP-Aufstockung noch nicht feststeht, sind andere Entwicklungen bereits jetzt absehbar. In den folgenden Jahren werden zunehmend Informationen zur Entwicklung der Geburtsjahrgänge ab 2002 vorliegen. Angaben zur Bildungsbeteiligung werden weiter durch die Messung von Kompetenzen und kognitiven Potenzialen (bei Kindern und Erwachsenen) schrittweise ergänzt. Es ist es aber nicht nur das Ziel, die Analysemöglichkeiten des SOEP durch weitere Instrumente oder zusätzliche Fragen zu erhöhen, sondern auch die vorliegenden Daten in einer nutzerfreundlicheren Form verfügbar zu machen.

Grundsätzlich stehen die Daten etwa sechs bis sieben Monate nach Ende des jeweiligen Erhebungsjahres für die wissenschaftliche Nutzung im In- und Ausland zur Verfügung. Die Daten – einschließlich der im Jahr 2007 erhobenen 24. Welle – sind seit Juli 2008 verfügbar. Eine enge Kooperation der Datenproduzenten mit den übrigen zu den jeweiligen Inhalten arbeitenden Datennutzern ist für die erfolgreiche Umsetzung der hier skizzierten Weiterentwicklungen des SOEP eine wichtige Voraussetzung. Der Austausch ist bereits jetzt intensiv, eine zukünftige weitere Vertiefung wird angestrebt. Dieser Beitrag soll zu einem weiterhin konstruktiven Dialog sowie zur Zusammenarbeit mit empirischen Bildungsforschern anregen.