Zusammenfassung
Der Beitrag beschäftigt sich vor dem Hintergrund der Herausbildung einer „neuen Wissensordnung“, in der die traditionelle Arbeitsteilung zwischen Wissenschaft und Praxis zunehmend problematisch wird, mit der Situation der Soziologie. Für die Zukunft der Disziplin wird es von entscheidender Bedeutung sein, ihre Praxisrelevanz unter den veränderten Rahmenbedingungen unter Beweis zu stellen. Diese veränderten Anforderungen bleiben nicht ohne Wirkung auf den Produktionsprozess soziologischen Wissens. Notwendig sind die Reflexion der eigenen Produktionsweise und die Weiterentwicklung neuer Formen soziologischer Wissensproduktion. Dabei geht der Beitrag davon aus, dass in diesem Prozess die überkommenen Grenzen innerhalb des Wissenschaftssystems und zwischen dem Wissenschaftssystem und anderen gesellschaftlischen Teilsystemen zunehmend in Bewegung geraten. Von großer Bedeutung ist dabei die Entwicklung eines Selbstverständnisses, welches die Soziologie als eine Wissenschaft begreift, zu der sich nicht nur die akademische Welt zurechnen lässt, sondern zugleich die praktisch tätigen Soziologinnen und Soziologen.
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Howaldt, J. Die Soziologie in Zeiten der Wissensgesellschaft. Soziologie 34, 424–441 (2005). https://doi.org/10.1007/s11617-005-0212-z
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