1 Neue, internetbasierte Werkzeuge für die Team- und Projektarbeit

In Unternehmen wird zunehmend Software angewendet, die als „Enterprise Collaboration Software“ (Sprenger 2016) oder „Social Collaboration-Werkzeuge“ (Hiller et al. 2014) charakterisiert wird und Teams in ihrer Zusammenarbeit unterstützen soll. Diese internetbasierten Anwendungen ermöglichen das gemeinsame Bearbeiten, Speichern und Teilen von Dokumenten, die Kommunikation über räumliche Distanzen hinweg (z. B. durch Chats oder Web-Conferencing), das Teilen von Wissen (z. B. durch Wikis, Blogs oder Foren) sowie die Aufgabensteuerung und Projektorganisation. Im Folgenden wird für diese Werkzeuge der Begriff „kollaborative Anwendungen“ verwendet, weil mit ihnen das Potential verbunden wird, eine intensivere Form der Zusammenarbeit – Kollaboration – zu ermöglichen. Sie geht über die Kommunikation (i. S. d. Austauschs von Informationen) und Koordination (i. S. d. Abstimmung unabhängig bearbeitbarer Tätigkeiten) hinaus. Der Begriff Kollaboration bezeichnet nach Stoller-Schai (2003) die von zwei oder mehreren Personen an gemeinsamen Zielen ausgerichtete, direkte und sich wechselseitig beeinflussende tätige Auseinandersetzung zur Lösung oder Bewältigung einer Aufgabe oder Problemstellung. Hierbei werden gemeinsame Ressourcen verwendet, was entweder in physischer Ko-Präsenz und/oder internetgestützt innerhalb eines virtuellen Raumes geschieht.

Mit der Nutzung kollaborativer Anwendungen wird eine Verbesserung der Zusammenarbeit angestrebt. So sollen durch das Verfügbarmachen von heterogenem Wissen verteilter Teammitglieder Synergieeffekte ermöglicht, Problemlösungen verbessert und Innovationen gefördert werden (Gibson und Cohen 2003). Weiterhin besteht die Möglichkeit, auch auf das Wissen externer Expert/innen zuzugreifen oder externe Partner wie Kunden oder Lieferanten in Arbeitsprozesse einzubeziehen. Auch im Hinblick auf die Produktivität werden von Nutzern positive Effekte erwartet. Ergebnisse von (Sprenger 2016) zeigen beispielsweise, dass Projektmitarbeiter in seiner Untersuchung ihre Produktivität höher einschätzen, wenn sie über eine Kollaborationsplattform mit aufgabenrelevanten Dokumenten und Informationen versorgt wurden, als Projektmitarbeiter, die isolierte Anwendungen nutzen. Informationssysteme wie E‑Mails, Netzlaufwerke und herkömmliche Groupwaresysteme werden aufgrund unterschiedlicher Nachteile stark kritisiert (Hiller et al. 2014). Durch kollaborative Anwendungen sollen diese Nachteile wie etwa die E‑Mail-Flut, eine schlechte Auffindbarkeit von Informationen und Begrenztheit von Systemen auf einige Unternehmensbereiche überwunden werden.

Erhebungen zur Verbreitung kollaborativer Anwendungen stellen fest, dass diese in Unternehmen derzeit eher ad hoc und unsystematisch eingesetzt werden. Häufig stehen Werkzeuge mit ähnlichem Funktionsumfang im Unternehmen parallel zur Verfügung (Schubert und Williams 2015, S. 10). Dies führt zu Schnittstellenproblemen und konterkariert das, was diese Anwendungen eigentlich fördern sollen: die Vernetzung. Fühlen sich Nutzergruppen von den betrieblich zur Verfügung gestellten Werkzeugen nicht ausreichend unterstützt, werden bisweilen Chat-Tools, Web-Conferencing Programme oder Cloud-Speicher für das gemeinsame Teilen von Dokumenten eingesetzt, die auch privat genutzt werden (Hiller et al. 2014). Solche Prozesse erhöhen den Handlungsdruck für Unternehmen, da sie zu einem Verlust von Kontrolle und zu Widersprüchen mit betrieblichen Compliance-Regeln führen können. So sah sich beispielsweise ein internationales Beratungshaus als Reaktion auf diese „Graswurzelbewegung“ gezwungen, schnell und konsequent ein offizielles, das gesamte Unternehmen umfassendes System zu implementieren, um Sicherheitsprobleme zu vermeiden (Hughes und Chapel 2013).

Die Nutzung kollaborativer Anwendungen eröffnet vielfältige Möglichkeiten des Arbeitens auf Distanz. Damit dies jedoch gut funktionieren kann, bedarf es besonderer Unterstützung – ein zusätzlicher Aufwand, der bei der Einführung dieser Werkzeuge berücksichtigt werden muss. Beispielsweise mussten im Zuge einer Prozessbegleitung eines räumlich verteilten Teams bei einem deutschen High-Tech-Unternehmen erhebliche Defizite bei der Unterstützung der Mitarbeiter und technischen Unterstützung festgestellt werden (Boos et al. 2015): Die verteilte Zusammenarbeit wurde weder durch eine dezidierte Teamentwicklung unterstützt, noch wurden die Teammitglieder auf den kompetenten Einsatz der Medien für die Kommunikation auf Distanz vorbereitet. Hinzu kamen technische Schwierigkeiten, wie Störungen bei Web-Konferenzen oder das Fehlen einer Plattform für das Wissensmanagement (Boos et al. 2015, S. 136). Das Beispiel zeigt, dass Probleme dann entstehen, wenn Unternehmen zwar die notwendige Technik zur Verfügung stellen, jedoch nicht ausreichend berücksichtigt wird, mit welchem Nutzen und in welchen Dimensionen ihr Einsatz zu gestalten ist, damit sie effektiv genutzt werden können.

Den angeführten Potentialen kollaborativer Anwendungen stehen demnach unterschiedliche Herausforderungen im Hinblick auf die Einführung und die Nutzung gegenüber. Es stellt sich daher die Frage, unter welchen Voraussetzungen Probleme bei der Einführung und Nutzung kollaborativer Anwendungen überwunden und die genannten Potenziale für die Team- und Projektarbeit erschlossen werden können. Zu klären ist, auf welchen Ebenen in Unternehmen die Einführung und Nutzung kollaborativer Anwendungen gestaltet werden muss. Welche Themenfelder sollten hierbei berücksichtigt werden? Und welche Regelungen sind notwendig, um nicht nur ein effektives Arbeiten zu ermöglichen, sondern auch zu vermeiden, dass kollaboratives Arbeiten mit neuen Belastungsrisiken verbunden ist?

Der Artikel soll einen ersten Beitrag zur Gestaltung kollaborativer Team- und Projektarbeit leisten. Das Vorgehen umfasst drei Schritte: Erstens entwickeln wir ein Gestaltungsmodell für internetbasierte kollaborative Team- und Projektarbeit, das auf der Arbeit von Stoller-Schai (2003) sowie auf den bisherigen Erkenntnissen aus dem Verbundprojekt CollaboTeamFootnote 1 basiert. Zweitens überprüfen wir das Modell anhand eines Praxisbeispiels eines IT-Beratungsunternehmens auf seine Tauglichkeit. Exemplarisch zeigen wir dabei Maßnahmen und Probleme bei der Einführung und Nutzung kollaborativer Anwendungen auf. Drittens fassen wir die Ergebnisse zusammen und geben einen kurzen Ausblick.

2 Gestaltungsmodell für internetbasierte kollaborative Team- und Projektarbeit in Unternehmen

Zur erfolgreichen Einführung und Nutzung kollaborativer Anwendungen sind verschiedene Hürden zu überwinden. Eine systematische Auswertung der noch nicht sehr umfangreichen Change-Management-Literatur zu kollaborativen Anwendungen (Greeven und Williams 2017) ergibt, dass Unternehmen dabei auf eine Vielzahl an Herausforderungen reagieren müssen. Sie liegen zwar auch auf der Ebene der eingesetzten Technik, aber vor allem auf technikfernen Dimensionen wie der Kultur (z. B. Werte verhindern Wandel), dem Geschäftszweck (z. B. fehlende Übereinstimmung mit den Strukturen), unklaren Nutzenerwartungen oder auf der Ebene des Verhaltens (z. B. ineffektive Zusammenarbeitsprozesse). Entsprechend beziehen sich die daraus folgenden Maßnahmen für den Change Prozess maßgeblich auf soziale Prozesse der Führung, der Einflussnahme, der Vorbereitung und des Trainings der Nutzer/innen. Die Autorinnen empfehlen einen soziotechnischen Ansatz und kommen zu dem Schluss, dass es keinen Standard-Einführungsprozess gibt, sondern vielmehr unternehmensspezifische Strategien erforderlich sind (Greeven und Williams 2017). Auch die Literatur zum Management räumlich verteilter Teams (Boos et al. 2017) sowie für die Nutzung kollaborativer Anwendungen (Schubert und Williams 2015) sehen die Herausforderungen in der Technik, der Organisation und den sozialen Voraussetzungen begründet. Daher ist ein soziotechnischer Gestaltungsansatz als State-of-the-art anzusehen (Clegg 2000; Ulich 2011).

Im Weiteren soll es darum gehen, ein Modell zur Arbeitsgestaltung für internetbasierte kollaborative Anwendungen zu entwickeln. Dazu wird das sehr differenzierte Modell von (Stoller-Schai 2003) für die Gestaltung „kollaborativer Handlungsfelder“ als Grundlage genutzt. Es hat den Vorteil, nicht aus der Perspektive der Technik und ihrer Implementierung auf den Gegenstand zu schauen, sondern die Bedürfnisse der Nutzer/innen ins Zentrum zu stellen. Es geht von der Frage aus, was zu tun ist, um kollaborative Arbeitssituationen bestmöglich zu unterstützen und die Potenziale der Kollaboration systematisch zu erschließen. Für die Frage, wie digitale Arbeitsplätze der Zukunft zu gestalten sind, ist dieser Blick auf den Gegenstand notwendig.

Das Modell von Stoller-Schai unterscheidet Gestaltungsdimensionen auf drei vertikalen Ebenen und in der horizontalen Dimension. Letztere beschreibt die methodische Gestaltung von Kollaborationsprozessen, während die vertikalen Ebenen angeben, welche Gestaltungselemente für kollaborative Anwendungen, unabhängig vom konkreten Kollaborationssetting, erforderlich sind (Stoller-Schai 2003, S. 126). Die vertikalen Ebenen werden im Folgenden als Basis für die Modellentwicklung genutzt. Das Ziel der Modellentwicklung ist es, Verantwortlichen für die Arbeitsgestaltung in den Unternehmen einen einfachen Orientierungsrahmen anzubieten, den sie als Kompass für die Implementierung und den Betrieb kollaborativer Anwendungen nutzen können. Im Zuge der wissenschaftlichen Begleitung der betrieblichen Entwicklungs- und Erprobungsprozesse im Rahmen des BMBF-geförderten Verbundprojektes CollaboTeam soll die Tauglichkeit des Modells laufend überprüft und das Modell weiterentwickelt werden, um einen Gestaltungsrahmen wissenschaftlich zu fundieren. Vielleicht gelingt es darüber hinaus zum Ende der Projektlaufzeit auch, belastbare Kriterien für die Beurteilung des Reifegrades der Arbeitsgestaltung kollaborativer Anwendungen zu formulieren.

In Anlehnung an Stoller-Schai basiert das Gestaltungsmodell für kollaborative Team- und Projektarbeit auf den drei vertikalen Ebenen Strategie, Methoden und Technik, denen wir jeweils vier Gestaltungsdimensionen zuordnen (Abb. 1), die nachfolgend erläutert werden.

Abb. 1
figure 1

Gestaltungsmodell für internetbasierte kollaborative Team- und Projektarbeit (mod. nach Stoller-Schai 2003)

2.1 Strategie

Stoller-Schai (2003) fordert, dass der Zweck der Nutzung kollaborativer Anwendungen und ihrer Ausgestaltung von der Strategie des Unternehmens bestimmt wird. „Die zentrale Frage einer E‑Collaboration-Strategie lautet: Warum sollten wir kollaborieren?“ (Stoller-Schai 2003, S. 130). Es macht einen Unterschied, ob die Anwendungen der Lösung eines konkreten Problems oder eher allgemein der Förderung des Wissensaustausches dienen. Entsprechend der strategischen Ausrichtung und der geplanten „Businesscases“ sind klare Ziele für den Einsatz kollaborativer Anwendungen zu formulieren und zu begründen. Ein erkennbarer Nutzen ist für die Akzeptanz und Nutzung kollaborativer Anwendungen von zentraler Bedeutung (Dirkmorfeld 2015). Hierbei muss deutlich werden, wie einzelne Mitarbeiter/innen im Alltag durch die Anwendungen unterstützt werden können (individueller Nutzen) und inwiefern die Umsetzung der Ziele zur Erfüllung der Unternehmensstrategie beiträgt (kollektiver Nutzen). Bei der Umsetzung kollaborativer Anwendungen spielt die freiwillige und kreative Nutzung der Werkzeuge durch die künftigen Nutzer/innen eine wesentliche Rolle (Raeth et al. 2010, S. 8), daher hat eine klare Kommunikation der Ziele eine wichtige Orientierungsfunktion.

Die Gestaltungsdimension Ganzheitlichkeit nimmt das soziotechnische „Metaprinzip“ auf, dass Arbeitsgestaltung „systemisch“ sein soll, d. h. die verschiedenen Gestaltungsaspekte aufgrund wechselseitiger Abhängigkeit auch aufeinander bezogen gestaltet werden müssen (Clegg 2000, S. 465). Dieses Metaprinzip konkretisiert sich bei der inhaltlichen Gestaltung in den Prinzipien der „task allocation“ (Clegg 2000, S. 468) und der Notwendigkeit „Kongruenz“ des veränderten Arbeitssystems mit der umgebenden Organisation herzustellen (Clegg 2000, S. 469). Dabei hat Clegg bereits die besondere Bedeutung von Informationssystemen hervorgehoben. Entsprechend beinhaltet „Ganzheitlichkeit“ zum einen, dass kollaborative Anwendungen sich nicht auf einen isolierten Bereich der Organisation beziehen, sondern das gesamte Unternehmen vernetzen sollen. Problematisch sind beispielsweise Ausschlüsse potentieller Nutzer/innen durch Medienbrüche, die durch die parallele Nutzung unterschiedlicher Anwendungen für gleiche Zwecke bedingt werden, oder unterschiedliche Regularien für die Kollaboration. Sie verhindern, dass Personen miteinander problemlos zusammenarbeiten können. Zum Nutzerkreis können dabei auch Externe wie Kunden oder Zulieferer gehören. Zum anderen meint Ganzheitlichkeit, dass ein soziotechnischer Gestaltungsansatz betrieben wird, bei dem Maßnahmen bezogen auf Aspekte der Technik, Organisation und Menschen zu einem ganzheitlichen Lösungskonzept integriert werden. Es genügt keineswegs, nur die Technologie bereitzustellen.

Nicht übersehen werden sollte, dass viele Aufgaben gar keine Kollaboration erfordern oder diese sogar kontraproduktiv sein kann (Stoller-Schai 2003, S. 131). Daher empfiehlt Stoller-Schai (2003), im Rahmen der Strategie aufzuzeigen, welche kollaborativen Handlungsfelder sich das Unternehmen vorstellt, typischerweise Situationen, in denen unstrukturiertes Wissen gemeinsam bearbeitet werden müsse oder Klärungsbedarf bestehe. In der Dimension Einsatzgebiete wird beschrieben, für welche Arbeitssituationen die kollaborativen Anwendungen vorgesehen sind und wo das Unternehmen Kollaboration erwartet. Es kann Gründe geben, in bestimmten Prozessen den Einsatz kollaborativer Anwendungen auszuschließen, beispielsweise aus Gründen der Vertraulichkeit, der Datensicherheit oder bei Schnittstellenproblemen. Mit der Festlegung typischer Einsatzgebiete werden auch Zielgruppen, die kollaborieren sollen, benannt. Es scheint deshalb hier nicht hilfreich, analog zu Stoller-Schai die Dimension „Vernetzung“ zusätzlich aufzuführen.

Die Möglichkeiten, mittels kollaborativer Anwendungen zu kommunizieren oder Aufgaben zu steuern, sind derart vielfältig, dass es verbindlicher Regeln für die Nutzung bedarf. Stoller-Schai verweist hier auch auf die Notwendigkeit, erwünschtes Verhalten ausdrücklich anzuerkennen und positiv zu verstärken. Regelungen sollten sich dabei sowohl darauf beziehen, welche kollaborativen Anwendungen zu verwenden sind, als auch konkrete Vorschriften beinhalten, wie eine Anwendung zu nutzen ist (z. B. Regeln über die Anforderungen an die Dokumentation von Wissen). Hierbei spielen zusätzlich sowohl der Datenschutz (z. B. Verbreitung personenbezogener Daten über Anwendungen), das Urheberrecht als auch arbeitsrechtliche Aspekte eine Rolle (Ulbricht 2016).

Mit der Festlegung der strategischen Ziele und der gültigen Regeln für die vorgesehenen Einsatzgebiete der Kollaboration ist der Rahmen aufgespannt, den es nun gilt auf den nächsten Ebenen des Modells konkret zu füllen.

2.2 Methoden

Der Begriff Methoden – die zweite Ebene des Modells – bezieht sich darauf, wie (verteilte) kollaborative Zusammenarbeit am besten ermöglicht und gefördert werden kann. Stoller-Schai (2003) konstatiert, dass eine produktive Zusammenarbeit im virtuellen Raum nicht nur technisch ermöglicht, sondern auch methodisch unterstützt werden muss.

Stoller-Schai (2003, S. 134) verweist darauf, dass „fremdinitiierte und intentionale Kollaboration“ im Unterschied zur selbstgesteuerten Zusammenarbeit vor allem in der Anfangsphase einer externen Betreuung und Moderation bedarf. Zudem ist insbesondere in der Startphase räumlich verteilter Teams eine Führungs- oder Coaching-Funktion hilfreich, um das Team schnell arbeitsfähig zu machen (Boos et al. 2017, S. 99), und auch für spätere Teamphasen kann eine externe Unterstützung förderlich sein (Hackman 2002). Daher wird empfohlen die Führungs- und Betreuungsrolle für die Einsatzgebiete der Kollaboration entsprechend festzulegen. Dabei ist zu beachten, dass die Unterstützungsbedarfe von Kollaborationen, die in Präsenz stattfinden, sich von denen unterscheiden, in denen virtuelle Kollaboration erfolgt. Die Betreuungsaufgabe kann in den Aufgabenbereich einer Führungskraft fallen, an bestimmte Stellen in der Organisation übertragen werden (z. B. Projekt-Management-Office, SCRUM Manager, Personalentwicklung) aber grundsätzlich auch von Teammitgliedern übernommen werden. Wesentlich ist, dass unabhängig davon, wer diese Rolle übernimmt, für alle Partner Rollenklarheit im Hinblick auf die Aufgaben und Kompetenzen herrscht. Die Betreuungsfunktion bezieht sich inhaltlich sowohl auf Fragen wie z. B. welche Anwendungen für welche Zwecke vorgesehen sind als auch auf Regeln der Zusammenarbeit oder das Coaching zur Weiterentwicklung der Qualität der Zusammenarbeit. Verantwortlich zu sein für die Führung und Betreuung bedeutet nicht immer, entscheiden zu müssen oder zu dürfen. Hier geht es eher um eine Coachingfunktion, die das Team darin unterstützt, gemeinsame Verantwortung zu übernehmen.

Mit der Dimension Räume für Kollaboration wird die Anforderung beschrieben, für die vorgesehenen Einsatzgebiete geeignete virtuelle oder physische Räume anzubieten, in denen die Partner zusammenkommen können. Die räumlichen Bedingungen müssen Kollaboration ermöglichen und bei virtuellen Räumen muss sichergestellt werden, dass die Nutzer/innen sie methodisch beherrschen können. Interessant wird die Raumgestaltung beispielsweise bei der Kombination von face-to-face und virtueller Kollaboration. Stehen Methoden zur Verfügung, welche eine angemessene Einbindung der virtuellen Teilnehmer/innen in den Arbeitsprozess ermöglichen? Beim Einsatz von Plattformen beispielsweise Foren oder WIKI-Systeme besteht die Anforderung, sicherzustellen, dass die Dokumentation und der Austausch von Wissen tatsächlich nutzergerecht erfolgen kann. Diese Räume sind an die Bedürfnisse der Nutzer anzupassen und sollten eine Personalisierung, d. h. eine individuelle Anpassung, ermöglichen.

Für die Nutzung kollaborativer Anwendungen müssen Kompetenzen aufgebaut oder erweitert werden, dies fällt in die Gestaltungsdimension Lernen. Die Einführung neuer Mitarbeiter/innen in die Systemlandschaft des Unternehmens ist hierfür der erste Schritt, der sich in Maßnahmen der Personalentwicklung zum Aufbau der Medienkompetenz fortsetzen sollte. Auch die Unterstützung von Teams bei der Bewältigung anwendungsbezogener Probleme ist notwendig. Aus soziotechnischer Perspektive sind vor allem multidisziplinäre Lernprozesse wertvoll für die Entwicklung, bei denen Menschen mit unterschiedlichen Rollen und fachlichem Hintergrund mit ihren Erfahrungen, Fähigkeiten und Wertvorstellungen ihre unterschiedlichen Vorstellungen austauschen und sich in einem pluralistischen Prozess die Komplexität der Handlungssituationen verständlich machen und sie gemeinsam gestalten (Clegg 2000, S. 473).

Jedes System bedarf der Anpassung an veränderte Bedürfnisse der Nutzer/innen oder an veränderte betriebliche Anforderungen. Verfügt das Unternehmen über Methoden, weitere Nutzergruppen in das System zu integrieren, ist dies wie ein Change Prozess zu gestalten. Hier kennen wir die elementare soziotechnische Anforderung der „Ownership“, dass der Gestaltungsprozess von denen auf Seiten des Managements und der Beschäftigten bestimmt werden soll, die das System nutzen (Clegg 2000, S. 472). Die konsequente Verfolgung dieses Prinzips führt auch zu neuen Formen der Partizipation, dass die Nutzer des neuen Systems die Gestaltung betreiben und die Experten in geeigneter Weise einbinden, damit diese ihnen helfen, tragfähige Lösungen zu finden (Clegg 2000, S. 473).

2.3 Technik

Die Ebene Technik umfasst die Anforderungen, welche durch die kollaborativen Anwendungen selbst erfüllt werden müssen. Anwender/innen mit ihren unterschiedlichen Aufgaben und Rollen sollten sie als unterstützend wahrnehmen. Nützlichkeit beschreibt, inwieweit die Erreichung der Ziele für die Kollaboration durch die bereitgestellten Technologien gefördert wird und die Nutzer/innen die Technologien als angemessen bewerten. Stoller-Schai (2003) betont, dass sich die Technologien den Bedürfnissen der Anwender/innen unterordnen müssen. Der Maßstab ist, inwieweit produktive Formen der Kommunikation und Zusammenarbeit ermöglicht werden.

Der Aspekt der Verfügbarkeit bezeichnet den Umstand, dass für den Erfolg verteilter Arbeit die Technologien jederzeit verfügbar sein müssen. Die Abhängigkeit elektronisch unterstützter Kollaboration vom Internet stellt hier eine große Herausforderung dar. Denn die Arbeit aus dem Homeoffice, auf Dienstreisen oder beim Kunden gehört heute immer mehr zur Arbeitsrealität. Entsprechend steigt der Bedarf, auch von unterwegs auf relevante Daten zugreifen oder sich in Diskussionen mit Kolleginnen und Kollegen einschalten zu können.

Mit Ergonomie ist im Wesentlichen die Bedienerfreundlichkeit der kollaborativen Anwendungen gemeint, das System muss verstanden werden und die Nutzer müssen es mit möglichst wenig Aufwand erlernen können. Das soziotechnische Prinzip lautet hier „systems should be simple and make problems visible“ (Clegg 2000, S. 471), damit sie von den Nutzern nicht nur beherrscht, sondern auch mitgestaltet werden können. Gleichzeitig muss sichergestellt werden – Aspekt Sicherheit – dass die Datensicherheit sowie die Sicherheit der Personenrechte der Nutzer/innen gewahrt werden.

Alles in allem umfasst das Modell zwölf wesentliche Elemente, die bei der Gestaltung von Team- und Projektarbeit, in denen kollaborative Anwendungen zum Einsatz kommen, berücksichtigt werden müssen, um eine effektive Team- und Projektarbeit zu ermöglichen.

3 Überprüfung der Modelltauglichkeit anhand eines Praxisbeispiels

Dass das zuvor beschriebene Gestaltungsmodell für kollaborative Team- und Projektarbeit als Orientierungsrahmen tauglich ist, wird im Folgenden anhand eines Praxisbeispiels demonstriert. Die Informationen stammen aus InterviewsFootnote 2 mit Mitarbeiter/innen, Führungskräften und Vorständen eines IT-Beratungsunternehmens, welche im Hinblick auf die Modellebenen und Gestaltungsdimensionen ausgewertet worden sind. Die in den Interviews genannten Maßnahmen und Regelungen zur Nutzung kollaborativer Anwendungen werden im Modell verortet. Die Interviews machten fünf Problembereiche sichtbar, in denen Handlungsbedarf für die weitere Arbeitsgestaltung besteht. Sie lassen sich den Gestaltungsdimensionen „Ziele“, „Regeln“ und „Lernen“ zuordnen.

Praxisbeispiel ist die GIS Gesellschaft für InformationsSysteme AG mit Hauptsitz in Hannover. Etwa 90 Mitarbeiter/innen arbeiten an insgesamt drei Standorten (Hannover, Hamburg, Zürich). Kollaborative Anwendungen spielen im Geschäftsmodell des Unternehmens eine wichtige Rolle. Das Unternehmen berät seine Kunden im Hinblick auf Softwarelösungen für den digitalen Arbeitsplatz und bietet dabei neben Anwendungen von Fremdherstellern auch eigene Produkte oder auf spezielle Kundenanforderungen angepasste Individuallösungen an. Die Beratung, die Implementierung von Anwendungen beim Kunden sowie die Begleitung bei der Einführung von Softwarelösungen gehören ebenso wie der Betrieb der Anwendungen (Managed Services) im Kundenauftrag zum Angebot des Unternehmens. Auch für die eigene Kommunikation und Zusammenarbeit (intern oder mit Partnern) werden kollaborative Anwendungen intensiv genutzt. Im Zuge dessen wurden bereits vielfältige Regelungen getroffen und unterschiedliche Gestaltungsanforderungen für die kollaborative Team- und Projektarbeit realisiert.

3.1 Strategie

Im Folgenden wird die Ebene der Strategie mit den dazugehörigen Gestaltungsdimensionen betrachtet:

3.1.1 Ziele

Das Unternehmen leitet seine Ziele für die interne Kollaboration aus einer mittelfristig formulierten Unternehmensstrategie ab. In letzter Zeit hat das Unternehmen den Bedarf erkannt, die Strategie noch intensiver an die Mitarbeiter/innen zu kommunizieren und diese in die Strategieumsetzung systematischer einzubinden. Hierfür wird das unternehmensinterne WIKI-System eingesetzt. In Interviews mit Mitarbeiter/innen wird deutlich, dass sie diese intensivere Einbindung in die Strategie schätzen, da ihnen so die Einschätzung leichter fällt, wie sie zum Unternehmenserfolg beitragen können. Auch Führungskräfte nehmen positive Effekte der verstärkten Einbindung auf den Kenntnisstand und das Verständnis der Strategie wahr.

Verbesserungsbedarf zeigt sich jedoch in Bezug auf die Transparenz im Hinblick auf Veränderungen: Kollaborative Anwendungen gehören zu den täglichen Arbeitswerkzeugen der Mitarbeitenden. Sollen im Rahmen der Digitalisierungsstrategie Veränderungen an der Systemlandschaft vorgenommen werden, beispielsweise durch einen Wechsel auf andere Anwendungen oder eine stärkere Integration, bedeutet dies einen Eingriff in die Arbeitsrealität der Beschäftigten. Wie bei jedem Veränderungsprozess ist dabei die Kommunikation und Beteiligung der Betroffenen wichtig. Die Interviews weisen darauf hin, dass in diesem Bereich Nachholbedarf herrscht. Zwar werden bereits unterschiedliche Kommunikationskanäle genutzt, um Mitarbeitende zu informieren (z. B. im Rahmen einer wöchentlichen Versammlung oder in virtuellen Communities), dennoch herrscht bei den Befragten Uneinigkeit. Während von einigen die transparente Informationspolitik des Unternehmens gelobt wird, besteht auf anderer Seite der Wunsch nach einer intensiveren Kommunikation und Beteiligung. „Es wäre sicherlich gut, dass das, was wir in der Kundensituation oft gut machen im Sinne von Changemanagement […] das auch intern so zu tun. Das ist, was die Werkzeug- und Zusammenarbeitsauswahl angeht, in der Vergangenheit nicht immer transparent gewesen.“

Auch zeigt sich in der Gestaltungsdimension Ziele eine Spannung zwischen dem Tagesgeschäft und der Umsetzung interner Projekte: Es ist erkennbar, dass das Vorgehen im Hinblick auf die weitere Digitalisierung der Arbeit im Unternehmen strategie- und zielgesteuert abläuft. Die Digitalisierung ist im Unternehmen kein Abstraktum, sondern die strategische Grundlage konkreter Gestaltungsmaßnahmen und Regelungen. Dennoch geraten Veränderungs- und Gestaltungsprozesse im Unternehmen bei sehr guter Auftragslage bisweilen ins Stocken: „Wir haben eine Strategie bei der GIS, wir machen viel IT […] aber wenn ein Kundenauftrag da ist, ist das alles wichtiger.“ So kommt es dazu, dass als relevant erachtete Veränderungsprozesse immer wieder stagnieren und eine stringente Umsetzung der internen IT-Strategie verhindert wird. „Wir müssen uns vielleicht nur ein bisschen konsequenter und rabiater von alten Zöpfen trennen.“ An dieser Stelle steht das Unternehmen vor der Frage, wie die Balance zwischen den Anforderungen aus dem Tagesgeschäft und komplexer werdenden internen Veränderungsprojekten erreicht werden kann.

3.1.2 Ganzheitlichkeit

Die Nutzung kollaborativer Anwendungen schließt alle Unternehmensbereiche und Standorte ein, und die Maßnahmen sind soziotechnisch orientiert. Es wird nicht nur die Technik verfügbar gemacht, sondern es werden auch konkrete Regularien zur Nutzung formuliert und Betreuungs- und Qualifizierungsmaßnahmen realisiert. Ein gutes Beispiel für Ganzheitlichkeit ist, dass der Personalbereich dezidiert Kompetenzanforderungen für verteiltes Arbeiten zum Kriterium für die Auswahl neuer Mitarbeiter/innen macht und diese Kompetenzen mit eignungsdiagnostischen Verfahren erhebt.

Als ganzheitlich ist auch zu bewerten, dass das Unternehmen konsequent eine Norm der Transparenz von Wissen realisiert hat. Alle Mitarbeiter/innen haben über die Nutzung kollaborativer Anwendungen im Unternehmen Zugriff auf das relevante Wissen. Es gibt nur wenige, begründete Ausnahmen vom Prinzip der Transparenz. Es wird von Vorstand und Führungskräften vorgelebt und von den Mitarbeitern befürwortet. So sind beispielsweise die Kalender – bis auf vertrauliche Termine – nicht nur der Mitarbeiter/innen, sondern auch der Vorstände für alle einsehbar. In einer Anwendung wird sämtliche Kundenkorrespondenz abgelegt und ist mit wenigen Einschränkungen von allen Mitarbeiter/innen zugänglich. Die hohe Transparenz führt dazu, dass relevante Projektinformationen ohne zeitliche Einschränkungen (Nachfragen, Einholen von Berechtigungen) verwendet werden können. Dies hilft etwa dann, wenn Projektmitarbeiter/innen vertreten werden müssen oder Informationen für benachbarte Vorhaben genutzt werden können.

3.1.3 Einsatzgebiete

Im Unternehmen sind bestimmte Einsatzgebiete für kollaborative Anwendungen eindeutig definiert (z. B. die Angebotserstellung, bei der Technik und Verkauf zusammenwirken). In manchen Fällen gibt es eine eher informelle Verständigung, wie komplexe Anforderungen als Kollaboration gestaltet werden. Die notwendigen Ansprechpartner/innen sind durch die Bereichszugehörigkeit, das Projektteam oder den Kommunikationsplan des Projektes jeweils bekannt.

3.1.4 Regeln

Hinsichtlich der Nutzung kollaborativer Anwendungen gibt es Regeln. Mitarbeiter/innen werden für bestimmte Arbeitsprozesse auf die Nutzung vorgegebener Anwendungen verpflichtet. So ist beispielsweise geregelt, mit welcher Anwendung und auf welche Weise die Projektakte geführt wird oder Kundenkorrespondenz zu dokumentieren ist. Es gibt aber auch weniger formalisierte Bereiche der Zusammenarbeit, in denen eher eine informelle Verständigung darüber existiert, z. B. dass zu Beginn eines Projektes die zu nutzende Anwendung (es gibt Alternativen) und mit welchen Regeln (z. B. für die Dokumentation) zwischen den Projektteammitgliedern zu vereinbaren ist. Von Führungskräften und Projektleitern wird erwartet, dass sie die Einhaltung der Regeln einfordern, was beispielsweise bei der Frage, mit welcher Qualität Wissen dokumentiert wird, nicht einfach zu leisten ist.

Durch die große Vielfalt der im Unternehmen zur Verfügung stehenden kollaborativen Anwendungen führt die parallele Nutzung von Anwendungen teilweise zu Problemen: Es besteht die Gefahr einer unkontrollierten und parallelen Nutzung unterschiedlicher Anwendungen. Als Beispiel wird in den Interviews die parallele Verwendung unterschiedlicher Chat-Programme genannt. Der Vorteil einer solchen Anwendung soll gerade darin liegen, eine hohe Ansprechbarkeit aller Kolleginnen und Kollegen zu gewährleisten. Dieser wird aber schwierig, wenn Mitarbeiter/innen jeweils nur den Nutzerkreis derselben Software durch die Statusangabe (z. B. „verfügbar“ oder „in einem Meeting“) sehen können. Insbesondere weil das verteilte Arbeiten von unterschiedlichen Standorten zur Arbeitspraxis gehört, muss dieser Punkt besser geregelt werden: „Da ist man schon ziemlich stark darauf angewiesen, dass man in etwa weiß, ob man jemanden jetzt ansprechen kann oder nicht – das Telefonat aus dem Blauen heraus versuchen eigentlich alle zu vermeiden.“ In ähnlicher Weise kann auf gemeinsam geteiltes Wissen und Daten nur dann zugegriffen werden, wenn der Ablageort definiert ist. Die Nutzung paralleler Systeme für das Wissensmanagement führt andernfalls zu langen Suchzeiten und Ungewissheit im Hinblick auf die Aktualität von Daten. Eine verbindliche Regelung der Nutzung kollaborativer Anwendungen ist an dieser Stelle erforderlich. Der Regelungsbedarf nimmt mit intensivierter Nutzung von kollaborativen Anwendungen weiter zu. Es zeigt sich, dass das Unternehmen diese Regelungen bereits für weite Teile der Organisation und Prozesse getroffen hat – für einige Arbeitsprozesse kommen sie der Entwicklung der aktuellen Nutzung aber nicht mehr hinterher: „Wir überlassen es teilweise immer noch den Mitarbeitern zu wählen, in welcher Plattform sie jetzt grade unterwegs sein wollen.“ Es wird deutlich, dass die Nutzung kollaborativer Anwendungen in Orientierung auf die bestehenden Nutzerbedürfnisse aktiv und fortlaufend gestaltet werden muss, um die jeweils sich entwickelnden Nutzerbedürfnisse zu unterstützen. Andernfalls suchen sich die Nutzer/innen neue Werkzeuge.

Problematisch ist außerdem die hohe Taktzahl virtueller Meetings, die durch die Verwendung kollaborativer Anwendungen möglich wird: Die Anwendungen unterstützen die Arbeit verteilter Teams, indem Experten/innen an unterschiedlichen Arbeitsorten in einem gemeinsamen virtuellen Arbeitsraum zusammenarbeiten. Hierdurch können Teambesprechungen relativ kurzfristig und ohne zusätzlichen Reiseaufwand durchgeführt werden. Dabei werden Telefon- und Web-Konferenzen eingesetzt. Jedoch birgt eine intensive Nutzung dieser technischen Möglichkeit auch die Gefahr einer Arbeitsverdichtung. Der hohe Aufwand für die Vor- und Nachbereitung virtueller Meetings führt bei einer hohen Anzahl von Meetings zu Zeitdruck und Qualitätsverlusten: „Ich weiß aber auch einfach nicht, wie man diese Schlagzahl durchhalten soll ohne irgendwo Verlust auf der Nach- oder Vorarbeitszeit […] Ich hätte niemals in Präsenzveranstaltungen acht solche Besprechungen durchpeitschen können.“ Der reale Aufwand, der mit der Durchführung virtueller Meetings verbunden ist, scheint im Unternehmen unterschätzt zu werden. Um Qualität der Dokumentation von Meetings in der Nachbereitung zu sichern und die Gefahr einer Fehlbeanspruchung der Betroffenen durch Arbeitsverdichtung zu verhindern, sind weitere Regelungen erforderlich. Andernfalls führen die verbesserten Möglichkeiten der Kommunikation auf Distanz nicht zu besseren Ergebnissen, sondern zu immer weiter steigenden Ansprüchen.

3.2 Methoden

Das Unternehmen verfolgt somit eine recht ausgeprägte Strategie der Kollaboration, die auch mit dezidierten Methoden realisiert werden soll:

3.2.1 Führungs- und Betreuungsrollen

Eine offizielle Betreuungsrolle für Kollaboration ist der internen IT-Abteilung zugewiesen, die insbesondere für die Einweisung neuer Mitarbeiter/innen („Onboarding“ siehe unten) verantwortlich ist, sowie den Führungskräften. Sie haben beispielsweise sicherzustellen, dass die Zusammenarbeit auf Distanz in ihren Teams funktioniert und Dokumentationen des Wissens in angemessener Qualität und konsequent erfolgen. Darüber hinaus haben sich halboffizielle Betreuungsrollen etabliert: So nehmen Projektleiter/innen beim Starten neuer Projekte die Aufgabe wahr, in den Projekt-Kick-Offs gemeinsam mit den Teammitgliedern Regeln für die Zusammenarbeit zu definieren und die technische Infrastruktur für das Projekt festzulegen. Dies beinhaltet auch die Entscheidung darüber, welche kollaborativen Anwendungen im Projekt zum Einsatz kommen. Die allgemeinen Standards für das Projektmanagement werden durch ein Projekt-Management-Office festgelegt.

3.2.2 Räume

Aufgrund der räumlichen und zeitlichen Distanz der Teammitglieder können die Beschäftigten zwischen der Nutzung physischer Räume (Meeting-Räume) oder virtueller Räume (z. B. Web-Conference, Video-Conference) wählen. Aufgrund des hohen Anteils der Arbeit beim Kunden oder im Homeoffice hat sich das Unternehmen für eine flexible Bürolösung entschieden, in dem sich die Mitarbeiter/innen je nach Aufgabe bestimmte Arbeitsplätze flexibel nutzen können („Desk Sharing“). In dem Konzept stehen Meeting-Räume zur Verfügung und sind gut ausgestattet, um zusätzlich Externe oder Mitarbeiter/innen aus anderen Standorten oder dem Home-Office hinzuzuschalten. Auch in der Struktur des WIKI-Systems zeigt sich, dass diese gezielt auf einen effektiven Wissenstransfer ausgelegt worden ist.

3.2.3 Lernen

Von den Beschäftigten des Unternehmens wird eine hohe Medienkompetenz erwartet, und diese muss auch ständig weiterentwickelt werden, da sich die eingesetzten Produkte und ihre Benutzung ständig wandeln. Das, was neue Mitarbeiter/innen für den Umgang mit der technischen Infrastruktur und den verwendeten kollaborativen Anwendungen lernen müssen, wird in einem aufwändigen „Onboarding-Prozess“ gezielt vermittelt. Führungskräfte haben die Aufgabe, neue Mitarbeiter/innen zu begleiten, um sie in die Organisation und ihre Art und Weise zusammenzuarbeiten einzuführen. Für alle Beschäftigten stehen umfangreiche Dokumentationen im unternehmenseigenen WIKI zur Verfügung, damit sie sich selbstverantwortlich mit der Handhabung von Prozessen, Abläufen oder neuen Anwendungen vertraut machen können. Hier stehen neben Dokumenten auch kurze Videoclips bereit. Das Lernen wird in Communities, also mit Foren unterstützt. Und nicht zuletzt werden Schulungen organisiert, die teilweise von den Mitarbeiter/innen als Expert/innen selbst angeboten werden.

Trotz der getroffenen Maßnahmen, die den Einstieg in die Arbeitsweise bei der GIS AG vereinfachen sollen, gibt es im Hinblick auf den Onboarding-Prozess Verbesserungsbedarf: Die herstellerunabhängige Beratung der Kunden, aber auch die interne Zusammenarbeit des Unternehmens erfordern es, dass die Mitarbeiter/innen eine Vielzahl an Anwendungen beherrschen. Neue Mitarbeiter/innen werden hierzu im Rahmen eines Onboarding-Prozesses an die Nutzung der Anwendungen herangeführt. Es zeigt sich jedoch aufgrund der Vielfalt der aktiven Anwendungen, dass die Lernanforderungen so hoch sind, dass neu eingestellte Mitarbeitende am Anfang ihrer Arbeitstätigkeit häufig überfordert werden. Wenn der Onboarding-Prozess neue Mitarbeiter/innen aber in der Onboarding-Phase die Kompetenzen nicht mehr ausreichend vermitteln kann, dann muss diese parallel zum Projektgeschäft von den Führungskräften und Arbeitskolleg/innen aufgefangen werden. „Man muss die Mitarbeiter da besser ausbilden und besser abholen […]. Die Mitarbeiter kommen, kriegen eine Druckbetankung […] dann stellen wir im Projektgeschäft fest, an welchen Stellen es nicht ausreicht.“ Da dies zu Problemen bei Ressourcenplanung von Projekten führt, muss das Onboarding besser an die Lernanforderungen angepasst werden. Führungskräfte könnten hier als Expert/innen dafür, was neue Mitarbeiter/innen an Kompetenzen in das Projektgeschäft mitbringen müssen, beteiligt werden. Die Aufgabe ist nicht einfach, bislang sind die erzielten Fortschritte bei der Verbesserung des Onboarding durch steigende Anforderungen aufgefressen worden.

3.2.4 Anpassung

Der Wandel ist aufgrund der kurzen Innovationszyklen in der Branche eine feste Größe, daher ist die Organisation darauf eingestellt, Veränderungen umzusetzen. Dies hat die hohe Bedeutung der Dimension Lernen gezeigt. Bei einer größeren Veränderung, der Einführung eines neuen ERP-Systems, wurde ein systematischer Change Prozess organisiert, bei dem die Beteiligung der Nutzer/innen ein wesentlicher Bestandteil war. Die Implementierung wurde von Support-Communities begleitet, in dem sich alle Beteiligten austauschen und beispielsweise prompte Unterstützung bei konkreten Fragen erhalten haben. Die mit dieser Vorgehensweise gemachten positiven Erfahrungen haben dazu geführt, Veränderungsprozesse systematischer zu organisieren und Beschäftigte über Communities intensiver zu beteiligen.

3.3 Technik

Die strategischen Ziele werden also in allen vier Dimensionen methodisch konkretisiert. Wie ist es um die Eignung der eingesetzten Technik bestellt?

3.3.1 Nützlichkeit

Es stehen vielfältige Werkzeuge für die jeweiligen Zwecke der Kommunikation und Zusammenarbeit für die Mitarbeiter/innen zur Verfügung, welche auf die typische Mobilitätssituation v. a. von IT-Berater/innen und Anwendungstechniker/innen mit Kundenkontakt und wechselnden Arbeitsorten ausgelegt sind: Neben der Kommunikation auf Distanz (u. a. Chat, Web-Conferencing) wird insbesondere des Teilen von Wissen gezielt unterstützt: Mit einem ERP-System werden auftragsbezogene Daten gepflegt, in einem CRM-System die Kundenkommunikation und die Projektakte geteilt, und schließlich gibt es zwei Anwendungen, in denen sowohl der freie Austausch zwischen Personen in Communities als auch die strukturierte Ablage und Weiterentwicklung des Wissens in einem WIKI-System unterstützt werden. Diese Anwendungen sind auf die Organisationsbedarfe und Nutzerbedürfnisse ausgelegt. Nutzer/innen können die Benachrichtigungen über Änderungen ausgewählter Inhalte oder selbst erstellter Inhalte individuell einstellen und so die kollaborativen Anwendungen an ihre individuellen Bedürfnisse anpassen. Es besteht darüber hinaus die Möglichkeit, eigene Gruppen oder Räume für die Kommunikation zu erstellen und zu nutzen. Der Austausch kann dann beispielsweise innerhalb themenbezogener Communities sehr frei gestaltet werden. Insgesamt erscheint die Nutzung von Anwendungen als Arbeitserleichterung und ermöglicht zusätzliche Kollaboration, wenngleich viele Befragte darauf hingewiesen haben, wie wichtig ihnen weiterhin Präsenztreffen sind.

3.3.2 Verfügbarkeit

Die Verfügbarkeit der kollaborativen Anwendungen ist generell gewährleistet. In den Interviews wurde deutlich, dass es den Mitarbeiter/innen leichtgemacht wird, aus dem Home-Office oder auf Dienstreisen zu arbeiten. Störungen der Verfügbarkeit machen sich bemerkbar, wenn die Zusammenarbeit über die Unternehmensgrenze hinausreichen soll, was an Regularien, Softwarelizenzen oder rechtlichen Erfordernissen liegen kann. Die Ermöglichung von Kollaboration über Unternehmensgrenzen stellt eine große organisatorische und regulatorische Herausforderung dar.

3.3.3 Ergonomie

Es gab wenig Hinweise auf ergonomische Probleme oder begrenzte Nutzerfreundlichkeit der eingesetzten Systeme. Problematisch ist allerdings der immer wieder notwendige Wechsel zwischen Anwendungen, was im Einzelfall auch die doppelte Datenerfassung erforderlich werden lässt.

3.3.4 Sicherheit

Die hohe Transparenz innerhalb des Unternehmens erfordert einen sensiblen Umgang mit Daten. Im Unternehmen gibt es eine Datenschutzbeauftrage, die zusätzlich auf eine externe Beratung zurückgreifen kann. Der Umgang mit VPNs, Tokens und Passwörtern ist verbindlich geregelt. Zusätzlich müssen Mitarbeitende des Unternehmens Verschwiegenheitsvereinbarungen unterzeichnen.

4 Fazit und Ausblick

Um Führungskräften und Arbeitsgestalter/innen in Unternehmen einen Orientierungsrahmen zur Arbeitsgestaltung für kollaborative Anwendungen anzubieten, wurde in diesem Beitrag ein Modell zur Arbeitsgestaltung von kollaborativen Arbeitssysteme entwickelt und seine Tauglichkeit anhand eines Praxisbeispiels exemplarisch überprüft. Es hat sich gezeigt, dass sich die bisherigen Gestaltungsaktivitäten des Unternehmens sinnvoll in den Dimensionen der drei Modellebenen Strategie, Methode und Technik verorten lassen. Im Falle unseres Praxisbeispiels – eines Unternehmens mit viel Erfahrung in der Gestaltung kollaborativer Arbeitssysteme – konnten alle im Modell als notwendig behaupteten Dimensionen mit konkreten Gestaltungsmaßnahmen illustriert werden. Dies kann als erste Bestätigung der Orientierungsfunktion des Modells für die Gestaltung internetbasierter kollaborativer Team- und Projektarbeit gesehen werden.

Darüber hinaus hilft die durch das Modell vorgegebene Systematisierung von Gestaltungsaktivitäten bei der empirischen Analyse eines Unternehmens auch, Problemfelder zu identifizieren und Handlungsbedarf sichtbar zu machen. Das Praxisbeispiel zeigt, dass mit den neuen Möglichkeiten der Zusammenarbeit, die sich durch die kollaborativen Anwendungen eröffnen (verteiltes Arbeiten, Zugreifen auf gemeinsame Dateien, schnelle Abstimmungen), vielfältige Anpassungsanforderungen einhergehen. Die am Beispiel identifizierten aktuellen Gestaltungsaufgaben beim Einsatz kollaborativer Anwendungen konnten im Modell verortet werden: Ziele (Wie lässt sich durch Information und Partizipation die Transparenz steigern? Welche Priorität genießen interne Veränderungsprojekte?), Regeln (Welche Anwendung wird für welche Funktion genutzt? Wie wird eine übermäßige Arbeitsverdichtung verhindert?) und der Dimension Lernen (Wie muss der Onboarding-Prozess bei einer vielfältigen Anwendungslandschaft weiterentwickelt werden?). In dem angeführten Praxisfall zeigt sich, dass es weniger technische Aspekte sind, die zu Problemen führen, sondern, dass die Herausforderungen insbesondere auf der Ebene der Strategie (Ziele, Regeln) und der Methoden (Lernen) zu finden sind. Dies bestätigt die Notwendigkeit, die Gestaltung unter einer soziotechnischen Perspektive zu betreiben. Inwieweit sich diese Erkenntnisse generalisieren lassen, muss an weiteren Praxisfällen überprüft werden. Die Reflexion eines empirischen Fallbeispiels zeigt, dass das Gestaltungsmodell somit auch als Grundlage für die Ableitung von Handlungsempfehlungen dienen kann.

Im Rahmen der weiterführenden Forschung des Verbundprojektes CollaboTeam wird das hier vorgestellte Gestaltungsmodell systematisch überprüft, empirisch und konzeptionell fundiert und weiterentwickelt. Es wird u. a. zu klären sein, ob es sich auch für die Einschätzung der Gestaltungsmaßnahmen von Unternehmen eignet, die erst am Anfang der Nutzung kollaborativer Anwendungen für die Team- und Projektarbeit stehen. Zudem kann die Frage gestellt werden, welche Gestaltungsdimensionen zu welchen Zeitpunkten bei der Einführung kollaborativer Anwendungen besonders wichtig sind und stärker fokussiert werden müssen. Sollten verbindliche Regeln für die Nutzung von Werkzeugen beispielsweise von Beginn an festgelegt, oder erst im Rahmen der Nutzung von den Betroffen entwickelt werden?

Ein Modell, das wichtige Gestaltungsaspekte kollaborativer Team- und Projektarbeit systematisiert, stellt nicht nur den betrieblichen Akteuren/innen, die den Einsatz kollaborativer Anwendungen in Zukunft gestalten wollen, ein taugliches Werkzeug bereit, sondern kann auch eine Orientierung für zukünftige Forschung auf diesem Gebiet sein.