1 Interne Beratung: Ein Überblick über das Feld

Dass Organisationsberatung eine von externer Seite erbrachte Dienstleistung ist, gehört zu den impliziten Selbstverständlichkeiten der etablierten Diskurse: So zeichnet sich, um stellvertretend für viele nur eine Definition aus einem renommierten psychologischen Handbuch zu zitieren, „die Beratung von Organisationen […] durch den temporären Charakter der Zusammenarbeit von Berater und Klientenorganisation aus“ (Sonntag und Stegmaier 2006, S. 294). Selbst in der systemischen Organisationsberatung wird vielfach mit der unhinterfragten Annahme gearbeitet, dass Berater/innenFootnote 1 und Beratene unterschiedlichen Organisationen entstammen: „In einem Beratungsverhältnis stehen sich zwei soziale Systeme in Interaktion gegenüber […]: Die um Beratung anfragende Organisation als das Klientensystem […] und die Beraterorganisation als das Beratersystem“ (Königswieser und Hillebrand 2011, S. 36).

Die Praxis sieht längst anders aus: Bereits 2009 verfügten laut einer Studie von Galal, Richter und Steinbock (2010) ca. 70 % der DAX 30-Unternehmen über eine interne BeratungseinheitFootnote 2. In den von den Autoren befragten 20 Unternehmen wurden bereits 40 % der Beratungsprojekte intern erbracht, mit steigender Tendenz: 60 % der Befragten meinen, das intern vergebene Volumen von Beratungsleistungen würde in den kommenden 3 Jahren höher oder viel höher sein.

Galten Mitte der 90er-Jahre die Internen noch als verlängerte Werkbank der Externen, drehen sich heute die Verhältnisse um. Die Internen begleiten – in eigener Konzeption und Regie – langwierige, mächtige Umbauprozesse. Externe decken Kapazitätsspitzen für Beratungsprojekte in mittleren bis unteren Managementebenen ab; sie übernehmen zunehmend kleinteilige Aufträge wie Moderationen und Teamentwicklungen. (Krizanits 2011, S. 12)

Die Beratungsforschung hat dieser beständig wachsenden Bedeutung interner Beratung bislang wenig Beachtung geschenkt – eine Übersicht über die Arbeiten der letzten 50 Jahren findet sich bei Knödler, Degen und Benath (2011), S. 4 f. Ein weiteres Defizit besteht darin, dass sich der überwältigende Teil der Literatur auf interne Beratung in Wirtschaftsunternehmen bezieht, obwohl es mittlerweile auch in vielen Non-Profit-Organisationen interne Beratung oder Äquivalente hierzu gibt – man denke etwa an Gemeindeberatung (siehe den Artikel von Lames in diesem Bd.), an Hochschuldidaktik mit Beratungsfunktion (siehe den Artikel von Wildt und Wildt in diesem Bd.) oder an Beratungslehrer/innen, die auch das eigene Kollegium beraten.

Als wohl erste interne Beratungseinheit in Deutschland wurde 1971 Bayer Business Services gegründet, ein massiver Gründungsschub fand dann in den 1990er Jahren statt, wo ¾ der heute existierenden Inhouse-Beratungen entstanden (Deelmann, Huchler, Jansen und Petmecky 2007, S. 231 f.). In dieser Zeit stiegen die Inanspruchnahme von externer Beratung und die damit einhergehenden Kosten stark an – Kostenersparnis war daher vermutlich ein zentraler Anstoß für die Gründung vieler interner Beratungseinheiten. Galal, Richter und Steinbock (2010, S. 26) kommen in einer Modellrechnung zu der Schätzung, dass interne Beratungen etwa 30 % billiger arbeiten als externe Beratung. Die Gründung einer internen Beratung wird daher in der Literatur vielfach unter dem Gesichtspunkt einer „make or buy“-Entscheidung diskutiert, wobei externe Beratung in aller Regel weiterhin in Anspruch genommen wird und man somit eher von einer „make or also buy“-Entscheidung sprechen müsste (Kehrer und Schade 1995, S. 467).

Neben der Kostenfrage werden aber auch andere Vorteile genannt, die weitere Argumente für die Gründung einer internen Beratungseinheit liefern (Galal et al. 2010, S. 14; Maaßen 2005, S. 155):

  • Eine interne Beraterin wird von den Kolleg/innen in der Organisation als „eine von uns“ wahrgenommen, was die Anschlussfähigkeit und damit die Akzeptanz erhöht. 95 % der in der von Galal et al. befragten Inhouse-Berater/innen glauben, dass die Mitarbeitenden des eigenen Konzerns der Einbindung von interner Beratung recht aufgeschlossen oder sehr aufgeschlossen gegenüberstehen, während dieselbe Aufgeschlossenheit gegenüber externen Berater/innen nur bei 25 % der Kolleg/innen vermutet wirdFootnote 3.

  • Interne Berater/innen sind (im Gegensatz zu externer Beratung) oft auch mit der Implementierung der Veränderungen betraut, wodurch sie sich – so die Annahme – eher für die Projektergebnisse und deren Nachhaltigkeit verantwortlich fühlen.

  • Interne Berater/innen kennen Strukturen, Kultur und Personen in ihrer Organisation, sie verfügen über eine hohe branchen- und organisationsspezifische Expertise. Das hat zur Folge, dass sie weniger Einarbeitungszeit benötigen, die Möglichkeiten und Grenzen des Machbaren besser einschätzen und passgenauere Lösungen entwickeln können.

  • Interne Berater/innen verfügen über organisationsinterne Netzwerke, die ihnen die Einbindung der richtigen Fach- und Machtpromotoren in den Prozess erleichtern.

  • Interne Berater/innen lernen bei ihrer Tätigkeit große Teile der Organisation kennen und sammeln Erfahrung über strategisch relevante Entwicklungsfelder, Stärken und Schwächen der Organisation. Interne Beratungseinheiten sind damit als Plattform für den Aufbau von internem Management-Nachwuchs nutzbar.

  • Während sich bei externen Beratungsfirmen die Problematik eines möglichen Wissensabflusses an die Konkurrenz ergibt, besteht bei internen Beratungseinheiten diese Gefahr nicht.

Die Inanspruchnahme interner Beratung ist bei Problemstellungen mit mittlerer Aufgabenspezifität und Informationskomplexität sinnvoll, wie Kehrer und Schade (1995) in einer ausführlichen Analyse herausarbeiten. Externe Beratungen sollten bei sehr spezifischen und komplexen Projekten zum Einsatz kommen, für die intern die nötige Expertise fehlt, oder bei der Abwicklung von Standard-Aufgaben, für die intern keine ausreichenden Kapazitäten vorhanden sind. Weitere in der Studie von Galal, Richter und Steinbock (2010, S. 24 f.) benannte Gründe für den Einsatz externer Berater sind

  • „Sensible Spezialthemen“ wie z. B. Kostensenkungs- und Restrukturierungsprojekte, bei denen externe Beratungen bewusst eine „bad guy“-Rolle zugeschrieben wird (vgl. Ameln, Kramer und Stark 2009, S. 183 ff.),

  • Beratungsthemen, bei denen eine größere Unabhängigkeit/Neutralität erforderlich ist,

  • Benchmarking-Projekte.

Die Aufgabenbereiche interner Beratungseinheiten sind genauso vielfältig wie die Themenfelder, in denen externe Beratungsorganisationen operierenFootnote 4. Neben den von Krizanits (2011, S. 24) aufgelisteten Feldern General Management und Strategieberatung, Unternehmenstransformation, Produktivitäts- und Leistungssteigerung, Wissensmanagement und soziale Verantwortung im Business können Inhouse-Beratungen auch bei HR-Themen wie Personalselektion, Konfliktmanagement oder Teamentwicklung unterstützen, internes Coaching für Fach- und Führungskräfte anbieten (vgl. den Artikel von Schreyögg in diesem Bd.), psychologische Beratung durchführen (vgl. etwa den interessanten Artikel von Zapp 2014 über Sozialberatung bei der Lufthansa), die Klient/innen mit fachlichem Know-how bei der Ausübung ihrer Tätigkeit unterstützen u.v.m. Konkrete Tätigkeitsberichte aus der Praxis finden sich in den Interviews in diesem Heft sowie u. a. bei Krizanits (2011), Moscho und Richter (2010), Niedereichholz (2000) und Organisationsentwicklung (2010). Auch hinsichtlich ihrer Größe der internen Beratungseinheiten gibt es ein breites Spektrum von Einzelpersonen, die für interne Beratung zuständig sind, bis hin zu großen Einheiten mit über 100 Mitarbeiter/innen.

Das für die Beratungsszene insgesamt prägende Schisma zwischen Fach- und Prozessberatung (incl. der systemischen Beratung) findet sich auch in der internen Beratung wieder: Es gibt große Unternehmen, in denen interne Fachberatungsabteilungen und interne Prozessberatungsabteilungen die gleiche weitestgehend unverbundene Koexistenz führen wie dies in vielen Projekten unter Beteiligung externer Fach- und Prozessberaterinnen der Fall ist. Entlang dieser Trennlinie verlaufen auch die Grenzen zwischen den Grundprofessionen der Beteiligten: Neben Psychologen, Erwachsenenbildnerinnen etc. finden sich viele interne Berater/innen, die der Referenzprofession des jeweiligen Unternehmens angehören (in technisch orientierten Unternehmen z. B. Ingenieure). Dies hat mit der Entstehungsgeschichte und den Karrierewegen vieler interner Beratungen zu tun: Vielfach werden Mitarbeitende nicht von außen eingestellt, sondern intern rekrutiert und für ihre Tätigkeit in der internen Beratung geschult. In der Vergangenheit sind interne Beratungsteams oft im Zuge größerer Veränderungsprojekte aus Einzelpersonen zusammengestellt worden, die aus unterschiedlichen Teilen der Organisation stammten und denen man aufgrund ihrer Vorerfahrungen und Qualifikationen eine Tätigkeit in der internen Beratung zutraute.

Entstanden sind viele der internen Beratungseinheiten vor etwa zehn bis 15 Jahren aus so genannten „Kompetenznestern“ – Zusammenschlüssen von Mitarbeitern und Führungskräften mit speziellen Fähigkeiten, die sich zeitlich begrenzt eines übergreifenden Themas wie z. B. des „Projektmanagements“ annahmen. War ihre Aufgabe erfüllt, lösten sich die Kompetenznester wieder auf. Die Mitglieder blieben aber im losen Kontakt miteinander und wurden bei der nächsten Herausforderung als kompetente Eingreiftruppe wieder zum Leben erweckt. Bis es in den sich immer schneller verändernden Unternehmen permanent so viel Veränderungsbedarf gab, dass man die Beratungseinheiten gar nicht mehr auflöste, sondern personell und konzeptionell ausbaute. (Böning 2010, S. 39 f.)

Auf der einen Seite ist diese Form der ad-hoc-Zusammenstellung von internen Beratungseinheiten, die sich nach Projektende wieder auflösen, auch heute noch zu beobachten. Entsprechend meinen Deelmann, Huchler, Jansen und Petmecky (2007, S. 232): „Eine explizit strategische Gründungsabsicht einer Internen Beratung dürfte […] eher selten sein“. Auf der anderen Seite gibt es Argumente dafür, dass der Ausbau der internen Beratung zukünftig systematischer und nachhaltiger geschehen sollte und auch geschehen wird. Die nachfolgenden Abschnitte verfolgen u. a. das Ziel, Argumentationslinien für eine solche Professionalisierung interner Beratung zu entwickeln.

2 Funktionen und Rollen interner Beratung

Die Funktionen und Rollen interner Berater/innen sind sehr vielfältig, wie schon der Überblick über die Aufgaben interner Beratungseinheiten in Abschn. 1 gezeigt hat. Hoyer (2000) schlägt vor, die interne Beraterrolle über die Rollen Innovator, Coach, Organisator und Experte zu fassen. Mohe (2005) hält diese Rollenbeschreibung aber für zu unspezifisch, da sie es kaum ermöglicht, zwischen interner und externer Beratung zu differenzieren. Er sieht das Rollenset interner Beratung vor allem durch die vier Rollen Knowledgebroker, Talentscout, Salesmen und Gatekeeper (d. h. interne Berater/innen wirken bei der Auswahl externer Berater mit und kontrollieren somit den Wissensabfluss aus der Organisation) geprägt. Schmidt, Brandt und Ahlers (2000, S. 261 ff.) unterscheiden in ihrem ausführlicheren Modell acht Funktionen, die interne Beratung für die Organisation erfüllt. Leker et al. (2007, S. 151 f.) haben ausgehend von dieser Systematik 15 interne Beratungseinheiten verschiedenster Größe aus den Branchen Chemie/Energie, Technologie, Automobil/Flugzeugbau, Banken und sonstige Dienstleistungen nach der Bedeutung befragt, die diese Funktionen für ihre Arbeit besitzen. Die Reihenfolge in der nachfolgenden Darstellung entspricht der Rangfolge der Nennungen in der Befragung.

2.1 Rangplatz 1: Organisationsentwicklungsfunktion

Diese Funktion betrifft die klassische Aufgabe der Organisationsentwicklung, im Rahmen eines partizipativen Vorgehens organisationale Anforderungen und Veränderungsbereitschaft der Mitarbeitenden in einen Ausgleich zu bringen. In dieser Funktion besteht die Aufgabe von interner Beratung u. a. darin, gemeinsam mit den einzelnen Organisationseinheiten lokale Anpassungen für übergreifende Veränderungsstrategien zu entwickeln oder ein Commitment der Mitarbeitenden für den anstehenden Wandel zu erreichen.

2.2 Rangplatz 2: Personalentwicklungsfunktion

Wie bereits in Abschn. 1 angesprochen, dient eine Tätigkeit in der internen Beratung auch der Potenzialentwicklung der Berater/innen im Hinblick auf die spätere Übernahme einer höheren Führungsfunktion. Bei der Personalentwicklungsfunktion kann es sich um eine offiziell intendierte Funktion der internen Beratung handeln, wenn die Berater/innen ihre Tätigkeit lediglich als Karrieresprungbrett sehen, kann die daraus resultierende Fluktuation aber Probleme im Hinblick auf die immer wieder neue Rekrutierung und Einarbeitung, die Qualität der Beratung und die Reputation der internen Beratungseinheit im Unternehmen schaffen. Aus der Darstellung der Studie geht nicht hervor, mit wem die Interviews geführt wurden, daher kann schwer beurteilt werden, ob diese hohe Gewichtung (die Bedeutung der Personalentwicklungsfunktion wurde als annähernd gleich hoch eingeschätzt wie die Organisationsentwicklungsfunktion) die offizielle Position der Leitung der Inhouse-Beratungen oder das Eigeninteresse der Berater/innen wiedergibt.

2.3 Rangplatz 3: Innovationsfunktion

Zu den Aufgaben von interner Beratung gehört es nicht nur, die Umsetzung vorgegebener Veränderungsziele im Sinne der Organisationsentwicklungsfunktion zu unterstützen, sondern auch, eigene Ideen für potenzielle Innovationen zu entwickeln und voranzutreiben sowie Innovationsimpulse aus der Organisation zu bewerten. Hier kommt internen Beratungseinheiten die intime Kenntnis des Business und der einzelnen Geschäftsbereiche zugute. Abschnitt 4 befasst sich intensiver mit der Innovationsfunktion interner Beratung und ihrer zukünftigen Relevanz.

2.4 Rangplatz 4: Wissensförderung/Wissenstransfer

Ein wichtiges Kaufargument für externe Beratungen ist ihre Fähigkeit, auf der Basis der Erfahrung aus zahlreichen Beratungsprojekten Best-Practice-Lösungen anbieten zu können (Mohes Knowledgebroker-Funktion). Wenngleich internen Beratungen der Einblick in die Arbeit von Konkurrenzunternehmen fehlt, können sie doch organisationsintern die Verbreitung von Best-Practice-Lösungen und den Wissenstransfer zwischen verschiedenen Organisationseinheiten fördern. Dieser Vorteil ist vor allem, aber nicht nur in großen und dezentral aufgestellten Organisationen von Bedeutung.

2.5 Rangplatz 5: Problemlösungsfunktion

Hiermit ist die Fähigkeit von internen Beratungseinheiten angesprochen, Lösungsmöglichkeiten für konkrete, von den Kund/innen eingebrachte Problemstellungen zu entwickeln.

2.6 Rangplatz 6: Kommunikationsfunktion

Interne Beratungseinheiten sind an den unterschiedlichsten Stellen der Organisation im Einsatz und können so den informellen Austausch zwischen Einheiten fördern, die im Unternehmensalltag wenig Berührung miteinander haben.

2.7 Rangplatz 7: Wissenszentrum

Interne Beratungen können als Kompetenzzentrum fungieren und Expertenwissen zur Verfügung stellen, das in der Organisation nicht vorhanden ist und ansonsten u. U. zu hohen Kosten extern zugekauft werden müsste. Mohes Salesman-Rolle spricht diese Möglichkeit der internen Beratungseinheit an, Wissen intern weiterzugeben und zu organisationsweit zu „verkaufen“.

2.8 Rangplatz 8: Koordinationsfunktion

In Organisationen bilden sich in unterschiedlichen Organisationseinheiten unterschiedliche lokale Rationalitäten aus. Interne Beratung kann, so die Annahme der Autoren, dazu beitragen, solche unterschiedlichen Rationalitäten und Zielsetzungen im Unternehmen anzugleichen sowie eine effiziente Verbindung zwischen Hierarchiestufen und Funktionsbereichen herzustellen.

3 Interne Beratung – innen, außen oder beides zugleich?

Die Konstituierung einer Unterscheidung zwischen beratungsnehmendem und beratendem System ist Bedingung der Möglichkeit jeder Art von Beratung. Auch interne Beratung basiert darauf, dass eine interne Systemgrenze produziert wird, die innerhalb der Organisation das Beratersystem vom Klientensystem unterscheidet. Diese Doppelzuordnung zu Innen und Außen stellt ein zentrales Spannungsfeld interner Beratungen dar. Die Zugehörigkeit zur Organisation ist einerseits ein zentraler Erfolgsfaktor für interne Berater/innen, vor allem, weil sie mit dem Business, der Kultur und den Personen vertraut sind. Je enger aber diese Vertrautheit ist, desto mehr droht interne Beratung die selbstverständlichen Beobachtungsprämissen der Organisation zu übernehmen. Dieses Risiko der Betriebsblindheit wird von verschiedenen Autoren angesprochen (z. B. Klanke 1992, S. 123; Maaßen 2005, S. 154), aber auch von den internen Berater/innen selbst gesehen (Galal et al. 2010, S. 23). Beratung setzt Distanz voraus – wie die Erfahrung mit externer Beratung zeigt, führt ein Zuviel an Distanz aber zu einem Verlust der Anschlussfähigkeit. Maaßen (2005, S. 162) sieht hier auch die Gefahr einer Subkulturbildung und Abkoppelung, die entstehen kann, wenn Inhouse-Beratungen eine elitäres Image zugeschrieben wird. Eine Herausforderung für interne Beratungseinheiten besteht also darin, eine angemessene Distanz zum Kundensystem zu halten, die Unterschiede bzgl. Rolle und Professionalität markiert, aber gleichzeitig auf die Anschlussfähigkeit an die identitätsstiftenden symbolischen Codes der Organisation und der Abteilungskulturen achtet.

Ein weiteres Spannungsfeld für Inhouse-Beratungen entsteht, wenn die Umsetzung von Veränderungszielen des Managements zu ihren Aufgaben gehört (Organisationsentwicklungsfunktion, s. o.) und sie in die Berichtslinien der Organisation eingebunden sind. Dies bringt die Gefahr mit sich, dass sie die für Beratung notwendige Unabhängigkeit und Neutralität verlieren. Interne Management-Beratungen, so Maaßen (2005, S. 153), sind oft direkt an den Vorstand(svorsitzenden) angebunden und berichten an diesen – dieser schmale Grat zwischen „angebunden“ und „berichten“ bilde das Dilemma der internen Beratung und bringe die Gefahr mit sich, von den Auftraggebern auf untergeordneter Ebene als trojanisches Pferd wahrgenommen zu werden:

Auftragsvergaben an interne Managementberatungen allein durch den Vorstand rücken die interne Managementberatung in die Nähe einer Revisionstruppe. Sie verlieren damit die Unabhängigkeit und dadurch erhöht sich die Gefahr, vom Management der Geschäftseinheiten und Divisionen nicht als klientenorientierte Berater wahrgenommen zu werden. (ebd., S. 164)

Diese Gefahr illustriert ein Fallbeispiel aus Ameln et al. (2009, S. 175), in dem ein erfahrener Mitarbeiter in einem Großkonzern die Haltung gegenüber den Inhouse Consultants wie folgt beschreibt: „Wir wissen, dass wir schneller, höher, weiter arbeiten sollen. Die sollten uns von Anfang an sagen, wie viele Millionen sie holen müssen. Dann könnten wir die Folien so hinbiegen, dass die entsprechenden Zahlen rauskommen, die könnten wieder gehen und uns mit ihrem Workshop-Kram in Ruhe lassen.“ Daher, so Böning (2010, S. 40), sei in der internen Beratung „eine Trennung von ordnungspolitischen und unterstützenden Funktionen […] unbedingt wünschenswert, vor allem bei Change-Prozessen, in denen sensibel mit den Emotionen von Vertrauen und Misstrauen, mit Angst und Widerstand umgegangen werden muss“.

Eine solche Trennung auf der Ebene der strukturellen Einbindung der Inhouse-Beratungseinheit ist, ebenso wie Transparenz und konsistentes Handeln bezüglich des Umgangs mit Kundeninformationen (incl. Offenlegung von Regeln zu Berichtslinien und Vertraulichkeit), eine notwendige, aber nicht unbedingt hinreichende Bedingung für die Entwicklung von Vertrauen im Verhältnis von internen Berater/innen und ihren Kunden innerhalb der Organisation. Diese Qualität dieser Beziehung hängt auch davon ab, inwieweit die Kund/innen im Rahmen ihrer subjektiven Theorien der internen Beratung hidden agendas zuschreiben. Hier sind nicht nur tatsächliche (positive oder negative) Erfahrungen ausschlaggebend, sondern auch Organisationskultur, gewachsene Vorbehalte gegenüber dem Management, Ängste in Hinblick auf aktuelle Veränderungsprozesse usw. Die Auslagerung der internen Beratung aus einer Stabsstelle in eine eigene, u. U. auch rechtlich eigenständige Organisationseinheit kann diese Problematik abmildern, aber nicht unbedingt ausräumen.

Eine umgekehrt gelagerte Problematik kann entstehen, wenn die interne Beratungseinheit das Top Management berät: Da interne Berater in das Anreiz- und Sanktionssystem des Unternehmens eingebettet sind, werden sie nach Meinung von Klanke (1992, S. 116) tendenziell eine Konfrontation mit der Unternehmensleitung zu vermeiden suchen. Auch in diese Richtung kann sich u. U. die Loyalitätsfrage mit umgekehrten Vorzeichen stellen, wenn interne Beratungen die Veränderungswünsche und -ideen der Basis gegenüber dem Management vertreten. In jedem Fall bewegt sich interne Beratung in mikropolitischen Spannungsfeldern, die nicht immer aufzulösen sind und die einer konstanten Reflexion bedürfen.

4 Interne Beratung als Schaltstelle organisationalen Wandels

Der rapide Wandel, den die relevanten Umwelten von Organisationen in den vergangenen Jahrzehnten durchlaufen haben, betrifft nicht nur Wirtschaftsunternehmen, die sich einem immer härter werden Wettbewerb auf globalisierten Märkten stellen und technische Innovationen in immer kürzeren Zyklen hervorbringen müssen, sondern fast alle Arten von Organisationen: Im Gesundheitswesen wird unter zunehmendem Kostendruck gearbeitet, Verwaltungsorganisationen müssen mit schrumpfendem Personalbestand und einer als immer höher erlebten Volatilität politischer Entscheidungen zurechtkommen. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen. Entsprechend hat sich die Überzeugung durchgesetzt, dass es in Zukunft nicht mehr darum gehen kann, bei entsprechend hohem Handlungsdruck einzelne Veränderungsprojekte anzustoßen. Change Management ist zur organisationalen Daueraufgabe geworden (Schreyögg und Noss 2002). Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung arbeiten viele große Organisationen daran, ihre Fähigkeiten zur Bewältigung umfangreicher, komplexer und parallel laufender Veränderungsprozesse auszubauen. Das Stichwort lautet, neudeutsch verpackt: „ChangeabilityFootnote 5“ (Kyaw 2010).

In diesem Abschnitt soll versucht werden, diese Entwicklung hin zu einer den veränderten Umweltanforderungen angemessenen Form der organisationalen Selbststeuerung in einen konzeptuellen Rahmen zu setzen und auf dieser Basis den möglichen Beitrag interner Beratung zu definieren.

4.1 Steuerung vs. Selbststeuerung von Veränderung

Seit die Veränderungen in der Umwelt eine Qualität erreicht haben, auf die mit den tradierten Formen der Organisationsgestaltung nicht angemessen reagiert werden konnte, sind Organisationen auf der Suche nach neuen, flexibleren Steuerungsmodellen. Das klassische, hierarchische Organisationsmodell mit seinen langen Kommunikations- und Entscheidungswegen schien zu träge, zu langsam und zu unflexibel, um schnelle Anpassungen an sich wandelnde Marktbedingungen oder Kundenwünsche zu ermöglichen. Auch im Hinblick auf die Umsetzung von Veränderungen wird der hierarchische Aufbau von Organisationen oft als hinderlich empfunden: Das mittlere Management als viel beschworene „Lähmschicht“ (Doppler und Lauterburg 2014, S. 144 f.) gibt strategische Botschaften nicht von „oben“ nach „unten“ weiter, blockiert Verbesserungsvorschläge der Mitarbeitenden und torpediert Veränderungen, um die eigene Machtbasis zu erhalten, so die häufige Wahrnehmung. Folgerichtig kommt Kotter (2014, S. 7) zu der kategorischen Bewertung: „Mit auf Hierarchien basierenden Methoden für die Umsetzung von Strategien lässt sich keine rasche Transformation bewerkstelligen“ – die Strukturen und Prozesse, mit denen Organisationen bislang Veränderungen gestaltet haben und die er als „das Betriebssystem einer Organisation“ (ebd., S. 4) bezeichnet, sind demnach für das neue Paradigma der Veränderungsfähigkeit ungeeignet. Kotter geht in seinem Urteil noch weiter: „Heute bereiten uns die unvermeidbaren Schwächen der reinen Hierarchiebetriebssysteme nur Probleme, in der Zukunft können sie unser Untergang sein“ (ebd., S. 15).

Er sieht „die Lösung im Aufbau eines zweiten Betriebssystems mit agilen, netzwerkartigen Strukturen und gänzlich anderen Prozessen, das allein der Entwicklung und Umsetzung neuer Strategien dient“ (ebd., S. 4). Neben der offiziellen Aufbauorganisation schlägt er vor, unternehmensweise „informelle Netze von Change-Agents, die unter dem Radar der offiziellen Hierarchie operieren“ (ebd.) einzurichten, die z. B. Ideen für das Recruiting neuer Mitarbeiter oder neue IT-Lösungen entwickeln. Die Mitglieder des Netzwerkes legen ihre Vorschläge der Geschäftsführung vor, die darüber entscheidet und Ressourcen zur Verfügung stellt. Dazu sollen Koalition und Geschäftsführung miteinander in engem Kontakt und nicht in Konkurrenz zueinander stehen, es gehe vielmehr um „zwei parallele Systeme, die Hand in Hand arbeiten“ (ebd.): „Das Netzwerk darf nicht als unkontrollierbare Einheit wahrgenommen werden – es muss als legitimer Teil der Organisation gelten, ansonsten würde es von der Hierarchie zerstört“ (ebd., S. 10). Kotters informelles Netzwerk von motivierten Expert/innen ist gewissermaßen eine eigeninitiativ organisierte, auf Dauer gestellte und unternehmensweit ausgedehnte Variante des bekannten Steuerungsgruppen-Konzepts (Königswieser und Hillebrand 2011).

Kotters Vorschlag lässt – trotz der Beteuerung des Autors, das Konzept in acht Organisationen mit geradezu überwältigendem Erfolg eingeführt zu haben – viele Fragen unbeantwortet und stieße sicherlich in Deutschland bei vielen Organisationen auf Ablehnung (zumal angesichts der in einem Nebensatz anklingenden, normativ problematischen Erwartung, dass die „Freiwilligenarmee“, wie Kotter sie bezeichnet, die innovativen Strategien auch in der Freizeit erarbeiten möge). Nichtsdestoweniger ist der Ansatz für die weiteren Überlegungen interessant, da er formalhierarchisch-zentrale und dezentral-selbstorganisierte Formen der Initiierung und Gestaltung von Veränderungen kombiniert (wenngleich dieser theoretische Begründungszusammenhang in Kotters Artikel nicht theoretisch ausgearbeitet wird).

4.2 Koordination von Personal-, Team- und Organisationsentwicklung

Die Notwendigkeit, zentrale und dezentrale Entwicklungsprozesse zu verklammern, stellt sich auch im Hinblick auf Maßnahmen der Personal- und Teamentwicklung. Fort- und Weiterbildung sind sehr ressourcenintensiv, obwohl ihre Wirksamkeit vielfach nicht belegbar ist. Wie Gasch (2009) zeigt, werden Fortbildungsentscheidungen häufig nicht in Bezug auf sauber definierte organisationale Anforderungen, sondern auf der der Basis ganz anderer Prämissen getroffen (z. B. individuelle Wünsche der Mitarbeitenden, Gratifikation, Fortbildungstrends). Während hier davon auszugehen ist, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil des Fortbildungsbudgets letztlich fehlinvestiert wird, lässt sich auf der anderen Seite beobachten, dass andere aus organisationspsychologischer Sicht sinnvolle Maßnahmen nicht oder zu spät durchgeführt werden. Eine Ursache für diese Fehlsteuerung dürfte darin liegen, dass an der Stelle, an der in der Regel über die Inanspruchnahme von Fortbildungen, Teamentwicklung, Konfliktmoderation etc. entschieden wird (nämlich bei der jeweiligen Führungskraft), nicht immer die diagnostische Kompetenz und das Fachwissen über sinnvolle Maßnahmen liegt. Größere Unternehmen stellen den Führungskräften daher HR-Businesspartner zur Seite, die sie in dieser Hinsicht professionell beraten können. Eine enge Fokussierung auf die Belange der jeweiligen Organisationseinheit griffe aber zu kurz – bei Maßnahmen der Personal- und Teamentwicklung muss die Perspektive der Gesamtorganisation und ihrer strategischen Veränderungsthemen mitlaufen. Inhouse-Beratung kann – entsprechende Ressourcen und Kompetenzen vorausgesetzt – an dieser Stelle als „Lern- und Entwicklungsberatung“ für die einzelnen Organisationseinheiten fungieren. Diese Rolle würde beinhalten,

  • Die Implementierung zentral ausgerollter Veränderungsprojekte an der Basis zu unterstützen (diese Organisationsentwicklungsfunktion ist schon heute eine der wichtigsten Funktionen interner Beratung, vgl. Abschn. 2),

  • Gemeinsam mit den Führungskräften und unter Einbeziehung der Mitarbeitenden Entwicklungsfelder für die jeweilige Organisationseinheit zu identifizieren,

  • In Abstimmung mit HR für die Bearbeitung dieser Entwicklungsfelder passende Maßnahmen zu empfehlen,

  • Die Weiterentwicklung der Führungskraft zu unterstützen.

Diese Koordinationsfunktion kommt internen Beratungseinheiten heute schon zu (vgl. Abschn. 2), eine Professionalisierung in Richtung einer integrierten, sowohl strategischen als auch lokalen Bedarfen entsprechenden Organisationsentwicklung unter sinnvollem Ressourceneinsatz würde es aber nahelegen, diese Funktion zukünftig weiter auszubauen.

4.3 Organisationale Reflexivität als Kern organisationalen Lernens

Wenn es um Veränderung von Organisationen geht, kommt die Rede schnell auf das Konzept des organisationalen Lernens nach Argyris und Schön (1999). Wie in diesem Abschnitt gezeigt werden soll, setzt der angestrebte Paradigmenwechsel von der anlassbezogenen, linear-projektförmigen Einmalveränderung hin zu einer kontinuierlichen, zirkulär-evolutiven Weiterentwicklung einen organisationalen Lernprozess auf einer qualitativ neuen Entwicklungsstufe voraus, die sich mit den bisherigen Konzepten organisationalen Lernens nicht angemessen beschreiben lässt.

Der systemtheoretische Blick auf Organisationen betont, dass Organisationen nicht aus Menschen bestehen – Luhmann (1984) unterscheidet zwischen psychischen und sozialen Systemen und siedelt Organisationen auf der Ebene sozialer Systeme an. Werthaltungen, Einstellungen, Motivation, Wissen, Veränderungsbereitschaft etc. liegen auf der Ebene der psychischen Systeme und sind für die Organisation nur insoweit relevant als sie in die Kommunikation eingetragen werdenFootnote 6. Auf dieser Ebene schließen in einer Organisation Kommunikationen – und eben nicht Gedanken – fortlaufend aneinander an. Diesen Gedanken, dass sich Systeme fortwährend neu erschaffen, indem sie permanent Operationen (im Fall sozialer Systeme Kommunikationen) an vorangegangene Operationen anschließen, hat die Systemtheorie mit dem Konzept der Autopoiesis beschrieben. Wie aber an eine Kommunikation angeschlossen wird, hängt u. a. von den Rollen der Beteiligten, von sozialen Normen, von Thematisierungsschwellen in der Organisation (Was darf man hier wem sagen, worüber darf nicht gesprochen werden?) ab. Wie schon die Gruppendynamik herausgearbeitet hat, folgt das soziale Geschehen eigenen Gesetzlichkeiten und entwickelt eine emergente Systemdynamik, die sich nicht auf die Summe der Beiträge der beteiligten Personen reduzieren lässt.

Alle sozialen Systeme bestehen aus diesem autopoietischen Netz von Kommunikationen, Organisationen im Besonderen bestehen aus (auf der prozessualen Ebene) aus der Kommunikation von Entscheidungen und (auf der strukturellen Ebene) aus den Regeln zum Prozessieren dieser Entscheidungen. Daraus ergibt sich, dass organisationales Lernen auf einer anderen Ebene angesiedelt ist als das Lernen der Organisationsmitglieder. Lernen der Individuen (das sich z. B. in einem Verbesserungsvorschlag äußert) ist für die Organisation zunächst nicht mehr als eine Perturbation, die sie in eigenes Lernen überführen kann (etwa indem eine Verfahrensanweisung geändert wird), die sie aber auch ignorieren kann. Organisationen lernen also über die Veränderung ihrer RegelnFootnote 7, wenngleich Lernprozesse bei Personen und Teams dadurch natürlich nicht überflüssig werden.

An dem in Argyris (1996) dargestellten Beispiel lässt sich dieser Prozess leicht veranschaulichen. Ein neu ernannter CEO stellt fest, dass es im Unternehmen viele Innovationen durch veraltete bürokratische Vorschriften verhindert werden. Eine Arbeitsgruppe identifiziert eine Reihe solcher Vorschriften, die per Beschluss des CEO außer Kraft gesetzt werden. Hier hat eine Form von Lernen stattgefunden, die Argyris und Schön (1999) als „Einschleifen-Lernen“ bezeichnen – in systemtheoretischer Terminologie würde man von „Lernen erster Ordnung“ sprechen. Die Organisation aus Aryrisʼ Beispiel hat kurze Zeit später aber eine Vielzahl neuer Vorschriften „erfunden“ – offenkundig bestehen hier kulturell verankerte Dynamiken (bei Argyris und Schön als „handlungsleitende Theorie“ oder „theory-in-use“ bezeichnet), die zur immer neuen Produktion überflüssiger Vorschriften führt. Wenn diese theories-in-use verändert und damit die Ursachen der ursprünglichen Probleme behoben werden, findet ein qualitativer Lernsprung statt – es hat ein Lernen zweiter Ordnung („Doppelschleifen-Lernen“ im Sinne von Argyris und Schön) stattgefunden. Mit einem solchen Kulturwandel (der in der Praxis schwer genug zu erreichen ist) könnte der Prozess des Wandels vorerst abgeschlossen sein.

Das neue Paradigma zielt aber noch darüber hinaus: In Argyrisʼ Beispiel hätte die Organisation dann die intendierte Fähigkeit zur Selbstveränderung entwickelt, wenn die Vorschriften nicht einmalig, sondern regelmäßig auf Sinnhaftigkeit geprüft würden und wenn die handlungsleitende Theorie nicht einmalig, sondern kontinuierlich an die aktuellen Erfordernisse angepasst würde.

Eine lernende Organisation ist […] nicht eine, die einmal etwas gelernt hat, sondern sie ist es erst dann, wenn sie Strukturen herausbildet, um ihre Strukturen zu ändern bzw. wenn sie Regeln entwickelt, um ihre Regeln zu ändern. Lernen ist hierbei als eine paradoxe Anforderung zu verstehen: Es ist darauf gerichtet, Formalisierungen einzuziehen, die systematisch und regelgeleitet Erwartungen durchkreuzen und Entformalisierungen bzw. Regelabweichungen ermöglichen. (Zech 2013, S. 76)

Wie Zech in diesem Zitat anspricht, kann man von organisationalem Lernen erst dann sinnvollerweise sprechen, wenn die Organisation Verfahren entwickelt hat, die Selbstreflexion auf Dauer stellen.

Moldaschl (2006) spricht in diesem Zusammenhang von institutioneller Reflexivität. Institutionelle Reflexivität liegt vor, wenn „Managementkonzepte und Organisationsmethoden […] die Aufnahmebereitschaft für Erkenntnisse fördern, die zur Revision bzw. Innovation bisheriger Sichtweisen und Praktiken beitragen“ (S. 18Footnote 8). Moldaschl (ebd., S. 19) nennt interne Beratung explizit als eine Form der Institutionalisierung von Selbstbeobachtung und Selbstkritik – angesichts der unterschiedlichen in der Praxis anzutreffenden Selbstverständnisse und Aufgabendefinitionen von interner Beratung trifft diese Beschreibung jedoch nicht automatisch auf alle internen Beratungseinheiten zu. Interne Beratung könnte ein solches auf Dauer gestelltes organisationales Lernen nur anstoßen, wenn sie systematisch und kontinuierlich Erkenntnisse sammelt und in die Entscheidungsproduktion der Organisation einspeist, die zur Transformation der Entscheidungsregeln genutzt werden: „Der reflexive Berater mit Reflexionsauftrag […] überprüft existierende Managementverfahren und organisationale Praktiken auf ihre kontextangemessene Förderung von Reflexivität. Er sucht dabei nach Möglichkeiten der Institutionalisierung von Reflexivität in Verfahren“ (Knödler, Degen und Benath 2011, S. 9).

4.4 Interne Beratung als Schaltstelle für unterschiedliche Steuerungslogiken der Veränderung

Vor dem Hintergrund des bisher Erschlossenen lässt sich nun ein Entwurf für eine mögliche zukünftige Verfasstheit interner Beratung entwickeln, der den Anforderungen an eine neue Form der flexiblen Steuerung von Veränderungsprozessen gerecht wird. Die Ausbalancierung der Paradoxien, mit denen sich verändernde Organisationen konfrontiert sind, wird in Zukunft noch anspruchsvoller werden: Organisationen müssen sich immer schneller auf Umweltveränderungen einstellen, ohne dabei zu überhitzen und als „hyperflexible Organisation ohne Stabilitätsorientierung“ (Kühl 2000, S. 80) auszubrennen. Sie müssen dem funktionalen Geltungsanspruch einer unternehmensweiten (Change-)Strategie folgen und dabei die oft ebenso große Funktionalität lokaler Rationalitäten berücksichtigen, die dieser Strategie widersprechen. Sie müssen ein schnelleres „zweites Betriebssystem“ für Veränderungen einrichten, das aber nicht in Konflikt mit den u. U. nach ganz anderen Prämissen arbeitenden formalen Entscheidungsinstanzen geraten darf. Sie müssen Veränderungen professionell, pragmatisch und weniger politisiert voranbringen, auch wenn gerade diese mikropolitisch heiß umkämpft sind. Sie müssen Veränderungsmanagement als prioritäre strategische Aufgabe behandeln, was die Bereitstellung der beiden in Organisationen zurzeit knappsten Ressourcen voraussetzt, nämlich Zeit und Aufmerksamkeit, ohne dabei das Kerngeschäft zu vernachlässigen. „Die lernende Organisation“, so Kühl (ebd., S. 93 f.), „kann nur deswegen als Erfolg versprechende Managementstrategie gehandelt werden, weil diese Paradoxien, Widersprüchlichkeiten, Zielkonflikte und Dilemmata systematisch ausgeblendet werden“.

Auch wenn diese Paradoxien nicht aufgelöst werden können (sonst handelte es sich nicht um Paradoxien), kann interne Beratung einen wichtigen Beitrag bei der Austarierung dieser Spannungsfelder leisten. Im Rahmen einer solchen zukunftsorientierten Neupositionierung müssen die in Abschn. 3 angesprochenen Innovations- und Koordinationsfunktionen sowie die auf die Bereitstellung und den innerorganisationalen Transfer von Wissen bezogenen Funktionen interner Beratung ein weitaus größeres Gewicht als bisher erlangen. Die Beratung des Top Managements im Hinblick auf die Ausrichtung strategisch wichtiger Veränderungen, eine partizipativ gestaltete Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten in den verschiedenen Organisationseinheiten, die Förderung dezentral initiierter Veränderungsinitiativen sowie deren Koordination im Abgleich mit unternehmensweiten Change-Strategien und mit den change agents in den Abteilungen stellen in diesem Zukunftsentwurf zentrale Aufgaben interner Beratung dar. Interne Beratung stellt dann gewissermaßen den zentralen Think Tank für Veränderung und die Schaltstelle zwischen der von der Unternehmensleitung vorgegebenen Wandel und Kotters Konzept eines dezentralen und weitestgehend nach den Prinzipien der Selbstorganisation operierenden „zweiten Betriebssystems“ dar.

5 Ausblick

In diesem Artikel konnte eine mögliche Zukunftsausrichtung für interne Beratung nur grob skizziert werden. Für diese sehr anspruchsvolle Neupositionierung von interner Beratung müssen einige Voraussetzungen geschaffen werden:

  • An dieser Schaltstelle muss die organisations- und beratungswissenschaftliche Kompetenz für die Steuerung und Harmonisierung dieser beiden Veränderungslogiken angesiedelt sein. Hier ist nicht nur eine solide Kompetenzbasis, sondern eine fortlaufende Professionalisierung der internen Beratung unerlässlich. Dies beinhaltet nicht nur eine noch stärkere Anbindung an die beratungswissenschaftlichen Diskurse, sondern setzt vor allem in der etablierte Verfahren voraus, die Selbstreflexion und professionelle Weiterentwicklung der internen Beratungseinheit als wichtigen Beitrag zum Erfolg von Veränderungen vorsehen.

  • Heute existierende, zum Teil konkurrierende Parallelstrukturen in der internen Beratung müssen zusammengefasst werden. Dabei stellt sich auch die Herausforderung, das historisch gewachsene Nebeneinander von internen Fach- und Prozessberatungseinheiten im selben Haus zugunsten eines viel beschworenen integrierten Beratungsansatzes aufzulösen.

  • Die in diesem Artikel beschriebene Konzeption setzt ausreichende personelle Ressourcen sowie Zeit für Weiterentwicklung voraus. Dies setzt das Commitment des Top-Managements für eine entsprechende Aufwertung interner Beratung, aber auch eine kontinuierliche Unterstützung und enge Abstimmung mit der strategischen Ebene voraus.

  • Die Stärkung der Rolle von interner Beratung kann Irritationen in den etablierten Kräfteverhältnissen in der Organisation hervorrufen. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Gelingen dieses Konzepts ist gegenseitiges Vertrauen zwischen interner Beratung und Top-Management.

Zum letzten Punkt schreiben Knödler, Degen und Benath (2011):

Der reflexive Berater muss dafür mitunter bisherigen Handlungsbegründungen misstrauen und kognitiv geschlossene Handlungsräume öffnen können. In der Organisation, insbesondere im mittleren und oberen Management als Auftraggeber der Berater, setzt das die Bereitschaft und Fähigkeit voraus, sich Fragen zu stellen, Fragen zuzulassen und reflexiv unterschiedliche Optionen bzw. Szenarien auszuarbeiten statt ausschließlich eindeutige Lösungen vom Berater zu verlangen. Dies ist mitunter – gewollt – kritisch und unbequem. […] Da Unsicherheit, Ambiguität und Wandel i.d. R einhergehen mit der Umverteilung von Macht […], ist der interne Berater auch immer untrennbar mit der „dynamic of power“ (Margulies und Raia 1984) in der Organisation verbunden. In dieser politischen Arena ist ein Gespür notwendig, wann und wie die Akteure mit unterschiedlichen Meinungen und Interessen konfrontiert werden können. (S. 10 f.)

Auf dem Weg zu einer weiteren Professionalisierung stellt eine deutlich intensivere, auf die Besonderheiten interner Beratung ausgerichtete Theoriebildung und Forschung einen wichtigen Beitrag dar. Die von Mohe (2007, S. 32) vorgeschlagene Forschungsfrage nach den Bedingungen, unter denen erfolgreiche und gescheiterte interne Beratungen operier(t)en, ist dabei nur eine von vielen möglichen. Von einer solchen Intensivierung würden nicht nur interne Beratungseinheiten, sondern nicht zuletzt auch die Beratungsforschung selbst profitieren, die dieses immer bedeutsamer werdende Feld zu lange vernachlässigt hat.