1 Einleitung

Der demografische Wandel schreitet voran und verschärft den Fach- und Führungskräftemangel unaufhaltsam (Koppel 2010). Besonders alarmierend ist die Situation in technisch-naturwissenschaftlichen Branchen. Berechnungen zufolge hat die deutsche Volkswirtschaft infolge des Ingenieurengpasses im Jahr 2009 einen Wertschöpfungsverlust von mindestens 3,4 Mrd. € erlitten (ebd.). Zudem stellt der rasante Wandel der Arbeitswelt Unternehmen und Mitarbeiter stetig vor neue Herausforderungen (Rigotti und Mohr in Druck). Die Halbwertszeit des Wissens sinkt rasant und macht eine kontinuierliche Entwicklung beruflicher Kompetenzen erforderlich (z. B. Staudt und Kriegsmann 1999). Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen gewinnt die Förderung der beruflichen Kompetenz- und Karriereentwicklung der Mitarbeiter zunehmend an Bedeutung. Die direkte Führungskraft spielt hierbei eine zentrale Rolle: Im Gegensatz zu externen Trainern kennt sie die spezifische Arbeitssituation, die Karrieremöglichkeiten innerhalb des Unternehmens und, nicht zuletzt, ihre Mitarbeiter persönlich und ist somit in der Lage, diese individuell entsprechend ihrer Interessen und Leistungsvoraussetzungen zu fordern und fördern. Dies geschieht sowohl im direkten Kontakt z. B. durch konstruktives Feedback, als auch indirekt über die Gestaltung lernförderlicher Arbeitsaufgaben.

Viele Autoren betonen die Verantwortung und Bedeutung der Führungskraft bezüglich der Personalentwicklung, beruflichen Weiterbildung sowie Kompetenz- und Karriereentwicklung ihrer Mitarbeiter (z. B. Boos und Evers 2009; Diesner et al. 2008; Dimitrova 2009; Kaltenegger 2008; Kunz 2005; Meifert 2010; Seufert et al. 2007; Wallo 2008). Trotz der hohen Relevanz und Aktualität der Thematik ist die empirische Befundlage zu diesem Thema erstaunlicherweise noch sehr dünn. Einzelne Studien weisen darauf hin, dass bestimmte Führungsverhaltensweisen in Verbindung mit Konstrukten stehen, die mit der beruflichen Kompetenz- und Karriereentwicklung assoziiert sind, wie z. B. die Selbstwirksamkeit, das Lernen oder Empowerment (z. B. Bezuijen et al. 2009; Friebe 2005; Gómez und Rosen 2001; Schaper et al. 2009; Wallo 2008). Nach unserem Kenntnisstand gibt es jedoch keine Forschung zu der Frage, welches konkrete Repertoire an Führungsverhaltensweisen die Kompetenz- und Karriereentwicklung von Mitarbeitern fördern kann.

Das Ziel dieser Untersuchung war deshalb die Identifikation von Führungsverhaltensweisen, welche die berufliche Kompetenz- und Karriereentwicklung der Mitarbeiter fördern, um wissenschaftlich fundierte Empfehlungen für die Praxis ableiten zu können. Zu diesem Zweck wurde im Rahmen des Verbundprojektes Aufstiegskompetenz von Frauen Footnote 1 eine umfangreiche Interviewstudie durchgeführt.

Im Folgenden wird der Stand der Forschung zur kompetenz- und karriereförderlicher Führung zusammengefasst. Darauf aufbauend wird die Untersuchung skizziert und die Ergebnisse systematisch dargestellt.

2 Kompetenz- und karriereförderliches Führungsverhalten

Nachfolgend thematisieren wir zwei Aspekte kompetenz- und karriereförderlichen Führungsverhaltens: Zum einen die Förderung im direkten Kontakt, zum anderen die Weiterentwicklung der Mitarbeiter über die Gestaltung der Arbeitsaufgabe. Da bisher wenig fundierte und kausal interpretierbare Ergebnisse zur kompetenz- und karriereförderlichen Führung vorliegen, beziehen wir uns im Weiteren auch auf Konstrukte, die mit der Kompetenz- und Karriereentwicklung zusammenhängen. Dabei ist einmal das Lernen zu nennen, im Zuge dessen Kompetenzen erworben und entwickelt werden (Friebe 2005). Darüber hinaus geht die Selbstwirksamkeit, also das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten (Bandura 1997), mit der Karriereentwicklung einher (Abele und Spurk 2009; Stief 2001). Zuletzt ist Empowerment als ein psychologischer Zustand anzuführen, in dem eine Person ihre Arbeit als sinnvoll und sich selbst als kompetent und fähig erlebt, die Aufgaben zu bearbeiten und den Arbeitskontext zu beeinflussen (Lee und Koh 2001).

Förderung im direkten Kontakt zwischen Führungskraft und Mitarbeiter

figure a

Eine viel diskutierte Führungsverhaltensweise, deren hohe Bedeutung sich beispielsweise in der Institutionalisierung in Mitarbeitergesprächen zeigt, ist das Feedback. Trotz der hohen Relevanz des Themas existieren jedoch kaum empirische Studien. Eine Untersuchung zeigt, dass positives Vorgesetztenfeedback mit einer hohen Selbstwirksamkeit einhergeht (Noefer et al. 2008) und eine andere deutet darauf hin, dass korrektives und negatives Feedback mit dem Lernen in Verbindung gebracht wird (Cramer 2010).

Ebenfalls im Mitarbeitergespräch institutionalisiert ist die Aufgabe der Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern Zielvereinbarungen zu treffen. Die Literatur zeigt einen Zusammenhang zwischen dem Setzen spezifischer und hoher Ziele mit dem Engagement der Mitarbeiter in Lernaktivitäten (Bezuijen 2005; Bezuijen et al. 2009).

Eine weitere förderliche Führungsverhaltensweise ist, den Mitarbeitern Vertrauen entgegen zu bringen. Aus zwei Studien geht hervor, dass das Vertrauen in die Mitarbeiter sowohl mit ihrem Empowerment (Gómez und Rosen 2001) als auch mit ihrer Fähigkeit, eigenständig zu lernen (Kaltenegger 2008) einhergeht.

Vielerorts wird zudem gefordert, dass die Führungskraft als Vorbild voran gehen soll (z. B. Diesner et al. 2008; Viitala 2004). Das vorbildliche Verhalten der Führungskraft wurde als einer von vier Faktoren einer lernförderlichen Führung identifiziert (Viitala 2004).

Darüber hinaus hat soziale Unterstützung durch Vorgesetzte eine große Bedeutung für Mitarbeiter (House 1981; Kalveram und Kracke 2004, nach Fuchs 2006, S. 21). Soziale Unterstützung lässt sich in vier Aspekte untergliedern: Die instrumentelle Unterstützung umfasst konkrete Hilfeleistungen, die informationale Unterstützung zielt darauf ab, jemandem dabei zu helfen, Probleme und Problemlösungen besser einzuschätzen, die emotionale Unterstützung beinhaltet Anteilnahme, Trost, Verständnis und Zuhören, und die bewertungsbezogene Unterstützung meint die Bestätigung einer Person in ihren Entscheidungen, die Stärkung ihres Selbstbewusstseins und die Vermittlung von Wertschätzung und Anerkennung (Zapf und Semmer 2004).

Soziale Unterstützung durch die Führungskraft geht mit einer höheren Selbstwirksamkeit der Mitarbeiter einher (z. B. Crespin 2006; Rafferty und Griffin 2006). Ferner wird berichtet, dass sie als Ressource für den beruflichen Erfolg und das Kompetenzmanagement erachtet wird (Dimitrova 2009; Cutrona 1986; Cutrona und Russel 1990 sowie Gottlieb 1981, nach Günther und Gerstenmaier 2005, S. 9).

Weiterhin gehen die Promotion von Mitarbeitern durch die Führungskraft, z. B. durch Vorschlagen für höhere Positionen oder Vorstellen von wichtigen Entscheidungsträgern (Korek und Rigotti 2010; Vincent und Janneck 2010) sowie die Vermittlung karriereförderlicher Weiterbildungen und Maßnahmen (Haffner et al. 2006; Könekamp 2007) mit dem Karriereerfolg der Mitarbeiter einher.

Förderung über die Gestaltung der Arbeitsaufgabe

figure b

Abgesehen von Förderungen, welche die Führungskraft ihren Mitarbeitern in der direkten Interaktion zuteil werden lassen kann, hat sie auch die Möglichkeit, ihre Mitarbeiter durch die Gestaltung von kompetenz- und/oder karriereförderlichen Arbeitsaufgaben zu unterstützen.

Zentrales Merkmal der Arbeitsbedingungen ist der Handlungsspielraum, d. h. die Möglichkeit, „bei der Arbeit selbst entscheiden zu können, wann welche Aufgabe erledigt wird und wie diese Aufgabe ausgeführt werden kann“ (Bamberg et al. 2003, S. 15). Eine Vielzahl von Studien weisen darauf hin, dass Handlungsspielraum eine wichtige Rolle in Bezug auf das informelle Lernen von Managern bei der Arbeit (Ouweneel et al. 2009), die intellektuellen Fähigkeiten (Greif et al. 1991; Karasek und Theorell 1990), die Kompetenzentwicklung (Dimitrova 2009; Wieland 2004), die berufliche Entwicklung (Käslin 2006) sowie die berufliche Selbstwirksamkeit (Vincent 2011; Vincent in Review) einnimmt.

Wie aus einer Befragung von Personalern aus der Automobilbranche hervorgeht, kommt zudem der Delegation verantwortungsvoller Aufgaben eine große Bedeutung bei der Kompetenzentwicklung zu (Dimitrova 2009). Es ist davon auszugehen, dass insbesondere prestigereiche Aufgaben und anspruchsvolle Projekte förderlich sind, die den Mitarbeitern Sichtbarkeit vor wichtigen Entscheidungsträgern im Unternehmen ermöglichen. Anhand einer Befragung von (potentiellen) Führungskräften im Projekt Aufstiegskompetenz von Frauen konnte gezeigt werden, dass herausfordernde und Weiterentwicklungsmöglichkeiten bietende Aufgaben sowie die Möglichkeit, die eigenen Ergebnisse vor wichtigen Entscheidungsträgern zu präsentieren mit einem höheren Karriereerfolg und einer höheren aufstiegsbezogenen Selbstwirksamkeit der Beschäftigten einhergehen (Grimme und Wode in Vorbereitung).

Bei der Wirkung eines bestimmten Aufgabenmerkmals ist nicht allein die objektive Ausprägung entscheidend, sondern auch die subjektive Bewertung durch den Mitarbeiter. Die wahrgenommene Passung des Individuums hinsichtlich seines Wissens, seiner Fähigkeiten, Fertigkeiten, Bedürfnisse und Werte mit den Anforderungen und Bedingungen in seinem Beruf wird auch als person-job-fit bezeichnet (Brkich et al. 2002, S. 43) und stellt ein wichtiges Antezedens von Karriereerfolg dar (Ballout 2007).

3 Untersuchungsdesign und Stichprobe

Ziel der vorliegenden Untersuchung war die Identifikation konkreter kompetenz- und karriereförderlicher Führungsverhaltensweisen. Angesichts der spärlichen empirischen Befunde zum Thema war ein exploratives Forschungsdesign angezeigt (vgl. Flick et al. 2008).

Im Rahmen einer qualitativen Interviewstudie wurden im Zeitraum von Juli bis September 2009 36 halbstandardisierte Leitfadeninterviews mit (potentiellen) Führungskräften aus technisch-naturwissenschaftlichen Branchen geführt. Die Stichprobe setzte sich aus 17 Männern und 19 Frauen im Alter von 25 bis etwa 50 Jahren zusammen. 24 von ihnen hatten bereits Personalverantwortung, 12 wurden als potentielle Führungskräfte betrachtet (z. B. Trainees oder Teilnehmer eines Talentförderungsprogramms, s. Abb. 1). Die Interviewteilnehmer wurden gefragt, wie sie ihre Mitarbeiter fördern bzw. wie sie selbst von ihren (früheren) Führungskräften gefördert werden bzw. wurden. In den ca. einstündigen Interviews wurden zudem weitere Aspekte der Karriereentwicklung und -motivation, speziell im Hinblick auf die Tätigkeit in einem technisch-naturwissenschaftlichen Bereich, thematisiert.

Abb. 1
figure 1

Stichprobenzusammensetzung

Die Analyse der erhaltenen Antworten des nach vorab definierten Regeln transkribierten Interviewmaterials wurde anhand der Strukturierenden Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2008) mithilfe des Computerprogramms MAXQDA2007 vorgenommen. Das im Zuge der Auswertung entstandene Kategoriensystem umfasste zunächst deduktiv aus der Literatur abgeleitete Kategorien und wurde im Weiteren ergänzt um induktiv aus dem Interviewmaterial entwickelte Kategorien.

Die Zuverlässigkeit (Intercoderreliabilität) des Kategoriensystems wurde überprüft, indem acht zufällig ausgewählte Interviews durch jeweils zwei unabhängige Personen ausgewertet wurden. Der dabei berechnete Cohen’s Kappa-Wert von.89 ist nach Landis und Koch (1977; zitiert nach Mayer et al. 2004, S. 43) als sehr gut zu bewerten.

4 Ergebnisse

Im Folgenden werden die aus dem Datenmaterial extrahierten Kategorien vorgestellt. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die entstandenen Haupt- und Subkategorien. Die beiden aus der Literatur abgeleiteten Hauptkategorien „Förderung im direkten Kontakt“ sowie „Förderung über die Gestaltung der Arbeitsaufgabe“ mit den in Abschn. 2 dargestellten Unterkategorien konnten bestätigt werden. Die „soziale Unterstützung durch den Vorgesetzten“ wurde dabei in zwei Kategorien aufgeteilt: Instrumentelle und informationale Unterstützung sowie emotionale und bewertungsbezogene Unterstützung.

Tab. 1 Überblick über das Kategoriensystem

Darüber hinaus wurden induktiv aus dem Datenmaterial die Unterkategorie Potentiale erkennen (Förderung im direkten Kontakt) sowie die Rolle des Unternehmens als übergreifende Kategorie extrahiert.

4.1 Förderung im direkten Kontakt

Im Folgenden werden die Ergebnisse gegliedert nach der Anzahl der Nennungen aufgeführt und jeweils aus der Mitarbeiter- und Vorgesetztenperspektive dargestellt, um ein differenziertes Bild und Aufschluss über mögliche Unterschiede zu erhalten. Die Abb. 2 gibt einen Überblick über die Anzahl der Interviewpersonen, die aus der Mitarbeiter- und Vorgesetztenperspektive eine bestimmte Art der Förderung geschildert haben.

Abb. 2
figure 2

Führungsverhaltensweisen im direkten Kontakt

4.1.1 Feedback

Unter Feedback verstehen wir die verbale Rückmeldung seitens der Führungskraft über die Qualität des Arbeitsergebnisses, -prozesses und/oder -verhaltens.

Mitarbeiterperspektive.

Es zeigt sich in den Schilderungen aus der Mitarbeiterperspektive, dass die Feedbackgabe oft im Kontext von institutionalisierten Mitarbeitergesprächen stattfindet. Die Befragten schätzen es, wenn sie positives UND negatives Feedback erhalten. Außerdem ist es ihnen wichtig, dass Feedback „objektiv“, „offen“ und „ehrlich“ gegeben wird.

Außerdem wird deutlich, dass im Zuge eines Feedbackgespräches oft auch Ziele vereinbart werden, um eine identifizierte „Entwicklungslücke“ zu schließen.

Hinsichtlich der Wirkung von Feedback vermuten die Befragten, dass Feedback eine Bewusstheit über die eigene Außenwirkung oder Fähigkeiten ermöglicht, wie die folgende Aussage zeigt:

„Aber erst dadurch, dass er mir das explizit gesagt hat, habe ich verstanden ‚oh da bist du wirklich richtig gut drin‘ und kann das deshalb auch so präsentieren.“

Vorgesetzenperspektive.

Auch aus den Angaben der Führungskräfte geht hervor, dass die Feedbackgabe besonders häufig im Zuge von Mitarbeitergesprächen stattfindet. Dabei berichten die Führungskräfte Rückmeldungen hinsichtlich der „Stärken und Schwächen“ zu geben bzw. das „Eigenbild – Fremdbild“ gemeinsam mit ihren Mitarbeitern zu betrachten. Sie geben an, darauf bedacht zu sein, ein „klares“ Feedback zu formulieren und es „positiv rüber[zu]bring[en]“.

Sie vermuten, dass die Feedbackgabe der Selbstreflexion und somit der Karriereentwicklung dient, wie dieser beispielhafte Interviewausschnitt veranschaulicht:

„Ich glaube, die erste Stufe zum beruflichen Aufstieg ist diese Selbstreflexion: ‚Wo bin ich, wo will ich hin?‘ Dafür braucht man Zeit. Wenn man [als Führungskraft] fördert, dass die Leute regelmäßig darüber nachdenken, reflektieren, was machst du gut, was machst du schlecht, dann fördert man, glaube ich, automatisch diesen Prozess. Wenn man einfach nur in diesem Käfig ist und jeden Tag seine ‚daily work‘ macht und sich nicht alle paar Monate hinsetzt und überlegt, was kann ich gut, was will ich besser machen, dann wird auch jede Kreativität zum Aufstieg abgetötet.“

Bezüglich der Bedeutung dieser Intervention kommt eine Führungskraft zu dem Schluss:

„Feedback ist für alle Parteien [Führungskräfte und Mitarbeiter] sehr wichtig.“

4.1.2 Maßnahmen

Diese Kategorie umfasst Weiterbildungsmaßnahmen, welche der Mitarbeiter durch Vermittlung oder Nominierung seitens der Führungskraft erhält.

Mitarbeiterperspektive.

Die zweitgrößte Anzahl an Personen erwähnen im Kontext ihrer Förderung das Thema kompetenz- und karriereförderliche Maßnahmen.

In den meisten Fällen handelt es sich bei den Maßnahmen um Seminare zu verschiedenen Themen. Genannt wurden zudem die Teilnahme an Führungskräftetrainings bzw. -lehrgängen, die Möglichkeit, Auslandserfahrungen zu sammeln, die Teilnahme an einem Talentmanagementprogramm für Nachwuchsführungskräfte, persönliches Coaching, 360°-Feedback sowie Bildungsurlaub, um neben der Arbeit die Meisterschule besuchen zu können.

Besonders positiv beurteilen vier Interviewte die Möglichkeit, auf ihre Führungskraft zugehen zu können und frei zu äußern, welche Weiterbildungen sie noch besuchen möchten. So zitiert eine Frau ihren Vorgesetzten wie folgt:

„Wenn Sie da eine Weiterbildung oder irgendwas brauchen, dann machen Sie das.“

Mehrere Befragte machen deutlich, dass ihre jeweilige Führungskraft durch die Anbahnung solcher Maßnahmen ihren nächsten Schritt auf der Karriereleiter eindeutig beschleunigt hat. Beispielhaft äußert eine Frau, die für ein 360°-Feedback vorgeschlagen wurde:

„Da hat sich eben herauskristallisiert, dass ich Führungskompetenz habe und dadurch habe ich die Laborleitung übertragen bekommen.“

Vorgesetztenperspektive.

Die Führungskräfte geben an, dass sie ihren Mitarbeitern Weiterbildungsmaßnahmen oder Mentoringprogramme ermöglicht haben. Hervorgehoben wird dabei auch die individuelle Abstimmung auf den Mitarbeiter:

„Wir [die Führungskräfte des Unternehmens] bieten Schulungsprogramme an und sagen: ‚Da sind Sachen dabei, die dich interessieren könnten. Sieh mal nach, ob etwas dabei ist‘. Und dann werden individuelle Trainingsmethoden angeboten.“

4.1.3 Promotion

Das Konstrukt Promotion umfasst Führungsverhaltensweisen, die sich direkt auf die Karriereentwicklung der Mitarbeiter auswirken. Im Einzelnen wurden genannt:

  • für den Mitarbeiter werben

  • in Kontakt bringen mit Entscheidungsträgern, z. B. den Mitarbeiter eine Präsentation vor dem Vorstand halten lassen

  • für höhere Position vorschlagen bzw. bei entsprechender Befugnis selbst befördern

  • Vermitteln von mikropolitischem Wissen

  • Einsetzen für das Gehalt des Mitarbeiters.

Mitarbeiterperspektive.

Aus Mitarbeitersicht wird meistens die konkrete Beförderung genannt. Dabei wird häufiger die Besonderheit, bereits in jungen Jahren eine Führungsfunktion übertragen zu bekommen, hervorgehoben, da dies anscheinend als Anerkennung seitens der Führungskraft empfunden wird:

„Ein Kollege musste sehr schnell wechseln und mein Chef wusste schon, dass ich Führungskraft werden wollte. Dann hat er mich mit 28 als untere Abteilungsleiterin eingesetzt. Es ist unüblich, in derselben Abteilung und so jung Führungskraft zu werden.“

Oft betonen die Befragten auch, wie wichtig es ist, einen Förderer zu haben, der in wichtigen Kreisen gut über einen spricht – also den „Namen fördert“:

„Da jemanden im Rücken zu haben, der sagt: ‚Das ist der Richtige oder die Richtige‘. (…) Im politischen Netzwerk einen Befürworter zu haben, spielt eine ganz wichtige Rolle. (…) Die wichtigen Schlüsselrollen, die Entscheider, die sagen, wenn da irgendwo eine neue Führungsrolle ist, ‚Hey, wir haben da doch Frau XY sitzen, wäre das nicht die Richtige?‘. Wenn man den nicht hat, denjenigen oder diejenige, dann wird es schwierig.“

Eine Frau berichtet, dass ihr Vorgesetzter ihr hilfreiches Wissen über die informellen Spielregeln im Unternehmen vermittelt hat. Andere betonen, dass ihnen der Kontakt zu bedeutenden Unternehmensmitgliedern ermöglicht wurde:

„Wenn man gezeigt hat, dass man sich auf jemanden verlassen kann, hat unser Chef Vertrauen und spiegelt das auch nach außen hin. Das heißt, er lässt einen auch mit anderen Leitenden kommunizieren. (…) Das ist, glaube ich, wichtig.“

Ähnlich wie im letzten Zitat, unterstreichen auch die meisten anderen Befragten, die sich zu diesem Führungsverhalten geäußert haben, die Relevanz der Promotion für ihre Karriereentwicklung.

Vorgesetztenperspektive.

Auch die befragten Führungskräfte betonen, dass sie Mitarbeitern, die sie als besonders kompetent wahrnehmen, Sichtbarkeit im Unternehmen verschaffen, indem sie z. B. nach einer guten Leistung sagen: „Der hat es gemacht“, einer Person „die Bühne bauen und gut über sie reden“ oder ihnen die Gelegenheit bieten, sich vor wichtigen Entscheidungsträgern aus dem Unternehmen zu präsentieren.

Zwei weibliche Vorgesetzte beschreiben, dass sie Frauen zu Team- bzw. Laborleiterinnen befördert haben, die nebenbei noch die Mutterrolle erfüllen:

„Also ich habe bei uns jetzt im Vertrieb Deutschland die erste Teilzeitteamleiterin ins Leben gerufen, denn es war ihr größter Traum, neben ihren Kindern noch eine Führungsaufgabe wahrzunehmen. Und mir war vollkommen klar, dass sie wesentlich motivierter ist, wenn wir das irgendwie hinkriegen, als manch anderer, der bei mir in Vollzeit tätig ist.“

4.1.4 Vertrauen vermitteln

Vertrauen ist die Bereitschaft einer Person, ein Risiko einzugehen, indem sie sich von den Aussagen und/oder Handlungen eines anderen Menschen abhängig macht, die nicht unter ihrer Kontrolle sind (Hosmer 1995 sowie Zand 1972, nach Gómez und Rosen 2001).

Mitarbeiterperspektive.

Über die Hälfte der Personen, die das Vertrauen ihrer Führungskraft konkret genannt oder umschrieben haben, erwähnen es im Kontext der Schilderung ihres Delegationsverhaltens. Der folgende Ausschnitt veranschaulicht dies:

„Mein Chef hat irgendwann mal im Beurteilungsgespräch gesagt: ‚Wenn ich DIR das gebe, dann weiß ich, dass es ordentlich gemacht wird.‘“

Auch lassen die Aussagen erkennen, dass das empfundene Vertrauen zur Selbstwirksamkeits- und Kompetenzentwicklung sowie zum beruflichen Erfolg beitragen kann:

„Meine Führungskraft sagte zu mir ‚Okay, Du übernimmst das jetzt (…). Ich traue dir zu, dass du es kannst.‘ Und das finde ich sehr gut, denn es sind sicherlich auch viele Sachen, wo ich von mir aus vielleicht nicht unbedingt drauf zugegangen wäre, weil (…) ich mir das vielleicht nicht zugetraut hätte. Wenn mir das dann so auf den Tisch gelegt wird, sage ich natürlich ‚Ist ja Klasse. Okay, wenn er es mir zutraut, der wird schon wissen, was er sagt und wie er mich einschätzen kann, dann werde ich es schon irgendwie hinkriegen.‘“

Vorgesetztenperspektive.

Auf die Frage, wie sie ihre Mitarbeiter fördern, antworten in dieser Stichprobe nur zwei Führungskräfte ausdrücklich, dass sie selbst ihren Mitarbeitern Vertrauen entgegenbringen. Die eine sagt:

„Ich biete das Vertrauen, dass sie [die Mitarbeiter] sich trauen. Ich sage, ‚Okay wir wissen alle, das ist ein Test und vielleicht fallen wir runter, aber völlig okay, unsere Entscheidung, und ich stehe dazu.‘“

Diese Aussage impliziert, dass sich ihr Vertrauen auf die Selbstwirksamkeit der Mitarbeiter auswirken kann. Ein anderer Befragter äußert zudem, dass Vertrauen eine Leistungssteigerung bewirken kann und betont die Bedeutung des Vertrauens nachdrücklich:

„In einer Führungsfunktion finde ich es sehr wichtig, dass man ein gewisses Vertrauen in seine Mitarbeiter entwickelt und denen das auch vermittelt, denn in dem Moment besteht die Möglichkeit, dass sie eben wirklich alles aus sich selber herausholen. Also das bedingt einander. Dieses Vertrauen zu sagen; ‚Geh mal in die Richtung und mach es auf deine Art. Ich trau dir erstmal.‘“

4.1.5 Instrumentelle und informationale Unterstützung

Die instrumentelle und informationale Unterstützung beinhaltet das Einarbeiten in neue Arbeitsfelder, die praktische Hilfeleistung und Beratung bei Problemen, z. B. in Form von Ratschlägen und Anregungen und das Teilen von Erfahrungs- und Faktenwissen.

Mitarbeiterperspektive.

Alle Bestimmungsstücke der instrumentellen und informationalen Unterstützung werden von den Befragten angesprochen. Die meisten schildern die Möglichkeit, sich von ihrer Führungskraft vor dem Hintergrund ihres Erfahrungsschatzes beraten zu lassen bzw. von ihr Anregungen zu erhalten:

„Wenn ich zu meinem Chef komme und sage: ‚Ich habe dieses Problem.‘, sagen wir im Umgang mit Mitarbeitern, oder ich ihn frage: ‚Wie würdest du das organisieren?‘, sagt er: ‚Schau, aus meiner Erfahrung löse ich das so oder ich gehe da so und so vor.‘“

Dabei wird auch die wahrgenommene Verfügbarkeit des Vorgesetzten, dass die „Tür immer offen steht“, als hilfreich empfunden.

Die Befragten scheinen diese Unterstützungsform nicht explizit mit ihren Aufstiegschancen zu assoziieren. Es zeigt sich jedoch, dass gerade die Delegation verantwortungsvoller Aufgaben und das Gewähren von Handlungsspielraum (s. u.), verbunden mit der Möglichkeit, bei Bedarf instrumentelle und informationale Unterstützung in Anspruch nehmen zu können, besonders positiv bewertet wird.

Vorgesetztenperspektive.

Auch die Personen, die instrumentelle und informationale Unterstützung selbst geleistet haben, sprechen alle Merkmale dieser Unterstützungsform an. So schildern sie, dass sie ihren Mitarbeitern „einen Haufen Tipps“ vor dem Hintergrund ihrer Berufserfahrung geben, sie beraten und einarbeiten.

Die Vorgesetzten bringen instrumentelle und informationale Unterstützung mit der Kompetenz-, nicht jedoch ausdrücklich mit der Karriereentwicklung in Verbindung. Außerdem wird auch aus der Vorgesetztenperspektive geschildert Handlungsspielraum und instrumentelle und informationale Unterstützung miteinander zu verknüpfen. So beschreiben zwei Führungskräfte ihr Verhalten wie folgt:

„Versuch (…) selber zu gucken, ob du eine Lösung findest, und komm im Nachhinein noch einmal auf mich zu. Ich gucke dann gerne rüber.“

„Hör zu, wenn du Probleme hast, komm zu mir.“

4.1.6 Zielvereinbarung

Diese Kategorie beinhaltet Zielvereinbarungen, die zwischen Führungskraft und Mitarbeiter getroffen wurden.

Mitarbeiterperspektive.

Zielvereinbarungen mit der Führungskraft werden sechsmal erwähnt, jedoch relativ stark den im Unternehmen bestehenden Strukturen zugeschrieben. Trotz dieser institutionalisierten Vorgehensweise haben direkte Führungskräfte dennoch Spielraum bei der Ausgestaltung. Auch können Zielvereinbarungs- ebenso wie Feedbackgespräche mit der Festlegung bestimmter Maßnahmen verbunden sein:

„Wir haben geschaut, mein langfristiges Ziel ist innerhalb der nächsten zwei Jahre auf Position XY zu kommen. Welche Schritte können wir dahin unternehmen?“

Diese Intervention wird von den Befragten stark mit der Karriereentwicklung in Verbindung gebracht.

Vorgesetztenperspektive.

Von den Führungsverhaltensweisen im direkten Kontakt wird die Zielvereinbarung aus der Vorgesetztenperspektive am häufigsten thematisiert. Auch die Vorgesetzten schildern, dass sie dabei institutionalisierte Instrumente einsetzen. Bei diesen Vereinbarungen gilt es nach den Aussagen eines Mannes, „systematisch“ vorzugehen und festzulegen:

„Was sind die nächsten Stufen? Was sollen sie [die Mitarbeiter] gesehen haben? In welcher Verwendung sollen sie gewesen sein?.“

Die Führungskräfte nennen diese Intervention sowohl im Kontext der Karriereförderung als auch im Zuge der Einarbeitung in neue Tätigkeitsfelder.

4.1.7 Emotionale und bewertungsbezogene Unterstützung

In die Kategorie emotionale und bewertungsbezogene Unterstützung fallen die folgenden Führungsverhaltensweisen:

  • fürsorglich sein

  • Ernst nehmen

  • zuhören

  • ermutigen, bestärken, loben

  • Sympathie entgegenbringen

  • Verständnis zeigen

  • Anerkennung und Wertschätzung vermitteln

  • die Person in ihren Entscheidungen bestätigen

Mitarbeiterperspektive.

Hinsichtlich dieser Form der Unterstützung wurde insbesondere die permanente Verfügbarkeit und Ansprechbarkeit der Vorgesetzten betont:

„Mein Vorgesetzter war IMMER da, wenn ich Unterstützung brauchte. Er hat mir den Rücken freigehalten, wenn es mal zu Konflikten kam, die ich nicht lösen konnte. Also ich konnte mich auch IMMER auf ihn verlassen, so dass mir persönlich die Angst genommen wurde, Sachen in Angriff zu nehmen, weil ich wusste, wenn es nicht klappt, kann ich IMMER noch auf meinen Vorgesetzten zurückgreifen, der mir auf jeden Fall den Rücken stärkt.“

In dieser Äußerung zeigt sich, dass die emotionale und bewertungsbezogene Unterstützung durch den Vorgesetzten nicht nur die Angst vor einem möglichen Scheitern genommen, sondern auch die Entwicklung einer beruflichen Selbstwirksamkeit ermöglicht hat.

Vorgesetztenperspektive.

Von den Führungskräften wird die emotionale und bewertungsbezogene Unterstützung seltener ausdrücklich im Kontext der Mitarbeiterförderung genannt. So wird vereinzelt geschildert, dass Mitarbeiter durch Gespräche und Lob unterstützt werden. Die Vorgesetzten messen diesen Verhaltensweisen zwar durchaus Bedeutung bei, jedoch weniger im Zusammenhang mit der Kompetenz- und Karriereentwicklung ihrer Mitarbeiter, sondern eher im Zusammenhang mit deren Wohlbefinden und Motivation.

4.1.8 Potentiale erkennen

Diese induktiv entwickelte Kategorie beschreibt Verhaltensweisen der Führungskraft, die dem Mitarbeiter signalisieren, dass sie sein Fähigkeitspotential erkannt hat und damit verbunden positive Erwartungen an seine Leistungen in der Zukunft hegt. Anders als bei der Kategorie Promotion beinhaltet dieses Führungsverhalten noch nicht, andere möglicherweise einflussreiche Personen von diesem Talent wissen zu lassen oder die Person zu befördern, sondern es handelt sich zunächst um die Entdeckung einer Begabung.

Mitarbeiterperspektive.

Die Befragten beschreiben, dass ihnen bewusst und wichtig ist, dass ihre Führungskraft um ihr Potential weiß oder zu Beginn ihrer Laufbahn einen „Rohdiamanten“ in ihnen gesehen habe:

„Als ich anfing in diesem Bereich, hat mein Chef sehr früh erkannt, dass er etwas aus mir machen wollte.“

Dies scheint mit Stolz und gehobener Selbstwirksamkeit einherzugehen. Auch wurde häufig in Anschluss an das Erkennen von Potentialen eine Promotion (s. o.) durch eben diese Führungskraft berichtet.

Vorgesetztenperspektive.

Die Vorgesetzten schildern das Erkennen von Potentialen sehr eindrücklich: Eine hat bei einer Mitarbeiterin „gespürt, die hat so ein Führungstalent“, ein anderer spricht von „Kandidaten, aus denen mehr werden könnte“, eine andere sagt über eine junge Frau: „die kann alles erreichen, was sie möchte“. Auch bei den Führungskräften selber scheint das Entdecken von Begabungen ihrer Mitarbeiter Stolz zu wecken und ist mit positiven Erwartungen hinsichtlich zukünftiger Leistungen verbunden.

Auch die Führungskräfte schildern in der Folge dieser lobenden Worte in der Regel, dass sie diese Personen „promoten“.

4.1.9 Vorbildverhalten

Das Vorgesetztenverhalten kann insofern kompetenz- und karriereförderlich sein, als dass Mitarbeiter entsprechende Verhaltensweisen der Führungskraft beobachten und in ihr eigenes Verhaltensrepertoire integrieren.

Mitarbeiter- und Vorgesetztenperspektive.

Aus der Mitarbeiterperspektive wird geschildert, dass Führungskräfte als Vorbilder gedient haben, indem sie sich von diesen z. B. „eine wahnsinnige Stärke“ oder „wie man Führung betreiben kann“, „abschauen“ konnten. Führungskräfte dienen als Rollenmodell, indem sie eine Selbsteinschätzung und die Entwicklung von Selbstvertrauen ermöglichen:

„Führungskräfte, die sehr offen sind und einen an den Konflikten, die sie mit ihren Entscheidungen haben, teilhaben lassen, sorgen dafür, dass man mit der Zeit selber einschätzen kann: ‚könnte ich das auch oder fehlt mir da etwas?‘ Ich glaube, sobald man das Selbstvertrauen hat, zu sagen: ‚eigentlich kann ich das auch‘, kann man den nächsten [Karriere-]Schritt machen.“

Auch die Führungskräfte geben vereinzelt an, sich ihrer Vorbildfunktion bewusst zu sein, etwa indem sie versuchen, Verhaltensweisen, die sie von den Mitarbeitern erwarten, „auch mit eigenem Beispiel vorzuleben“.

4.2 Förderung über die Gestaltung der Arbeitsaufgabe

In diesem Abschnitt wird dargelegt, inwiefern eine Förderung über die Gestaltung einer kompetenz- und/oder karriereförderlichen Arbeitsaufgabe als positiv empfunden und praktiziert wird. Die Abb. 3 gibt einen Überblick über die Anzahl der Interviewpersonen, die aus der Mitarbeiter- und Vorgesetztenperspektive eine bestimmte Art der Förderung genannt haben. Im Folgenden werden die Ergebnisse wiederum gereiht nach der Anzahl der Nennungen aufgeführt und jeweils aus der Mitarbeiter- und Vorgesetztenperspektive dargestellt.

Abb. 3
figure 3

Förderung über die Gestaltung der Arbeitsaufgabe

4.2.1 Delegation verantwortungsvoller Aufgaben

Mit der Delegation verantwortungsvoller Aufgaben ist die Übertragung von herausfordernden und bedeutungsvollen Tätigkeiten gemeint, die Sichtbarkeit, Kompetenzentwicklung und die Erprobung in einer Führungsrolle ermöglichen, aber noch keine Beförderung bedeuten.

Mitarbeiterperspektive.

19 Personen schildern, auf diese Weise „gefördert und gefordert“ worden zu sein, womit diese Kategorie sogar die größte Kategorie direkter Förderung, Feedback, übertrifft.

Die meisten Befragten erleben die ihnen übertragenen Tätigkeiten als „Chance“ oder „Herausforderung“. Oft handelte es sich dabei um Projekte, die ihnen „eigentlich eine Schuhnummer zu groß“ waren, an denen sie „wachsen“ und sich „ausprobieren“ konnten, wie sehr viele Befragte sich ausdrücken.

Viele heben hervor, dass sie „eigene Projekte“ erhielten und sie somit etwas ganz für sich hatten, sich beweisen und damit identifizieren konnten. Die Art, wie sie diese Aufgaben charakterisieren, lässt Stolz erkennen („das größte Projekt, das jemals von der Firma gebaut wurde“). Auch weisen einige darauf hin, dass es unüblich sei, in so jungen Jahren oder nach so kurzer Unternehmenszugehörigkeit mit derart verantwortungsvollen Aufgaben betraut zu werden. Dieses Führungsverhalten scheint also auch als Auszeichnung und Vertrauensbeweis erlebt zu werden.

Positiv beschrieben wird außerdem die Möglichkeit, Arbeitsergebnisse selbst vorzustellen oder Präsentationen zu übernehmen:

„Frau V. (…) fördert einen, indem sie viel Verantwortung überträgt. Auch mit Kunden direkt Kontakt aufzunehmen und Präsentationen und so was zu übernehmen, was sie theoretisch selber machen könnte. Aber sie reist dann mit und man selber hat die Verantwortung.“

Die Befragten äußern sich zudem umfangreich zur von ihnen empfundenen Wirkungsweise der Delegation verantwortungsvoller Aufgaben. So schildern sie eine Erhöhung ihres „Selbstbewusstseins“, die Lernerfahrung, dass „man vor nichts Angst haben muss“. Weiterhin werden der Erwerb von Wissen und verschiedenen Fähigkeiten aufgezählt, wie „interpersonelle Kompetenz“ sowie „Branchenverständnis“ als Folge der Interaktion mit Kunden. Besonders hervorgehoben wird der Einfluss der Auseinandersetzung mit verantwortungsvollen Tätigkeiten auf „Führungskompetenzen“. Auch Auswirkungen auf die Karriereentwicklung werden berichtet, insofern als dass gewisse Projekte eine „Bühne“ für die Selbstpräsentation bieten und „sich der Bekanntheitsgrad“ steigern kann.

Abschließend ist die Überzeugung festzuhalten, dass die Entwicklung bestimmter Fähigkeiten „nur durch die Erfahrung kommt“.

Vorgesetztenperspektive.

Die Vorgesetzten beschreiben die Delegation verantwortungsvoller Aufgaben ebenso wie die Mitarbeiter als „Möglichkeit“ zur Fähigkeitsentwicklung. Sie schildern sowohl, ihren Mitarbeitern allgemein „herausfordernde Aufgaben“ zu übertragen, als auch ihnen Selbstpräsentationsmöglichkeiten einzuräumen:

„Manchmal muss man diesen Sprung ins kalte Wasser wagen (…) und jemandem, der noch nie vor einem Kunden etwas präsentiert hat und bei dem man nicht weiß, ob es gut ist, die Chance geben. Und wenn das nichts war, kann man eben dran arbeiten und ihm eine zweite Chance geben. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, auch jemand, der vielleicht Potential hat, braucht ein bisschen, bis er auftaut.“

Durch dieses Delegationsverhalten glauben die Führungskräfte, zur Entwicklung von „Selbstständigkeit“ und Selbstvertrauen beizutragen.

4.2.2 Handlungsspielraum

Handlungsspielraum bezeichnet die Möglichkeit, „bei der Arbeit selbst entscheiden zu können, wann welche Aufgabe erledigt wird und wie diese Aufgabe ausgeführt werden kann“ (Bamberg et al. 2003, S. 15).

Mitarbeiterperspektive.

Die Interviewten schildern Handlungsspielraum z. B. dadurch, dass ihnen grobe Ziele vorgegeben werden und sie den Weg zur Zielerreichung „eigenverantwortlich“ wählen oder sie die Projektziele selbst mitgestalten können und ihre Führungskraft ihnen „freie Hand“ lässt.

Andere berichten eigene Wünsche realisieren zu können (z. B. Auswahl eines Ortes für einen Auslandseinsatz, Auswahl von Weiterbildungen).

Vorgesetztenperspektive.

Fast alle Befragten, die Handlungsspielraum im Kontext der Mitarbeiterförderung nennen, sagen, dass sie „viel Freiraum“ bzw. „selbstständig arbeiten“ lassen. Konkretisiert wird dies durch die Ermutigung der Mitarbeiter, „eigene Ideen einzubringen“ und umzusetzen sowie „selber Initiative zu ergreifen“.

Handlungsspielraum wird ausdrücklich als kompetenzförderlich verstanden:

„Dann wird die Arbeitsqualität viel besser, als wenn man ihnen kleine Schritte vorgeben würde.“

Um eben diese Leistungssteigerung zu erreichen, sollte eine Führungskraft ein grobes „Ziel vorgeben und nicht so sehr den Weg dahin“.

4.2.3 Person-job-fit

Person-job-fit meint die wahrgenommene Passung des Individuums hinsichtlich seines Wissens, seiner Fähigkeiten, Fertigkeiten, Bedürfnisse, Ziele und Werte mit den Anforderungen und Bedingungen in seinem Beruf. Auch die allmähliche Steigerung beruflicher Herausforderungen zählen wir zu dieser Kategorie, da auf diesem Weg die Fähigkeiten mit den Aufgaben wachsen und somit stets einander entsprechen.

Mitarbeiterperspektive.

Einige Mitarbeiter beschreiben, dass ihre Führungskräfte bei der Delegation und Ausweitung ihrer Arbeitsfelder die Passung zwischen ihren Neigungen und Fähigkeiten und der Tätigkeit beachten. Diese Passung ist mit Motivation assoziiert:

„Mein Chef weiß, dass mir… [die Führungsrolle] Spaß macht, aber er weiß genauso gut, dass er mir… nicht nur [Führungsaufgaben] geben kann, weil mich das dann wahrscheinlich nicht mehr motiviert.“

Vorgesetztenperspektive.

Viele Aussagen der Führungskräfte lassen deutlich werden, dass sie sich über die Unterschiedlichkeit ihrer Mitarbeiter im Klaren sind und darauf Wert legen, individuell auf diese einzugehen und ihre Wünsche und Bedürfnisse z. B. in Mitarbeitergesprächen zu erkunden.

Einige schildern auch „Tätigkeitsfelder sukzessive auszuweiten“, sich dabei „an den Mitarbeiter anzupassen“ und darauf zu achten, dass die Aufgabe für die Person mit ihren individuellen Stärken und Entwicklungspotentialen zwar „eine gewisse Herausforderung [birgt], die aber mit Bravour abgeschlossen werden kann“. Eine zur Person passende Arbeitsaufgabe hat den Äußerungen der Führungskräfte zufolge den Effekt, dass die Mitarbeiter „mit Freude zur Arbeit“ kommen und mehr „Erfolge“ erzielen.

4.2.4 Rolle des Unternehmens

Eine übergreifende Kategorie, die induktiv aus dem Datenmaterial herausgearbeitet wurde und nicht unmittelbar dem Verhalten der Führungskräfte zuzuordnen ist, betrifft die Rolle des Unternehmens, die naturgemäß durch institutionalisierte Personalentwicklungsmaßnahmen etc. einen großen Einfluss auf die Kompetenz- und Karriereentwicklung der Mitarbeiter ausübt. Dementsprechend häufig wurden die organisationalen Bedingungen im Unternehmen hinsichtlich der Mitarbeiterförderung angesprochen. Dabei werden insbesondere die Unternehmenskultur und die vom Unternehmen geschaffenen (Karriere-)Förderungssysteme und -instrumente, wie z. B. Bonussysteme, Mitarbeitergespräche oder Mentoringprogramme hervorgehoben.

Zwar ist es „unmittelbar schon der Vorgesetzte, der einen da ermutigt und Anregungen geben kann“ und der dabei unterstützt, die im Entwicklungsplan festgehaltenen Karrierewünsche umzusetzen. „Letztlich könnte er das [jedoch] sicherlich nicht, wenn nicht insgesamt diese Kultur vorherrschen würde.“ Hinsichtlich der Führungskultur äußert ein anderer Befragter die Überzeugung:

„Die Führungskultur ist, glaube ich, sehr stark mit dem Unternehmenskern, mit der Philosophie verbunden. Das kann aus meiner Sicht nur von intern kommen.“

Auch aus Sicht der Vorgesetzten ist die Unternehmens- und Führungskultur eine wichtige Voraussetzung für ihr eigenes Handeln, indem Bedingungen geschaffen werden, die die Führungskräfte bei der Mitarbeiterförderung unterstützen bzw. ihnen Instrumente und Maßnahmen an die Hand geben, die sie für die Mitarbeiterförderung nutzen können:

„In diesem Unternehmen ist es Aufgabe der Manager, dafür zu sorgen, dass gute Leute nachwachsen. Dafür wird man hier belohnt und nicht bestraft.“

5 Diskussion

Ziel dieser Studie war die Identifikation von Führungsverhaltensweisen, welche die Kompetenz- und Karriereentwicklung von Mitarbeitern, speziell in technisch-naturwissenschaftlichen Branchen, beeinflussen.

Es wurde ein Repertoire von Führungsverhaltensweisen identifiziert, das sich in die Förderung im direkten Kontakt (mit neun zugehörigen Verhaltensweisen) sowie Förderung durch die Gestaltung der Arbeitsaufgabe (mit drei entsprechenden Verhaltensweisen) unterteilen lässt.

Aus der Interviewstudie geht hervor, dass die Delegation verantwortungsvoller Aufgaben alle anderen Formen der Förderung, die von den Befragten in Zusammenhang mit der beruflichen Kompetenz- und/oder Karriereentwicklung gebracht werden, überragt. Erst mit Abstand folgen Feedback, das Vermitteln von Maßnahmen und das Gewähren von Handlungsspielraum. In der Reihe der Häufigkeiten folgt als nächstes die Promotion durch die Führungskraft. Die Verbindung zwischen der Promotion und dem Karriereerfolg von Mitarbeitern ist, wie zu erwarten, am stärksten. Die nächsthäufigste Führungsverhaltensweise ist das Vertrauen. Aus der Mitarbeiterperspektive käme sie sogar an vierter Stelle und wird stark mit der Kompetenz- und Karriereentwicklung assoziiert. Gefolgt wird sie von der instrumentellen und informationalen Unterstützung, die eher mit dem Erwerb von Kompetenzen in Verbindung gebracht wird. Die sich anschließende Zielvereinbarung wird mehrheitlich aus der Vorgesetztenperspektive berichtet und aus beiden Perspektiven mit der Kompetenz- und Karriereentwicklung in Beziehung gesetzt. Etwas seltener geschildert wird die emotionale und bewertungsbezogene Unterstützung. Am drittseltensten wird die Passung zwischen der Person und der Arbeit (person-job-fit) erwähnt. Das Erkennen von Potentialen durch die Führungskraft nimmt den vorletzten Platz ein, scheint jedoch für die weitere Förderung in Richtung beruflichem Aufstieg durchaus relevant zu sein. An letzter Stelle steht das Vorbildverhalten der Führungskraft. Den wenigen Aussagen zu diesem Thema ist allerdings durchaus ein Zusammenhang mit der Kompetenz- und Karriereentwicklung zu entnehmen.

Viele Führungsverhaltensweisen werden oft gleichzeitig gezeigt, wie z. B. Handlungsspielraum und instrumentelle und informationale Unterstützung. Darüber hinaus wird insbesondere das Delegations- und Promotionsverhalten oft als Anerkennung oder Vertrauen der Führungskraft interpretiert und entfaltet seine Wirkung somit anscheinend auch vor dem Hintergrund dieser Deutung.

Es lässt sich festhalten, dass eine Führungskraft in vielfältiger Hinsicht die Kompetenz- und Karriereentwicklung ihrer Mitarbeiter beeinflussen kann.

Zusätzlich stellte sich heraus, dass die Befragten im Kontext ihrer Förderung auch die Rolle des Unternehmens als zentral erachten. Somit lässt sich die kompetenz- und karriereförderliche Interaktion von Führungskraft und Mitarbeiter eingebettet in die organisationalen Bedingungen wie in Abb. 4 darstellen.

Abb. 4
figure 4

Einbettung der Mitarbeiterförderung in die organisationalen Bedingungen

5.1 Implikationen für die Praxis

Diese Studie liefert vielfältige Erkenntnisse für die Kompetenz- und Karriereförderung als Weg, dem drohenden Fach- und Führungskräftemangel in technisch-naturwissenschaftlichen Branchen vor dem Hintergrund des demografischen Wandels entgegenzuwirken.

Gerade der direkte Vorgesetzte ist aufgrund seines engen Kontakts mit seinen Mitarbeitern am besten in der Lage, sie gemäß ihren Leistungsvoraussetzungen und Qualifikationen zu fordern und zu fördern. In der Literatur wird der Einfluss von Führungskräften auf Arbeitsinhalte, Aufgaben- und Verantwortungsdelegation, Entfaltungsmöglichkeiten, Feedback, Partizipation und Handlungsspielraum betont (vgl. Dellve et al. 2007; Gilbreath und Benson 2004; Kelloway et al. 2005; Offermann und Hellmann 1996; Van Dierendonck et al. 2004). Dies konnte auch in der vorliegenden Studie bestätigt werden.

Führungskräfte sind allerdings auf ihre Rolle als Personalverantwortliche oft unzureichend vorbereitet und ihre Kompetenzen liegen häufig stärker im Fachlichen (z. B. Dimitrova 2009), da sie meist aufgrund ihrer fachlichen Qualifikation befördert werden. Deshalb sollte das Wissen über die hier als förderlich identifizierten Führungsverhaltensweisen in Führungskräftetrainings einfließen. Im Rahmen solcher Trainings könnten beispielsweise die teilnehmenden Führungskräfte über ihre Einflussmöglichkeiten informiert und ihre Ansichten sowie ihr Vorgehen hinsichtlich der Mitarbeiterförderung reflektiert werden. Grundsätzlich sollten Führungskräfte für die Wirkung ihres Handelns sensibilisiert werden, um sie zu befähigen, ihre Möglichkeiten der Mitarbeiterförderung voll auszuschöpfen.

Im Besonderen gilt es, den Führungskräften zu vermitteln, dass Lernen zum größten Teil im Arbeitsprozess geschieht und dass sie durch eine bedachte Arbeitsgestaltung die Kompetenz- und Karriereentwicklung ihrer Mitarbeiter entscheidend beeinflussen können. Die Delegation verantwortungsvoller und herausfordernder Aufgaben spielt bei der Kompetenzentwicklung am Arbeitsplatz eine zentrale Rolle. Zur Verbesserung des eigenen Delegationsverhaltens, sollten Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern in einen Dialog treten, um herauszufinden, in welchem Ausmaß sich die Mitarbeiter gefordert fühlen und welche Aufgaben zu ihrer Kompetenzentwicklung beitragen können.

Des Weiteren ist für Führungskräfte wichtig zu wissen, dass Mitarbeiter sich vor allem glaubwürdiges Feedback wünschen und sie die wahrgenommene Verfügbarkeit von sozialer Unterstützung besonders schätzen. Sinnvoll ist, mit den Mitarbeitern zu sprechen, um auf diese Weise herauszufinden, in welche Richtung sich diese weiterentwickeln wollen und wie die Führungskraft sie individuell auf diesem Weg unterstützen kann.

Hervorzuheben ist, dass gewisse Formen der Förderung ihre positive Wirkung vor allem in ihrer Verbindung entwickeln. Es zeigt sich, dass einige Verhaltensweisen einander einleiten (z. B. zieht Feedback über Entwicklungspotentiale das Vermitteln von Maßnahmen nach sich) oder fließend ineinander übergehen (wie z. B. emotionale und bewertungsbezogene Unterstützung und positives Feedback). Es ist zudem nicht unbedingt hilfreich, einer Person nur eine verantwortungsvolle Aufgabe und Handlungsspielraum zu gewähren, ohne Vertrauen in ihre Fähigkeiten zu zeigen oder bei Bedarf praktische Hilfeleistung anzubieten. Die Förderung muss ganzheitlich gesehen werden. Die Kombination von verschiedenen Verhaltensweisen sowie komplexe Wirkmechanismen sollten dabei berücksichtigt werden.

Aufgabe der Unternehmen ist es ferner, Bedingungen zu schaffen, die Führungskräfte bei der Mitarbeiterförderung unterstützen. Es gilt, ein Anreizsystem zu entwickeln, das kompetenz- und karriereförderliches Führungsverhalten entsprechend belohnt und damit den Teufelskreis, gute Mitarbeiter aus Angst vor Konkurrenz oder Verlust nicht zu fördern, aushebelt. Außerdem scheint es zweckmäßig, die förderlichen Führungsverhaltensweisen in die Führungsgrundsätze aufzunehmen und sie zu propagieren, bis sie in die Führungskultur übergegangen und verinnerlicht sind. Auch bereits bei der Auswahl von (potentiellen) Führungskräften sollten ihre Einstellungen und Fähigkeiten hinsichtlich der Mitarbeiterförderung gezielt untersucht werden. Denn gerade vor dem Hintergrund des demografischen Wandels stellt eine kompetenz- und karriereförderliche Mitarbeiterförderung durch die Führungskraft, als ein Instrument der Personalentwicklung und Mitarbeiterbindung, einen entscheidenden Faktor für nachhaltige Sicherung des Unternehmenserfolgs dar.

5.2 Limitationen und Implikationen für die Forschung

Die vorliegende explorative Studie liefert wesentliche Impulse für weitere Forschungsbemühungen im Bereich der kompetenz- und karriereförderlichen Führung.

Dabei sind jedoch einige (teils für Interviewstudien klassische) Limitationen zu bedenken.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Führungskräfte sich bei der Schilderung ihres Führungsverhaltens auch von sozialer Erwünschtheit und Selbstwertdienlichkeit haben leiten lassen. Ferner ist nicht überprüfbar, ob das wahrgenommene und geschilderte Führungsverhalten dem tatsächlichen Verhalten entspricht. Möglicherweise waren hier Attributionsprozesse, beispielsweise in Form von impliziten Führungstheorien (d. h. Vorstellungen darüber, wie eine Führungskraft sein sollte) aktiv. Um Verzerrungen entgegen zu wirken, haben wir bewusst nach konkret beobachtbarem und gezeigtem Verhalten gefragt. Trotzdem haben die Befragten auch kompetenz- und karriereförderliche Haltungen, wie das „Vertrauen“, in das Gespräch eingebracht, die nicht direkt auf der Verhaltensebene liegen. In solchen Fällen wurde in den Interviews versucht, konkrete Verhaltensweisen zu erfragen. Wie unsere Interviews zeigen, wurde das Vertrauen meist entweder direkt kommuniziert oder aus dem Delegationsverhalten erschlossen. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass diese beiden Führungsverhaltensweisen eng miteinander verknüpft und (möglicherweise) nicht sehr trennscharf sind.

In dieser Studie lag der Fokus auf dem Einfluss der Führungskräfte, also einem personalen Aspekt. Die induktiv entstandene Kategorie „Rolle des Unternehmens“ zeigt jedoch, dass Führungsverhalten immer innerhalb bestimmter organisationaler Rahmenbedingungen stattfindet. Personale und organisationale Faktoren interagieren miteinander. Dies wird vor allem im Hinblick auf die Kategorie „Promotion“ deutlich. Da Führungskräfte in einem System agieren, ist ihr Verhalten durch organisationale Bedingungen (z. B. Personalpolitik, Personalentwicklungsprogramme) mitdeterminiert. Gleichzeitig obliegt ihnen jedoch ein gewisser Handlungsspielraum, z. B. wen sie für Personalentwicklungsprogramme vorschlagen oder ermutigen.

Die Stichprobe ist für eine qualitative Interviewstudie zwar umfangreich, für eine Verallgemeinerung der Ergebnisse sind jedoch zusätzliche quantitative Erhebungen mit höherer Stichprobenzahl notwendig. In der vorliegenden Untersuchung wurden Führungskräfte und Mitarbeiter aus technisch-naturwissenschaftlichen Branchen befragt. In nachfolgenden Studien sollten daher auch andere Branchen einbezogen werden.

Ein wichtiger Punkt ist, dass die Wirkrichtung von Verhaltensweisen nicht eindeutig bestimmbar ist. Die im Modell in Abb. 4 implizierte Richtung der Kausalität lässt sich hinterfragen. Es ist denkbar, dass nicht nur das Führungsverhalten die Mitarbeiter beeinflusst, sondern auch ein besonders kompetentes und karrierebewusstes Mitarbeiterverhalten, Vorgesetzte dazu veranlasst, diesen Mitarbeitern mehr Feedback, verantwortungsvolle Aufgaben und Handlungsspielräume zu geben.

Im Rahmen einer quantitativen Untersuchung könnten Erkenntnisse über die Effekte des Zusammenspiels verschiedener Führungsverhaltensweisen und über Wirkmechanismen im Hinblick auf die Kompetenz- und Karriereentwicklung der Mitarbeiter gewonnen werden. Zudem könnte das in Abb. 4 dargestellte Wirkmodell um mögliche intervenierende Variablen (z. B. personale Faktoren der Mitarbeiter) zu einem Untersuchungsmodell erweitert und im Zuge einer Längsschnittstudie hinsichtlich der Kausalität überprüft werden.

Die vorliegende explorative Interviewstudie ist nach unserem Kenntnisstand die erste Untersuchung, die ein Repertoire konkreter kompetenz- und karriereförderlicher Führungsverhaltensweisen herausgearbeitet hat. Hierbei wurden zudem erstmals sowohl die Perspektiven der Führungskräfte als auch der Mitarbeiter parallel untersucht.

Die hier entwickelten Kategorien von Führungsverhaltensweisen können als Basis für die Entwicklung eines entsprechenden standardisierten Fragebogens dienen, der sowohl als Erhebungsinstrument für die Forschung als auch in der Praxis eingesetzt werden könnte, um Führungskräften eine Rückmeldung über ihr Führungsverhalten zu geben.

Die Ergebnisse dieser Studie können Führungskräften eine Vorstellung davon vermitteln, welche förderlichen Führungsverhaltensweisen sich hinter der Formel „fordern und fördern“ konkret verbergen, sodass diese ihre Mitarbeiter gezielter in ihrer Kompetenz- und Karriereentwicklung unterstützen können.