1 Einleitung

Die mediale Berichterstattung zu größeren Katastrophen und Unfällen wie zuletzt Anfang 2010 zum Erdbeben in Haiti führt uns einmal mehr vor Augen: Katastrophen und verheerende Unfälle sind ein stetiger Begleiter des menschlichen Alltags und somit eine fortwährende Bedrohung. Und immer dann, wenn eine größere Gruppe von Personen in einen Unfall involviert oder sogar Personenschaden entstanden ist, wird deutlich, wie wichtig eine effiziente Rettungsorganisation der betroffenen Menschen ist. Die gezielte Koordination von Sanitätern, Feuerwehrmännern und Bergungskräften durch einen Krisenstab kann Leben retten. Umso wichtiger erscheint es, dass die Führungskräfte, die in einem Krisenstab zusammenarbeiten, regelmäßig derartige Ausnahmesituationen trainieren, um in einer realen Gefahrensituation möglichst routiniert und fehlerfrei das zuständige Personal vor Ort zu leiten. Wichtige Voraussetzungen sind dabei eine effiziente Kommunikation des Krisenstabs, damit Gruppendynamik und Kooperation zu bestmöglichen Ergebnissen führen können. Das Training eines Krisenstabs sollte dabei verschiedene Aspekte ansprechen, die sich aus einer Kombination von Domäne-spezifischen Wissen (z. B. Wissen um die Funktionen des jeweiligen Personals, das am Unfallort eingesetzt werden kann) und so genannten „Soft Skills“ ergibt. Soft Skills, oft auch als „Social Skills“ oder „soziale Kompetenz“ bezeichnet (Faix und Laier 1996), beschreiben einen Komplex verschiedenster Fähigkeiten und Einstellungen, die dazu beitragen, individuelle Handlungsziele mit den Einstellungen und Werten einer Gruppe zu verknüpfen und eine erfolgreiche Kommunikation in einer Gruppe zu gestalten (z. B. aktives Zuhören, emotionale Intelligenz und effiziente Entscheidungsfindung). Eine hohe soziale Kompetenz führt in der Regel zu erfolgreichen Problemlösungen und Entscheidungsfindungen in der Gruppe.

Die Kombination des spezifischen Expertenwissens im Bereich Krisenmanagement und Soft Skills fordert jedoch ein aufwendiges Trainingsszenario, dessen Effizienz maßgeblich von der realistischen Nachbildung einer Katastrophensituation abhängt. Solche Simulationen werden heutzutage in deutschen Krisenstäben in größeren Zeitabständen trainiert. Jedoch sind sie kostspielig und zeitaufwändig, da zum einen viel Personal benötigt wird (z. B. Personen, die als fiktive Unfallopfer fungieren) und zum anderen eine Örtlichkeit gefunden werden muss, auf der die Katastrophe nachgestellt werden kann (z. B. Gelände eines Chemiewerkes). Für das spezifische Training von Einsatzleitungen werden darüber hinaus in Deutschland durch die Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) mit Sitz in Bonn regelmäßige Schulungen angeboten. Jedoch besteht hier – neben dem zeitlichen Aufwand – der Nachteil der Ortsgebundenheit, was wiederum die Regelmäßigkeit von Trainings für Krisenstäbe, die weit entfernt arbeiten, begrenzt.

Mit dem Einzug digitaler Technologien in den Arbeitsalltag ergeben sich jedoch weitere Trainingsmöglichkeiten, die die genannten Probleme überwinden können. So genannte „Serious Games“, die mit Virtuellen Umgebungen am Computer arbeiten, vereinbaren die realitätsnahe Simulation einer Katastrophe mit einer flexiblen und vor allem kostenreduzierenden Handhabung der Trainingseinheit. Serious Games sind in der Lage, die wesentlichen Aspekte einer Katastrophe abzubilden, wie z. B. die Visualisierung des Unfallortes, die unerwartete Veränderung der Unfalllage, die Arbeit unter Zeitdruck. Darüber hinaus ermöglichen Sie durch den Einbezug von Spielregeln und einer narrativen Handlung (Einbezug eines „Win or Lose“-Szenarios) die effiziente Messung von Trainingseffekten. Vor diesem Hintergrund hat es sich das Projekt „DREAD ED – Disaster Readiness Through Education“ (gefördert durch das EU Lifelong Learning Programme) zum Ziel gesetzt, ein Serious Game für Krisenstäbe zu entwickeln, welches eine Kombination aus der Simulation eines Domäne-spezifischen Settings und dem expliziten Training von Soft Skills ermöglicht. Die Nutzer des in einer virtuellen Umgebung umgesetzten Multi-User Spiels erhalten zu Beginn des Spiels die multimediale Darbietung einer Katastrophe (z. B. großflächiger Brand auf dem Gelände eines Chemiewerkes). Ihre Aufgabe ist es dann, das zuständige Personal im Sinne eines Krisenstabes zu koordinieren, um die Höhe des Personen- und Sachschadens möglichst klein zu halten. Im Vordergrund steht dabei die Kommunikation und Entscheidungsfindung innerhalb der Gruppe des Krisenstabes, die durch unerwartete Veränderungen der Krisensituation erschwert wird. Das Serious Game DREAD ED ist Teil eines integrierten Lernkonzeptes, welches durch eine Tutor-geleitete Gruppendiskussion nach der Spielzeit ergänzt wird. Das Spiel wurde bislang in drei Ländern (Deutschland, Frankreich, Italien) getestet und evaluiert. Als Testpersonen wurden in Deutschland Mitglieder der AKNZ sowie eine studentische Stichprobe ausgewählt, um eine unterschiedliche Expertise im Bereich der Krisenkommunikation als zusätzliche Variable einbeziehen zu können. Dieser Beitrag präsentiert die Ergebnisse der zwei deutschen Testdurchläufe.

2 Virtuelle Realitäten und Krisenmanagement

Die Idee, auf Virtuelle Realitäten für das Training von Krisensituationen zurückzugreifen, ist nicht gänzlich neu: Schon 2000 entwickelten Forscher des Institute for Creative Technologies an der University of Southern California (USA) im so genannten Mission Rehearsal Projekt eine Virtuelle Realität, in der Nutzer mit Hilfe von Head-Mounted Displays Krisensituationen in einem simulierten Kriegseinsatz trainieren können (Rickel et al. 2002). Das „Mission Rehearsal System“ versetzt die Nutzer dabei in die Rolle eines amerikanischen Soldaten, der in einer kleinen Stadt in Bosnien mit seinem Panzerwagen einen Unfall mit Personenschaden verursacht und dadurch einen Konflikt zwischen den Einwohnern der Stadt und dem Militär provoziert. Ziel der Trainingseinheit ist es, als Soldat mit Hilfe von sprachlicher Kommunikation die angespannte und konfliktgeladene Situation zu schlichten. Besonders hervorzuheben ist bei diesem Virtuellen Training – neben der hochauflösenden Abbildung des Szenarios – die komplexe Animation von Virtuellen Figuren, so genannten Agenten, mit der der als Avatar repräsentierte Nutzer in den natürlichsprachlichen Kontakt treten kann.

Weniger auf das Training von Kommunikation als vielmehr auf das Training eines effektiven Rettungseinsatzes ist hingegen die Virtuelle Einheit „FiRSTE“ (First Responder Simulation and Training Environment) ausgerichtet (Berry und Hilgers 2004; Tichon et al. 2003). In dieser Virtuellen Realität trainieren Erstversorger die Evakuierung von Personen aus einem mehrstöckigen Gebäude, das durch einen terroristischen Anschlag in Brand geraten ist. Der Nutzer trägt hier ebenfalls ein Head-Mounted Display und steht zusätzlich auf einem Laufband, um sich in der Virtuellen Realität bewegen zu können. Darüber hinaus wird ein Messgerät simuliert, welches exakte Angaben über die Zusammensetzung der Luft in dem Gebäude gibt. Somit ist der Sanitäter nicht nur dazu aufgefordert, sich in dem Virtuellen Gebäude zu bewegen, sondern muss stetig auch die Giftgasbestandteile in der Luft prüfen. In eine ähnliche Richtung tendiert die auf Second Life basierende Virtuelle Trainingseinheit „Play2Train“ (www.playtotrain.org), in der der Nutzer als Rettungssanitäter im Zuge einer Katastrophe versucht, das Leben möglichst vieler Menschen zu retten. Das Besondere an dieser Einheit besteht in der Option, verschiedenste Rollen (z. B. als Opfer, Sanitäter oder Arzt) nachspielen zu können, was einen maximalen Perspektivenwechsel auf eine Katastrophe ermöglicht.

Bezüglich des Trainingsgegenstandes legen die beiden letztgenannten Virtuellen Umgebungen einen deutlichen Schwerpunkt auf die räumliche Exploration eines Unfallortes durch den Nutzer (Schwan und Buder 2002). Das Mission Rehearsal Projekt fokussiert darüber hinaus die interaktive Kommunikation mit fiktiven Personen in einer äußerst realistisch wirkenden Umgebung. Um beim Nutzer ein maximales Presence-Erleben (Lombard und Ditton 1997, auch als „sense of being there“ bezeichnet) zu vermitteln, d. h. die Empfindung einer realen anstelle einer künstlich geschaffenen Realität auszulösen, wird im „Mission Rehearsal Project“ sowie bei der Lerneinheit FiRSTE ein Head-Mounted Display benutzt. Das Head-Mounted Display, das vom Nutzer wie eine Brille getragen wird, stellt am Computer erzeugte Bilder entweder auf einem augennahen Bildschirm dar oder projiziert diese sogar direkt auf die menschliche Netzhaut, wodurch sich für den Nutzer ein unmittelbares Erleben der Virtuellen Umgebung ergibt. Das dadurch gesteigerte Empfinden von Presence ist insofern für das Training von Sanitätern und Soldaten, die unmittelbar am Unfallort arbeiten und mit involvierten Personen kommunizieren müssen, bedeutsam, da die Eindrücke der Krisensituation unmittelbar auf die Person einwirken.

Für das hier vorgestellte Projekt „DREAD ED“ erscheint eine hochauflösende Simulation des Unfallortes unter Einsatz eines Head-Mounted Displays eher ungeeignet, fokussiert die Einheit doch das Training von Krisenstäben, die – zumindest im deutschen Krisenschutzsystem – nicht direkt am Unfallort arbeiten, sondern in einem zentralen Konferenzraum zusammenkommen und dort Entscheidungen zur Koordination von Personal treffen (Linehan et al. 2009). Ein deutscher Krisenstab setzt sich i. d. R. aus Entscheidungsträgern zusammen, die für diverse Bereiche zuständig sind (z. B. Sachgebiete S1–S6: Personal, Lageführung, Einsatz, Material, Verpflegung, Presse). Im Vordergrund steht für diese Personen demzufolge keine räumliche Abbildung der Lage, sondern vielmehr das Training zwischenmenschlicher Kommunikation, deren Effizienz maßgeblich von der Schnelligkeit und Eindeutigkeit der geteilten Informationen abhängt. Der Krisenstab muss bspw. spontan auf Veränderungen des Katastrophenzustandes reagieren und Entscheidungen treffen. Die Effizienz, d. h. die Güte der getroffenen Entscheidungen sollte zudem durch die Lerneinheit rückgemeldet werden.

Aus diesen Anforderungen ergibt sich darüber hinaus, dass alle Mitglieder der Gruppe in das Spiel integriert werden. Was vor dem Hintergrund von konventionellen Gruppentrainings selbstverständlich klingt, ist für die Umsetzung Virtueller Trainings ungleich anspruchsvoller. Anders als bei den bereits genannten Virtuellen Plattformen geht es nicht um die Schulung einer Einzelperson, die in der Virtuellen Umgebung mit Agenten kommuniziert, sondern darum, jeden einzelnen Teilnehmer in das Spiel mit einzubeziehen. Insofern hebt sich das DREAD ED Spiel von den genannten Anwendungen deutlich ab. Für das Training von Soft Skills erscheint diese aufwändigere Simulation jedoch notwendig, weil vom Computer gesteuerte Agenten nur unzureichend die Vielfalt kommunikativer Signale abbilden können, die in der menschlichen Kommunikation (und besonders vor dem Hintergrund der Stresssituation im Katastrophenfall) relevant werden. Außerdem fokussiert das DREAD Projekt das Training von Krisenstäben, die auch im Arbeitsalltag als Gruppe zusammen arbeiten und als solche auch trainiert werden müssen. Um den Erfordernissen entsprechen zu können, haben wir uns auf die Entwicklung eines „Serious Games“ in einer Virtuellen Umgebung konzentriert. Im folgenden Kapitel werden die basalen Funktionen und Charakteristika eines Serious Games beschrieben und verdeutlicht, welchen Beitrag ein Lernspiel für das Training von Krisenkommunikation leisten kann.

3 Serious Games

Der Nutzung eines Serious Games liegt eine Lernintention zugrunde, d. h. anders als bei gewöhnlichen Unterhaltungsspielen geht es bei Serious Games nicht um die Befriedigung eines Unterhaltungsbedürfnisses, sondern um die Vermittlung und Aneignung von Wissen (Kirriemuir und MacFarlane 2004). Serious Games nutzen Technologien aus der Unterhaltungsindustrie für das Training und die Simulation von ganz unterschiedlichen Gegenstandsbereichen. Dabei richten sich diese Spiele nicht nur an Kinder, sondern fokussieren, je nach Lerninhalt, auch erwachsene Personen. Streng genommen kann beispielsweise ein Fahrsimulator, in dem das Autofahren geübt werden kann, als Serious Game bezeichnet werden, aber auch das Lernen von Lesen und Schreiben unter Nutzung eines Lernspiels ist per definitionem ein Serious Game.

Ein wesentliches Ziel, das mit der Nutzung von Serious Games verfolgt wird, ist die Erhöhung intrinsischer Motivation. Durch die anregende Spielgestaltung und den Transfer des Lerninhaltes in eine Spielsituation soll das Lernen durch die gesteigerte Motivation der Spieler angeregt werden. Ganz gezielt verfolgen dabei einige Serious Games des Leitgedanken des „learning through doing“, was bedeutet, dass der Spieler zum aktiven Lerner wird, der in dem Spiel diverse Tätigkeiten vollziehen muss. In einer Studie von Habgood (2007) konnte sogar eine wechselseitige Beziehung zwischen Lernen und Spielvergnügen nachgewiesen werden. Er zeigte, dass der Einbezug von Lerninhalten in ein Spiel die Spielmotivation der Nutzer signifikant steigerte (verglichen mit einem identischen Spiel ohne Lerninhalt). Aus medienpsychologischer Perspektive lässt sich diese wechselseitige Beziehung zwischen Spielerlebenis und Lerninhalt durch das Konzept des „Flows“ erfassen (Csikszentmihalyi 1991). Csikszentmihalyi beschreibt diesen psychologischen Zustand als „holistic sensations that people feel when they act with total involvement“ (S. 36) und verweist damit auf eine maximale Involviertheit in eine Aufgabe, die weder als zu einfach noch als zu schwer wahrgenommen wird. Das Flow-Erlebnis ist demnach der optimale Zustand intrinsischer Motivation, in dem Aufgabenanforderung und individuelle Handlungskompetenzen maximal übereinstimmen. Um auch während der Nutzung von Serious Games das Flow-Erlebnis zu bekräftigen, ist die Rückmeldung des Spiels über die erbrachten Leistungen zentral (Linehan et al. 2009). Bei einer Fahrsimulation muss der Nutzer vom Spiel Feedback darüber erhalten, ob er die Regeln des Autofahrens berücksichtigt hat und auch Kinder müssen bei Schreibübungen in einem digitalen Lernspiel eine Rückmeldung zu ihren Leistungen erfahren (Kirriemuir und McFarlane 2004).

Vor dem Hintergrund des Trainings von Krisenstäben erscheint eine umfassende Rückmeldung zu Handlungen besonders bedeutsam. Dabei ergibt sich nicht bloß die Notwendigkeit einer Reaktion des Spiels auf bestimmte Handlungen oder Entscheidungen (z. B. durch Veränderung des Spielstandes), sondern auch eine umfassende Rückmeldung der Gesamtleistung der Gruppe im Spiel – auch unter Berücksichtigung der Übertragbarkeit der Leistung auf eine reale Gefahrensituation. Im DREAD ED Spiel liegt der Fokus auf das Training von Soft Skills in der Krisensituation. Im Spezifischen sollen die Teilnehmer in einer Stresssituation innerhalb kurzer Zeit zu Entscheidungen kommen. Die Kommunikation in der Gruppe, d. h. der effektive Austausch von Informationen, steht dabei im Vordergrund. Im nächsten Kapitel wird auf die Bedeutsamkeit von Gruppentrainings eingegangen sowie spezifiziert, in wie fern Serious Games einen Beitrag zum Training von Gruppenkommunikation leisten können.

4 Das Training von Gruppen

Dass sich Gruppentrainings (z. B. in Unternehmen) als notwendig herausgestellt haben, wird durch diverse Forschungsergebnisse belegt, die zeigen, dass die Gruppenleistung bei einer Aufgabe in vielen Fällen der Leistung einer einzelnen Person unterlegen ist (Kerr und Tindale 2004). Dies ist insofern verwunderlich, als dass angenommen werden kann, dass eine Gruppe mehr Ideen und Problemlösungsvorschläge entwickeln und die gemeinsame Entscheidung insgesamt besser reflektieren kann, da die individuellen Gruppenmitglieder verschiedene Perspektiven auf einen Sachverhalt einnehmen können. Jedoch gibt es eine wesentlich kleinere Anzahl an Studien, in denen die Gruppenleistung der Leistung einer Einzelperson wirklich überlegen ist (Steiner 1972). Unternehmen haben diese scheinbare Schwäche in Teams erkannt und mit spezifischen Simulationstrainings darauf reagiert: Das so genannte „Crew Ressource Management“ (CRM), das ursprünglich aus der Schulung für Luftfahrzeugbesatzungen stammt, beschäftigt sich mit dem Training von Teams im Arbeitskontext und fokussiert dabei neben der Messung der Gruppenleistung auch das Verhalten in der Gruppe in Bezug auf z. B. Entscheidungsfindung und die situative Aufmerksamkeit der Teilnehmer (Salas et al. 2006). Simulations-Trainings werden im medizinischen Bereich (z. B. Training von Ärzten und Krankenschwestern in Operationssälen) oder im industriellen Bereich durchgeführt (z. B. Training von Arbeitern in Kernkraftwerken). In einer Zusammenschau von 16 Studien, in denen der Wirksamkeit von CRM Trainings explizit analysiert wurde (Salas et al. 2006), zeigten sich jedoch inkonsistente Ergebnisse, d. h. bei einem Großteil der Studien wurden sowohl positive als auch negative Lernerfolge ermittelt. Im Spezifischen zeigte sich in einer Untersuchung von Gaba et al. (2001), dass Gruppen nach einem Training zwar durchschnittlich bessere Leistungen erzielten als individuelle Arbeiter, jedoch 1/4 der trainierten Gruppen nicht das minimale Level der Arbeitsleistung erreichten. Darüber hinaus wurde in dieser Studie deutlich, dass Führung – obschon es Bestandteil des vorherigen Trainings war – später nicht umgesetzt werden konnte, stärkeres Kommunikationsverhalten jedoch schon, was aber die Autoren aber dadurch erklärten, dass die gesteigerte Kommunikation ein Ergebnis mangelnder Führerschaft war. Die Repräsentativität der vorliegenden Studienbefunde wird zwar durch fehlende Standards der CRM Trainings einerseits (d. h. welcher Aspekt wurde genau trainiert) und die unterschiedlichen Evaluationsmethoden andererseits geschwächt (Salas et al. 2006), dennoch liefern die bisherigen Befunde aus diesem Bereich wertvolle Implikationen für die Umsetzung eines Serious Games. Dies soll im Folgenden kurz an zwei populären Problemen der Gruppenkommunikation verdeutlicht werden.

5 Groupthink und Social Loafing

In einer Vielzahl an Studien zum Gruppenverhalten stellte sich heraus, dass der Zusammenhalt der Mitglieder an sich, die Gruppenkohärenz, ein Grundproblem bei Entscheidungsfindungsprozessen sein kann (Kerr und Tindale 2004). Janis (1982) beschreibt einen ausgesprochen intensiven Gruppenzusammenhalt als eine Vorbedingung des „group think“ Phänomens. Die gesteigerte Konformitätsneigung führt dazu, dass eine Gruppe von eigentlich kompetenten Mitgliedern ungünstige oder realitätsferne Entscheidungen trifft, weil jede Person ihre eigene Meinung an die vermutete Gruppenmeinung anpasst. In solchen Situationen ist nicht mehr der eigene Sachverstand für Entscheidungen verantwortlich, sondern die Gruppennorm, der sich der Einzelne unterwirft. Im spezifischen Fall der Krisensituation, in der Zeitdruck und eine unklare Informationslage die Gruppenkommunikation erschweren, kann es darüber hinaus zu einer Kontraktion kommen. Darunter versteht Janis (1982) die Tendenz, in einer Krisensituation die möglichen Kommunikationskanäle, die zur Sammlung und zum Austausch von Informationen genutzt werden können, signifikant zu reduzieren. Expertenmeinungen oder kritische Stimmen in der Gruppe zu einer Sachlage werden ausgeblendet und die Neigung, voreilige Entscheidungen zu treffen, steigt an.

In Bezug auf die Nutzung eines Serious Games empfiehlt sich zur Verhinderung des Gruppendenkens der Einbezug eines Tutors, der auch während des Spiels kontinuierliche Rückmeldung an die Teilnehmer gibt. Seine kritische Betrachtung der Spielhandlungen und vor allem sein direktes Feedback können dazu beitragen, dass die Anpassung Einzelner an die Gruppennorm nicht zu voreiligen Entscheidungen führt. Darüber hinaus findet die Nutzung eines Serious Games optimalerweise in getrennten Räumen statt, so dass die Teilnehmer ausschließlich computerbasiert miteinander kommunizieren. Wie verschiedene Studien zur computervermittelten Kommunikation im Organisationstext gezeigt haben (für einen Überblick vgl. Hartmann 2004) kann so eine anonymisierte Kommunikationssituation dazu beitragen, dass auch ansonsten schüchterne Gruppenmitglieder kritische Rückmeldungen kommunizieren. In einer Studie von Smolensky et al. (1990) wurde gezeigt, dass die Anonymität die in der Realität bestehenden Statusunterschiede egalisiert und somit die Kritikfähigkeit der einzelnen Personen signifikant erhöht.

Vor dem Hintergrund dieser Möglichkeiten muss jedoch zugleich ein zweites Problem beachtet werden, dass durch die gesteigerte Anonymität erst recht gefördert wird. Social Loafing („Soziales Faulenzen“) beschreibt nach Latané et al. (1979) die Abnahme individueller Leistungen, verursacht durch die schlichte Anwesenheit anderer Personen. Bezogen auf Gruppenentscheidungen bedeutet dies eine Leistungsminderung der Gruppe, die daraus resultiert, dass sich Mitglieder auf die Leistung anderer Personen verlassen und somit das Gesamtniveau schwächen. In Bezug auf die Verwendung computergestützter Kommunikation ergibt sich die Herausforderung, die genannte Egalisierung von Statusunterschieden insofern zu kontrollieren, als dass diese nicht in soziales Faulenzen mündet. Bedeutsam kann hier die Verteilung verschiedener Rollen sein, die auf das Spielgeschehen in unterschiedlichem Ausmaß einwirken (Linehan et al. 2009). Durch die Verteilung von diversen Funktionen (z. B. Leiter des Krisenstabes, Verantwortlicher zur Identifizierung der Sachlage, Koordinator des Sanitätsdienstes) ergibt sich – neben der Verwendung realitätsgetreuer Rollen im Krisenstab – auch die Verteilung von Verantwortlichkeiten, was wiederum das Nachlassen individueller Leistungen hemmen kann.

Die vorangegangenen Kapitel haben die verschiedenen Anforderungen an ein Serious Game, die für das Training von Entscheidungsfindungsprozessen in Gruppen berücksichtigt werden, verdeutlicht. Alle Gruppenmitglieder müssen in das Virtuelle Training involviert sein und mit Hilfe eines Virtuellen Stellvertreters (Avatar) abgebildet werden. Zwar ist eine hochauflösende Simulation der Umgebung im spezifischen Fall der Krisenkommunikation nicht nötig; die realistische Umsetzung von Rollen, die auch in der Realität existieren, kann jedoch dem Trainingseffekt insofern zuträglich sein, als dass das Problem des „social loafings“ überwunden werden kann. Darüber ist Feedback durch das Spiel selbst als auch durch einen das Spiel begleitenden Tutor sinnvoll, um z. B. problematische Effekte verstärkter Gruppenkohäsion („group think“) zu kontrollieren. Im spezifischen Fall des Trainings von Krisenkommunikation sind Zeitdruck und Stress zwei Komponenten, die durch die narrative Struktur des Spiels auf die Gruppen ausgeübt werden müssen. Das DREAD ED Projekt hat auf Basis dieser genannten Anforderungen ein Spiel entwickelt, welches im Folgenden präsentiert wird.

6 Das DREAD ED Spiel

Das DREAD ED Spiel versetzt seine Spieler in die Rolle eines Krisenstabes, der mit einer Katastrophe konfrontiert wird (z. B. Feuer auf dem Gelände eines Chemiekonzerns, Überflutung eines großen Flusses in der Nähe einer Stadt). Jeder Spieler bekommt als Mitglied des Krisenstabes eine spezifische Rolle zugewiesen, an die bestimmte Funktionen gebunden sind. Diese Rollen (z. B. Leiter des Krisenstabes) basieren auf den Aufgaben einzelner Mitglieder eines realen Krisenstabes. An dem Spiel können zwischen drei und sechs Personen teilnehmen (Linehan et al. 2009; Miglino et al. 2007).

6.1 Der Spielaufbau

Zu Beginn einer Spielrunde wird die Gruppe mit einer Katastrophe konfrontiert. Die Darbietung dieses Szenarios erfolgt durch einen kurzen TV-Einspieler. Anschließend wird anhand von sechsstufigen Skalen der auf dem Ausmaß des Katastrophe basierende Spielstand den Teilnehmern mitgeteilt (vgl. Abb. 1).

Abb. 1
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Spieloberfläche des DREAD ED Spiels

Jede Skala bezieht sich auf einen individuellen Aspekt der Katastrophe. Die Skalen heißen „zivile Opfer“, „Gefahrenrisiko“, „Operationen“ und „Public Relations“. Die wichtigste Skala bezieht sich auf die zivilen Opfer. Erreicht diese das Maximum, hat das Team das Spiel verloren. Umgekehrt gewinnt das Team das Spiel, wenn sich dieser Parameter nicht erhöht. Unerwartete Ereignisse, die den Spielstand beeinflussen, werden nach jeder Spielrunde präsentiert und erschweren die Planung und Organisation des Teams. Diese Ereignisse werden in Form kurzer Medien-Clips den Spielern präsentiert – entweder als TV-Einspieler, Radiomeldung, SMS, Email oder als Telefonanruf (vgl. Abb. 2). Nach einem Ereignis verändert sich automatisch der Spielstand und damit die Angaben auf den vier Skalen. Die Herausforderung besteht also für die Spieler darin, nicht nur vorausschauend zu planen, sondern auch auf unerwartete Ereignisse zu reagieren.

Abb. 2
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TV-Einspieler

Der Spielstand wird durch das Tauschen von Personal beeinflusst (vgl. Abb. 3). Es gibt neun verschiedene Typen von Personal (z. B. Sanitäter, Feuerwehrmänner, Pressesprecher), die allesamt einen spezifischen Einfluss auf den Spielstand haben. Zusätzlich verfügt jeder Spieler über bestimmte Fähigkeiten (z. B. Leiter des Krisenstabes), die, in Zusammenhang mit einer bestimmten Personalklasse, den Spielstand maßgeblich beeinflussen können. Das unterschiedliche Personal wird durch verschiedene Farben symbolisiert.

Abb. 3
figure 3

Tausch von Personal

Das Ziel des Spiels ist das Training effizienter Kommunikation, das durch das Tauschen des Personals untereinander ermöglicht wird. Die Spieler müssen sich darüber austauschen, wer welches Personal besitzt (dies ist für die einzelnen Spieler nicht einzusehen) und zugleich muss darüber diskutiert werden, welches Personal genutzt werden kann, um das Gefahrenrisiko der Katastrophe zu reduzieren. Die Kommunikation untereinander wird durch eine textbasierte Chat-Funktion ermöglicht. Darüber hinaus ist jede Spielrunde zeitlich begrenzt, so dass die Kommunikation untereinander schnell und effizient sein muss.

Auch wenn das Spiel unmittelbar durch Veränderung der Skalenwerte Rückmeldung zu den getätigten Aktionen der Spieler gibt, begleitet ein Tutor das Spielgeschehen. Ihm wird eine Doppelfunktion im Spiel zugeschrieben. Zum einen überwacht er das Spielgeschehen und gibt individuelle Rückmeldung an die Spieler, zum anderen betreut er nach der Spielsitzung eines Feedbackrunde, in der die Erfolge und Misserfolge während des Spiels diskutiert werden sollen. Um diese Feedback-Sitzung möglichst strukturiert und auch über verschiedene Gruppen hinweg standardisiert zu halten, verwendet der Tutor einen Interviewleitfaden. Dieser Leitfaden beinhaltet Fragen zur Entscheidungsfindung wie z. B.: Wie haben Sie die Situation gesehen, als xy passierte? Was haben Sie getan, um die Situation zu lösen? Darüber hinaus werden Fragen an die Spieler gerichtet, die sich mit den Eindrücken und Gefühlen der Teilnehmer beschäftigen: Wie fühlten Sie sich in der ersten Runde? Gab es etwas, was Ihnen Unbehagen bereitete? Neben den Fragen diskutiert der Tutor das Verhandlungsverhalten der Spieler und spricht direkt Unstimmigkeiten und Probleme an. Abschließend fordert er zu einer kritischen Reflektion der eigenen Gruppenleistung auf. Um neben diesen qualitativen Daten auch quantitatives Feedback zu haben, füllen die Teilnehmer einen kurzen Fragebogen aus, der die Einstellungen und Eindrücke der Spieler misst. Auf Basis dieser Daten kann abschließend beurteilt werden, ob die Teilnehmer einen Lerneffekt erlebt haben und wie sie die gesamte Spielsituation evaluieren. Im Folgenden präsentieren wir die Ergebnisse von zwei Testdurchläufen, die in Deutschland mit einem studentischen Sample und mit Mitgliedern der AKNZ durchgeführt wurden.

7 Evaluation des DREAD ED Spiels

Das DREAD ED Spiel wurde in zwei Testdurchläufen in Deutschland evaluiert. Der erste Testdurchlauf nutzte eine Beta-Version des Spiels und wurde im Juni 2009 durchgeführt, der zweite Versuch wurde mit der Vollversion des Spiels im Dezember 2009 evaluiert. Die Beta-Version hatte dieselben Funktionen wie die Vollversion, hatte jedoch keine Medien-Clips, die die Katastrophe beschrieben. In dieser Version wurde lediglich ein veränderter Spielstand nach jeder Spielrunde eingeführt. Die Vollversion beinhaltete dann Medien-Clips, so dass der Vergleich dieser beiden Testdurchläufe gleichzeitig auch Informationen darüber gab, in wie fern die mediale Inszenierung eines Ereignisses für die Teilnehmer eine andersartige Lernerfahrung mitbrachte. Ein Testdurchlauf dauerte (inklusive Pausen) ungefähr 4 Stunden.

7.1 Stichproben

In jedem einzelnen Testdurchlauf (n = 10; ntotal =20) nahmen 5 Studierende und 5 Mitglieder der AKNZ teil, da getestet werden sollte, in wie fern das Spiel auch für Gruppen mit unterschiedlicher Expertise im Bereich der Krisenkommunikation nützlich sein konnte. Die Teilnehmer der AKNZ (mittleres Alter = 45.8; SD = 2.11) sind besonders darin geschult, Krisensituationen zu trainieren und zu koordinieren. Die Mehrzahl der Teilnehmer hatte bereits auch in einem Krisenstab in Deutschland gearbeitet. Die Studierenden (mittleres Alter = 23.32; SD = 3.12) wurde über eine große deutsche Universität rekrutiert.

7.2 Vorgehen

Eine Trainingseinheit bestand aus drei Programmpunkten (unabhängig von der Stichprobe). Zunächst stellte der Tutor das Projekt vor, die beteiligten Partner sowie die Ziele des DREAD ED Spiels. Anschließend präsentierte er die Virtuelle Trainingsplattform und erklärte die Funktionalitäten. Der Hauptteil der Einheit bestand im Training mit der Plattform. Eine Trainingseinheit dauerte ungefähr 30–45 min (zwischendurch wurden in kurzen Pausen Unklarheiten und Missverständnisse geklärt). Nach der Spielsitzung fand die Feedbackrunde statt, die vom Tutor moderiert wurde. Den Abschluss bildete das Ausfüllen des kurzen Fragebogens, in dem die Teilnehmer angaben, welche Soft Skills ihrer Meinung nach am besten trainiert wurden (5-stufige Likert Skala: Entscheidungsfindung, emotionale Intelligenz, aktives Zuhören, Problemlösungsverhalten, Selbstbeherrschung, die Fähigkeiten, einen spezifischen Kontext zu evaluieren kritische Sachverhalten zu erkennen). Darüber hinaus sollten die Teilnehmer auf Likert-Skalen angeben, wie sie das Spiel bewerten. Dafür wurden 10 ad-hoch Items beantwortet, z. B.: „Das Spiel hat nichts mit der Realität zu tun“, „Das Spiel hat mir geholfen, Kommunikation in der Gruppe zu lernen“, „Das Spiel ist einfach zu bedienen“. Außerdem sollten die Teilnehmer angeben, in wie fern bestimmte Emotionen während des Spielgeschehens erlebt wurden: Aggression, Frustration, Vergnügen, Stress, Unsicherheit, Langeweile. Da die Gesamtstichprobe insgesamt sehr klein ausfiel, erfüllte die Datenbasis nicht die Voraussetzungen für inferenzstatistische Verfahren, weshalb wir uns im Folgenden bei der Ergebnispräsentation auf deskriptive Daten und die Darstellung der Ergebnisse der qualitativen Feedbackrunde beschränken.

7.3 Ergebnisse

Allgemeine Leistung der Gruppen. In beiden Testdurchläufen übertrafen die Mitglieder der AKNZ die Studierenden deutlich hinsichtlich des Spielgewinns. Sie reduzierten häufiger das Gefahrenrisiko und verursachten dadurch wesentlich weniger zivile Opfer als die Studierenden. Auch wenn davon auszugehen ist, dass die Mitglieder der AKNZ weniger Erfahrung mit der Nutzung computervermittelter Kommunikation in virtuellen Umgebungen hatten, waren sie dennoch in der Lage, kürzere und vor allem effizientere Abstimmungen und Entscheidungsfindungen zu vollziehen. Ihr Kommunikationsverhalten war sehr strukturiert und alle Mitglieder waren gleichmäßig in den Entscheidungsprozess involviert. Auffällig war darüber hinaus, dass die Mitglieder der AKNZ wesentlich schneller und besser die Spielzusammenhänge verstanden, was sich beispielsweise dadurch bemerkbar machte, dass sie nicht einfach Personal derselben Art sammelten, sondern reflektiert berücksichtigten, welches Personal in Kombination mit welchem Gruppenmitglied die besten Auswirkungen auf den Spielstand hatte (z. B. Zuordnung des Personals für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zum Pressesprecher). Die Studierenden waren hingegen nicht in der Lage die komplexen Spielregeln derartig schnell und effizient umzusetzen, sondern sammelten Personal, ohne Berücksichtigung der Zugehörigkeit zu einem Gruppenmitglied, ausschließlich aufgrund der gleichen Farbe. Dadurch erzielten sie unweigerlich schlechtere Ergebnisse, weil sie mögliche Bonuspunkte durch die korrekte Kombination von Personal und Nutzer unberücksichtigt ließen.

In Bezug auf das Kommunikationsverhalten gaben die Studierenden an, dass sie einer permanenten Anspannung unterlegen waren, während hingegen die Mitglieder der AKNZ berichteten, dass sie sich nur wenig „von einem Countdown beeindrucken lassen, weil wir ja das mit der wenigen Zeit gut kennen und häufig unter Stress und Druck arbeiten“ (männlich, 52 Jahre). Im Gegenzug dazu, berichtete eine 25-jährige Studentin, dass sie „[…] unruhig wurde, weil die anderen Teilnehmer nicht auf meine [ihre] Kommentare reagierten.“ Die quantitativen Daten des Fragebogens bestätigen die Unterschiedlichkeit der erlebten Gefühle. Studenten berichteten über ein hohes Maß an Stress (M = 3.60; SD = 1.50), Frustration (M = 3.00; SD = 1.29) und Aggression (M = 2.90; SD = 1.11). Die Mitglieder der AKNZ hatten bezüglich dieser Emotionen wesentlich geringere Ausprägungen (MStress =1.80; SD = 1.01; MFrustration =1.70; SD = 0.56; MAggression =1.10; SD = 0.83).

Evaluation des ersten Trials. Die Mitglieder der AKNZ beurteilten das Spiel nach dem ersten Testdurchlauf als ein gutes Trainingsinstrument. Im Vordergrund sahen sie das Training von kurzen und effizienten Kommunikationsabläufen. Ein 29-jähriger Teilnehmer sagte, dass „[…] Krisenstäbe häufig versagen, weil sie zu viel reden und dann sind sie nicht mehr in der Lage, die wichtigen Informationen von den weniger Wichtigen zu unterscheiden.“ Das Spiel sei deshalb für solche Probleme eine gute Trainingseinheit, weil es „überflüssige Informationen bestraft“. Die Ergebnisse des Fragebogens bestätigen diese Bewertung. Beide Stichproben gaben an, dass „effiziente Kommunikation“ am intensivsten trainiert wurde (M = 3.80; SD = 0.44), gefolgt von Entscheidungsfindung (M = 3.60; SD = 0.55) und der Fähigkeit, den Kontext einer Angelegenheit zu evaluieren und kritische Sachverhalte zu identifizieren (M = 3.40; SD = 0.62).

Die Studierenden berichteten zudem, dass die Kommunikationsstruktur in der Gruppe durch das Spiel verbessert werden kann. Eine 23-jährige Studentin sagte: „In meinem Team sprachen alle zunächst wie wild durcheinander und es gab überhaupt keine Zielausrichtung. Nach drei Runden waren wir irgendwie besser organisiert und planten unsere Handlungen chronologischer“. Der Tutor fragte beide Stichproben, ob das Spiel einen Transfer der eingesetzten Kompetenzen für die Realität möglich macht. Hierzu gaben die Mitglieder der AKNZ an, dass bestimmte Aspekte wie „die Entwicklung einer strukturierten Entscheidungsfindung unter Zeitdruck“ (männlich, 50 Jahre) vergleichbar mit Anforderungen der Alltagssituation seien, während der Misserfolg im Spiel nach Ansicht der Gruppe zu wenig bestraft würde und deshalb zu weit von der „Realität entfernt“ sei (männlich, 50 Jahre). Besonders die Nutzung der Skalen wurde von den Mitgliedern kritisch hinterfragt. Auch die quantitativen Daten zeigten, dass der Spieloberfläche mit den Skalen als „wenig realistisch“ evaluiert wurde (M = 3.20; SD = 1.10), obschon insgesamt das Szenario des Spiels als „interessant“ (M = 3.00; SD = 1.00) und „stimulierend“ (M = 3.20; SD = 1.01) bewertet wurde. Eine Empfehlung der Mitglieder der AKNZ, die während der Rückmeldung häufig genannt wurde, war der Einsatz von Head-Sets: „Die Nutzung des Chats erschwerte für uns das Nachempfinden der Situation und hemmte die Stresssituation“ (männlich, 50 Jahre). Die Fragebogendaten bestätigten auch diesen Kommentar: Kommunikation mittels der Chat-Funktion wurde als wenig „benutzerfreundlich“ (M = 1.80; SD = 1.81) evaluiert.

Darüber hinaus berichteten die Mitglieder der AKNZ als auch die Studierenden, dass die Zuweisung zu einzelnen Rollen problematisch war. Die Studierenden gaben an, dass es zu schwer für sie war, sich an die einzelnen Funktionen der Rollen während des Spielverlaufs zu erinnern. „Außerdem war uns nicht klar, wie genau die Rollen zu den einzelnen Personalgruppen gehören“ (weiblich, 24 Jahre). Die Mitglieder der AKNZ kritisierten darüber hinaus, dass die Eigenschaften der Rollen im Spiel nicht gut genug den Anforderungen in der Realität entsprechen: „Auch wenn wir im Alltag spezifische Rollen haben, ist das Spiel nur unzureichend in der Lage, diese vielfältigen Einsatzfelder abzubilden“ (männlich 48 Jahre). Die Empfehlung der Mitglieder war deshalb, die Rollen aus dem Spiel herauszunehmen und anstelle dessen anonyme Beschreibungen der Spieler einzusetzen: „Wenn man die Rollen löscht, ist das insofern für das Spiel interessant, als dass die Hierarchie, die man aus dem Alltag kennt, nicht mehr existiert. Jede Person ist gleichberechtigt dazu befugt zu entscheiden. Die anderen Personen wissen dann ja gar nicht, wer sich hinter der Figur verbirgt“ (männlich, 48 Jahre). Vor dem Hintergrund dieser Empfehlungen führten wir einen zweiten Testdurchlauf mit der Vollversion des Spiels durch und berücksichtigten einige Einwände der Teilnehmer, wie im Folgenden erläutert wird.

Evaluation des zweiten Testdurchlaufs. Der Einbezug der Medien-Clips, mit denen die Ereignisse zusätzlich illustriert wurden, wurde besonders von den Mitgliedern der AKNZ positiv bewertet, denn „die Clips sind der Realität sehr nahe“ (2 Teilnehmer). Die Akademiemitglieder gaben an, dass solche medialen Inszenierungen für die Vorstellungskraft sehr zuträglich wären: „Die Clips sind interessant für uns, weil sie uns ein besseres Verständnis der Katastrophe vermitteln. Meiner Meinung nach ist es gut, wenn der reine Spielaspekt ein wenig kleiner wird“ (männlich, 45 Jahre). Die Studierenden waren hingegen vom Einbezug der Medien-Clips wenig überzeugt und empfanden diese als störend. „Die Clips behinderten die Diskussion, denn wir wollten zwischen den einzelnen Spielrunden lieber unsere Strategie besprechen als einen Clip zu gucken“ (weiblich, 24 Jahre). Insgesamt zeichnete sich dennoch ab, dass das Spiel durch den Einbezug der medialen Einspieler – im Vergleich zur Beta-Version – als weniger „realitätsfern“ (M =2.00; SD = 1.23) evaluiert wurde.

Darüber hinaus wurde in der zweiten Testung des Spiels die Zuweisung von Rollen ausgelassen. Dies wurde von den beiden Stichproben unterschiedlich bewertet. Die Mitglieder der Akademie evaluierten das Fehlen der Rollen positiver als die Studierenden (Anmerkung: alle Teilnehmer wurden als „Nutzer“ bezeichnet und konnten lediglich durch Zahlen voneinander unterschieden werden: Nutzer1, Nutzer 2 etc.): „Es war vorteilhaft für uns, dass die Rollen weg waren, weil wir nun alle gleich waren. Das führte zu einer stärkeren demokratischen Kommunikation, denke ich. Es war ja nicht mehr offensichtlich für uns, wer von den Jungs welchen Spieler hatte. Das war ganz gut“ (männlich, 40 Jahre). Die Studierenden in diesem Testdurchlauf waren von der fehlenden Rollenzuweisung weniger überzeugt. Sie gaben an, dass die fehlende Benennung eines Führers das Kommunikationsverhalten deutlich erschwerte: „Ich denke, unsere Leistung wäre besser gewesen, wenn wir von vornherein einen Führer im Team gehabt hätten, der die finalen Entscheidungen getroffen hätte“ (weiblich, 23 Jahre).

8 Diskussion

Die beiden Testdurchläufe machen deutlich, dass das Spiel zum Training von Social Skills geeignet ist. Die zeitlich enge Bemessung der Spielrunden sowie die Aufgabenstellung veranlassen die Spieler dazu, schnelle und effiziente Kommunikationsabläufe miteinander zu trainieren. Quantitative Daten aus den Fragebögen bestätigen auch aus der Perspektive der Nutzer, dass effiziente Kommunikation Hauptgegenstand der Trainingseinheiten ist. Der Vergleich der Leistungen der Mitglieder der AKNZ mit den Leistungen des studentischen Samples zeigt darüber hinaus, dass bereits erworbene soziale Kompetenzen den Spielverlauf positiv begünstigen und das erfolgreichen Erreichen des Ziels erleichtern, während unerfahrene Spieler zunächst überfordert sind, innerhalb der kurzen Zeit die nötigen Entscheidungen zu treffen. Deutlich wird jedoch im spezifischen für diese Gruppe, dass das Spiel dazu verleitet, nach einer gewissen Trainingszeit Kommunikationsregeln selbstständig zu entwickeln und so den Spielverlauf positiver zu gestalten. Besonders im zweiten Testdurchlauf, in dem die Teilnehmer keine vorher festgelegten Rollen hatten, wurde dies insofern deutlich, als dass eigene Rollenzuweisungen stattfanden. Demzufolge erweist sich das Spiel als besonders effizient für jene Stichproben, die eine strukturierte Kommunikation erst erlernen müssen. Für bereits erfahrene Spieler ist es mehr ein zusätzliches Trainingsinstrument, um bereits erworbene Kompetenzen zu festigen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob sich das Spiel auch losgelöst von der Krisenkommunikation als ein generelles Instrument zum Training von Soft Skills eignet. Aufgrund der Tatsache, dass die Studierenden Schwierigkeiten dabei hatten, das spezifische Personal einer Funktion zuzuordnen, während die Mitglieder der AKNZ die Zuordnung zu spezifischen Funktionen wesentlich besser lösten, sehen wir in der Vollversion des Spiels eine konkrete Eignung für Krisenkommunikation. Das Hintergrundwissen der Mitglieder der AKNZ ermöglichte eine effizientere Zuweisung und unterstützte damit den positiven Spielausgang. Auch unter Rückbezug auf die Ergebnisse zu den empfundenen Emotionen kann geschlussfolgert werden, dass das Spiel besonders für Anfänger im Bereich der Krisenkommunikation ein wertvolles Trainingsinstrument sein kann. Die Studierenden berichteten ein starkes Stresserleben und waren während der Sitzung emotional sehr angespannt, während die Mitglieder der AKNZ wiederum von ihrer Erfahrung mit Stresssituationen profitierten und nur wenig Anspannung empfanden.

Darüber hinaus zeigte sich, dass die Studierenden nicht in der Lage waren, die eingefügten Medien-Clips dem Spielgeschehen zuzuordnen. Sie fokussierten ausschließlich den Spielverlauf und waren auch später in der Feedbackrunde nicht in der Lage, die abstrakten Parameter mit den gezeigten Clips in Verbindung zu setzen. Da die Medien-Clips explizit dafür konzipiert wurden, eine Katastrophe nachzubilden und damit die Gefahrensituation zu simulieren, ergibt sich eine stärkere Fokussierung auf jene Teilnehmer, die auch im Alltag mit diesen Informationen arbeiten. Auch wenn eine Missachtung der Clips nicht unmittelbar das Spielen ausschließt, ist die Eignung für Laienspieler insofern limitiert, als dass sie ihr Kommunikationsverhalten in einem für sie fremden Berufsfeld trainieren müssen, was die Transferleistungen der trainierten Kompetenzen reduziert.

In Bezug auf die Zuweisung von Rollen ergab sich im ersten Testdurchlauf der Hinweis, dass die vorgegebene Hierarchie (d. h. die explizite Benennung eines Krisenstableiters) den Trainingseffekt stören würde. Vielmehr bewerteten es die Mitglieder der AKNZ als eine wichtige Übung, Kommunikation auch losgelöst von festgelegten Rollen strukturiert und erfolgreich vollziehen zu können. Bei der unerfahrenen Stichprobe der Studierenden zeigte sich dann wiederum im zweiten Testdurchlauf, dass eine rollenlose Spielsituation deutliche Erschwernisse mit sich bringt, weil die unerfahrenen Teilnehmer aufgrund des Zeitdrucks mit der Situation und den Anforderungen überfordert wurden. Demnach sollte die Zuweisung von Rollen als eine Option – je nach Stichprobe und deren Expertise – eingesetzt oder weggelassen werden. Die Zuweisung kann in ersten Trainingseinheiten, in denen noch Überforderung und Unklarheit besteht, eine sinnvolle Stütze sein, sollte aber in höheren Levels der Gruppentrainings weggelassen werden, um den Spielern die zusätzliche Herausforderung zu geben, eigene Hierarchien zu konstruieren – und zwar losgelöst von Jenen, die sie in der realen Arbeitswelt haben. Im Folgenden soll noch auf die Grenzen des Spiels und der zwei Testdurchläufe eingegangen werden.

8.1 Grenzen

Eine der größten Schwächen des DREAD ED Spiels liegt sicher in der Verwendung computervermittelter Kommunikation. Der Text-Chat erschwert und verlangsamt Kommunikation zwischen Spielern und ist gerade für wenig technikversierte Teilnehmer ein Hindernis. Zusätzlich behindert die Eingabe per Tastatur den Transfer der erworbenen Kompetenzen auf die reale Arbeitssituation, in der die Kommunikation ausschließlich face-to-face stattfindet.

In Bezug auf die Testdurchläufe sind die kleinen Stichproben als kritisch zu betrachten, da sie beispielsweise weitergehende inferenzstatistische Untersuchungen der Evaluationen unmöglich machen und somit die Repräsentativität der Ergebnisse limitieren. Weitere Durchläufe mit verschiedenen Teilnehmern (z. B. gerade auch Anfängern im Bereich der Krisenkommunikation) sind hierfür zwingend nötig.

8.2 Schlussfolgerungen und Ausblick

Das DREAD ED Spiel bietet ein interessantes Trainingsfeld für Gruppen im Bereich der Krisenkommunikation. Die Testdurchläufe haben gezeigt, dass ähnliche soziale Kompetenzen wie in der Alltagssituation eines Krisenstabs im Spiel gefordert sind (z. B. effiziente Kommunikation). Deutlich wurde, dass bereits erfahrene Spieler im Bereich der Krisenkommunikation erfolgreicher im Spiel sind als Unerfahrene. Somit ergibt sich die Schlussfolgerung, dass das Spiel besonders geeignet ist für jene Nutzer, die im Bereich der Krisenkommunikation noch wenig Erfahrung haben, diese aber auch im Alltag nutzen werden. Stichproben ohne Vorkenntnisse sind zwar in der Lage, das Spiel zu nutzen, haben aber aufgrund der inhaltlichen Fokussierung auf Krisenkommunikation Schwierigkeiten, Transferleistungen aus den Trainings zu ziehen und diese auf die alltägliche Arbeitssituation umzusetzen. Um weitere Erkenntnisse bezüglich der Effektivität des Spiels zu gewinnen, müssen weitere Trainings durchgeführt werden.