1 Einleitung

Die berufliche Geschlechtersegregation, also die Beobachtung, dass Frauen und Männer im Durchschnitt in unterschiedlichen Berufen (sogenannten Frauenberufen und Männerberufen) tätig sind, ist ein stabiles Merkmal von Arbeitsmärkten westlicher Industriegesellschaften (Charles und Bradley 2009). Insbesondere in Deutschland erweist sich die Geschlechtersegregation als bemerkenswert persistente Struktur auf dem Arbeitsmarkt (Europäische Kommission 2010). Die Segregation gilt dabei als eine wichtige Quelle für die Reproduktion sozialer Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern, denn Frauenberufe weisen gegenüber Männerberufen (mit vergleichbaren Qualifikationsanforderungen) häufig geringere Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten auf (vgl. für einen Überblick EGGE 2009).

Allerdings ist die Frage nach den individuellen Ursachen dieser geschlechtsspezifischen beruflichen Verortung noch nicht hinreichend geklärt. Für den deutschen Arbeitsmarkt existieren bisher nur wenige Individualanalysen zur systematischen Untersuchung von Bestimmungsgründen einer geschlechtstypischen Berufswahl (Blossfeld 1987; Trappe und Rosenfeld 2004). Die vorliegende Studie widmet sich dieser Forschungslücke in Deutschland mit Daten des Sozio-oekonomischen Panels (Wagner et al. 2007). Der theoretische und empirische Fokus liegt dabei auf der Überprüfung angebotsseitiger Theorien. Solche Theorien postulieren geschlechtstypische berufliche Präferenzen, die von traditionellen Geschlechterrollen geprägt sind, insbesondere in der vorberuflichen Lebensphase entwickelt werden und die Berufswahl beeinflussen (für eine Zusammenfassung vgl. z. B. Achatz 2008).

Konkret wird in der vorliegenden Studie aufgezeigt, (1 inwieweit Männer und Frauen unterschiedliche berufliche Präferenzen, gemessen anhand sogenannter Berufswerte, aufweisen, und (2 ob solche beruflichen Präferenzen in der Lage sind, eine geschlechtstypische Berufswahl zu erklären. Nach dem Wissen der Autorin wurde bisher erst in einer Studie (Pollmann-Schult 2009) explizit der Einfluss jener Berufswerte auf eine geschlechtstypische Berufswahl für den deutschen Arbeitsmarkt untersucht. Konkret bezieht sich Matthias Pollmann-Schult dabei auf Erwerbstätige im erwerbsfähigen Alter. Allerdings scheinen für die vorliegende Fragestellung Personen, die am Beginn ihrer beruflichen Laufbahn stehen, eine besonders relevante Untersuchungsgruppe zu sein: So ist laut einer Studie von Susanne Falk (2005) der Grad der geschlechtsspezifischen Segregation beim Berufseinstieg am höchsten. Lehrabsolventen sind dabei besonders stark segregiert – mit deutlichem Abstand zu Hochschulabsolventen. Laut Falk werden schon „durch die Wahl der Berufsausbildung und der Art des Ausbildungsberufes die Voraussetzungen für die geschlechtsspezifische Segregation von Berufslaufbahnen geschaffen“ (ebd., S. 91 f.). Daher fokussiert die vorliegende Studie auf die Wahl geschlechtstypischer Berufe als Ergebnis beruflicher Präferenzen von Berufseinsteigern mit mittlerer beruflicher Ausbildung aufgrund der quantitativen Relevanz dieser Personengruppe.

Zudem wird (3 der Frage nachgegangen, inwieweit traditionelle Geschlechterrollenkonstellationen des Elternhauses in der Jugend der Befragten – etwa die Erwerbs- und Hausarbeitsteilung der Eltern – ihre spätere geschlechtstypische Berufswahl begünstigen. Das dient der Überprüfung der Annahme der sogenannten intergenerationalen Transmission beruflicher Präferenzen der Eltern auf ihren Nachwuchs. Schließlich wird (4 unter Verwendung von Dekompositionsmethoden der Erklärungsbeitrag angebotsseitiger Theorien für die geschlechtstypische Berufswahl ermittelt. So ist anzunehmen, dass angebotsseitige Theorien im Zuge des gesellschaftlichen Wandels die berufliche Geschlechtersegregation heutzutage kaum noch angemessen erklären können. Stattdessen dürften etwa Geschlechterstereotypen und Arbeitsmarktinstitutionen eine wichtigere Rolle zur Erklärung der geschlechtsspezifischen beruflichen Verortung zukommen.

Zunächst werden die zu überprüfenden Theorien und der Forschungsstand zur Erklärung von geschlechtstypischen beruflichen Präferenzen erörtert und daraus Forschungshypothesen abgeleitet. Anschließend erfolgt die Präsentation des Datenmaterials und der verwendeten Variablen und Methoden, bevor die Ergebnisse der multivariaten Modelle aufgezeigt werden. Der Artikel schließt mit einer Zusammenfassung und Diskussion der Forschungsergebnisse und macht auf weiteren Forschungsbedarf aufmerksam.

2 Erklärungen für die geschlechtstypische Berufswahl: Theorie und Hypothesen

In der eher „klassischen“ Literatur zur Erklärung einer geschlechtstypischen Berufswahl von Frauen und Männern findet man vor allem sogenannte angebotsseitige Theorien. Insbesondere sind hier die Humankapital- und die Sozialisationstheorie zu nennen. Solche Theorien befassen sich insbesondere mit individuellen beruflichen Präferenzen, die vor allem in der vorberuflichen Phase gebildet werden und zu einem unterschiedlichen Berufswahlverhalten führen (Heintz et al. 1997, S. 24 ff.).Footnote 1

Jene beruflichen Präferenzen werden meist mit sogenannten „Berufswerten“ beziehungsweise „Arbeitswerten“ gemessen (Rosenberg 1957). Berufswerte umfassen die Bedeutsamkeit bestimmter Merkmale der Berufstätigkeit für die befragten Personen. Intrinsische Berufswerte beziehen sich auf die Wichtigkeit einer erfüllenden Arbeit, umfassen also etwa eine hohe Wichtigkeit von selbstbestimmtem Arbeiten und interessanten Tätigkeiten (Marini et al. 1996, S. 50). Extrinsische Berufswerte sind auf die Bedeutsamkeit instrumenteller Ressourcen bezogen, die durch die Arbeit generiert werden, wie Verdienste, Aufstiegschancen oder das Berufsprestige (ebd.). Weiterhin unterscheidet man soziale beziehungsweise altruistische (menschenbezogene, helfende) Berufswerte (ebd.) und solche, die eine gute Work-Life-Balance als wichtig für die Berufstätigkeit erachten (Lueptow 1980). Laut den angebotsseitigen Theorien ist anzunehmen, dass sich Frauen und Männer in der Einschätzung der Wichtigkeit dieser Berufswerte unterscheiden, mit entsprechenden Folgen für eine geschlechtstypische Berufswahl. Diese Annahme wird im Folgenden konkretisiert; und es wird erläutert, warum für die Überprüfung jener Annahmen die Untersuchungsgruppe der Berufseinsteiger mit mittlerer beruflicher Ausbildung als besonders fruchtbar erscheint.

2.1 Angebotsseitige Theorien: Humankapital und Sozialisation

Die Humankapitaltheorie erklärt die individuelle Berufswahl mittels utilitaristischer Handlungskalküle (Becker 1975). Frauen sind, so die Annahme, im Vergleich zu Männern stärker familienorientiert und planen daher einen Berufsweg, der stärker durch Familien- und Erziehungsphasen unterbrochen ist. Sie „selektieren“ sich (Polachek 1981) damit vor allem in Berufe, für die vergleichsweise geringe Investitionen in Humankapital erforderlich und in denen möglichst gute Bedingungen der Vereinbarkeit mit familiären Verpflichtungen gegeben sind. Männer übernehmen aufgrund einer partnerschaftlichen Nutzenmaximierung durch geschlechtsspezifische Arbeitsteilung (Becker 1985) häufiger die Rolle des Familienernährers und präferieren daher Berufe mit guten Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten und einer höheren Arbeitsmarktsicherheit. Der Humankapitaltheorie zufolge entwickeln Frauen in der vorberuflichen Lebensphase also vor allem Berufswerte in Richtung einer Work-Life-Balance, Männer eher extrinsische Berufswerte. Da generell postuliert wird, dass Frauenberufe besser mit Familienverpflichtungen vereinbar sind, während Männerberufe höhere Verdienste und Aufstiegschancen sowie eine höhere Arbeitsplatzsicherheit bieten, ist anzunehmen, dass die unterschiedlichen Präferenzen von Männern und Frauen entsprechend eine geschlechtstypische Berufswahl befördern (vgl. zusammenfassend auch Pollmann-Schult 2009).

Über die Humankapitaltheorie hinausgehend, die auf ökonomische Ressourcenausstattungen von Männern und Frauen fokussiert, gehen soziologische Sozialisationstheorien von geschlechtsspezifischen Präferenzen für bestimmte Arbeitsinhalte aus. Im Allgemeinen postuliert die Sozialisationstheorie, dass gesellschaftliche handlungsleitende Werte und Normen insbesondere in der Kindheit und Jugend über das Elternhaus, aber auch über Schule und Medien erlernt werden (Hurrelmann et al. 2008). Das gilt auch für geschlechtstypische Rollenbilder: So werden geschlechtsspezifische Normen, die mit den historisch gewachsenen Zuständigkeiten für den Familienbereich (Frauen) und für die Erwerbstätigkeit (Männer) korrespondieren, in der Sozialisation von den Individuen verinnerlicht (Marini und Brinton 1984). In diesem Prozess entwickeln sich auch geschlechtsspezifische Vorlieben für bestimmte Berufe; eine Annahme, die mit der sogenannten „These des weiblichen Arbeitsvermögens“ konkretisiert wurde (Beck-Gernsheim und Ostner 1978; Ostner 1978): Demnach internalisieren die Mädchen durch die Rückbindung auf Familien- und Hausarbeit in der Erziehung ein weiblich konnotiertes Arbeitsvermögen, welches sie auch im Erwachsenenalter beibehalten. Dieses Arbeitsvermögen ist insbesondere durch Fähigkeiten und Eigenschaften geprägt, die dazu dienen, auf die Bedürfnisse der Familienmitglieder einzugehen, wie Empathie, Geduld und Fürsorglichkeit. Durch jene eher reproduktionsbezogenen Arbeitsvermögen und Orientierungen entwickeln Frauen vor allem ein Interesse für Berufe mit menschenbezogenen Arbeitsinhalten (vgl. zusammenfassend auch Gottschall 2000; Langfeldt 2009). Solche sozialen Arbeitsinhalte finden sich vor allem in Frauenberufen (etwa in der Krankenpflege und Kinderbetreuung). Die in der Sozialisation „erlernten“ sozialen Berufswerte von Frauen können also nach der Theorie eine geschlechtstypische Berufswahl und damit die geschlechtlich segregierte Struktur des Arbeitsmarktes ebenfalls erklären.

Zwar wurde die These des weiblichen Arbeitsvermögens zur Erklärung der Segregation auf dem Arbeitsmarkt vielfach kritisiert (vgl. zusammenfassend zu den Kritikpunkten Gottschall 2000; Heintz et al. 1997; Langfeldt 2009); dennoch trägt sie zum Verständnis einer geschlechtstypischen Berufswahl als Ergebnis unterschiedlicher Präferenzen von Frauen und Männern bei (Gottschall 2000, S. 157; Langfeldt 2009, S. 189).

Obwohl in der bisherigen Literatur nicht explizit herausgestellt, sind zudem im Sinne der angebotsseitigen Theorien für Männer höhere intrinsische Berufswerte als für Frauen zu erwarten: Es ist anzunehmen, dass die höhere Erwerbsorientierung von Männern und ihre stärkere, auch zeitliche Einbindung in den Arbeitsmarkt das Interesse an einer erfüllenden Erwerbstätigkeit erhöhen. Für Frauen dient demgegenüber laut der beschriebenen Theorien die Erwerbstätigkeit eher dazu, neben den Familienverpflichtungen einen Zuverdienst zum Haushaltseinkommen beizusteuern. Daher ist die intrinsische berufsbezogene Motivation möglicherweise für sie geringer. In der existierenden Literatur werden demgegenüber ohne konkrete Begründung häufig höhere intrinsische Berufswerte für Frauen als für Männer postuliert (z. B. Marini et al. 1996) – eine Annahme, die mit den angebotsseitigen Theorien nur schwer in Einklang zu bringen ist. Zudem ist zu vermuten, dass sowohl Männer als auch Frauen eine erfüllende Tätigkeit vor allem in geschlechtstypischen und weniger in geschlechtsuntypischen Berufen finden, da die entsprechenden Berufe eher mit ihren internalisierten arbeitsbezogenen Präferenzen und Orientierungen korrespondieren. Personen mit hohen intrinsischen Berufswerten (das gilt auch für Frauen, wenn sie hohe intrinsische Berufswerte aufweisen) wählen also möglicherweise eher einen geschlechtstypischen Beruf.

Insbesondere die in der ökonomischen Theorie postulierten Zusammenhänge können generell als geschlechtsneutral angesehen werden (vgl. auch Schulz und Blossfeld 2006). Entsprechend finden sich Frauen mit hohen extrinsischen Berufswerten demnach ebenfalls eher in Männerberufen. Männer, die eine gute Work-Life-Balance als wichtig erachten, wählen auch eher Frauenberufe. Auch dürften im Sinne der Sozialisationstheorien Männer mit hohen sozialen Berufswerten eher Frauenberufe wählen. So zeigen Ilona Ostner und Elisabeth Beck-Gernsheim (1979), dass die Entscheidung für den Beruf des Krankenpflegers bei Männern durch spezifische (geschlechtsuntypische) Sozialisationserfahrungen in Kindheit und Jugend geprägt war, etwa durch eine vergleichsweise starke Mithilfe im elterlichen Haushalt (vgl. zusammenfassend auch Langfeldt 2009, S. 187).

Studien zu unterschiedlichen Berufswerten von Frauen und Männern zeigen Ergebnisse, die der Humankapitaltheorie teilweise widersprechen. Geringere extrinsische Berufswerte für Frauen im Vergleich zu Männern, wie von der Humankapitaltheorie angenommen, sind teils belegt (Herzog 1982; Lueptow 1980; Mannheim und Seger 1993; für Deutschland Pollmann-Schult 2009), teils widerlegt (Marini et al. 1996; Rowe und Snizek 1995). Auch zeigen verschiedene Studien, dass Männern eine Berufstätigkeit, die viel Freizeit neben dem Beruf lässt, wichtiger als Frauen ist (Herzog 1982; Lueptow 1980; Marini et al. 1996). Auch das widerspricht der Humankapitaltheorie, die annimmt, Frauen präferierten Berufe, die eine geringe zeitliche Eingebundenheit erfordern. Dazu zeigt sich parallel zumindest in den USA, dass Frauenberufe zwar durch geringere Arbeitszeiten gekennzeichnet sind (Cha 2013), gleichzeitig aber auch eine geringere Flexibilität in der Gestaltung der Arbeitszeit aufweisen (Glass 1990). Zudem wurde die Assoziation zwischen Familienverpflichtungen und geschlechtstypischen beruflichen Entscheidungen weder in den USA noch in Deutschland belegt (für die USA Rosenfeld 1992; Tomaskovic-Devey 1993; für Deutschland Trappe und Rosenfeld 2004).

Die sozialisationstheoretischen Annahmen wurden demgegenüber in verschiedenen Studien bestätigt. So konnten bei Frauen im Vergleich zu Männern höhere soziale berufliche Präferenzen festgestellt werden, mit besonders starken geschlechtsspezifischen Unterschieden im Vergleich zu den anderen Berufswerten. Dies zeigt sich sowohl international (Lueptow 1980; Marini et al. 1996) als auch für Deutschland (Pollmann-Schult 2009). Jene Präferenzen begünstigen in Deutschland zudem die Wahl eines Frauenberufes für Erwerbstätige (ebd.). In der Schweiz zeigt sich allerdings bei Personen in beruflicher Lehre nur für Männer, nicht für Frauen, ein bedeutsamer Effekt entsprechender Berufswerte auf die Wahl eines Frauenberufs (Buchmann und Kriesi 2012).

In Deutschland wurden die Geschlechterunterschiede in Berufswerten und die darauf basierenden geschlechtstypischen Berufsentscheidungen bisher noch nicht mit Fokus auf Personen untersucht, die am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn stehen (vgl. für die Schweiz ebd.). Sollten geschlechtstypische berufliche Präferenzen, die in der vorberuflichen Phase entwickelt werden, im Sinne angebotsseitiger Theorien eine Rolle für die Erklärung der beruflichen Geschlechtersegregation spielen, so ist zu vermuten, dass diese vor allem in der frühen Erwerbsphase zum Tragen kommen. Im späteren Erwerbsverlauf werden solche beruflichen Präferenzen möglicherweise etwa durch eine innerbetriebliche Sozialisation an die realen Arbeitsbedingungen angepasst (Johnson 2002). Laut Falk (2005) zeigt sich zudem tatsächlich der stärkste Grad geschlechtsspezifischer Segregation beim Berufseinstieg, und hier insbesondere bei Personen mit abgeschlossener Lehre, im Vergleich zu Personen mit höheren Bildungsabschlüssen. Bereits die Wahl des Ausbildungsberufes stellt ihren Ausführungen zufolge die Weichen für die Geschlechtstypik von Berufslaufbahnen (ebd., S. 91 f.). Aufgrund der besonderen numerischen Relevanz werden in der Analyse Berufseinsteiger mit mittlerer beruflicher Ausbildung als Untersuchungsgruppe herangezogen und die Wahl ihrer Berufe als Ergebnis beruflicher Präferenzen analysiert.

Aus diesen Annahmen ergeben sich folgende zu überprüfende Hypothesen:

H1

Bei Berufseinsteigern mit mittlerer beruflicher Ausbildung zeigen sich geschlechtsspezifische Unterschiede in den Berufswerten:

  1. a)

    Männer weisen höhere extrinsische Berufswerte als Frauen auf.

  2. b)

    Frauen weisen höhere Berufswerte einer guten Work-Life-Balance als Männer auf.

  3. c)

    Frauen weisen höhere soziale Berufswerte als Männer auf.

  4. d)

    Männer weisen höhere intrinsische Berufswerte als Frauen auf.

H2

Bei Berufseinsteigern mit mittlerer beruflicher Ausbildung sind die Berufswerte mit der Ausübung von frauen- beziehungsweise männertypischen Berufen assoziiert:

  1. a)

    Berufseinsteiger mit hohen extrinsischen Berufswerten finden sich eher in männertypischen Berufen.

  2. b)

    Berufseinsteiger mit hohen Berufswerten einer guten Work-Life-Balance finden sich eher in frauentypischen Berufen.

  3. c)

    Berufseinsteiger mit hohen sozialen Berufswerten finden sich eher in frauentypischen Berufen.

  4. d)

    Berufseinsteiger mit hohen intrinsischen Berufswerten finden sich eher in geschlechtstypischen Berufen.

2.2 Intergenerationale Transmission

In der Sozialisationstheorie und der These des weiblichen Arbeitsvermögens werden typisch „weibliche“ und „männliche“ Präferenzen als von den spezifischen Lebenserfahrungen abhängig verstanden (Beck-Gernsheim und Ostner 1978; Ostner und Beck-Gernsheim 1979). Die sogenannte intergenerationale Transmission (auch kulturelle Reproduktion) durch die Herkunftsfamilie spielt in der Sozialisationstheorie eine wichtige Rolle (Eder und Nenga 2003). Gleichzeitig gilt sie als wichtiger Erklärungsfaktor der sozialisationsbedingten Wahl geschlechtstypischer Berufe (Marini und Brinton 1984): So „übertragen“ sich diesem Ansatz zufolge die Geschlechterrollen der Eltern auf die Geschlechterrollen der Kinder, mit entsprechenden Folgen für die Berufswahl des Nachwuchses. Zur Überprüfung einer solchen intergenerationalen Transmission dienen dabei sowohl direkte elterliche Geschlechterrollen als auch indirekte Indikatoren zum geschlechtstypischen Verhalten der Eltern (etwa zum Erwerbsverhalten) (vgl. van Putten et al. 2008 für diese begriffliche Differenzierung). Da in dem für die späteren Analysen verwendeten Datenmaterial direkte Geschlechterrollen der Eltern nicht erfasst sind, werden indirekte Indikatoren zum geschlechtstypischen Verhalten der Eltern herangezogen.

Tatsächlich zeigt sich in den USA ein Zusammenhang zwischen dem elterlichen Geschlechtsrollenverhalten, abgebildet durch die Hausarbeitsteilung der Eltern, und den internalisierten Geschlechterrollen des Nachwuchses (Cunningham 2001). Auch haben in den Niederlanden erwachsene Töchter von arbeitenden Müttern längere Arbeitszeiten als Töchter von nicht erwerbstätigen Müttern (van Putten et al. 2008). Ältere Studien zeigen, dass jugendliche Mädchen, deren Mütter erwerbstätig sind, egalitärere Geschlechterrollen entwickeln (vgl. zusammenfassend Marini und Brinton 1984). Aktuellere Studien aus den USA können jedoch den Zusammenhang zwischen dem Erwerbsverhalten der Mütter und den Erwerbs- und Geschlechterrollen der erwachsenen Töchter nicht mehr nachweisen – wohl aber den Zusammenhang zwischen den Geschlechterrolleneinstellungen der Mütter und denjenigen der Töchter (Moen et al. 1997).

Weiterhin fanden in den USA Dina Okamoto und Paula England (1999), dass Männer (aber nicht Frauen), in deren Kindheit entweder der Vater oder die Mutter in Männerberufen tätig war, selbst häufiger in Männerberufen anzutreffen sind. In der Schweiz zeigt sich für Personen in einer Lehre ein entgegengesetztes Bild: Frauen (aber nicht Männer) sind eher in haushaltsnahen Frauenberufen anzutreffen, wenn die Mütter ebenfalls in der Jugend der Befragten in einem Frauenberuf arbeiteten (Buchmann und Kriesi 2012). Sowohl für Männer als auch für Frauen in einer dualen Berufsausbildung begünstigt zudem eine geschlechtstypische Fähigkeitszuschreibung der Eltern auf ihren Nachwuchs (etwa: Sozialkompetenzen bei den Frauen oder manuelle Kompetenzen bei den Männern) die Wahl eines geschlechtstypischen Berufes (ebd.).

In Deutschland zeigt sich schließlich für männliche Jugendliche eine Präferenz für geschlechtstypische Berufe, wenn der Vater ebenfalls in einem geschlechtstypischen Beruf tätig ist; bei weiblichen Jugendlichen ist das Bild weniger eindeutig (Helbig und Leuze 2012). Jugendliche als Analyseeinheit sind für die vorliegende Fragestellung nicht unproblematisch, da die Jugendzeit als eine wenig gefestigte, „turbulente“ Lebensphase gilt (Kulik 2002, S. 456). Die Frage ist, ob für den deutschen Arbeitsmarkt Mechanismen einer intergenerationalen Transmission bei der tatsächlichen Berufswahl stärker zutage treten als im Hinblick auf Berufswünsche Jugendlicher. So zeigen Studien, dass sich die Söhne und Töchter den elterlichen Werten im Erwachsenenalter generell wieder annähern (vgl. zusammenfassend Hess et al. 2006).

Daraus ergibt sich folgende zu testende Hypothese:

H3

Berufseinsteiger mit mittlerer beruflicher Ausbildung finden sich eher in geschlechtstypischen Berufen, wenn ihre Eltern in der Jugend der Befragten ein traditionelles Geschlechterrollenverhalten aufwiesen.

2.3 Erklärungskraft der angebotsseitigen Theorien

Abschließend stellt sich die Frage, ob in der heutigen Zeit unterschiedliche berufliche Präferenzen von Frauen und Männern eine geschlechtstypische Berufswahl überhaupt noch umfassend erklären können. Die fortschreitende Angleichung von Frauen und Männern etwa in der Erwerbsquote und im Bildungsbereich (Cornelißen 2005) lässt auch eine Annäherung in Geschlechterrollen und beruflichen Präferenzen annehmen. Die immer noch starke Verortung von Frauen und Männern in unterschiedlichen Berufen (im Folgenden: Berufsdifferenzial) gerade bei den Berufseinsteigern mit mittlerer beruflicher Ausbildung ist also möglicherweise kaum noch durch geschlechtsspezifische berufliche Präferenzen zu erklären (vgl. zu dieser Argumentation auch Pollmann-Schult 2009).

Dass die berufliche Segregation gegen diese gesellschaftlichen Wandlungsprozesse sehr resistent ist, lässt annehmen, dass andere Mechanismen, Zwänge und Hindernisse, die eher in der Arbeitswelt verortet sind, eine wichtigere Rolle spielen als individuelle Präferenzen. So können etwa Geschlechterstereotype von Arbeitgebern zum Tragen kommen (Ridgeway 1997), die es Berufseinsteigern erschweren, einen Arbeitsplatz in einem geschlechtsuntypischen Beruf zu erhalten (vgl. zu diesem Argument auch Buchmann und Kriesi 2012). Zudem postuliert der Institutionenansatz in der Geschlechterforschung eine Institutionalisierung des Arbeitsmarktes dergestalt, dass er die traditionelle Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern befördert und somit auch das Ungleichgewicht in den Geschlechterverhältnissen unterstützt (Krüger und Levy 2000). Das betrifft auch die berufliche Geschlechtersegregation. Insbesondere dem deutschen Ausbildungssystem mit mittleren Ausbildungsabschlüssen kommt dabei eine wichtige Rolle zu (Krüger 2003). Helga Krüger betont hier die Teilung des Ausbildungssystems in vollzeitschulische und duale Ausbildungswege. Frauen sind demnach in vollzeitschulischen Ausbildungen, in denen vor allem Frauenberufe gelehrt werden, überrepräsentiert (ebd.). Zudem weist Falk darauf hin, dass auch das duale Ausbildungssystem eine hohe Segregation aufweist und dort ebenfalls starke institutionell gesteuerte berufliche Kanalisierungsprozesse wirksam sind (Falk 2005, S. 91). Durch die gleichzeitige Ausbildung sowohl im Betrieb als auch in der Berufsschule wird demnach ein institutionell vergleichsweise abgesicherter Erwerbseinstieg nach der Ausbildung im Vergleich zu den berufsfachschulischen Ausbildungswegen ermöglicht (ebd.). Stark strukturierte Übergänge im Lebenslauf, so die These des Institutionenansatzes, bergen gleichzeitig jedoch auch die Gefahr der Verfestigung traditioneller Geschlechterrollen in jenen Lebenslaufinstitutionen (Krüger 2004).

Solche Prozesse können nur indirekt Eingang in das spätere Analysemodell finden: Ist die Erklärungsleistung der Berufswerte für die Wahl geschlechtstypischer Berufe nur gering, spricht das dafür, dass neben angebotsseitigen Theorien auch andere nicht beobachtete Merkmale, etwa Stereotype oder Institutionen auf dem Arbeitsmarkt, in bedeutsamer Weise zur Erklärung des geschlechtsspezifischen Berufsdifferenzials beitragen. Aus diesen Überlegungen ergibt sich die abschließende Hypothese:

H4

Die Unterschiede in den Berufswerten zwischen Frauen und Männern vermögen nur einen geringen Anteil des geschlechtsspezifischen Berufsdifferenzials bei Berufseinsteigern mit mittlerer beruflicher Ausbildung zu erklären.

Allerdings zeigt die Forschung eine erstaunlich geringe Egalisierung in geschlechtsspezifischen Orientierungen über die Zeit: Zwar sind in den USA von Mitte der 1970er Jahre an bis zum Jahr 1994 die Geschlechterrollen egalitärer geworden; seitdem hat aber keine weitere signifikante Entwicklung in Richtung Egalität mehr stattgefunden (Cotter et al. 2011). Für Deutschland jedoch zeigt sich eine Annäherung bei den extrinsischen Berufswerten von erwerbstätigen Frauen und Männern zwischen den Jahren 1980 und 2000 (Pollmann-Schult 2009). Inwieweit in Deutschland noch entsprechende geschlechtsspezifische Unterschiede für Berufseinsteiger mit mittlerer beruflicher Ausbildung bestehen, zeigt die folgende Analyse.

3 Daten, Variablen, Methoden

3.1 Daten

Die postulierten Hypothesen werden mit Daten des Sozio-oekonomischen Panels, Version 27 (SOEP V.27), des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) überprüft (Wagner et al. 2007). Insbesondere ist für die folgende Untersuchung der SOEP-Jugendfragebogen zentral: Hier werden seit dem Jahr 2000 von allen 16- und 17-jährigen Haushaltsmitgliedern der SOEP-Haushalte spezifische Informationen erhoben (Lohmann und Witzke 2010). Diese spezielle Befragung wird einmalig pro jugendlicher Person durchgeführt, es werden also keine Informationen im Längsschnitt generiert. In dem Jugendfragebogen werden auch die für die folgende Analyse wichtigen Berufswerte erhoben. Damit werden für die Untersuchung nur Personen berücksichtigt, die an dieser Jugendbefragung teilgenommen haben. Das beschränkt den Zeitraum der Untersuchung auf die Jahre 2000 bis 2010 und das Maximalalter der Untersuchungspersonen auf 28 Jahre. Um die intergenerationale Transmission beruflicher Präferenzen von den Eltern auf die Kinder überprüfen zu können, werden zudem nur Personen einbezogen, für die beide Elternteile im SOEP bestimmbar sind.

In der Analyse werden Berufseinsteiger mit mittlerer beruflicher Ausbildung untersucht, also Personen, die den Schritt von der beruflichen Ausbildung in die Erwerbstätigkeit gerade vollzogen haben. Konkret beinhaltet die Stichprobe der Berufseinsteiger in der folgenden Analyse abhängig beschäftigte Personen (Arbeiter, Angestellte),Footnote 2 die zum Befragungszeitpunkt nicht in Ausbildung sind und gleichzeitig im Jahr zuvor eine berufliche Ausbildung (Lehre, Berufsfachschule, Schule des Gesundheitswesens, Fachschule) abgeschlossen haben. Zudem werden Personen berücksichtigt, die zum Befragungszeitpunkt eine betriebliche Ausbildung ausüben (gewerblich/technische Auszubildende, kaufmännische Auszubildende). Denn auch diese Personengruppe hat bereits eine Berufswahl getroffen und übt diesen Beruf aktiv im Erwerbsleben aus.

Die auf diese Weise gebildete Stichprobe – Berufseinsteiger mit mittlerer beruflicher Ausbildung, die am Jugendfragebogen teilgenommen haben und valide Elternzeiger aufweisen – setzt sich über die Jahre gepoolt aus 3.449 Personenjahren zusammen (2.001 Männer und 1.448 Frauen).

3.2 Variablen

Die abhängige Variable bildet die Geschlechtstypik des zum Befragungszeitpunkt ausgeübten Berufes. Diese Information wurde anhand des jahresspezifischen Frauenanteils pro Beruf der Berufsklassifikation des Statistischen Bundesamtes, Version 1992 (Dreisteller) (Statistisches Bundesamt 1992), in einer Sonderauswertung des Mikrozensus (Statistisches Bundesamt 2008) ermittelt und über die Berufsklassifikation des derzeit ausgeübten Berufes an das SOEP angefügt. Ein Beruf mit einem geringeren Frauenanteil ist etwa der Beruf des Elektrikers/der Elektrikerin; ein Beruf mit einem sehr hohen Frauenanteil etwa der Beruf des Sprechstundenhelfers/der Sprechstundenhelferin. Häufig wird diese abhängige Variable nochmals in Kategorien eingeteilt (etwa in Männer- und Frauenberufe) (z. B. Pollmann-Schult 2009; Trappe und Rosenfeld 2004). In der folgenden Analyse wird jedoch die metrische Information verwendet, um das gesamte Varianzspektrum der abhängigen Variable auszuschöpfen und Informationsverlust zu vermeiden. Ein solches Vorgehen kam in Studien für den deutschen Arbeitsmarkt bislang nicht zum Einsatz (in den USA Okamoto und England 1999).

Bei der abhängigen Variablen handelt es sich um eine berufsbezogene Messung, während die meisten unabhängigen Variablen Individualinformationen beinhalten. Personen, die im gleichen Beruf tätig sind, weisen in der abhängigen Variablen entsprechend keine Varianz auf, in den unabhängigen Variablen dagegen schon. Das dürfte die Erklärungsleistung des Modells insgesamt absenken und ist bei der Interpretation der Ergebnisse zu berücksichtigen.

Neben dem Alter, dem Migrationshintergrund und dem Wohnort in Ost- oder Westdeutschland fließen folgende unabhängige Variablen in die Analysen ein (eine Übersicht über die einbezogenen Variablen und ihren Verteilungen findet sich in Tab. 2):Footnote 3

Dimension „Berufswerte“

Berufswerte werden im Jugendfragebogen mittels zwölf Fragen, ob verschiedene Aspekte der Berufstätigkeit sehr wichtig, wichtig, weniger wichtig oder ganz unwichtig sind, erfragt (Weinhardt und Schupp 2011). Anhand dieses Variablensets wurde für die hier betrachtete Untersuchungspopulation eine Hauptkomponenten-Faktoranalyse berechnet (Backhaus et al. 2003). Die resultierende Faktorlösung findet sich in Tab. 1.

Tab. 1 Berufswerte von Berufseinsteigern mit mittlerer beruflicher Ausbildung: Rotierte Faktorladungsmatrix der Hauptkomponenten-Faktoranalyse. (Quelle: SOEP.V27 2000–2010, eigene Berechnungen)

Aus dieser Faktorlösung erfolgte die Berechnung von Faktorwerten für die vier Faktoren mittels Regression. Die so ermittelten vier Variablen fließen in die späteren multivariaten Analysen als zentrale unabhängige Variable ein. Hier ist nochmals herauszustellen, dass die Berufswerte zeitlich invariant erhoben werden. Die in der Jugend verinnerlichten berufsbezogenen Präferenzen werden also als zeitkonstant angenommen, eine Annahme, die durchaus hinterfragt werden kann (vgl. z. B. Johnson 2002). Jedoch können mit dem verwendeten Datenmaterial mögliche individuelle Änderungen in den Berufswerten bisher nicht erfasst werden.

Dimension „Geschlechterrollenmodelle Elternhaus“

Zur Messung der intergenerationalen Transmission beruflicher Präferenzen wurden indirekte Indikatoren zum Geschlechterrollenverhalten der Eltern herangezogen. Die Indikatorenauswahl orientiert sich dabei an anderen Studien (vgl. Abschn. 2). Über einen Mutter- und einen Vaterzeiger wurden verschiedene Informationen über die Eltern, als der Befragte 15 Jahre alt war, den Untersuchungspersonen zugespielt. Für fehlende Werte wurden entsprechende Informationen, als der Befragte 14 Jahre alt war, imputiert. Die übrigen fehlenden Werte wurden in den jeweiligen Variablen durch eigene Ausprägungen kontrolliert.

Zum einen wird die Beschäftigungsrelation der Eltern aufgenommen. Zum anderen fließt die gewünschte Wochenarbeitszeit der Mutter in die Kategorien ein. Jene Kategorisierung wurde anhand des 25-Prozent- und des 75-Prozent-Quartils der metrischen Variable vorgenommen.Footnote 4 Zudem fließen die Informationen, ob die Eltern in der Jugend des Befragten selbst in geschlechtstypischen oder –untypischen Berufen tätig waren, in die Analysen ein. Die Variable wurde, analog zur Operationalisierung der Geschlechtstypik des ausgeübten Berufes der Befragten, aus dem jahresspezifischen beruflichen Frauenanteil mit Hilfe der Sonderauswertung aus dem Mikrozensus gebildet und über die Berufsklassifikation des ausgeübten Berufes der Eltern dem SOEP zugespielt.

Schließlich wird die Hausarbeitsteilung der Eltern in den Analysen berücksichtigt. Hier wurde die Zeitverwendung beider Elternteile für Hausarbeit an einem Werktag, als die Befragungsperson 15 beziehungsweise 14 Jahre alt war, herangezogen. Aus diesen beiden Variablen wurde der sogenannte Aufteilungsindex der Hausarbeit (AidHa) ermittelt (Gershuny 1996): Der AidHa setzt die Zeitverwendungen für die Hausarbeit beider Partner (hier der Eltern) ins Verhältnis zueinander. Er gibt den Anteil der Zeitverwendung für Hausarbeit der Mutter an der insgesamt geleisteten Hausarbeitszeit beider Elternteile an. Der Index variiert zwischen 0 (der Vater trägt die gesamte Hausarbeit) und 1 (die Mutter trägt die gesamte Hausarbeit).Footnote 5 Die Variable wurde anschließend kategorisiert.Footnote 6

Kontrolldimension Ressourcenausstattung Elternhaus

Auch die (ökonomische) Ressourcenausstattung des Elternhauses wird in den Analysen kontrolliert. Überlegungen einer solchen ressourcenbasierten (im Gegensatz zu einer normenbasierten) Transmission sind an der Literatur zur sozialen Stratifizierung angelehnt (vgl. hierzu genauer van Putten et al. 2008). Weist ein Elternhaus viele Ressourcen auf, können die Eltern stärker in die Ausbildung ihres Nachwuchses investieren. Daher wird in der Analyse die Information berücksichtigt, ob in der Jugend des Befragten einer der beiden Elternteile in einer hohen beruflichen Position tätig war. Anhand der Stellung im Beruf gelten hier Angestellte mit hoch qualifizierten Tätigkeiten oder Leitungsfunktionen sowie solche mit umfassenden Führungsaufgaben als Personen in hohen beruflichen Positionen (Holst und Busch 2010).

Kontrolldimension Humankapital und Familienverpflichtungen

Den ökonomischen angebotsseitigen Theorien zufolge stellen geschlechtstypische Humankapitalakkumulationen wichtige Faktoren zur Erklärung einer geschlechtstypischen Berufswahl dar. Daher fließt in die Analyse die Bildung anhand des höchsten Schulabschlusses ein. Neben der „Quantität“ dürfte weiterhin auch die „Qualität“ des Humankapitals für eine geschlechtstypische Berufswahl bedeutsam sein: So beinhalten typische Männerberufe auch hoch qualifizierte Berufe mit mathematisch-technischen Anforderungsprofilen (sogenannte MINT-Berufe) (Solga und Pfahl 2009). Typische Frauenberufe weisen demgegenüber häufig soziale und kommunikative Inhalte auf (England 1992; Liebeskind 2004). Daher werden die letzten Schulnoten in Mathematik und Deutsch (1 [sehr gut] bis 6 [ungenügend]) in den Modellen berücksichtigt.

Zudem gelten die Familienverpflichtungen den angebotsseitigen Theorien zufolge als Bestimmungsgründe einer unterschiedlichen Berufswahl von Frauen und Männern. Daher fließt auch die Information, ob kleine Kinder unter 6 Jahren im Haushalt leben, in die multivariate Analyse ein. Die Annahme des Einflusses von Familienverpflichtungen auf geschlechtstypische Berufsentscheidungen konnte allerdings von Heike Trappe und Rachel A. Rosenfeld (2004) nicht bestätigt werden.

Kontrolldimension Organisationsmerkmale

Da den Organisationen, in denen die Personen erwerbstätig sind, eine immer größere Bedeutsamkeit in der Forschung zu geschlechtsspezifischen Problemlagen auf dem Arbeitsmarkt zukommt (Achatz et al. 2002), wird zum einen die Unternehmensgröße in die späteren Modelle einbezogen. So zeigen Studien ein geringeres Ausmaß der beruflichen Geschlechtersegregation in großen Unternehmen im Vergleich zu kleinen Unternehmen (Hinz und Schübel 2001). Zudem wird die Information, ob die Berufseinsteiger im produzierenden Gewerbe arbeiten, berücksichtigt, ermittelt anhand der Klassifikation der Wirtschaftszweige (NACE). Eine stärker ausdifferenzierte Kategorisierung der Wirtschaftsbranchen erfolgte aufgrund der hohen Multikollinearität mit der Geschlechtstypik des ausgeübten Berufes an dieser Stelle nicht. Zusätzlich wird aber die Erwerbstätigkeit im öffentlichen Dienst (im Vergleich zur Privatwirtschaft) berücksichtigt.

Tab. 2 Berufseinsteiger mit mittlerer beruflicher Ausbildung: Übersicht Kontrollvariablen, nach Frauen und Männern, gepoolt 2000–2010. (Quelle: SOEP.V27 2000–2010, eigene Berechnungen)

3.3 Methoden

In den Analysen werden gepoolte lineare Regressionsmodelle für die Jahre 2000 bis 2010 getrennt für Frauen und Männer geschätzt. Die abhängige Variable ist der Frauenanteil im ausgeübten Beruf. Dabei wird eine Clusterung über Personen durchgeführt, um robuste Standardfehler zu ermitteln und die innerpersonelle Korrelation zu korrigieren (Huber 1967; White 1980).

Die abhängige Variable des Frauenanteils im Beruf misst Anteilswerte. Das bringt bestimmte Probleme mit sich, da die Werte der Variablen natürliche Grenzen von 0 und 1 aufweisen und eine OLS-Regression hier fälschlicherweise Werte außerhalb des tatsächlichen Wertebereiches der Variable schätzt. Dies erzeugt wiederum Heteroskedastizität (Papke und Wooldridge 1996). Aus diesem Grund wurde die Variable zum Frauenanteil im Beruf nach einem Vorschlag von Maddala (1983, S. 30) in log-odds transformiert, und zwar dergestalt, dass die Werte 0 und 1 erhalten bleiben. In diese Transformation fließt als zusätzliche Größe die Gesamtzahl der Personen im ausgeübten Beruf ein, die ebenfalls der Sonderauswertung aus dem Mikrozensus entnommen wurde.

In einem weiteren Analyseschritt erfolgt eine Oaxaca-Blinder-Dekomposition des beschriebenen Modells (Blinder 1973; Oaxaca 1973). Mit der Methode der Dekomposition werden Unterschiede zwischen zwei Gruppen (hier Frauen und Männern) in der abhängigen Variable in verschiedene („erklärte“ und „nicht erklärte“) Anteile zerlegt. Obwohl sich die Methode vor allem bei der Analyse von geschlechtsspezifischen Verdienstunterschieden durchgesetzt hat (z. B. Achatz et al. 2005; Leuze und Strauß 2009), ist sie problemlos auch auf Modelle mit anderen abhängigen Variablen anwendbar (für die entsprechenden Stata ado-files vgl. Jann 2008). Bei einer solchen Dekomposition wird die mittlere Differenz in der abhängigen Variablen zwischen Frauen und Männern – hier also die Differenz in den Mittelwerten des Frauenanteils im ausgeübten Beruf (Berufsdifferenzial) – in zwei verschiedene Komponenten geteilt: Die eine Komponente gibt den Teil des Differenzials an, der auf geschlechtsspezifische Unterschiede in den unabhängigen Variablen zurückzuführen ist („erklärter“ Anteil oder Merkmalseffekt). Die andere Komponente zeigt den Anteil auf, der dadurch nicht zu erklären ist, sondern der auf andere unbeobachtete Merkmale zurückgeht („nicht erklärter“ Anteil oder Resteffekt). Konkret soll dabei quantifiziert werden, wie hoch der Anteil des Berufsdifferenzials ist, der durch unterschiedliche Berufswerte von Frauen und Männern erklärt werden kann. In der Regel bildet die Personengruppe mit dem höheren Mittelwert in der abhängigen Variablen die Referenzgruppe. Hier sind das also die Frauen, sodass demnach angenommen wird, dass bei einer vollständigen Gleichheit der Geschlechter in der Berufswahl Männer dieselben Berufe wie Frauen wählen.

4 Ergebnisse

4.1 Deskription

Abbildung 1 zeigt die Geschlechtstypik des ausgeübten Berufes für männliche und weibliche Berufseinsteiger mit mittlerer beruflicher Ausbildung im Vergleich zu sonstigen Erwerbstätigen im erwerbsfähigen Alter. Die „durchschnittliche Berufseinsteigerin“ ist in einem Beruf mit einem Frauenanteil von 70 % tätig; der „durchschnittliche Berufseinsteiger“ demgegenüber mit einem beruflichen Frauenanteil von 22 % in einem sehr viel stärker männerdominierten Beruf. Die Segregation ist bei dieser Teilpopulation tatsächlich stärker ausgeprägt als bei der Betrachtung von sonstigen Erwerbstätigen im erwerbsfähigen Alter. Im Vergleich zu den Berufseinsteigern arbeitet die „durchschnittliche Erwerbstätige“ in einem Beruf mit einem geringeren, der „durchschnittliche Erwerbstätige“ in einem Beruf mit einem höheren Frauenanteil. Das macht noch einmal die besondere Relevanz der Berufseinsteiger mit mittlerer Ausbildung als Untersuchungspopulation für die vorliegende Fragestellung deutlich.

Abb. 1
figure 1

Frauenanteil im Beruf 2000–2010: Vergleich Berufseinsteiger mit mittlerer beruflicher Ausbildung und sonstige Erwerbstätige im erwerbsfähigen Alter (gepoolt, Mittelwerte). (Quelle: SOEP.V27 2000–2010, eigene Berechnungen)

In Abb. 2 sind die Mittelwerte der herangezogenen Faktorvariablen zu den Berufswerten getrennt nach Frauen und Männern für die hier betrachtete Stichprobe der Berufseinsteiger mit mittlerer beruflicher Ausbildung abgetragen. Frauen sind soziale Aspekte der Berufstätigkeit in hohem Maße wichtiger als Männern. Die Abweichung vom Mittelwert aller Berufseinsteiger ist für Frauen positiv, die Abweichung der Männer ist dagegen negativ. Hier sind die geschlechtsspezifischen Unterschiede am stärksten ausgeprägt. Auch zeigen sich Unterschiede bei den extrinsischen Berufswerten, allerdings sind sie im Vergleich zu den sozialen Berufswerten geringer. Männern sind jene beruflichen Merkmale wie ein hohes Einkommen und gute Aufstiegsmöglichkeiten wichtiger als Frauen.

Abb. 2
figure 2

Berufswerte von Berufseinsteigern mit mittlerer beruflicher Ausbildung nach Geschlecht, gepoolt 2000–2010 (Mittelwerte der Faktorvariablen). (Quelle: SOEP.V27 2000–2010, eigene Berechnungen)

Unterschiedliche Berufswerte von Frauen und Männern hinsichtlich einer guten Work-Life-Balance lassen sich jedoch nicht feststellen. Auch bei den intrinsischen Berufswerten zeigen sich keine geschlechtsspezifischen Differenzen.

Entsprechend können nur die Hypothesen 1a und 1c bestätigt werden, die Hypothesen 1b und 1d dagegen nicht. Hier ist nochmals festzuhalten, dass die beobachteten Unterschiede lediglich auf Berufseinsteiger mit mittlerer beruflicher Ausbildung generalisiert werden können. Insbesondere ist anzunehmen, dass hohe intrinsische Berufswerte die Wahrscheinlichkeit für einen hier betrachteten Berufseinstieg verringern. Möglicherweise treten Personen mit hohen intrinsischen Berufswerten erst später, nach einer langen Phase der beruflichen Qualifizierung und Berufsfindung, in das Erwerbsleben ein. Solche Personen können in der hier betrachteten Stichprobe nicht berücksichtigt werden.

4.2 Multivariate Analyse

Im Folgenden werden die Ergebnisse der multivariaten Regressionen getrennt nach Frauen und Männern dargestellt. Die abhängige Variable ist der nach Maddala transformierte Frauenanteil im ausgeübten Beruf. Zudem ist ausgewiesen, ob sich die Koeffizienten zwischen Frauen und Männern signifikant voneinander unterscheiden.

Je wichtiger soziale Berufswerte sind, desto größer ist der Frauenanteil des ausgeübten Berufes bei Berufseinsteigern (Tab. 3). Dies steht im Einklang mit sozialisationstheoretischen Annahmen, wenn man davon ausgeht, dass Frauenberufe häufig in sozialen Berufsfeldern angesiedelt sind. Der Effekt zeigt sich allerdings nur für Frauen. Möglicherweise stehen bei den Männern Barrieren in der Arbeitswelt, etwa Stereotype von Arbeitgeberseite, dem entsprechenden Effekt der sozialen Präferenzen entgegen. Hypothese 2c kann also nur für Frauen bestätigt werden.

Tab. 3 Berufseinsteiger mit mittlerer beruflicher Ausbildung: Determinanten einer geschlechtstypischen Berufswahl 2000–2010. (Quelle: SOEP.V272000–2010, eigene Berechnungen)

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Berufswerten einer guten Work-Life-Balance: Berufseinsteiger, denen solche Werte wichtig sind, sind ebenfalls eher in „weiblicheren“ Berufen tätig. Nimmt man an, dass Frauenberufe besser mit Familienverpflichtungen vereinbar sind, ist die Beobachtung des Modells zunächst mit den Prämissen der Humankapitaltheorie erklärbar. Auch steht mit diesem Ergebnis die Beobachtung im Einklang, Frauen mit kleinen Kindern eher in Berufen mit höheren Frauenanteilen vorzufinden. Aber auch diese Effekte sind nur für Frauen signifikant, obwohl, ausgehend von angebotsseitigen ökonomischen Theorien, auch männliche Berufseinsteiger, wenn sie eine gute Work-Life-Balance als sehr wichtig erachten, häufiger Frauenberufe ausüben müssten. Zwar zeigt sich bei Männern ebenfalls ein positiver Koeffizient (der Interaktionsterm zwischen Frauen und Männern ist damit auch nicht signifikant), er ist jedoch nicht bedeutsam von Null verschieden. Damit ist auch Hypothese 2b nur für Frauen zu bestätigen.

Im Einklang mit den theoretischen Ausführungen weisen bei den Frauen hohe intrinsische Berufswerte ebenfalls in „weiblichere“ Berufe, wenn auch nur schwach signifikant. Frauen erwarten interessantere Tätigkeiten und solche, in denen sie sich selbst verwirklichen können, offenbar eher in geschlechtstypischen Frauenberufen. Hypothese 2d lässt sich also bestätigen – allerdings wiederum nur für Frauen. Männer mit hohen intrinsischen Berufswerten finden sich nicht, wie angelehnt an die angebotsseitigen Theorien postuliert wurde, häufiger in geschlechtstypischeren „männlicheren“ Berufen.

Interessanterweise zeigt sich unter den Berufseinsteigern mit mittlerer beruflicher Ausbildung, dass Männer mit hohen extrinsischen Berufswerten tendenziell eher in Berufen mit hohen Frauenanteilen anzutreffen sind. Von den angebotsseitigen Theorien ausgehend, müssten jedoch hohe extrinsische Berufswerte die Wahl von Männerberufen begünstigen, da diese Berufe im Durchschnitt höhere Verdienste und Aufstiegsmöglichkeiten bieten sollten. Hypothese 2a kann damit ebenfalls nicht bestätigt werden. Möglicherweise spiegelt dieses Ergebnis wider, dass typische Männerberufe häufig auch (meist eher gering entlohnte) Arbeiterberufe sind. Parallel dazu zeigt sich auch, dass unter den Berufseinsteigern höhere Schulabschlüsse Männer nicht in Berufe mit hohen Männeranteilen führen. Dagegen führen darunter liegende Schulabschlüsse besonders häufig in jene Berufe. Bei den Frauen zeigt sich kein solcher Bildungseffekt. Das spricht dafür, dass bei den Berufseinsteigern insbesondere die gering qualifizierten Männerberufe meist von Männern ausgeübt werden. Extrinsische Ressourcenvorteile von Männerberufen gegenüber Frauenberufen zeigen sich möglicherweise erst bei Berufseinsteigern mit Hochschulabschluss. Ein höherer Schulabschluss könnte gleichzeitig aber auch egalitäre Geschlechterrolleneinstellungen und eine stärkere Offenheit bezüglich geschlechtsuntypischer Berufswege bei den Männern widerspiegeln.

In den Modellen 2 bis 6 werden die Indikatoren zu den Geschlechterrollenmodellen im Elternhaus separat aufgenommen. Im vollständigen Modell 7 werden alle elternbezogenen Variablen nochmals simultan betrachtet. In diesem Gesamtmodell werden die Effekte der Elterninformationen insgesamt aufgrund von Multikollinearität zwischen den Variablen schwächer.

Die Beschäftigungsrelation im Elternhaus hat keinen Einfluss auf die Geschlechtstypik des ausgeübten Berufes der Tochter (Tab. 4, Modell 2). War jedoch die gewünschte Wochenarbeitszeit der Mutter in der Jugend der befragten Frauen überdurchschnittlich hoch, so gehen deren Töchter signifikant häufiger in geschlechtsuntypische „männlichere“ Berufe (Modell 3). Eine hohe gewünschte Wochenarbeitszeit der Mutter kann als Indikator für egalitäre Berufs- und Geschlechterrollen der Mutter angesehen werden. Der Effekt spricht für eine intergenerationale Transmission jener Orientierungen von den Müttern auf die Töchter.

Tab. 4 Berufseinsteiger mit mittlerer beruflicher Ausbildung: Determinanten einer geschlechtstypischen Berufswahl 2000–2010 – Mediatoren Geschlechterrollenmodelle Elternhaus bei Frauen. (Quelle: SOEP.V27 2000–2010, eigene Berechnungen)

Auch die Hausarbeitsteilung der Eltern beeinflusst die Geschlechtstypik in der Berufswahl der Töchter (Modell 4): War die Hausarbeitsteilung im Elternhaus in der Jugend der Befragten traditionell organisiert, wählen die Töchter signifikant „weiblichere“ Berufe als bei einer weniger traditionellen elterlichen Hausarbeitsteilung. Das spricht ebenfalls indirekt für eine intergenerationale Transmission traditioneller Geschlechterrollen im Allgemeinen und traditioneller beruflicher Orientierungen im Speziellen.

Eine geschlechtstypische Berufstätigkeit der Eltern hat nur geringe Effekte auf die geschlechtstypische Berufstätigkeit der Töchter (Modelle 5 und 6). Im Sinne einer intergenerationalen Transmission wäre anzunehmen, dass eine geschlechtstypische Berufstätigkeit der Eltern die geschlechtstypische Berufstätigkeit der Töchter befördert. Tatsächlich zeigt sich sogar das Gegenteil. So wählen Frauen, deren Mütter in einem typischen Frauenberuf tätig waren, selbst eher geschlechtsuntypische „männlichere“ Berufe. Frauen, deren Mütter in einem untypischen Männerberuf arbeiteten, üben umgekehrt also selbst häufiger „weiblichere“ Berufe aus. Das Ergebnis ist möglicherweise mit den Nachteilen in Frauenberufen etwa im Hinblick auf geringere Verdienste und Aufstiegsmöglichkeiten erklärbar. Mütter, die von diesen Nachteilen betroffen sind, raten ihren Töchtern möglicherweise gerade von solchen Frauenberufen ab. Mütter, die in Männerberufen tätig waren, können dort negative Erfahrungen durch Diskriminierung gemacht haben und ebenfalls den Töchtern von diesen Berufen abraten (vgl. für diese Argumentation auch Helbig und Leuze 2012).

Insgesamt lässt sich also Hypothese 3 bezüglich der intergenerationalen Transmission für Frauen im Hinblick auf einige Indikatoren bestätigen, im Hinblick auf andere jedoch nicht. So haben Indikatoren, die auf die konkrete Erwerbstätigkeit der Eltern bezogen sind, nur marginale Erklärungsleistungen für die Geschlechtstypik in der Berufswahl der Töchter. Das Erwerbsverhalten der Eltern ist möglicherweise nicht nur ein Ergebnis beruflicher Präferenzen, sondern auch ein Ergebnis struktureller Zwänge im Erwerbsleben und bietet damit eher schwache Indikatoren für die intergenerationale Transmission von Geschlechterrollen und Berufswerten. Die übrigen Indikatoren zu den Geschlechterrollenmodellen im Elternhaus, die weniger auf die Erwerbstätigkeit abzielen, weisen demgegenüber bei den Frauen in Richtung einer intergenerationalen Transmission: Traditionelle Konstellationen im Elternhaus bewirken ein traditionelles Berufsverhalten beim Nachwuchs.

Bei den Männern zeigen sich insgesamt schwächere Effekte der Elternvariablen auf die Berufswahl als bei den Frauen (Tab. 5). Arbeitete der Vater in der Jugend des Befragten in einem Mischberuf (im Vergleich zu einem Männerberuf), übt der Sohn ebenfalls eher einen geschlechtsuntypischen „weiblicheren“ Beruf aus. Ähnliches haben auch Marcel Helbig und Kathrin Leuze (2012) für Berufswünsche Jugendlicher festgestellt. Die Beschäftigungsrelation der Eltern, die gewünschte Wochenarbeitszeit und die Berufstätigkeit der Mütter sowie die Hausarbeitsteilung haben demgegenüber keine signifikanten Effekte auf eine geschlechtstypische Berufswahl der Männer. Hypothese 3 lässt sich für Männer also nur im Hinblick auf die Erwerbstätigkeit des Vaters in einem segregierten Beruf bestätigen.Footnote 7

Tab. 5 Berufseinsteiger mit mittlerer beruflicher Ausbildung: Determinanten einer geschlechtstypischen Berufswahl 2000–2010 – Mediatoren Geschlechterrollenmodelle Elternhaus bei Männern. (Quelle: SOEP.V27 2000–2010, eigene Berechnungen)

4.3 Dekomposition

Schließlich wird für das vollständige Modell 7 mit einer Oaxaca-Blinder-Dekomposition überprüft, ob die Berufswerte die berufliche Geschlechtersegregation von Berufseinsteigern mit mittlerer beruflicher Ausbildung, also die Erwerbstätigkeit von Männern und Frauen in unterschiedlichen Berufen („Berufsdifferenzial“), erklären können.

Tabelle 6 zeigt die Ergebnisse der Dekomposition. Hier sind die Merkmalseffekte für die einzelnen unabhängigen Variablen dargestellt. Der Anteil des Berufsdifferenzials, der durch das Modell erklärt werden kann, beträgt lediglich rund 23 %. Knapp 77 % der Verortung von Frauen und Männern in unterschiedlichen Berufen beim Berufseinstieg ist nicht durch Mittelwertunterschiede in den unabhängigen Variablen erklärbar, sondern ist auf andere unbeobachtete Merkmale zurückzuführen. Allerdings kann ein Grund für den geringen Merkmalseffekt zum Teil auch darin liegen, dass es sich bei der abhängigen Variablen um ein berufliches (kein individuelles) Merkmal handelt.

Tab. 6 Berufseinsteiger mit mittlerer beruflicher Ausbildung: Determinanten einer geschlechtstypischen Berufswahl 2000–2010– Dekomposition des Berufsdifferenzials. (Quelle: SOEP.V27 2000–2010, eigene Berechnungen)

Die Berufswerte tragen insgesamt wenig zur Erklärung des Berufsdifferenzials bei. Eine wichtige Ausnahme stellen die sozialen Berufswerte dar: Die Beobachtung, dass Frauen sehr viel höhere soziale Berufswerte aufweisen als Männer und soziale Berufswerte gleichzeitig bei ihnen mit „weiblichen“ Berufen assoziiert sind, leistet einen bedeutsamen Erklärungsbeitrag für das Berufsdifferenzial.

Die extrinsischen Berufswerte weisen dagegen keinen Erklärungsbeitrag für das Berufsdifferenzial auf. Obwohl Frauen hier signifikant geringere Werte als Männer haben, sind diese Berufswerte nicht, wie angebotsseitige Theorien postulieren würden, mit der Wahl eines Männerberufes, sondern bei den Männern sogar mit der Wahl eines Frauenberufes assoziiert. Sie schwächen damit also die Erklärungsleistung des Modells sogar leicht, wenn auch nicht signifikant ab. Auch die Berufswerte zur Work-Life-Balance können die Verortung von Frauen und Männern in unterschiedlichen Berufen nicht erklären. Obwohl solche Berufswerte bei den Frauen mit der Erwerbstätigkeit in Frauenberufen assoziiert sind, unterscheiden sich Frauen und Männer jedoch nicht in der Ausprägung dieser Berufswerte. Entsprechendes gilt für die intrinsischen Berufswerte. Um also einen bedeutsamen Erklärungsbeitrag für das Berufsdifferenzial zu leisten, müssen sich die Berufswerte sowohl zwischen Frauen und Männern unterscheiden als auch die Wahl eines geschlechtstypischen Berufes im Sinne der angebotsseitigen Theorien begünstigen. Diese Anforderungen erfüllen nur die sozialen Berufswerte.

Der größte Anteil des gesamten Merkmalseffektes geht mit insgesamt gut 18 Prozentpunkten auf die Organisationscharakteristika zurück (Tab. 7). Den zweitgrößten Erklärungsbeitrag zum Berufsdifferenzial leisten mit deutlichem Abstand zu den Unternehmensfaktoren tatsächlich die Berufswerte mit gut 3 Prozentpunkten, was insbesondere durch die sozialen Berufswerte bedingt ist. Die anderen Variablengruppen leisten nur marginale Beiträge zur Erklärung des Berufsdifferenzials.

Tab. 7 Berufseinsteiger mit mittlerer beruflicher Ausbildung: Determinanten einer geschlechtstypischen Berufswahl 2000–2010– Dekomposition des Berufsdifferenzials (Variablengruppen). (Quelle: SOEP.V27 2000–2010, eigene Berechnungen)

Hypothese 4 ist also nur teilweise zu bestätigen: Extrinsische, intrinsische oder Work-Life-Balance-Berufswerte weisen tatsächlich keinen Erklärungsbeitrag für die Erwerbstätigkeit von Frauen und Männern in geschlechtlich segregierten Berufen auf. Soziale Berufswerte, die mit einer geschlechtlich konnotierten vorberuflichen Sozialisation erklärbar sind, spielen jedoch nach wie vor eine wichtige Rolle für die unterschiedliche Berufswahl von männlichen und weiblichen Berufseinsteigern.

5 Zusammenfassung und Ausblick

In der vorliegenden Studie wurde unter Berücksichtigung angebotsseitiger Theorien – Humankapital- und Sozialisationstheorien – der Erklärungsbeitrag geschlechtstypischer Berufswerte für die Wahl geschlechtstypischer Berufe von Berufseinsteigern mit mittlerer beruflicher Ausbildung untersucht. Diese Untersuchungsgruppe erschien für die vorliegende Fragestellung besonders relevant, da das Ausbildungssystem mit mittleren Berufsabschlüssen eine quantitativ besonders starke Rolle bei der Erzeugung der geschlechtsspezifischen Segregation spielt (Falk 2005; Krüger 2003). Weiterhin wurden Indikatoren zum Geschlechterrollenverhalten der Eltern im Hinblick auf ihre Auswirkung auf eine geschlechtstypische Berufswahl ihres Nachwuchses überprüft. Mit Daten des Sozio-oekonomischen Panels 2000 bis 2010 wurden bei Frauen geringere extrinsische Berufswerte im Vergleich zu Männern aufgezeigt. Solche extrinsischen Berufswerte beförderten jedoch nicht die Erwerbstätigkeit in einem Männerberuf, sondern (für Männer) die Erwerbstätigkeit in einem Frauenberuf. Auch konnte kein Unterschied in den Berufswerten hinsichtlich einer guten Work-Life-Balance und in den intrinsischen Berufswerten zwischen den Geschlechtern festgestellt werden. Die insbesondere in der Humankapitaltheorie postulierten Präferenzen können die berufliche Geschlechtersegregation bei den betrachteten Berufseinsteigern also offenbar nicht ausreichend erklären.

Von den betrachteten Berufswerten wiesen die sozialen beruflichen Präferenzen den höchsten Erklärungsbeitrag für die unterschiedliche berufliche Verortung von Frauen und Männern auf: Zum einen messen Frauen sozialen Arbeitsinhalten und den Kontakten mit anderen Menschen während der Berufstätigkeit eine sehr viel höhere Bedeutung bei als Männer. Zum anderen sind solche sozialen Berufswerte bei Frauen mit der Erwerbstätigkeit in Berufen mit hohen Frauenanteilen assoziiert. Dies bestätigt sozialisationstheoretische Argumentationen, die annehmen, Frauen entwickeln in der vorberuflichen Erziehung stärker als Männer Präferenzen für haushalts- und familiennahe Tätigkeiten. Eine Oaxaca-Blinder-Dekomposition verdeutlichte, dass von den Berufswerten nur die sozialen Berufswerte einen bedeutsamen Erklärungsbeitrag für die Wahl unterschiedlicher Berufe von Frauen und Männern mit mittlerer beruflicher Ausbildung beim Berufseinstieg leisten. Damit stellen also offenbar soziale Berufswerte auch in der heutigen Zeit noch einen wichtigen Schlüssel für die Erklärung der Segregation und ihrer zeitlichen Stabilität im Hinblick auf Berufseinsteiger mit mittleren beruflichen Ausbildungsabschlüssen dar. Sozialisationstheorien scheinen damit insgesamt besser als die ökonomischen Theorien die geschlechtstypische Berufswahl von Frauen und Männern beim Berufseinstieg erklären zu können.

Vor allem für Frauen ist das Geschlechterrollenverhalten der Eltern in der Jugend der Befragten für die Wahl eines geschlechtstypischen Berufs bedeutsam. Hatte die Mutter eine hohe gewünschte Wochenarbeitszeit und war die Hausarbeitsteilung zwischen den Eltern egalitär aufgeteilt, erhöhte das die Wahrscheinlichkeit für die Erwerbstätigkeit in einem geschlechtsuntypischen „männlicheren“ Beruf der Töchter. Diese Beobachtungen können als Indikatoren einer intergenerationalen Transmission interpretiert werden: Offenbar ist die Ausbildung beruflicher Präferenzen auch ein Resultat spezifischer Kindheits- und Jugenderfahrungen, die in der Familie gemacht wurden. Die traditionelle Hausarbeitsteilung ist wie die Segregation ebenfalls ein zeitlich persistentes gesellschaftliches Strukturmerkmal (BMBF 2008, S. 17). Daher ist die Stabilität der Segregation also auch durch die Stabilität anderer Faktoren, wie der traditionellen Hausarbeitsteilung im Elternhaus, erklärbar.

Allerdings zeigten die herangezogenen Elternindikatoren geschlechtsspezifische und teilweise auch widersprüchliche Effekte. Hier besteht weiterer Forschungsbedarf, um die Mechanismen einer solchen intergenerationalen Transmission, die eine geschlechtstypische Berufswahl mit erklären kann, genauer aufzuzeigen. Berücksichtigt man die konkreten Berufswerte oder auch Geschlechterrollen der Eltern als Mediatoren des Zusammenhanges zwischen Berufswerten und Berufswahl des Nachwuchses, mag sich ein klareres Bild ergeben. Das ist mit dem SOEP jedoch bisher nicht möglich.

Die Oaxaca-Blinder-Dekomposition verdeutlichte, dass insbesondere Merkmale der Organisationen, in denen die Personen arbeiten, zur Erklärung einer geschlechtstypischen Berufswahl von Berufseinsteigern mit mittlerer Ausbildung beitrugen: Die Beobachtung, dass weibliche Berufseinsteiger eher in kleinen Unternehmen und im öffentlichen Dienst sowie in der Dienstleistungsbranche anzutreffen sind und dort eher Frauenberufe ausüben, erklärt einen vergleichsweise großen Teil der Segregation in dieser Gruppe. Auch hier besteht weiterer Forschungsbedarf, um die Rolle der Organisationen bei der (Re-)Produktion geschlechtsspezifischer sozialer Problemlagen im Allgemeinen und der beruflichen Geschlechtersegregation im Besonderen genauer aufzudecken. Von den Organisationscharakteristika abgesehen, wies das Analysemodell nur eine recht geringe Erklärungsleistung für eine geschlechtstypische Berufswahl von Berufseinsteigern in mittleren beruflichen Ausbildungswegen auf. Nicht beobachtete Hemmnisse und Barrieren im Erwerbsleben, etwa Arbeitsmarktinstitutionen oder Geschlechterstereotype, mögen eine gewichtigere Rolle für die geschlechtsspezifische berufliche Kanalisierung beim Berufseinstieg spielen.

Schließlich ist nochmals zu betonen, dass die Auswertungen nur auf Berufseinsteiger mit mittlerer beruflicher Ausbildung verallgemeinerbar sind. Zukünftige Forschung sollte vergleichend aufzeigen, welches Bild sich für höher qualifizierte Berufseinsteiger und im späteren Berufsverlauf zeigt. Das ist mit dem SOEP zurzeit aufgrund zu geringer Fallzahlen noch nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich, da die Berufswerte erst seit dem Jahr 2000 einmalig für Jugendliche erfragt werden. Schließlich herrscht weiterer Forschungsbedarf zu der Frage, inwieweit sich auch die Berufswerte selbst im Erwerbsverlauf bei den Personen verändern. So mögen die Individuen ihre Berufswerte im Verlauf ihrer Erwerbstätigkeit an die realen Möglichkeiten anpassen. Dieser Aspekt wurde ebenfalls noch nicht für Deutschland untersucht (vgl. für die USA Johnson 2002).