1 Einleitung

Bestand in den Sozialwissenschaften lange Konsens über die zunehmende Bedeutungslosigkeit von Religion, so erlebt die Beschäftigung mit dem Faktor Religion und seiner Wirkung auf das soziale Leben in letzter Zeit eine wahre Renaissance. Oftmals wird Religion dabei als Ursache für Intoleranz, Gewaltbereitschaft und gesellschaftlichen Konflikt betrachtet (Huntington 1996; Juergensmeyer 2004). Auf der anderen Seite jedoch gehört es seit Tocqueville (1976) und Durkheim (1983) zum festen Repertoire sozialwissenschaftlichen Denkens, der Religion sozialintegrative Kräfte zuzusprechen und in ihr eine bedeutsame Ressource sozialen Zusammenhalts zu erblicken. Vor allem im Zuge der in den letzten Jahren an Popularität gewinnenden Sozialkapitalforschung ist der besondere Wert des sozialintegrativen Potenzials von Religion erneut in den Blick geraten.

In der Tat war die Beschäftigung mit Sozialkapital schon von Anfang an mit Überlegungen zur Religion verwoben. So sah etwa Coleman (1988; Coleman u. Hoffer 1987) gerade in der engen Verflechtung von Schule, Eltern sowie religiöser Gemeinschaft und der daraus resultierenden sozialen Kontrolle die spezifische Stärke katholischer Privatschulen in ihrer positiven Wirkung auf die Schulleistungen und die verringerte Abbruchwahrscheinlichkeit ihrer Schüler. Putnam (2000) wiederum stellte in seiner Analyse für die USA fest, dass die weitaus häufigste Form der Vereinsbindung dort religiöser Natur ist und Religiosität neben Bildung den entscheidendsten Einflussfaktor für die individuelle Sozialkapitalausstattung darstellt. Fukuyama (1995, 2000) schließlich betonte die Rolle protestantischer Werthaltungen für das generalisierte zwischenmenschliche Vertrauen innerhalb einer Gesellschaft und grenzte diese vom misstrauischen Familismus konfuzianischer und katholischer Provenienz ab.

Erstaunlicherweise ist trotz dieser Präsenz des Religionsthemas bei wichtigen Vertretern der Sozialkapitaltheorie der Rolle der Religion für die Generierung sozialen Kapitals bislang wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden (Smidt 2003, S. 2). Tatsächlich stecken entsprechende Forschungsbemühungen noch in den Kinderschuhen und beschränken sich bis auf einige wenige Ausnahmen ausschließlich auf Nordamerika (vgl. Liedhegener 2008; Roßteutscher 2009). Gerade mit Blick auf den deutschsprachigen Raum ist auffallend, dass die theoretische Selbstverständlichkeit, mit welcher der Religion sozialintegrative Kraft zu- oder auch abgesprochen wird, bisher in eigenartiger Diskrepanz zur tatsächlichen empirisch fundierten Beschäftigung mit dieser Frage steht. In der Tat findet eine solche nur ausnahmsweise statt, wie ein kursorischer Überblick über die Literatur zeigt.

So ist etwa in der deutschen Sozialkapitalforschung das Thema Religion bisher weitestgehend vernachlässigt worden. In der von Offe und Fuchs (2001) vorgenommenen Bestandsaufnahme zum Sozialkapital in Deutschland wird den Kirchen zwar auf theoretischer Seite eine bedeutende, Sozialkapital generierende Katalysatorfunktion zugeschrieben. Die empirische Analyse wird jedoch aufgrund mangelnden Datenmaterials ausgesetzt. In drei der neuesten und bedeutenderen Sammelbänden der deutschen Sozialkapitalforschung wiederum wird eine ganze Reihe von verschiedenen Themen berücksichtig und gründlichen empirischen Analysen unterzogen, doch nicht ein einziger Beitrag befasst sich mit dem Komplex um Religion und Sozialkapital (siehe Franzen u. Freitag 2007; Lüdicke u. Diewald 2007; sowie Meulemann 2008).

Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in weiteren repräsentativen Arbeiten zu sozialer Integration. So erfährt die Religion in dem von Friedrichs und Jagodzinski (1999) herausgegebenen Sonderband Soziale Integration durchaus theoretische Berücksichtigung, aber man ist sich weitestgehend einig, dass Religion in modernen Gesellschaften nicht (mehr) integriert. Der darin enthaltene Beitrag von Wolf (1999) kann zwar in empirischen Analysen für Deutschland eine Zunahme religiöser Pluralisierung nachweisen, doch mögliche Auswirkungen für die soziale Integration werden nur knapp und im Hinblick auf mögliche Konfliktlinien diskutiert. Die von Heitmeyer und seinen Kollegen hervorgebrachten Arbeiten zu gesellschaftlicher Integration und Desintegration (Heitmeyer u. Imbusch 2005; Heitmeyer 1997a, b) wiederum räumen der Religion kaum Platz ein. An den wenigen Stellen, an denen dies geschieht, stehen dann jedoch vornehmlich die integrationsgefährdenden Momente fundamentalistischer Religion im Vordergrund (Heitmeyer et al. 1997).

Alles in allem existiert im deutschsprachigen Raum lediglich eine einzige Studie, die sich der Verbindung von Religion und sozialem Kapital in empirischer Perspektive annimmt.Footnote 1 Kecskes und Wolf (1996) gehen in ihrem Band Konfession, Religion und soziale Netzwerke, basierend auf einer lokalen Umfrage in einem Kölner Stadtteil, der Frage nach, welchen Effekt christliche Religiosität auf soziale Beziehungsnetzwerke ausübt.Footnote 2 Wenngleich die Autoren dabei bedeutende Ergebnisse zutage fördern, betonen sie jedoch die eher beschränkte Generalisierbarkeit ihrer Befunde und die Notwendigkeit weiterer Forschungsbemühungen auf Basis weit umfassenderen Datenmaterials.

Im Folgenden soll daher an diese Bemühung angeschlossen werden und durch eine empirische Analyse des Zusammenhangs von Religion und Sozialintegration für Deutschland eine Forschungslücke geschlossen werden. Konkret wird auf Basis von Umfragedaten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) der Frage nachgegangen, ob und auf welche Weise individuelle Religiosität gegenwärtig zur Generierung und Aufrechterhaltung von Sozialkapital beiträgt und inwieweit sich hierbei Unterschiede zwischen religiösen Traditionen feststellen lassen. Als abhängige Variablen werden neben der Einbindung in formelle Netzwerke zivilgesellschaftlichen Engagements und informelle Freundschaftsnetzwerke auch die identitäts- und statusüberbrückenden Potenziale dieser Netzwerke berücksichtigt.

Zur theoretischen Fundierung wird vornehmlich auf die neuere amerikanische Diskussion rekurriert, die im deutschsprachigen Raum bisher erst in Ansätzen zur Kenntnis genommen wird (siehe aber Adloff 2007; Liedhegener 2007 und vor allem Roßteutscher 2009). Da den USA in religiösen Dingen weithin eine Ausnahmerolle zugedacht wird, verspricht die empirische Anwendung auf den deutschen Fall, einen wichtigen Beitrag zur Generalisierbarkeit der im Rahmen der Debatte vorgetragenen theoretischen Argumente zu leisten. Denn die Frage, ob – und falls ja – auf welche Weise Religion und Sozialkapital miteinander verknüpft sind, hängt sowohl von endogenen, die Glaubensinhalte und Organisationsstrukturen unterschiedlicher Religionen betreffende Faktoren als auch von exogenen Größen, also gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ab (Koenig 2008). Deutschland unterscheidet sich hinsichtlich der Bedeutung der Religion für das öffentliche Leben deutlich von den USA. Weiterhin kann mit der Religionsgemeinschaft der Muslime ausdrücklich eine religiöse Gruppe mit in die Analyse einbezogen werden, welche in der amerikanischen Diskussion bislang völlig unbeachtet geblieben ist. Gerade für Westeuropa stellt sie aber ein zunehmend wichtiges Segment der religiösen Landschaft dar und bedeutet zugleich keine geringe Herausforderung für die soziale Integration.

Der vorliegende Beitrag gliedert sich wie folgt: In einem ersten Schritt wird in die Konzeptualisierung sozialer Integration im Rahmen des Sozialkapitalansatzes eingeführt. In einem zweiten Schritt werden dann theoretische Argumente zur Wirkung kultureller und struktureller Aspekte der Religiosität auf die Entstehung und Aufrechterhaltung sozialen Kapitals vorgestellt. Nach der Darstellung des verwendeten Datenmaterials sowie der Operationalisierung der verwendeten Variablen werden die theoretischen Annahmen in einem weiteren Schritt einer empirischen Überprüfung unterzogen. Abschließend werden die zentralen Befunde zusammengefasst und diskutiert.

2 Soziale Integration im Sozialkapitalansatz

Die Problematik sozialer Integration ist in den letzten Jahren vor allem im Zuge der Sozialkapitalforschung wieder verstärkt in das sozialwissenschaftliche Bewusstsein getreten (Coleman 1988; Franzen u. Freitag 2007; Portes 1998; Putnam 1993, 2000). Die Grundidee hinter dem Konzept des Sozialkapitals ist dabei bestechend einfach. Aspekte sozialer Integration stellen eine wertvolle Ressource dar, von der sowohl einzelne Individuen als auch ganze Gemeinden, Regionen oder Nationen profitieren können (vgl. Coleman 1990; Esser 2008; Fukuyama 1995; Putnam 1993). Da Sozialkapital auf diese Weise jedoch primär über seine produktive Funktion definiert wird, handelt es sich nicht um ein einheitliches, klar abgrenzbares Gebilde, sondern vielmehr um unterschiedliche strukturelle und kulturelle Phänomene, die unter einem Sammelbegriff subsumiert werden (Diekmann 2007; Freitag 2004; Freitag u. Traunmüller 2008; van Deth 2008). Damit stellt der Sozialkapitalansatz einen begrifflichen Bezugsrahmen bereit, mit dem verschiedene Formen und Ausprägungen der Sozialintegration auf differenzierte Weise erfasst und einer empirischen Analyse zugänglich gemacht werden können.

Als zentraler struktureller Aspekt sozialen Kapitals gelten die vorhandenen sozialen Beziehungen und Netzwerke, in die Menschen eingebunden sind (Lin 2001; Portes 1998; Putnam 2000). Dabei werden in der Sozialkapitalforschung zunächst informelle Netzwerke von formellen Formen der Einbindung unterschieden (Putnam u. Goss 2001; Pichler u. Wallace 2007). Erstere beziehen sich auf die zahlreichen Verbindungen mit Familie, Freunden sowie anderen entfernteren Bekannten, die sich durch spontane und wenig regulierte Interaktionen auszeichnen. Formelle soziale Netzwerke zeichnen sich dagegen durch ein weit höheres Maß an Regulierung und Zielgerichtetheit aus. Hierunter fallen etwa Mitgliedschaften in Sport- und Gesangsvereinen, Berufs- und Interessenverbänden, das Engagement in Elternbeiräten oder Freiwilligenorganisationen sowie die Beteiligung an Bürgerinitiativen und Selbsthilfegruppen.

Beide Netzwerkformen stellen bedeutende Beziehungsmuster dar, die privaten und öffentlichen Nutzen stiften können. Als regelmäßige und auf Dauer angelegte Beziehungen jenseits des eigenen Privatbereichs bilden insbesondere Vereine ein Umfeld, in dem Menschen eine gemeinschaftsbezogene Kommunikations-, Kooperations- und Hilfsbereitschaft erlernen und diese zur Lösung kollektiver und individueller Probleme einsetzen können. Für den gesellschaftlichen Zusammenhalt kommt ihnen daher eine besondere Sozialisationsfunktion zu (Putnam 1993, S. 90). Dennoch sind auch die informellen Formen des sozialen Zusammenlebens in ihrem Einfluss und ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen. Denn die beinahe täglichen Austauschprozesse im Familien- und Freundeskreis, am Arbeitsplatz oder in der Nachbarschaft gestalten sich weitaus (zeit-) intensiver als die Mitgliedschaft und Ehrenamtlichkeit in den jeweiligen Vereinen und nehmen somit in der Regel einen größeren Stellenwert im Leben der Menschen ein (Newton 1999).

Eine weitere wichtige Unterscheidung im Rahmen der Sozialkapitalforschung besteht in jener zwischen bridging – also brückenbildendem – und bonding – bindendem Sozialkapital (Putnam 2000; Putnam u. Goss 2001; Zmerli 2008). Während Ersteres heterogene soziale Netzwerke bezeichnet, die Menschen aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen miteinander verknüpfen, steht Letzteres für homogen zusammengesetzte Netzwerke. Innerhalb des brückenbildenden Sozialkapitals trifft Wuthnow (2002) eine weitergehende Differenzierung zwischen identity-bridging social capital, einer hinsichtlich solcher Merkmale wie Ethnizität, Religionszugehörigkeit oder Alter heterogenen Netzwerkstruktur, und status-bridging social capital als einer Netzwerkform, welche vertikale Unterschiede bezüglich Macht, Einfluss, Reichtum oder Prestige überbrückt. Mit Blick auf den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt kommt insbesondere brückenbildenden, zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen vermittelnden Netzwerken große Bedeutung zu (Paxton 1999). Bindende Formen des Sozialkapitals dagegen stellen zwar wichtige Quellen sozialer Unterstützung dar, doch gehen diese oftmals auch mit Ausgrenzung einher und bergen somit auch das „Risiko negativer Außenwirkungen“ für die Gesellschaft im Ganzen (Putnam u. Goss 2001, S. 29).Footnote 3

3 Zur Vermittlung von Religion und Sozialkapital: Forschungsstand und Hypothesen

Welchen Beitrag leistet nun Religion für die soziale Integration? Inwieweit trägt sie zur Generierung und Aufrechterhaltung der genannten Formen sozialen Kapitals bei? Welche Unterschiede lassen sich hierbei zwischen verschiedenen religiösen Traditionen feststellen? Zur Beantwortung dieser Fragen lassen sich innerhalb der gegenwärtigen Debatte über die Wirkung von Religion auf Sozialkapital zwei generelle Erklärungsansätze ausmachen (vgl. Monsma 2007; Putnam 2000; Roßteutscher 2009; Smidt 2003; Wuthnow 1990).

Der ersten Perspektive zufolge – die man auch als die weberianische bezeichnen könnte – sind es vor allem die von den religiösen Traditionen vertretenen Glaubensinhalte und Weltsichten sowie die daraus abgeleiteten Verhaltensnormen, welche die Sicht auf die Mitmenschen beeinflussen sowie den Umgang mit ihnen regeln und auf diese Weise spezifische Formen des Sozialkapitals begünstigen (Cnaan et al. 2003; Fukuyama 2000; Lenski 1961).

Die zweite – insgesamt in der Debatte verbreitetere und vielleicht als durkheimianische zu bezeichnende – Sichtweise betont gegenüber diesen kulturellen Aspekten stärker die strukturelle Dimension der Einbindung in eine Religionsgemeinschaft sowie der rituellen Teilhabe in ihrer Wirkung auf die Sozialkapitalbildung. Aus dieser Sicht dienen Kirchen und andere religiöse Organisationen primär als Opportunitätsstrukturen, in denen sich zwischenmenschliche Interaktion in einem fruchtbaren und förderlichen Rahmen vollziehen kann (Ammerman 1997; Greeley 1997; Putnam 2000; Verba, Schlozman u. Brady 1995).

Weiterhin wird angenommen, dass die konkreten Wirkungen, die sowohl von der kulturellen als auch der strukturellen Dimension von Religiosität ausgehen, zum Teil erheblich zwischen verschiedenen Religionen und Konfessionen variieren. Religionen unterscheiden sich in ihren Glaubensinhalten und in ihren Organisationsstrukturen und besitzen somit unterschiedliche Potenziale, um zur Sozialkapitalbildung beizutragen. Mit anderen Worten, es wird der Einfluss subjektiver Religiosität und öffentlicher religiöser Praxis auf die Generierung von Sozialkapital durch die jeweilige religiöse Tradition moderiert (vgl. Beyerlein u. Hipp 2006).Footnote 4

3.1 Religion als kulturelle Grundlage von Sozialkapital

Aus kultureller Perspektive betrachtet stellt Religion ein Symbolsystem dar, welches den Menschen deutend in Bezug zu Gott, zur Welt und zu seinen Mitmenschen setzt und aus dem sich Wertvorstellungen und Verhaltensnormen ableiten, die wiederum die Sozialintegration begünstigen (vgl. Geertz 1973; Pollack 2003; Stark u. Bainbridge 1996). Schon für Alexis de Tocqueville (1976, S. 506) bestand bekanntermaßen die Leistung der Religion in der Zügelung egoistischer Triebe, denn es gebe „keine Religion (…), die nicht einem jeden irgendwelche Pflichten gegenüber dem Menschengeschlecht oder im Verein mit ihm auferlegte und die ihn auf diese Weise nicht aus der Betrachtung seiner selbst herausrisse.“ Ähnlich erblicken auch Kecskes und Wolf (1996, S. 24) in christlichen Wertvorstellungen und Verhaltensnormen ein wirksames Gegengewicht gegen eine oftmals mit Modernisierungsprozessen in Verbindung gebrachte Vereinzelung und Verdinglichung sozialer Beziehungen, da in der christlichen Glaubenslehre gewissermaßen „traditionale Sozialbeziehungen“ eingefordert würden. Und nicht von ungefähr, so Fukuyama (2000, S. 33), decken sich die für den sozialen Zusammenhalt so entscheidenden Eigenschaften wie Verlässlichkeit, Pflichtbewusstsein und Rücksichtnahme zu einem erheblichen Grad mit jenen Werten, die Max Weber in seiner Schrift Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus so eindrücklich beschrieben hat.

Ausgeprägte subjektive Religiosität und eine Orientierung an religiösen Wertvorstellungen sollten daher mit einer höheren Wertschätzung von zwischenmenschlichen Beziehungen sowie pro-sozialen Einstellungen einhergehen und damit die Generierung und Aufrechterhaltung von Sozialkapital befördern. Der den Überzeugungen vieler großer Religionen inhärente moralische Universalismus sollte insbesondere auch die Ausbildung brückenbildenden Sozialkapitals begünstigen (Fukuyama 2000; Wuthnow 2002, 2003). So wendet sich sowohl der christliche als auch der islamische Glaube unterschiedslos an alle Menschen und trägt dadurch zur Überwindung sozialer und ethnischer Grenzen zwischen den Menschen bei (Bahovec et al. 2007). Die Vorstellung von der fundamentalen Gleichheit der Menschen sollte sich folglich auch in verinnerlichten Verhaltensnormen und im sozialen Umgang mit den Mitmenschen niederschlagen und heterogen zusammengesetzte Beziehungsnetzwerke ermutigen (Wuthnow 2003).

Gleichwohl unterscheiden sich religiöse Traditionen in ihren Vorstellungen davon, wie der Einzelne in die Gemeinschaft eingebunden ist, und bringen somit verschiedene Dispositionen gegenüber bestimmten Formen sozialen Kapitals hervor. In der Literatur werden hierbei typischerweise der individualistische Protestantismus und der kollektivistische Katholizismus kontrastierend gegenübergestellt und in ihren Folgen für die jeweils präferierten Sozialbeziehungen diskutiert (Curtis et al. 2001; Greeley 1989; Lenski 1961; Roßteutscher 2009; Weber 1988).Footnote 5 Während Individualismus mit selbstgewählten und freiwillig eingegangenen sozialen Beziehungen zu Freunden und anderen sekundären Gruppen in Verbindung steht, geht Kollektivismus stärker mit vorgegebenen und traditionellen, das heißt familialen und verwandtschaftlichen Netzwerken einher (vgl. Allik u. Realo 2004).

Mit Blick auf informelle soziale Beziehungen argumentierte bereits Lenski (1961) in seiner klassischen Studie The Religious Factor in expliziter Anlehnung an Weber, dass der Katholizismus zu starken Familien- und Verwandtschaftsnetzwerken bei gleichzeitig weniger ausgeprägten Beziehungen außerhalb der Familie führe, während der Protestantismus außerfamiliäre Netzwerke auf Kosten enger Beziehungen zur eigenen Familie stärke.Footnote 6 Insbesondere kleinere protestantische Gruppen und Sekten stehen Lenski (ebd., S. 224) zufolge in einem spannungsreichen Konkurrenzverhältnis zu Familie und Verwandtschaft. Protestanten sollten daher über mehr soziales Kapital in Form von Freunden und Bekannten verfügen. Für die in der Diskussion bisher vernachlässigte Gruppe der Muslime wiederum scheint es plausibel, von einem ausgeprägten kollektivistischen Familismus auszugehen, der dem verwandtschaftlichen Zusammenhalt höchste Priorität einräumt und darin dem Katholizismus nicht unähnlich sein dürfte (vgl. Gellner 1981, 1992).

Der Unterschied zwischen protestantisch-individualistischen und katholisch-kollektivistischen Wertvorstellungen spiegelt sich auch im Verhältnis zwischen Partizipation in der öffentlichen Sphäre einerseits und Konzentration auf den Privatbereich andererseits wider und wirkt sich somit auch auf die Integration in formelle Netzwerke des zivilgesellschaftlichen Engagements aus (Lenski 1961; Greeley 1989; McIntosh u. Alston 1982). Dabei sollte gerade die protestantische Doktrin der Selbstverantwortung zur verstärkten Einbindung in zivilgesellschaftliche Assoziationen führen, da sie die Menschen ermutigt, gemeinschaftliche Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen, anstatt sich für deren Erledigung auf den Staat oder die Kirche zu verlassen (Curtis et al. 2001, S. 785).

Gegen diese „Protestantismusthese“ argumentieren Offe und Fuchs (2001) allerdings, dass gerade die ausgeprägte Gemeinschaftsorientierung des Katholizismus und die Betonung einer Ethik der Barmherzigkeit in stärkerem Maße die Bereitschaft zum Engagement fördern sollte als der protestantische Individualismus (vgl. dazu auch Davis u. Liedhegener 2007). Zudem lässt sich auch aus der der katholischen Soziallehre entstammenden Idee der Subsidiarität eine klare Präferenz für die Verlagerung von Verantwortung vom Staat hin zu zivilgesellschaftlichen Gruppen und Organisationen begründen.

Weiterhin kann argumentiert werden, dass der Protestantismus viele heterogene Strömungen umfasst und gerade fundamentalistische oder evangelikale Protestanten in stärkerem Maße das individuelle Seelenheil im Jenseits als das diesseitige Engagement für die Gesellschaft propagieren und somit eher einem Rückzug aus formellen Netzwerken Vorschub leisten könnten (Putnam 2000; Wuthnow 1999).

3.2 Religion als strukturelle Grundlage von Sozialkapital

Jenseits des Einflusses der kulturellen Dimension von Religiosität wird in weiten Teilen der Diskussion vor allem die eigenständige Wirkung der strukturellen Dimension von Religiosität auf die Sozialkapitalbildung betont: „(S)ocial ties embodied in religious communities are at least as important as religious beliefs“ (Putnam 2000, S. 67). Als bedeutender theoretischer Referenzpunkt gilt hierbei die von Verba, Schlozman und Brady (1995) vorgelegte Studie zu den Bedingungen bürgerschaftlichen Engagements in den USA, wonach organisierte Religion in einzigartiger Weise sowohl Gelegenheitsstrukturen für die soziale Partizipation schafft als auch die dafür erforderlichen Fertigkeiten vermittelt. Aus dieser Sicht dienen Kirchen als Plattformen, über welche Menschen für die Übernahme von Ehrenämtern und freiwilligen Tätigkeiten rekrutiert werden. Religionsgemeinschaften sind oftmals eng mit der weiteren Gemeinde und anderen Organisationen oder Verbänden vernetzt und können auf diese Weise Menschen an außerkirchliche Stellen vermitteln, wo aktives Engagement benötigt wird (Ammerman 1997).Footnote 7

Empirische Studien, die vornehmlich die Situation in den USA in den Blick nehmen, bestätigen in der Tat, dass religiöse Gemeinschaften als wichtige Katalysatoren für aktives bürgerschaftliches Engagement und damit für die Einbindung in formelle soziale Netzwerke dienen (Becker u. Dhingra 2001; Campbell u. Yonish 2003; Greeley 1997; Lam 2002, 2006; Monsma 2007; Park u. Smith 2000; Putnam 2000; Ruiter u. DeGraaf 2006; Smidt 1999; Verba et al. 1995; Wilson u. Janoski 1995; Wuthnow 1999; Wuthnow u. Hodgkinson 1990).

Öffentliche religiöse Praxis sollte sich jedoch auch förderlich auf die Generierung informeller Formen sozialen Kapitals auswirken (Putnam 2000). So bietet die aktive strukturelle Einbindung in eine Religionsgemeinschaft die Möglichkeit, auf regelmäßiger Basis mit anderen Menschen in Kontakt und Austausch zu treten. Auf diese Weise wird das Knüpfen von Bekanntschaften oder gar das Schließen von Freundschaften ermöglicht. Diese Prozesse werden dabei gemäß des Homophilieprinzips durch die zumindest relative Gleichgesinntheit der Gemeindemitglieder noch zusätzlich erleichtert (Ellison u. George 1994; McPherson, Smith-Lovin u. Cook 2001). Über diese innerhalb der Gemeinde geknüpften Kontakte werden Menschen zusätzlich in größere und weitverzweigtere Netzwerke integriert, welche sich auch jenseits der Grenzen der Religionsgemeinschaft erstrecken. Studien für die USA konnten einen Zusammenhang von Kirchgang und Netzwerkgröße sowie Interaktionsdichte immer wieder empirisch feststellen (Bradley 1995; Ellison u. George 1994; McIntosh et al. 2002; Putnam 2000).

Die aktive Einbindung in eine Religionsgemeinschaft und die Teilhabe am Gemeindeleben sollen darüber hinaus eine Quelle insbesondere brückenbildenden Sozialkapitals darstellen. Die religiöse Gemeinde lässt sich als Kontext konzeptionalisieren, in dem Menschen aus verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen und Statuslagen regelmäßig zusammentreffen und gemeinsame Ziele verfolgen (Wuthnow 2002, 2003). So ist die Religionsgemeinschaft beispielsweise eine der wenigen Bereiche außerhalb der Familie, an der verschiedene Generationen aufeinandertreffen (Coleman u. Hoffer 1987). Durch eine diverse Opportunitätsstruktur erhöht sich weithin auch die Wahrscheinlichkeit, dass relativ gesehen statusniedrigere Personen wichtiges Sozialkapital in Form einflussreicher Bekannter akquirieren können (Wuthnow 2002).

Zwischen den religiösen Traditionen bestehen jedoch deutliche Unterschiede hinsichtlich ihres Potenzials, als Generatoren sozialen Kapitals zu fungieren. Dieses dürfte etwa je nach Gemeindegröße, Organisationsstruktur und Verflechtung in der weiteren Gemeinschaft variieren (Ammerman 1997; Roßteutscher 2009; Verba, Schlozman u. Brady 1995). Hierbei werden oftmals die Partizipationsvorteile der kleineren, egalitär und horizontal organisierten Gemeinden des Protestantismus gegenüber der Größe und vor allem der hierarchischen Organisationsstruktur der Katholischen Kirche betont (Putnam 1993; Roßteutscher 2009).

Im Gegensatz zur vorangehenden Argumentation sollten sich für die Generierung brückenbildenden Sozialkapitals allerdings insbesondere größere und mitgliederstarke Gemeinden als förderlich erweisen: „Large congregations may attract a more diverse clientele and by virtue of size give members greater opportunities to develop high-status social ties.“ (Wuthnow 2002, S. 673).

Zusammengenommen machen die vorgetragenen Argumente deutlich, dass durchaus auch in modernen Gesellschaften noch von einer integrationsfördernden Funktion der Religion auszugehen ist. Im Folgenden sollen nun diese theoretischen Vermutungen über den Zusammenhang von Religiosität und den verschiedenen Aspekten sozialen Kapitals einer empirischen Überprüfung unterzogen werden.

4 Daten und Methoden

Der empirische Teil der vorliegenden Untersuchung stützt sich auf Daten des am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung angesiedelten Umfrageprojekts Sozio-ökonomisches Panel (SOEP). Ziel des SOEP ist es, in jährlichen Wiederholungsbefragungen privater Haushalte Informationen über die objektiven Lebensbedingungen und über eine Reihe von subjektiven Einstellungen der deutschen Bevölkerung zu erfassen und diese für die wissenschaftliche Grundlagenforschung bereitzustellen (Wagner et al. 2007). Neben den hohen methodischen Qualitätsstandards bieten sich die Daten des SOEP aufgrund der großen Fallzahl für die Untersuchung an, da sie eine zufriedenstellende Analyse selbst religiöser Minderheiten, wie etwa der Gruppe der Muslime, ermöglicht. Konkret wird in der folgenden Analyse auf gepoolte Informationen der Wellen 1999, 2003 und 2006 zurückgegriffen, womit insgesamt eine Fallzahl von N = 9035 Befragten mit gültigen Angaben in allen drei Wellen vorliegen.

Zur Operationalisierung der abhängigen Variablen stellt das SOEP eine Fülle von Indikatoren für die differenzierte Erfassung von sozialem Kapital bereit (vgl. Diewald et al. 2006). Die Einbindung in formelle Netzwerke zivilgesellschaftlichen Engagements wird anhand eines binär codierten Indikators erfasst. Dieser erfasst regelmäßiges zivilgesellschaftliches Engagement, wobei 1 „ehrenamtliche Tätigkeiten mindestens einmal im Monat“ und 0 „seltener/nie“ bedeuten.

Informelle soziale Beziehungen werden mit drei Messgrößen abgebildet. In einer offenen Abfrage konnten die Befragten zum einen die Anzahl enger Freunde angeben. Zum anderen wurde gefragt, wie oft sich die Befragten in ihrer Freizeit mit Freunden, Bekannten und Nachbarn treffen, um gesellig beisammen zu sein, und wie oft sie sich mit Familie und Verwandtschaft treffen. Die Antworten wurden in beiden Fällen so codiert, dass 1 „Treffen mindestens einmal im Monat“ anzeigt und 0 „seltener/nie“.

Um die Heterogenität der sozialen Netzwerke und somit den bindenden oder brückenbildenden Charakter sozialen Kapitals in Abhängigkeit von Religiosität zu untersuchen, können sozial relevante Merkmale für bis zu drei Personen innerhalb des Freundschaftsnetzwerkes berücksichtigt werden (vgl. ebd.). Im Rahmen der vorliegenden Analyse wurde die Zusammensetzung der Netzwerke nur für jene Fälle berechnet, die auch tatsächlich Angaben für alle drei möglichen Netzwerkkontakte gemacht hatten.

Identitätsüberbrückende Formen des Sozialkapitals werden einerseits über die Zahl der Personen im Netzwerk, welche einer anderen Nationalität als der Befragte angehören (0–3), sowie andererseits über die Standardabweichung des Alters im Netzwerk abgebildet.Footnote 8

Die statusüberbrückende Natur des Freundschaftsnetzwerkes wird anhand der Heterogenität bezüglich des höchsten Bildungsabschlusses sowie des Erwerbsstatus der Bezugspersonen gemessen. In beiden Fällen wurde der Index Qualitativer Variation (IQV) berechnet, der die Wahrscheinlichkeit angibt, dass sich zwei zufällig gewählte Personen im Netzwerk hinsichtlich ihres Erwerbsstatus bzw. Bildungsabschlusses unterscheiden (Agresti u. Agresti 1978).

Als zentrale unabhängige Variable wird einmal die subjektive Religiosität der Befragten im Rahmen des SOEP mit der Frage erfasst, wie wichtig den Befragten Glauben und Religion für ihr Wohlbefinden und ihre Zufriedenheit sei. Die Antwortmöglichkeiten reichen von 0 („ganz unwichtig“) bis 3 („sehr wichtig“), wobei diese Skala im Folgenden als quasi-metrisch behandelt wird.

Die öffentliche religiöse Praxis wird mit einer Frage nach der Häufigkeit des Gottesdienstbesuches erhoben. Die Antwortvorgaben (0 „nie“ bis „täglich“) wurden in Tage pro Jahr umgerechnet, um auf diese Weise ein quasi-metrisches Maß zu erhalten (vgl. zu diesem Vorgehen Ruiter u. DeGraaf 2006).

Da diese beiden Aspekte der Religiosität nicht unabhängig von religiöser Tradition wirken sollten, wird noch die Variable Religions- bzw. Konfessionszugehörigkeit berücksichtigt. Diese unterscheidet mit insgesamt fünf Kategorien zwischen Katholiken, Protestanten, anderen Christen, Muslimen sowie denjenigen ohne Religionszugehörigkeit, wobei Letztgenannte lediglich die Referenzkategorie darstellen.Footnote 9

Um zuletzt Scheinbeziehungen zwischen Aspekten der Religiosität und sozialem Kapital auszuschließen, werden noch eine Reihe in der Sozialkapitalliteratur üblicher Kontrollvariablen berücksichtigt (vgl. Bühlmann u. Freitag 2004; Diewald 2007; Putnam 2000). Neben den Merkmalen Geschlecht, Alter, Alter zum Quadrat, ostdeutsch, ausländischer Staatsbürger fließen noch Bildung, Erwerbsstatus, Haushaltseinkommen, feste Partnerschaft sowie die Anzahl der Personen im Haushalt in die Analysen ein. Für mögliche Selektionseffekte werden zusätzlich die Persönlichkeitsmerkmale Extroversion und Neurotizismus kontrolliert (vgl. hierzu Bradley 1995).Footnote 10

Eine zentrale Annahme des vorliegenden Beitrags lautet, dass der Einfluss subjektiver Religiosität und öffentlicher religiöser Praxis nicht als unabhängig von der konkreten religiösen Tradition, in welche diese eingebettet sind, angenommen werden kann (vgl. Beyerlein u. Hipp 2006). Um jedoch dieser Konditionalität religiöser Effekte gerecht zu werden und diese angemessen zu modellieren, ist es notwendig, Regressionsmodelle unter Einbezug von multiplikativen Interaktionstermen – einmal zwischen Religionszugehörigkeit und subjektiver Religiosität sowie einmal zwischen Religionszugehörigkeit und öffentlicher religiöser Praxis – zu schätzen. Ein herkömmliches additives Modell dient dann primär als Referenz für die adäquaten konditionalen Regressionsmodelle. Im Modellvergleich mittels Likelihood-Ratio-Tests lässt sich das tatsächliche Vorhandensein von Interaktionsbeziehungen dann statistisch überprüfen (vgl. Jaccard et al. 1990).

Da die traditionelle tabellarische Darstellungsform angesichts komplexer konditionaler Modelle inhaltlich jedoch nur wenig auszusagen vermag, wird die Ergebnispräsentation durch grafische Darstellungen mittels Marginal Effect Plots ergänzt. Die Effekte (dargestellt durch ein Kreissymbol) sind mit den jeweils dazugehörigen 95%-Konfidenzintervallen (die Spanne zwischen den beiden X-Symbolen) eingezeichnet, sodass immer dann von einem statistisch signifikanten Einfluss ausgegangen werden kann, wenn diese die horizontale Linie mit dem Wert 0 nicht überschneiden. Auf diese Weise lassen sich die konditionalen Hypothesen auf sehr anschauliche Weise überprüfen (vgl. dazu Brambor et al. 2005; Braumoeller 2004).

Weiterhin wird den unterschiedlichen Ausprägungen und Verteilungen der abhängigen Variablen in der Modellierung dahingehend Rechnung getragen, als je nach Erfordernis entweder logistische, negativ-binomiale oder aber Gamma-Regressionsverfahren zur Anwendung kommen, welche nach dem Maximum-Likelihood-Prinzip geschätzt werden (vgl. Gill 2001; King 1998; Long 1997). In die jeweiligen Analysen werden nur Fälle ohne fehlende Werte auf allen Variablen einbezogen.Footnote 11

5 Empirische Analysen

In einem ersten Schritt wurde der Einfluss der beiden Dimensionen der Religiosität auf die Einbindung in formelle Netzwerke zivilgesellschaftlichen Engagements betrachtet (siehe Tab. 1). Da die abhängige Variable – ehrenamtliche Tätigkeit – binär codiert ist, wurden jeweils logistische Regressionsmodelle geschätzt. Das additive Modell zeigt zunächst, dass sich die Angehörigen verschiedener religiöser Traditionen unabhängig vom tatsächlichen Ausmaß ihrer Religiosität hinsichtlich ihres Engagements unterscheiden. Während Katholiken und Protestanten eher ehrenamtlich engagiert sind als Konfessionslose, weisen auch Muslime eine geringere zivilgesellschaftliche Einbindung auf. Mitglieder kleiner christlicher Gruppen und Sekten unterscheiden sich dagegen in dieser Hinsicht nicht signifikant von Nicht-Religiösen. Weiterhin wirken sich sowohl subjektive Religiosität als auch öffentliche religiöse Praxis in Form des Gottesdienstbesuches positiv auf die Übernahme eines Ehrenamts aus.

Tab. 1 Einfluss subjektiver Religiosität und öffentlicher religiöser Praxis auf formelles und informelles Sozialkapital

Likelihood-Ratio-Tests für den Vergleich des additiven mit den beiden konditionalen Modellen legen jedoch nahe, dass sowohl der Einfluss subjektiver Religiosität als auch der öffentlichen religiösen Praxis auf ehrenamtliche Tätigkeit je nach Religionszugehörigkeit unterschiedlich ausfällt (χ2(4) = 26.19, p < 0.001 und χ2(4) = 68.96, p < 0.001). Wie Abb. 1 zeigt, wird die regelmäßige ehrenamtliche Betätigung vornehmlich durch christliche Religiosität gefördert, nicht jedoch durch islamische. Sowohl der katholische als auch der evangelische Glaube stellt eine Triebkraft des Engagements dar – die eingezeichneten Konfidenzintervalle liegen jeweils über der horizontalen Linie mit dem Wert Null. Auch für kleinere christliche Gruppierungen und Sekten zeigt sich ein positiver Einfluss, allerdings ist dieser knapp nicht signifikant (das Konfidenzintervall überschneidet die Null-Linie). Auch lässt sich kein signifikanter Einfluss subjektiver Religiosität bei Muslimen feststellen.

Abb. 1
figure 1

Marginaleffekte subjektiver Religiosität und öffentlicher religiöser Praxis auf formelles und informelles Sozialkapital nach religiöser Tradition

Um eine Vorstellung über die substanzielle Effektstärke zu erhalten, lassen sich vorhergesagte Wahrscheinlichkeiten in Abhängigkeit von Religionszugehörigkeit und unterschiedlichen Graden subjektiver Religiosität betrachten.Footnote 12 Katholiken und Protestanten, denen ihr Glaube ganz unwichtig ist, sind demnach mit einer Wahrscheinlichkeit von lediglich 13 bzw. 11% ehrenamtlich tätig. Bei Personen dagegen, die ihren religiösen Glauben als sehr wichtig erachten, erhöht sich diese Wahrscheinlichkeit auf immerhin 32 bzw. 39%. Der Einfluss subjektiver Religiosität ist somit durchaus beträchtlich.

Ein ähnliches Muster zeigt sich hinsichtlich des Effekts öffentlicher religiöser Praxis. Diese wirkt sich sowohl für Katholiken als auch Protestanten positiv auf die Übernahme ehrenamtlicher Aufgaben aus, während für Angehörige anderer christlicher Gruppen und für Muslime kein Effekt zu verzeichnen ist. Dabei scheinen die evangelischen Kirchen in deutlich stärkerem Maße in der Lage zu sein, ihre Mitglieder zum aktiven Engagement zu bewegen, als dies für katholische Gemeinden der Fall ist (χ2(1) = 56.91, p < 0.001). Während ein Protestant, der nie in die Kirche geht, nur mit einer vorhergesagten Wahrscheinlichkeit von 16% ehrenamtlich tätig ist, erhöht sich diese bei wöchentlichem Kirchgang auf 59%. Bei Katholiken dagegen liegen die entsprechenden Werte bei 19% für jene, die den Gottesdienst nie besuchen, und nur bei 25% für jene, die wöchentlich in die Kirche gehen.

Betrachten wir nun den Einfluss der Religion auf informelle soziale Beziehungen. Dabei wurden für die Anzahl enger Freunde negativ-binomiale Regressionsmodelle geschätzt. Für die beiden Variablen regelmäßiges Treffen mit Freunden und Nachbarn sowie regelmäßiges Treffen mit Familie und Verwandten kommen dagegen logistische Regressionen zum Einsatz.

Ein additives Modell legt nahe, dass sowohl die kulturelle als auch die strukturelle Seite von Religiosität mit einem größeren Freundschaftsnetzwerk einhergeht (Tab. 1). Zudem haben Muslime mehr Freunde als die Angehörigen der anderen betrachteten Religionsgruppen. Im konditionalen Modell unterscheidet sich der Effekt subjektiver Religiosität nicht merklich zwischen den verschiedenen Religionen. Allerdings zeigt Abb. 1, dass nur bei Katholiken und Protestanten von einem im statistischen Sinne signifikanten Einfluss gesprochen werden kann. Der Besuch von Gottesdiensten wiederum führt in allen berücksichtigten religiösen Traditionen zu einem größeren Freundschaftsnetzwerk, wobei allerdings signifikante Unterschiede zwischen den Religionen festzustellen sind (χ2(4) = 11.70, p < 0.05). Der Einfluss ist für Anhänger der evangelischen Kirche am stärksten und für Katholiken am geringsten ausgeprägt. Dieser Unterschied zwischen den beiden großen Konfessionen ist statistisch signifikant (χ2 (1) = 8.02, p  < 0.01). Während sich der Kirchgang für andere christliche Gruppen und Sekten in seinem Effekt auf die Anzahl enger Freunde nicht vom katholischen Gottesdienstbesuch unterscheidet, geht der regelmäßige Moscheebesuch der Muslime wiederum mit einem signifikant größeren Freundesnetzwerk einher (χ2 (1) = 4.73, p < 0.05).

Um abermals die tatsächliche Stärke des Effekts zu illustrieren, lässt sich die vorhergesagte Anzahl an Freunden in Abhängigkeit des Gottesdienstbesuches und unter Konstanthaltung aller weiterer Merkmale berechnen. Ohne jegliche öffentliche religiöse Praxis haben sowohl Katholiken als auch Angehörige der evangelischen Kirche durchschnittlich 4,3 enge Freunde, andere Christen 4,9 und Muslime sogar 5,2. Bei einem wöchentlichen Besuch der Kirche oder der Moschee erhöht sich die Freundeszahl bei Katholiken auf durchschnittlich 4,6, bei Protestanten auf 5,6, bei anderen Christen auf 5,4 und bei Muslimen auf 6,1 Personen.

Neben der reinen Größe des Freundschaftsnetzwerks wirkt sich die Religiosität der Befragten auch auf die Interaktionshäufigkeit mit Freunden aus (Tab. 2). Unabhängig vom Grad der Religiosität treffen sich Protestanten und Muslime häufiger mit Freunden, Nachbarn und anderen Bekannten. Auch geht ein häufiger Gottesdienstbesuch mit einer höheren Soziabilität einher. Mit Blick auf den Einfluss subjektiver Religiosität zeigen sich im konditionalen Modell Unterschiede zwischen den Religionen, wenngleich auch der Likelihood-Ratio-Test das konventionelle Signifikanzniveau knapp überschreitet (χ2(4) = 8.64, p = 0.071). Genauer gesagt zeigt sich hierbei jedoch nur für Katholiken ein signifikanter Effekt – allerdings mit negativem Vorzeichen (Abb. 1). Je stärker der katholische Glauben ist, desto weniger häufig werden Freunde oder Nachbarn besucht. Von den anderen betrachteten Glaubensüberzeugungen geht dagegen kein Einfluss auf die Häufigkeit informeller Treffen aus.

Tab. 2 Einfluss subjektiver Religiosität und öffentlicher religiöser Praxis auf informelles Sozialkapital

Eine andere Wirkung hat jedoch die öffentliche religiöse Praxis in der Form des Gottesdienstbesuchs. Auch hier unterscheiden sich die verschiedenen religiösen Traditionen voneinander (χ2(4) = 29.89, p < 0.001). Der häufigere Kirchgang führt sowohl bei Katholiken als auch bei Protestanten zu häufigeren Treffen mit Freunden und Nachbarn, wobei dieser Effekt abermals für Protestanten stärker ist (χ2(1) = 6.80, p < 0.01). Für Muslime lässt sich ebenfalls ein signifikanter Zusammenhang zwischen Moscheebesuch und dichter Soziabilität mit Freunden feststellen. Der Einfluss des Moscheebesuchs ist sogar stärker als der katholische Kirchgang (χ2(1) = 5.71, p < 0.05), unterscheidet sich aber nicht signifikant vom protestantischen Kirchgang. Katholiken, die nie in die Kirche gehen, treffen sich mit einer vorhergesagten Wahrscheinlichkeit von 77% mindestens einmal im Monat mit Freunden, Nachbarn und Bekannten. Bei wöchentlichem Kirchgang erhöht sich diese Wahrscheinlichkeit auf 83%. Demgegenüber liegen die entsprechenden Werte für Protestanten bei 78 und 92% und für Muslime gar bei 84 und 98%. Lediglich die öffentliche religiöse Praxis kleinerer christlicher Gruppierungen bleibt ohne Konsequenz für die informelle Soziabilität.

Auch die Dichte familiärer und verwandtschaftlicher Beziehungen wird maßgeblich durch die verschiedenen Aspekte der Religiosität beeinflusst. Das entsprechende additive Modell in Tab. 2 macht deutlich, dass mit Ausnahme kleiner christlicher Gruppen und Sekten schon allein die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft auch mit stärkeren familiären Bindungen einhergeht, wobei der Effekt bei Muslimen am weitaus stärksten ist. Darüber hinaus haben auch starke subjektive Religiosität und häufiger Gottesdienstbesuch einen positiven Einfluss auf die Interaktionshäufigkeit mit Familie und Verwandtschaft.

Wenngleich der entsprechende Likelihood-Ratio-Test das konventionelle Signifikanzniveau um Haaresbreite verfehlt (χ2(4) = 9.21, p < 0.056), so macht das konditionale Modell unter Einbezug eines Interaktionsterms zwischen religiöser Tradition und subjektiver Religiosität doch deutlich, dass sich Letztere bei Mitgliedern christlicher Sekten anders auswirkt als für die übrigen Gruppen. In der Tat geht hohe subjektive Religiosität bei Anhängern kleiner christlicher Gruppen mit einem signifikant selteneren Kontakt zu Familie und Verwandtschaft einher, während für die anderen Religionsgruppen keinerlei Effekt festzustellen ist (siehe Abb. 1). Anders verhält es sich mit dem strukturellen Aspekt von Religiosität. Zwar gestaltet sich auch der Einfluss des Gottesdienstbesuchs je nach religiöser Tradition unterschiedlich (χ2(4) = 14.53, p < 0.01), doch wie Abb. 1 veranschaulicht, geht nur der Kirchgang der Katholiken mit einer signifikant stärkeren familiären Einbindung einher. Für Protestanten verfehlt dieser Effekt knapp das konventionelle Signifikanzniveau, und auch für Muslime und andere Christen lässt sich kein signifikanter Einfluss öffentlicher religiöser Praxis ausmachen.

Tab. 3 Einfluss subjektiver Religiosität und öffentlicher religiöser Praxis auf identitätsüberbrückendes Sozialkapital
Tab. 4 Einfluss subjektiver Religiosität und öffentlicher religiöser Praxis auf statusüberbrückendes Sozialkapital

Um die identitätsüberbrückende Natur der Freundschaftsnetzwerke zu ermessen, wurden einmal negativ-binomiale Regressionen für die Anzahl von Personen, die einer anderen Nationalität als der Befragte angehören, sowie einmal Gamma-Regressionen für die Altersheterogenität im Netzwerk berechnet (Tab. 3).

Mit Blick auf andere Nationalitäten im Freundeskreis geht kein nennenswerter Effekt von den beiden Dimensionen der Religiosität aus; es lassen sich auch keinerlei Unterschiede zwischen den religiösen Traditionen feststellen.

Im Fall der Altersheterogenität zeigt sich ein anderes Bild. Unabhängig von der tatsächlichen Religiosität besitzen Protestanten und Muslime altershomogenere Netzwerke als Konfessionslose. Weder der kulturelle noch der strukturelle Aspekt von Religiosität erweist sich im additiven Modell als ausschlaggebend. Wenngleich auch der Likelihood-Ratio-Test für das Vorhandensein einer Interaktion zwischen subjektiver Religiosität und Religionszugehörigkeit negativ ausfällt (χ2(4) = 5.03, p = 0.284), so zeigt Abb. 2 doch, dass der Einfluss des individuellen Glaubens je nach Tradition variiert. Starke subjektive Religiosität geht sowohl bei Mitgliedern kleiner christlicher Gruppen als auch bei Muslimen mit größeren Altersunterschieden in den Freundschaftsnetzwerken einher, wobei dieser Effekt nahezu identisch ausfällt. Für die beiden großen Konfessionen lässt sich dagegen kein signifikanter Effekt feststellen. In Bezug auf die öffentliche religiöse Praxis weisen Muslime, die häufig die Moschee besuchen, eine größere Altersspanne in ihrem Netzwerk auf. Evangelische Netzwerke sind dagegen bei häufigem Kirchgang eher aus homogenen Altersgruppen zusammengesetzt, wenngleich dieser Effekt knapp die statistische Signifikanz verfehlt. Kein Effekt geht vom Besuch katholischer Gottesdienste und der öffentlichen religiösen Praxis anderer christlicher Gruppen aus.

Abb. 2
figure 2

Marginaleffekte subjektiver Religiosität und öffentlicher religiöser Praxis auf identitäts- und statusüberbrückendes Sozialkapital nach religiöser Tradition

Statusüberbrückendes Sozialkapital lässt sich durch die Netzwerkheterogenität des Erwerbsstatus sowie des höchsten Bildungsabschlusses erfassen. In beiden Fällen wurden Gamma-Regressionsmodelle berechnet (Tab. 4). Unabhängig von ihrer Religiosität haben Protestanten hinsichtlich des Erwerbsstatus heterogenere Beziehungsnetzwerke und Muslime bildungshomogenere Netzwerke als Konfessionslose. In den konditionalen Modellen ergeben sich jedoch sowohl für die Bildungsheterogenität als auch die Heterogenität des Erwerbsstatus in keiner religiösen Tradition nennenswerte Effekte subjektiver Religiosität oder öffentlicher Praxis (Abb. 2). Nur bei Katholiken und Mitgliedern der evangelischen Kirche geht häufiger Gottesdienstbesuch mit stärkerer Bildungshomogenität einher. Doch selbst diese Effekte sind gerade nicht mehr statistisch signifikant. Das brückenbildende Potenzial von Religiosität ist damit als eher gering zu erachten.

6 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

Der vorliegende Beitrag hat sich die empirische Analyse des Zusammenhangs von Religion und Sozialkapital in Deutschland zum Ziel gesetzt. Die auf der Basis von Umfragedaten des SOEP ermittelten Ergebnisse legen nahe, dass sich sowohl die subjektive Religiosität als auch die öffentliche religiöse Praxis auf vielfältige Weise auf die Sozialintegration in Deutschland auswirken. Dabei lassen sich jedoch zum Teil deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen religiösen Traditionen ausmachen. Im Folgenden sollen nun die zentralen Befunde zusammengefasst und diskutiert werden.

Erstens lässt sich der für die USA schon vielfach bestätigte positive Zusammenhang zwischen Religiosität und aktiver Einbindung in formelle Netzwerke der Zivilgesellschaft auch für Deutschland bestätigen. Neben der Rolle, die Vereinen und Freiwilligenorganisationen gerade im Rahmen der Sozialkapitaltheorie für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zugesprochen wird (Putnam 1993, 2000), kommt auch der Religion in Deutschland eine bedeutende integrierende Funktion zu.

Die betrachteten Religionsgemeinschaften unterscheiden sich jedoch hinsichtlich ihres Potenzials, als Katalysatoren formellen Sozialkapitals zu fungieren. Vor allem die beiden großen Konfessionen in Deutschland sind imstande, ihre Mitglieder in zivilgesellschaftliche Strukturen zu integrieren. Das Potenzial in Deutschland lebender religiöser Minderheiten ist dagegen sehr begrenzt. Dieser Unterschied lässt sich mit der besseren gesellschaftlichen Verflechtung der großen Kirchen und ihrer in vielen Bereichen des Engagements institutionalisierten Kooperation mit dem Staat erklären (vgl. Roßteutscher 2009).

Weiterhin sind religiöse Protestanten in stärkerem Maße zivilgesellschaftlich eingebunden als religiöse Katholiken. Auch dieser für die USA immer wieder bestätigte Befund (Verba et al. 1995; Wuthnow 1999) lässt sich auf Deutschland übertragen. Wie die empirischen Ergebnisse deutlich machen, ist dieser Unterschied im Partizipationsverhalten jedoch nicht so sehr auf kulturelle Aspekte unterschiedlicher Glaubensinhalte zurückzuführen (Curtis et al. 2001; Offe u. Fuchs 2001). Tatsächlich unterscheidet sich der Einfluss subjektiver Religiosität nicht zwischen den beiden Konfessionen. Vielmehr wirkt sich die strukturelle Dimension der Religiosität bei Angehörigen der evangelischen Kirche stärker auf die formelle Einbindung aus, als dies für Katholiken der Fall ist. Evangelische Gemeinden stellen offenbar einen fruchtbareren Nährboden für soziales Engagement und Beteiligung dar als katholische. Prinzipiell steht dies in Einklang mit einem zentralen Argument der Sozialkapitaltheorie, wonach die horizontalere Organisation protestantischer Gemeinden mehr Raum für Engagement zulassen sollte als die hierarchische Organisationsstruktur der katholischen Kirche (Putnam 1993; Verba et al. 1995). Gleichwohl mutet diese Erklärung etwas unzeitgemäß an, da es durchaus fraglich ist, ob sie der Situation in den katholischen Gemeinden nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wirklich gerecht wird (vgl. Davis u. Liedhegener 2007). Alternative Erklärungen, wie etwa die Möglichkeit, dass professionalisierte Dienste und Einrichtungen das Engagement der Gemeindemitglieder weniger notwendig machen, sollten daher in weiterführenden Forschungen überprüft werden.

Zweitens werden auch informelle Formen des Sozialkapitals durch Religiosität beeinflusst (vgl. Kecskes u. Wolf 1996). Putnams (2000, S. 67) Beobachtung, dass „religiously involved people seem simply to know more people“ und „that religious people are unusually active social capitalists“, trifft auch auf Deutschland zu. Vor allem die aktive und regelmäßige strukturelle Einbindung in Form des Gottesdienstbesuchs ist der Generierung und Aufrechterhaltung sozialer Beziehungsnetzwerke förderlich. Für alle betrachteten religiösen Gruppen gilt, dass eine öffentliche religiöse Praxis mit einem größeren Freundschaftsnetzwerk und einer regeren Soziabilität einhergeht und damit eine bedeutende Quelle sozialer Integration darstellt. Dieser Zusammenhang ist sowohl bei Protestanten als auch bei Muslimen am stärksten ausgeprägt, was abermals als Beleg für das sozialkapitalgenerierende Potenzial flacher und horizontaler Gemeindestrukturen gewertet werden kann (Putnam 1993; Verba et al. 1995). Insbesondere für Muslime dient der regelmäßige Besuch der Moschee als bedeutende Grundlage für die informelle Vernetzung im Freundes- und Bekanntenkreis sowie in der Nachbarschaft. Das spiegelt sehr klar die Stellung der Moschee im Islam wider, welche jenseits ihrer Rolle als Gebetshaus stets auch einen Ort des sozialen Zusammentreffens darstellt. Dieser Befund ist deshalb von Bedeutung, als die Gruppe der Muslime in der stark amerikanisch geprägten Diskussion um Religion und Sozialkapital bislang völlig ausgespart geblieben ist. Gerade für die Situation in vielen westeuropäischen Gesellschaften kann jedoch kein vollständiges Bild zum Zusammenhang von Religion und Sozialintegration gezeichnet werden, ohne Muslime mitzuberücksichtigen.

Subjektive Religiosität ist demgegenüber von geringerer Bedeutung für informelle soziale Beziehungen. Allerdings führen stark ausgeprägte katholische Überzeugungen zu weniger Interaktionen mit Freunden und Nachbarn. Wie gezeigt wurde, wird dieser geringere Grad außerfamiliärer Soziabilität bei Katholiken jedoch durch einen häufigeren Austausch und vermehrte Treffen mit Familie und Verwandten kompensiert. Der ausgeprägte Familismus der Katholiken (Fukuyama 2000; Lenski 1961) lässt sich somit auch innerhalb Deutschlands feststellen.

Drittens bleibt mit Blick auf die Zusammensetzung sozialer Netzwerke festzuhalten, dass das Potenzial der Religion, über Identitäts- und Statusgrenzen hinweg integrierend zu wirken und damit brückenbildendes Sozialkapital zu generieren, insgesamt eher bescheiden ausfällt. Religion vermag es offenbar nicht, das in sozialen Beziehungen wirkende Homophilieprinzip zu überwinden (McPherson et al. 2001). Für die beiden großen Konfessionen werden somit die von Kecskes und Wolf (1996, S. 156) berichteten Ergebnisse bestätigt, wonach kein Einfluss auf Netzwerkheterogentiät feststellbar ist. Lediglich bei Muslimen und Angehörigen kleiner christlicher Sekten führt subjektive Religiosität zu altersheterogeneren Netzwerken. Für Muslime lässt sich auch ein entsprechender Einfluss des Moscheebesuchs feststellen. Im Großen und Ganzen jedoch lassen sich Wuthnows (2003, S. 439) Befunde für die USA auf Deutschland übertragen: „While recent research on social capital has emphasized the importance of social ties that bridge heterogeneous groups and statuses, (…) results suggest that religion may be wanting in this respect.“ Freilich wären hier weitergehende Forschungen wünschenswert, die persönliche Netzwerke umfassender und nicht auf nur drei Personen beschränkt erheben. Gerade die nachweislich größere Anzahl an Freunden bei religiösen Menschen könnte auch zu größerer Vielfalt innerhalb des Netzwerkes führen. Durch das hier zur Verfügung stehende Datenmaterial lässt sich dies jedoch nicht abschließend bewerten.