1 Einleitung

Freundschaften zur Mehrheitsbevölkerung können für Zuwanderer und ihre Nachkommen Zugang zu Ressourcen eröffnen, die im Aufnahmeland hilfreich sind. So begünstigen interethnischeFootnote 1 Beziehungen den Spracherwerb (Esser 2006) oder liefern wichtige aufnahmelandspezifische Informationen (Lancee und Hartung 2012). Umgekehrt beeinflusst das Ausmaß der kulturellen oder strukturellen Eingliederung die Kontaktaufnahme. Wer beispielsweise die Landessprache beherrscht, kann leichter mit Einheimischen kommunizieren (Martinovic et al. 2009). Außerdem lassen sich interethnische Kontakte als Zeichen der Akzeptanz durch die Mehrheitsbevölkerung deuten (Pettigrew 1998).

Empirisch lässt sich zeigen, dass Migranten und ihre Nachkommen häufiger Beziehungen zur eigenen Herkunftsgruppe als zu Mitgliedern der Aufnahmegesellschaft pflegen. Dies gilt für Kontakte in der Nachbarschaft (Friedrichs 2008; Feld 1981) ebenso wie für Freundschaften (Esser 1990; Haug 2003; Kalter 2006; Martinovic et al. 2009; Rippl 2008) und Ehen (Kalmijn 1998; Schroedter und Kalter 2008). Gleichzeitig lassen sich deutliche Unterschiede sowohl zwischen verschiedenen Herkunftsgruppen als auch zwischen den Generationen ausmachen. Für die Bundesrepublik zeigt sich, dass türkische Migranten eine geringere Kontakthäufigkeit zu Mitgliedern der Mehrheitsgesellschaft aufweisen als etwa griechische oder italienische Zuwanderer (Haug 2003; Kalter 2006). Außerdem pflegt die zweite Generation häufiger Beziehungen zu Einheimischen als die erste Generation (Haug 2003), wobei das Ausmaß der intergenerationalen Veränderungen ebenfalls zwischen den Herkunftsgruppen zu variieren scheint. Die wenigen für die Bundesrepublik verfügbaren Befunde zu interethnischen Freundschaften belegen, dass die türkische zweite Generation in stärkerem Maße eigenethnische Kontakte pflegt als dies beispielsweise für die griechische (Haug 2003) oder (ex-)jugoslawische zweite Generation (Esser 1990) der Fall ist.

Gleichzeitig liegen für den deutschen Kontext bislang nur vereinzelt Arbeiten vor, welche interethnische Freundschaften für unterschiedliche Herkunftsgruppen in der Generationenfolge beschreiben (z. B. Esser 1990; Haug 2003). Insbesondere über aktuellere Entwicklungen ist wenig bekannt. Dies betrifft zum Beispiel die neueren Zuwanderergruppen, die nach 1990 aus Osteuropa, vor allem aus der ehemaligen Sowjetunion, aber auch aus Polen und anderen Ländern nach Deutschland gekommen sind. Diese Lücke soll im vorliegenden Beitrag geschlossen werden. Anders als in bisherigen Studien wird hierzu die Herkunftsgruppe nicht länger allein über die Staatsangehörigkeit bestimmt. Außerdem werden in Längsschnittanalysen gruppen- und generationenspezifische Freundschaftsmuster vor dem Hintergrund intraindividueller Veränderungen untersucht.

Im Zentrum steht die Beschreibung interethnischer Freundschaftsmuster in Deutschland. Das Augenmerk richtet sich auf die zwischen verschiedenen Migrantengruppen bestehenden Unterschiede sowie auf Veränderungen dieser Muster in der Generationenfolge: Welche Bedingungen begünstigen die Entstehung von Freundschaften zu Einheimischen, welche stehen ihnen entgegen? Wie lassen sich hier­über gruppen- und generationenspezifische Unterschiede aufklären? Ausgehend von einer Auseinandersetzung mit den Grundprozessen wird diesen Fragen im empirischen Teil über die Analyse von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) nachgegangen.

Den Ausgangpunkt zur Erklärung interethnischer Freundschaften bildet das Modell der intergenerationalen Integration (Esser 2008). Drei Faktorenbündel finden darin Berücksichtigung: die Gelegenheitsstrukturen, die individuellen Präferenzen sowie Einflüsse der Bezugsgruppen (Abschn. 2). Im nächsten Schritt werden diese Überlegungen auf den deutschen Anwendungsfall bezogen (Abschn. 3). Anschließend wird auf die Datengrundlage, die Operationalisierungen sowie das methodische Vorgehen eingegangen (Abschn. 4). Diesem Teil folgen die deskriptiven und mul­tivariaten Ergebnisse (Abschn. 5). Schließlich werden die zentralen Ergebnisse vor dem Hintergrund unterschiedlicher Einwände diskutiert (Abschn. 6).

2 Bedingungen der Etablierung interethnischer Freundschaften

Dem Modell der intergenerationalen Integration zufolge lassen sich Integrationsprozesse als Konsequenz einer Vielzahl aufeinanderfolgender Entscheidungen über Investitionen in bestimmte Aktivitäten auffassen (Esser 2008). Diese Aktivitäten können sich mehr oder weniger stark auf das Aufnahmeland oder das Herkunftsland bzw. die Herkunftsgruppe beziehen. Im Anwendungsfall stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen Migranten und ihre Nachkommen Beziehungen zur Mehrheitsgesellschaft knüpfen und damit eher aufnahmelandspezifische Aktivitäten verfolgen. Dem Modell zufolge werden Kontakte zu Einheimischen dann initiiert, wenn sich die Akteure davon einen höheren Ertrag versprechen als von einer Situation ohne neue Beziehungen oder von einer Situation, in der neue Kontakte zu Mitgliedern der eigenen Herkunftsgruppe geknüpft werden. Ausschlaggebend für diese Entscheidung sind die mit den verschiedenen Handlungsalternativen verknüpften Kosten und Erträge ebenso wie die Erwartungen darüber, wie wahrscheinlich die jeweiligen Erträge realisiert werden können.

Die Entscheidung für die Aufnahme von eigen- oder fremdethnischen Beziehungen lässt sich mit drei groben Faktorenbündel verbinden: den Opportunitäten, den individuellen Präferenzen sowie Einflüssen der Bezugsgruppen (Kalmijn 1998).

Die Opportunitäten betreffen zunächst die quantitativen Möglichkeiten zur Wahl von Beziehungspartnern (Blau 1994; Feld 1981). So macht die Sozialstruktur, etwa in Form der relativen Gruppengröße oder der räumlichen Verteilung der Migranten, Vorgaben darüber, wie wahrscheinlich es ist, mit Personen unterschiedlicher Herkunft in Kontakt zu treten. Diese Überlegungen lassen sich im Modell der intergenerationalen Integration mit den Realisierungswahrscheinlichkeiten verbinden. Wenn Akteure unterschiedlicher Herkunft aus strukturellen Gründen wenig Gelegenheit haben aufeinanderzutreffen, werden sie kaum eine Freundschaft eingehen. Kontaktmöglichkeiten im Alltagsleben ergeben sich typischerweise in Bildungsinstitutionen, am Arbeitsplatz oder in der Nachbarschaft (Schroedter und Kalter 2008). Sind diese Kontexte ethnisch segregiert, dann werden interethnische Beziehungen unwahrscheinlicher (Feld 1981; Fong und Isajiw 2000; Nauck 2002). Die Opportunitäten für die Etablierung von Kontakten zur Mehrheitsbevölkerung werden außerdem durch die individuellen Voraussetzungen der zugewanderten Bevölkerung beeinflusst. Kenntnisse der Landessprache etwa spielen hier eine Schlüsselrolle (Martinovic et al. 2009).

Die Gelegenheitsstrukturen sind der Wahl der Freunde insofern vorgelagert, als sie das Set möglicher Interaktionspartner bestimmen. Gleichzeitig sagen sie nichts darüber aus, wer letztlich als Beziehungspartner gewählt wird. Hierfür sind die Präferenzen der Akteure für Individuen mit bestimmten Merkmalen ausschlaggebend (Kalmijn 1998; McPherson et al. 2001). Potenzielle Freunde werden in der Regel dann als attraktiv wahrgenommen, wenn sie über Ressourcen verfügen, die für die Realisierung zentraler Zielsetzungen eingesetzt werden können (Schroedter und Kalter 2008, S. 361). Im Modell der intergenerationalen Integration schlagen sich diese Bewertungen in den Erträgen nieder. Insbesondere die sozioökonomischen Ressourcen, etwa in Form von Bildung, Einkommen oder beruflichem Prestige, werden gesamtgesellschaftlich positiv bewertet (ebd. 2008, S. 361). Da die Bewertungen der Akteure untereinander auf Basis der gegenseitig verfügbaren Kapitalien erfolgen, werden Migranten, sofern sie eine im Schnitt schlechtere Positi­onierung im Bildungssystem oder auf dem Arbeitsmarkt aufweisen, seltener Einheimische als Interaktionspartner finden und umgekehrt seltener für diese als Partner in Frage kommen (ebd. 2008, S. 361).

Die Homogenität unter Freunden wird außerdem dadurch begünstigt, dass Individuen aus einer zunehmenden Ähnlichkeit einen besonderen Nutzen ziehen (McPherson et al. 2001). Wenn die Beziehungspartner ähnliche Einstellungen, Wertvorstellungen oder Lebensweisen verfolgen und eine entsprechende kulturelle Nähe aufweisen, können sie einander ein besonderes Verständnis, gegenseitige Anerkennung und emotionale Unterstützung entgegenbringen (Kalmijn 1998; Schroedter und Kalter 2008; McPherson et al. 2001).

Verhaltenserwartungen von Familienmitgliedern und Freunden dürften ebenfalls auf die Freundschaftswahl einwirken. Entsprechen die Freunde den Vorstellungen der Bezugsgruppe kann dies als zusätzlich belohnend empfunden werden, ebenso wie „falsche Freunde“ Sanktionen zur Folge haben können (Kalmijn 1998; Pettigrew 1998). Einflüsse Dritter wirken sich auf die wahrgenommenen Erträge bzw. Kosten aus und können den Kreis der in Frage kommenden Interaktionspartner beschränken.

Die mit den drei Faktorenbündeln Opportunitäten, Präferenzen und Bezugsgruppen verbundenen Prozesse sind zum Teil miteinander verknüpft. Die Ressourcenausstattung der Akteure, etwa in Form einer entsprechenden Bildung oder beruflichen Positionierung, ist zum einen relevant für Argumente zu den individuellen Präferenzen. Zum anderen beeinflusst die Ressourcenausstattung die Gelegenheitsstrukturen, auf die Migranten und ihre Nachkommen in ihrem Umfeld treffen. Zumindest empirisch sind die Einflüsse deshalb nicht vollständig voneinander zu trennen.

3 Anwendung auf verschiedene Migrantengruppen in Deutschland

Die beschriebenen allgemeinen Prozesse lassen sich auf die in der Bundesrepublik lebenden wichtigsten Migrantengruppen anwenden. Zunächst ist davon auszugehen, dass mit einer fortschreitenden strukturellen Integration in das Bildungssystem und den Arbeitsmarkt Beziehungen zu Deutschen wahrscheinlicher werden (Esser 1990; Schroedter und Kalter 2008). Während türkischstämmige Zuwanderer und ihre Nachkommen im strukturellen Bereich besonders nachteilig abschneiden, erzielen andere Arbeitsmigrantengruppen höhere Bildungsqualifikationen und bessere berufliche Positionen (Kalter et al. 2007). Auch die neueren Zuwanderergruppen aus Polen und der ehemaligen Sowjetunion nehmen im Bildungssystem (Gresch und Kristen 2011; Stanat et al. 2010) und auf dem Arbeitsmarkt (Kogan 2011) vergleichsweise vorteilhaftere Positionen ein.

Für die Angleichung im kulturellen Bereich lässt sich vermuten, dass eine Verbesserung der sprachlichen Kompetenzen die Aufnahme interethnischer Freundschaften begünstigt. Hier sind die neueren Migrantengruppen aus Osteuropa gegenüber den klassischen Arbeitsmigrantengruppen im Vorteil, da sie bereits in der ersten Generation über gute Sprachkenntnisse verfügen, während die türkischstämmige Bevölkerung schlechtere Deutschkenntnisse aufweist (Kalter 2006; Noll und Weick 2011; Stanat et al. 2010).

Außerdem sollten die Chancen, Beziehungen mit Einheimischen einzugehen, negativ mit der Gruppengröße und dem Ausmaß der ethnischen Segregation zusammenhängen. Es ist deshalb für die Bundesrepublik zu erwarten, dass türkischstämmige Migranten häufiger eigenethnische Freundschaften pflegen als kleinere und weniger segregiert lebende Gruppen wie die (Ex-)Jugoslawen, Italiener oder Griechen (Friedrichs 2008; Gresch und Kristen 2011; Nauck 2002). Auch die russischstämmige Bevölkerung, eine ebenfalls vergleichsweise große Migrantengruppe, dürfte eher intraethnische Freundschaften eingehen als kleinere Zuwanderergruppen.

Schließlich verändern bereits bestehende interethnische Kontakte die Ausgangsbedingungen für die Aufnahme neuer Beziehungen (McPherson et al. 2001). Zieht man als Indikator bestehender Kontakte Eheschließungen heran, so zeigt sich, dass Heiraten zwischen Personen türkischer Herkunft und Einheimischen am seltensten anzutreffen, während italienische oder (ex-)jugoslawische Befragte häufiger mit Deutschen verheiratet sind (Schroedter und Kalter 2008).

Gruppenspezifische Unterschiede lassen sich auch im identifikativen Bereich ausmachen. Hier zeigen sich bei den aufnahmelandbezogenen Orientierungen für türkischstämmige Migranten die niedrigsten Werte (Diehl und Schnell 2006). Umgekehrt sind die sozialen Distanzen von Einheimischen gegenüber Türken besonders ausgeprägt (Rippl 2008); und gleichzeitig fühlen sich Personen türkischer Herkunft stärker diskriminiert als Südwesteuropäer oder Spätaussiedler (Tucci 2013). In diesem Zusammenhang lässt sich zudem vermuten, dass die Orientierungen der Aussiedler in stärkerem Maße auf den Aufnahmekontext bezogen sind, weil diese Zuwanderung von vornherein auf einen dauerhaften Verbleib in Deutschland ausgelegt war (ebd.).

Veränderungen in den Freundschaftsmustern vollziehen sich vor allem in der Generationenfolge. Ausgehend von den geschilderten Prozessen kann deshalb für alle Migrantengruppen von einer Zunahme interethnischer Freundschaften in der zweiten Generation ausgegangen werden. Allerdings ist zu vermuten, dass sich das Tempo unterschiedlich gestaltet. Eine schnellere Angleichung ist für diejenigen Gruppen wahrscheinlicher, die auf unterschiedlichen Dimensionen der Integration weiter vorangeschritten sind. Die mit den beispielhaft beschriebenen Faktoren wie Bildungserfolg, Arbeitsmarkpositionierung, Sprachkenntnissen, Gruppengröße, Segregation, oder den identifikativen Orientierungen verknüpften Bedingungen legen wiederum nahe, dass sich in der türkischstämmigen Gruppe die Angleichungsprozesse langsamer vollziehen als unter den Südeuropäern oder den neueren Zuwanderergruppen aus Osteuropa.

4 Daten, Operationalisierungen und methodisches Vorgehen

Zur Beschreibung und Analyse der interethnischen Freundschaftsmuster werden Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), erhoben vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), herangezogen (Wagner et al. 2007). In die Analysen gehen alle Substichproben ein, einschließlich der 1984 gezogenen Ausländer-Stichprobe und des 1994/95 etablierten Zuwanderer-Samples. Der Längsschnittdatensatz führt Informationen aus den Jahren 1996, 2001 und 2006 zusammen. In diesen Wellen wurden Angaben zu den Freunden erhoben.

Interethnische Freundschaften lassen sich über die Frage nach den drei Personen abbilden, die für den Befragten am wichtigsten sind und nicht im selben Haushalt leben. Es kann sich dabei auch um Verwandte handeln.Footnote 2 Eine interethnische Freundschaft liegt dann vor, wenn Deutschland als Herkunftsland des Freundes angegeben wird. In den Analysen wird der Anteil der deutschen Freunde mit Werten von 0 (kein Freund aus Deutschland) bis 1 (alle Freunde aus Deutschland) einbezogen.

Ein Zuwanderungshintergrund liegt vor, wenn die Person selbst zugewandert ist (erste Generation) oder wenn sie in Deutschland geboren oder vor dem siebten Lebensjahr eingereist ist und mindestens ein Elternteil zugewandert ist (zweite Generation). Die Herkunftsgruppe kann über das Geburtsland, die aktuelle oder frühere Staatsangehörigkeit, das Herkunftsland der Eltern und im Falle der Aussiedler über den Migrationsstatus bestimmt werden. In Anbetracht der verfügbaren Fallzahlen wird zwischen Personen der ersten und zweiten Generation aus den klassischen Anwerbeländern (Türkei, ehemaliges Jugoslawien, Italien, Griechenland) und Aussiedlern der ersten Generation aus Polen und der ehemaligen Sowjetunion unterschieden. Außerdem wird das Einwanderungsalter einbezogen.

Die Variablen zur strukturellen und kulturellen Eingliederung, zur sozialen Einbettung und Identifikation sind zeitveränderlich. Die strukturelle Dimension lässt sich über die Bildung und die berufliche Stellung abbilden. Hierzu werden die Anzahl der Bildungsjahre und das EGP-Klassenschema herangezogen (Erikson und Goldthorpe 1992). Letzteres umfasst die obere und untere Dienstklasse (I, II), die Routinedienstleistungen und Selbstständigen (IIIa-b, IVa-c), Facharbeiter (VI) sowie un- und angelernte Arbeiter (VII). Außerdem wird kontrolliert, ob der Befragte erwerbstätig ist. Als Indikator der kulturellen Angleichung werden Angaben zu den Sprachkenntnissen herangezogen. Die Skala reicht von 1 bis 5, wobei ein höherer Wert bessere Deutschkenntnisse anzeigt.

Weiterhin wird erfasst, ob ein Partner mit Migrationshintergrund, ein aus Deutschland stammender Partner oder kein Partner vorhanden ist. Die ethnische Zusammensetzung in der Nachbarschaft als weiterer Indikator der sozialen Einbettung wird über Selbsteinschätzungen zum Ausländeranteil im Umfeld (einige, viele, keine) einbezogen. Außerdem werden verschiedene Aktivitäten berücksichtigt (Kino, Konzert und Tanz; Oper, klassische Konzerte, Theater und Ausstellungen; Sport; ehrenamtliche Tätigkeiten; Cronbach’s α = 0,68), welche die Chancen auf ein Zusammentreffen mit Einheimischen erhöhen. Befragte erhalten den Wert 1, wenn sie mindestens einmal im Monat einer dieser Unternehmungen nachgehen.

Die identifikative Dimension wird über das Zugehörigkeitsgefühl zu Deutschland und zum Herkunftsland berücksichtigt. Die Werte reichen von 1 (überhaupt nicht) bis 5 (voll und ganz). Auch Angaben zu Diskriminierungserfahrungen lassen sich über eine Dummy-Variable einbeziehen. Darüber hinaus wird für das Geschlecht, das Alter zum ersten Erhebungszeitpunkt und das Erhebungsjahr kontrolliert.

Fehlende Werte bei einzelnen Fragen wurden nach dem Verfahren der multiplen Imputation ersetzt (Allison 2002; Rubin 1987). Um hierfür möglichst umfassende Informationen zu nutzen, wurden alle SOEP-Wellen zwischen 1996 und 2006 einbezogen. Mithilfe des Stata-Pakets „mi“ konnten fünf Datensätze mit vollständigen Informationen generiert und die Ergebnisse der einzelnen Analysen anschließend kombiniert werden. Tabelle 1 zeigt die Randverteilungen der in den Modellen berücksichtigten Variablen für die verschiedenen Herkunftsgruppen.

Tab. 1 Randverteilungen nach Herkunft und Generationenstatus (Prozent- bzw. Mittelwerte).

Die multivariaten Analysen beruhen auf einem unbalancierten Panel, in das bis zu drei Erhebungszeitpunkte eingehen. Insgesamt stehen Informationen zu 3690 Personen und 6844 Personenjahren zur Verfügung. Für die Schätzungen der linearen Regressionsmodelle wird eine Hybrid-Methode verwendet, welche die Vorzüge von Fixed-Effect und Random-Effect-Modellen kombiniert (Allison 2009). Hierzu werden die zeitveränderlichen Variablen über einen personenspezifischen Mittelwert (Between-Transformation) und eine mittelwertbereinigte Abweichung (Within-Transformation) einbezogen. Die Within-Koeffizienten entsprechen den Fixed-Effect-Schätzern und sind damit nicht durch zeitkonstante unbeobachtete Drittvariablen verzerrt. Der Vorteil des Hybrid-Modells besteht nun darin, dass es neben den Within-Schätzern gleichzeitig Schätzer der Effekte zeitkonstanter Variablen liefert, die, anders als in Random-Effect-Modellen, nicht durch eine ungenügende Kontrolle der zeitveränderlichen Variablen verzerrt werden (Brüderl 2010, S. 977). Insofern kann durch die Verwendung der Hybrid-Methode das Problem unbeobachteter Heterogenität abgemildert werden (ebd., S. 964).

5 Ergebnisse

Betrachtet man zunächst die Verteilungen in Tab. 1, so zeigen sich in der zweiten Generation durchweg höhere Anteile an interethnischen Freundschaften als in der ersten. Auffällig sind zudem die vergleichsweise geringen Anteile an Freunden deutscher Herkunft in der türkischstämmigen Bevölkerung – sowohl in der ersten als auch der zweiten Generation. Im Gegensatz dazu ähneln sich die durchweg höheren Werte für die übrigen Zuwanderergruppen aus den ehemaligen Anwerbeländern. In diesen Gruppen sind in der zweiten Generation mehr als 50 % der Freunde deutscher Herkunft. Auffällig hohe interethnische Kontaktraten sind für die erste Generation der Spätaussiedler aus Polen (59 %) und der ehemaligen Sowjetunion (43 %) zu beobachten.

Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern sich Differenzen in der Zusammensetzung der Freundschaftsnetzwerke auf Unterschiede in den Gelegenheitsstrukturen, Orientierungen und Bezugsgruppeneinflüssen zurückführen lassen. Tabelle 2 zeigt hierzu die Ergebnisse fünf linearer Hybrid-Modelle, in denen nacheinander strukturelle und sprachliche Voraussetzungen sowie Aspekte der sozialen Einbindung und Identifikation berücksichtigt werden.

Tab. 2 Lineare Hybrid-Modelle zum Anteil aus Deutschland stammender Freunde.

Modell 1 illustriert erneut, dass der Anteil deutscher Freunde in allen Gruppen höher ausfällt als in der türkischen ersten Generation. Für die Spätaussiedler ergeben sich die deutlichsten Unterschiede, für Türken der zweiten Generation die geringsten. In Modell 2 zur strukturellen Positionierung findet sich lediglich für die Dienstklasse ein signifikanter Effekt, der auf eine im Vergleich zu den Arbeitern erhöhte Kontaktchance zur Mehrheitsbevölkerung verweist. Ein deutlicherer Befund zeichnet sich dagegen für die kulturellen Voraussetzungen in Modell 3 ab. Eine Verbesserung der Sprachkenntnisse über die Zeit geht wie erwartet mit einem höheren Anteil interethnischer Freundschaften einher. Hinsichtlich der sozialen Einbindung, die in Modell 4 über die Zusammensetzung des Umfelds Berücksichtigung findet, lassen sich die vermuteten Effekte nicht nachweisen. Lediglich die Aktivitäten üben einen positiven Einfluss aus. Werden schließlich in Modell 5 die Orientierungen der Akteure einbezogen, so wird deutlich, dass eine zunehmende aufnahmelandbezogene Identifikation die Initiierung interethnischer Freundschaften begünstigt, während die empfundene Zugehörigkeit zur Herkunftsgruppe ebenso wie die Diskriminierungserfahrungen keine Rolle spielen. Insgesamt lassen sich für die zeitveränderlichen Größen in Modell 5 lediglich für die Sprachkenntnisse und für die Identifikation mit Deutschland signifikante Effekte nachweisen.

Die Ausgangsdifferenzen zwischen den verschiedenen Migrantengruppen und Generationen nehmen über die Modelle hinweg sukzessive ab. Die berücksichtigten strukturellen, sprachlichen, sozialen und identifikativen Voraussetzungen sind demzufolge für die Aufklärung der bestehenden Unterschiede bedeutsam. In besonderer Weise trifft dies auf die Deutschkenntnisse zu. Über ihre Berücksichtigung in Modell 3 reduzieren sich die Unterschiede zwischen den Gruppen in beträchtlichem Maße. Für die Spätaussiedler aus Polen und der ehemaligen Sowjetunion spielt die ausgeprägte Identifikation mit dem Aufnahmeland eine weitere zentrale Rolle. Dies lässt sich an der deutlichen Veränderung der Herkunftseffekte dieser Gruppen im Vergleich der Modelle 4 und 5 ablesen.

Insgesamt verbleiben im letzten Modell für die Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion, für Griechen und für die zweite Generation der Italiener und ehemaligen Jugoslawen keine signifikanten Unterschiede zur türkischen ersten Generation. Gleichzeitig finden sich in den Netzwerken der aus Polen stammenden Spätaussiedler ebenso wie in der ersten Generation der Italiener und Jugoslawen häufiger deutsche Freunde als in den Netzwerken der zugewanderten Türken. Ein gegenläufiges Muster ergibt sich für die türkische zweite Generation: Sie hat seltener einheimische Freunde als die türkische erste Generation.

6 Schlussbemerkungen

Die vorliegende Untersuchung beschreibt die Freundschaften von Zuwanderern und ihren Nachkommen zu Mitgliedern der Mehrheitsbevölkerung. Das Interesse richtet sich auf die zwischen verschiedenen Migrantengruppen und Generationen vorliegenden Unterschiede in den Beziehungsmustern sowie auf die Bedingungen ihrer Entstehung. Ausgehend vom Modell der intergenerationalen Integration wird die Aufnahme interethnischer Beziehungen mit unterschiedlichen Faktorenbündeln verknüpft: den Opportunitäten, den individuellen Präferenzen sowie Einflüssen der Bezugsgruppen.

Die Ergebnisse bestätigen das erwartete Muster einer Zunahme interethnischer Freundschaften im Generationenverlauf. Gleichzeitig verweisen die Analysen auf ausgeprägte Differenzen zwischen den Gruppen: Während türkischstämmige Befragte weniger aus Deutschland stammende Freunde in ihren Netzwerken haben, zeigen sich für alle anderen Gruppen, insbesondere für die Spätaussiedler aus Polen und der ehemaligen Sowjetunion, aber auch für verschiedene südeuropäische Zuwanderergruppen, höhere Anteile. Anhand von Längsschnittanalysen auf Basis der SOEP-Daten lässt sich illustrieren, dass diese Unterschiede vor allem mit den Deutschkenntnissen und im Falle der Aussiedler zusätzlich mit einer besonderen aufnahmelandbezogenen Identifikation in Verbindung stehen. Zieht man diese Aspekte in Betracht, so lassen sich die Ausgangsunterschiede zwischen den Migrantengruppen und Generationen weitgehend aufklären.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass Migranten und ihre Nachkommen eher dann Freundschaften mit Einheimischen führen, wenn sie auf verschiedenen Dimensionen der Integration weiter vorangeschritten sind. Eine Schlüsselrolle scheint dabei den Deutschkenntnissen zuzukommen. Sie werden nicht nur benötigt, um mit der Mehrheitsbevölkerung zu kommunizieren, sondern könnten auch dazu beitragen, dass Beziehungen zu Einheimischen als attraktiver wahrgenommen werden, beispielsweise weil kulturelle Distanzen vor dem Hintergrund einer gemeinsamen Sprache weniger salient erscheinen.

Gleichzeitig lassen die vorgelegten Analysen verschiedene Punkte unbeantwortet. So können auch die Vorzüge der Hybrid-Methode das Problem unbeobachteter Heterogenität nur abmildern. Auch über die Kausalitätsrichtung lassen sich keine abschließenden Aussagen treffen. So könnten beispielsweise verbesserte Sprachkenntnisse einerseits Voraussetzungen dafür schaffen, dass Freundschaften zur Mehrheitsbevölkerung geknüpft werden; vorhandene interethnische Freundschaften können aber auch für eine Verbesserung der Deutschkenntnisse bedeutsam sein.

Außerdem lassen sich mit den in den Daten enthaltenen Informationen die vermuteten Prozesse nur in Teilen abbilden. Dies gilt für die individuellen Präferenzen ebenso wie für die Einflüsse der Bezugsgruppen. Auch eine deutlichere Trennung zwischen den Gelegenheitsstrukturen, welche sich im Kontext der Herkunftsgruppe und im Kontext der Aufnahmegesellschaft auftun, wäre bedeutsam. Da sich die drei Faktorenbündel empirisch nicht klar trennen lassen, kann auch deren relative empirische Relevanz nur bedingt eingeschätzt werden.

In der Darstellung wird zudem die Perspektive der Bevölkerung mit Zuwanderungshintergrund in den Fokus genommen, während der Seite der Aufnahmegesellschaft weniger Beachtung geschenkt wird. Vorurteile und soziale Distanzen seitens der Mehrheitsbevölkerung, die in indirekter Weise über die berichteten Diskriminierungserfahrungen Eingang gefunden haben, sind jedoch für die Initiierung interethnischer Kontakte ebenfalls bedeutsam.

Zudem ist zu beachten, dass einmal etablierte Freundschaftszirkel eine gewisse Stabilität aufweisen und Veränderungen über die Zeit deshalb in geringerem Ausmaß zu erwarten sind als in den ersten Jahren nach der Zuwanderung. Vor diesem Hintergrund könnte das SOEP, das vor allem Personen einbezieht, die schon seit längerer Zeit in Deutschland leben oder die hier aufgewachsen sind, zur Untersuchung der ablaufenden Prozesse weniger geeignet sein. Denn wenn erste interethnische Verbindungen ein wichtiges Sprungbrett für die weitere Entwicklung der Freundschaftsbeziehungen sind (Martinovic et al. 2009), dann sollte sich das Augenmerk auf die Formierung von interethnischen Kontakten unter Neuzuwanderern in den ersten Jahren nach dem Zuzug richten.