1 Motivation und Hintergrund

Der Einfluss von Niveau und Typ der Berufsbildung auf die Einkommenshöhe wurde bereits häufig untersucht. Dabei findet meist nur der höchste berufsqualifizierende Abschluss Berücksichtigung. In Deutschland entscheidet sich jedoch im Durchschnitt etwa ein Viertel aller Personen für eine mehrstufige Berufsbildung (vgl. Heine et al. 2007). So schlossen in den Geburtskohorten 1964 und 1971 im Schnitt fast die Hälfte (49,4%) aller Absolventen einer (berufsfach-) schulischen Erstausbildung, ein Drittel (32,9%) der Absolventen einer betrieblichen Erstausbildung und fast ein Viertel (22%) der Hochschulabsolventen eine Zweitausbildung ab (vgl. Jacob 2004). Dies spiegelt sich auch in den Anteilen der Studienanfänger mit abgeschlossener Berufsausbildung wider. Im Wintersemester 2005/2006 befanden sich 29% der männlichen und 21% der weiblichen Studienanfänger in ihrer Zweitausbildung, bei Studienanfängern der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften lag dieser Anteil im Schnitt sogar bei 35% (vgl. Heine et al. 2007).

Betrachtet man die Kombination der Berufsbildungsschritte, stimmt das Berufsfeld der Zweitausbildung dabei häufig nicht mit dem Berufsfeld der Erstausbildung überein. So stammen Studienanfänger der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Wintersemesters 2005/2006 mit abgeschlossener Berufsausbildung häufig aus Fertigungsberufen (14%) sowie gesundheitsbezogenen (22%) oder technischen (7%) Ausbildungsberufen. Auch wechselte etwa die Hälfte aller in kaufmännischen Berufen ausgebildeten Erstsemester im Studium das Fachgebiet und wählte häufig mathematisch/naturwissenschaftliche Fächer (bis zu 20%), Ingenieurwissenschaften (bis zu 14%) oder Lehramtsstudiengänge (bis zu 12%) (vgl. Heine et al. 2007).

Damit wird deutlich, dass eine ausschließliche Berücksichtigung des höchsten berufsqualifizierenden Abschlusses im Schnitt bei etwa jedem vierten Individuum in Deutschland alle Effekte von vorangegangenen berufsbildenden Abschlüssen ignoriert. Es stellt sich darum die Frage, welchen Einfluss die Kombination mehrerer Bildungsschritte im Erwerbsleben für die betroffenen Individuen hat und welche Rolle ein Fachwechsel während einer Berufsbildungskarriere spielt.

Unter Mehrfachqualifikationen werden im Folgenden alle Berufsbildungskarrieren verstanden, die mindestens zwei abgeschlossene Berufsbildungen aufweisen. Als eigenständige Berufsbildung wird dabei jeder Berufsbildungsschritt verstanden, der zu einem eigenen akkreditierten Abschluss führt und im Rahmen der Datenerfassung erhoben wurde.Footnote 1 Bezüglich der fachlichen Zusammensetzung wird bei Mehrfachqualifikationen unterschieden, ob alle berufsbildenden Schritte im gleichen oder in verschiedenen Fachgebieten absolviert wurden.

Im Zuge der Analyse werden zum einen Effekte der fachlichen Zusammensetzung von Mehrfachqualifikationen auf quantitative Erfolgsmaße wie Einkommensniveau und Einkommensrisiko betrachtet, zum anderen werden subjektive Erfolgsmaße wie verschiedene Aspekte von Arbeitszufriedenheit berücksichtigt. Es zeigt sich, dass die Wirkung der fachlichen Zusammensetzung einer Berufsbildungskarriere für Männer und Frauen unterschiedlich ist. Männer können nach einem Fachwechsel ein geringeres Einkommensniveau realisieren, verzeichnen als Ausgleich jedoch auch ein geringeres Einkommensrisiko. Trotzdem sind sie mit ihrem Einkommen überdurchschnittlich unzufrieden. Für Frauen besteht kein Effekt der fachlichen Zusammensetzung auf Einkommensniveau und -risiko, jedoch beurteilen sie inhaltliche Aspekte ihrer Erwerbstätigkeit nach einem Fachwechsel besonders negativ.

Damit leistet diese Studie in dreierlei Hinsicht einen innovativen Beitrag zur existierenden Literatur. Erstens geht sie über die existierende empirische Evidenz im Bereich der Mehrfachqualifikationen hinaus, indem sie nicht nur kontrolliert, ob eine Doppelqualifikation vorliegt und welche Bildungsinstitutionen dabei in Anspruch genommen wurden, sondern auch in welchem fachlichen Zusammenhang die einzelnen berufsbildenden Elemente stehen. Zweitens wird ein Trade-Off zwischen Einkommensniveau und Einkommensrisiko untersucht, sowie drittens die Analyse von Mehrfachqualifikationen über finanzielle Konsequenzen hinaus auf subjektive Erfolgsmaße erweitert.

Im Folgenden wird zunächst der Stand der Literatur zu Mehrfachqualifikationen sowie zu Konsequenzen der fachlichen Ausrichtung einer Berufsbildung dargestellt. Die bestehende empirische Evidenz in diesen Bereichen gibt Aufschluss über mögliche Effekte eines Fachwechsels während einer Berufsbildungskarriere. Die empirische Überprüfung der Zusammenhänge zwischen fachlicher Zusammensetzung der Berufsbildung, Einkommen und Arbeitszufriedenheit basiert auf Daten einer Erwerbstätigenbefragung aus den Jahren 1998/99 und folgt in den Kapiteln 3 bis 5. Eine Interpretation und Zusammenfassung der Ergebnisse schließen die Darstellung ab.

2 Konsequenzen der Berufsbildung im Erwerbsleben

2.1 Finanzielle Konsequenzen

Ökonomische wie auch soziologische Analysen, die sich mit der Wirkung von Mehrfachqualifikationen beschäftigen, stellen häufig strukturelle und institutionelle Aspekte von Mehrfachausbildungen in den Vordergrund und untersuchen die an einer Berufsbildungskarriere beteiligten Bildungsinstitutionen sowie deren Abfolge. Dabei können aus der Literatur drei Typen von Mehrfachqualifikationen identifiziert werden. Erstens Mehrfachqualifikationen, die der Qualifikationserweiterung oder Höherqualifizierung dienen, zweitens Mehrfachqualifikationen in der Funktion von „Warteschleifen“ und zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit sowie drittens Mehrfachqualifikationen mit dem Ziel einer beruflichen Neuorientierung (siehe z. B. Jacob 2004; Hillmert u. Jacob 2004). Diese Unterscheidung spiegelt den Fokus der bisherigen Untersuchungen wider, da diese Kategorien vor allem bestimmte institutionelle Abfolgen erfassen. Auch soziologische Studien, die sich mit der Zusammensetzung von Berufsbildungskarrieren beschäftigen, legen ihren Fokus häufig auf die institutionelle Zusammensetzung. Sie stellen zudem meist Selektionseffekte und Pfadabhängigkeiten bei der Wahl einer Berufsbildung in den Vordergrund (siehe z. B. Willis u. Rosen 1979; Vella u. Gregory 1996; Breen u. Jonsson 2000; Streufert 2000; Dietrich u. Kleinert 2006). Häufige Begründungen für die Wahl einer bestimmten Berufsbildungskarriere sind hier das Bildungsniveau der Eltern sowie das soziale Umfeld in Kindheit und Jugend (siehe z. B. Rosenzweig u. Wolpin 1994; Haveman u. Wolfe 1995; Zietz u. Joshi 2005). Das Hauptuntersuchungsmerkmal dieser Analyse – die fachliche Zusammensetzung einer Berufsbildung – wird bisher sowohl in soziologischen als auch in ökonomischen Studien weitestgehend außen vor gelassen. Aufgrund der Konzentration auf die fachliche Ausgestaltung einer Berufsbildung wird darum im Folgenden die Abfolge der in einer Berufsbildungskarriere enthaltenen Institutionen zwar kontrolliert, jedoch nicht näher analysiert.

Eine für Deutschland häufig untersuchte Berufsbildungskarriere ist die zusammengesetzte Berufsbildung aus betrieblicher Lehre und Studium. Büchel u. Helberger (1995) kommen dabei zu dem Schluss, dass die Kombination eines Studiums mit einer betrieblichen Lehre keine Wettbewerbsvorteile in Form eines schnelleren Übergangs ins Erwerbsleben oder höherer Einstiegsgehälter bringt. Lewin et al. (1996) konstatieren, dass diese Doppelqualifikation andererseits nicht zu finanziellen Einbußen im Erwerbsleben führt. Insgesamt können somit keine eindeutigen Effekte durch die Kombination eines Studiums mit einer betrieblichen Lehre festgestellt werden. Gleichwohl achten diese Studien lediglich auf die institutionelle Zusammensetzung – und hier nur auf die Kombination von betrieblicher Lehre und universitärer Berufsbildung – während die Kombination der gewählten Fächer nicht berücksichtigt wird.

Tuor u. Backes-Gellner (2008) weiten die Betrachtung auf weitere Kombinationen von Berufsbildungsinstitutionen aus. Dabei unterscheiden die Autorinnen vor allem zwischen beruflichen und schulischen Bildungsinstitutionen. Mit Hilfe eines schweizerischen Datensatzes zeigen sie, dass sich die institutionelle Zusammensetzung der untersuchten Bildungspfade sowohl auf das Einkommensniveau als auch auf das Einkommensrisiko auswirkt. Allerdings findet auch in dieser Studie die fachliche Zusammensetzung der einzelnen berufsbildenden Elemente keine Berücksichtigung.

Jenseits des Forschungsschwerpunktes der Mehrfachqualifikationen ist die empirische Evidenz zu Konsequenzen eines Fachwechsels ebenfalls gering. So beschäftigt sich ein recht junger Zweig der Literatur mit Fachwechseln zwischen Berufsbildung und erstem Erwerbsberuf. John Robst zeigt in mehreren Studien, dass ein Fachwechsel zwischen letzter Berufsbildung und erster Erwerbstätigkeit bei Collegeabsolventen in den USA zu Lohneinbußen führt, die geschlechtsspezifisch unterschiedlich hoch sind (vgl. Robst 2007a, b, 2008). Auch Nordin et al. (2008) weisen Einkommenseinbußen bei mangelndem fachlichen Matching zwischen erstem Arbeitsplatz und beruflicher Vorbildung des Arbeitnehmers nach. Damit gehen die Ergebnisse von Nordin et al. (2008) und Robst (2007a, b, 2008) mit Erkenntnissen der Humankapitaltheorie konform. Diese unterteilt während der Berufsbildung erworbenes Humankapital in allgemeines und (berufs-)spezifisches Humankapital. Während allgemeines Humankapital in jedem Unternehmen eingesetzt werden kann, ist die Anwendbarkeit von berufsspezifischem Humankapital auf den erlernten Beruf begrenzt. Ein Berufswechsel bedeutet folglich, dass ein Teil des während der Berufsbildung erworbenen Humankapitals im neuen Beruf nicht produktiv eingesetzt werden kann (Becker 1964). Vor allem bei Berufsbildungen, die hohe Anteile an spezifischem Humankapital vermitteln, ist die Abschreibung des im Zuge der Berufsbildung erworbenen Humankapitals infolge eines Fachwechsels besonders hoch (siehe z. B. Seibert 2007; Mertens 1997; Velling u. Bender 1994).

Überträgt man diesen theoretischen wie empirischen Befund auf die Problematik der fachlichen Zusammensetzung einer Berufsbildung, lassen sich Hypothesen über die Effekte eines Fachwechsels innerhalb einer Berufsbildungskarriere ableiten. Findet ein solcher Fachwechsel statt, können berufsspezifische Bildungsinhalte des ersten Fachgebietes im neuen Fachgebiet nicht produktivitätssteigernd eingesetzt werden. Dies resultiert in einer Humankapitalabschreibung, weshalb ein geringeres Einkommen erwartet wird als ohne Fachgebietswechsel. Ist dies der Fall, stellt sich jedoch die Frage, warum Personen trotzdem eine fachlich diversifizierte Berufsbildung wählen, wenn die Gefahr der Humankapitalabschreibung auf diese Weise steigt und sich damit das erwartete Einkommen reduziert.

Hier kommt eine Analogie zwischen Finanzinvestitionen auf dem Kapitalmarkt und Bildungsinvestitionen ins Spiel. Effiziente Investitionen auf Finanzmärkten zeichnen sich gemäß der µ-σ-Regel von Markowitz (1952) durch einen Trade-Off zwischen erwartetem Ertrag und Risiko aus, da risikoaverse Individuen für ein hohes Einkommensrisiko eine Kompensation in Form höherer erwarteter Gewinne fordern. Als effizient gelten nach Markowitz darum jene Finanzportfolios, die bei gegebenem Risiko den höchsten Erwartungswert bzw. bei gegebenem Erwartungswert das geringste Risiko aufweisen (vgl. Markowitz 1952).

Studien, die sich mit Einkommensniveau und Einkommensrisiko bei Bildungsinvestitionen befassen, zeigen, dass auch bei Bildungsinvestitionen analog zu Finanzinvestitionen ein Trade-Off zwischen Risiko und Ertrag besteht. Pereira u. Martins (2002) verdeutlichen für 16 Länder zu verschiedenen Zeitpunkten, dass ein solcher Trade-Off in den meisten der untersuchten Länder existiert (siehe auch Hartog u. Vijverberg 2002, 2007). Eine Unterscheidung zwischen Berufen oder Bildungsniveaus findet jedoch nicht statt. Díaz-Serrano et al. (2003) sowie Christiansen et al. (2007) kontrollieren in ihren Analysen zusätzlich Bildungsniveau und Fachgebiet des höchsten berufsqualifizierenden Abschlusses und stellen auch hier einen Risk-Return Trade-Off fest. Da die Autoren nur den höchsten berufsqualifizierenden Abschluss berücksichtigen, bleibt die Rolle von Mehrfachqualifikationen sowie deren institutionelle und fachliche Zusammensetzung ungeklärt. Bei der Studie von Tuor u. Backes-Gellner (2008) finden hingegen alle berufsbildenden Schritte Beachtung, jedoch konzentrieren sich die Autorinnen auf die institutionelle Zusammensetzung der Berufsbildungskarrieren. Ein Trade-Off zwischen Einkommensniveau und –risiko wird auch hier sichtbar. Trifft dieser Trade-Off auch bei der Abschreibung von Humankapital zu, könnten finanzielle Verluste bei bestimmten fachlichen Konstellationen durch ein geringeres Einkommensrisiko kompensiert werden. Dies würde die Wahl einer Fachkombination, die durch hohe Humankapitalabschreibungen gekennzeichnet ist, finanziell rechtfertigen.

2.2 Auswirkungen auf die Arbeitszufriedenheit

Finanzielle Überlegungen sind jedoch nicht das einzige Entscheidungskriterium bei der Wahl einer Berufsbildungskarriere. Es bestehen empirische Hinweise, dass ein geringes Einkommen oft durch andere Merkmale der Arbeitstätigkeit kompensiert wird (siehe z. B. Mayrhofer et al. 2005). Es stellt sich die Frage, welchen Stellenwert der nicht-monetäre Nutzen einer Berufsbildung wie z. B. Arbeitszufriedenheit bei der Entscheidung über die fachliche Zusammensetzung einer Berufsbildung hat.

Eine Möglichkeit, Arbeitszufriedenheit zu steigern, besteht in einem gelungenen Matching zwischen Arbeitnehmer und Arbeitsplatz. Matching-Theorien gehen davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit, einen passenden Arbeitsplatz zu finden, mit andauernder Berufsbildung steigt. Im Laufe der Berufsbildung erwerben Individuen immer mehr Informationen über sich, ihre Fähigkeiten und Interessen und können auf diese Weise ein besseres Matching mit einem geeigneten Arbeitsplatz erreichen. Dies gilt sowohl bezüglich des Matchings zwischen den fachlichen Fähigkeiten des Arbeitnehmers und den Anforderungen des Arbeitsplatzes als auch in Bezug auf nicht-monetäre Aspekte der Arbeitsplatzwahl (vgl. Arrow 1997). Zu diesen nicht-monetären Facetten der Erwerbstätigkeit gehören z. B. vielfältige und interessante Tätigkeiten, Übernahme von Verantwortung, Arbeit in einem gesünderen oder attraktiveren Arbeitsumfeld, flexible Arbeitszeiten, Unabhängigkeit oder gute Aufstiegsmöglichkeiten (vgl. Vila 2000; Belfield u. Harris 2002).

Die Wahl verschiedener Fachgebiete in einer Berufsbildungskarriere kann Folge eines solchen Matching-Prozesses sein. Erkennen Individuen im Laufe eines Berufsbildungsschrittes, dass sie ihre Fähigkeiten in einem anderen Berufsfeld besser einsetzen könnten, kann ein Berufsfeldwechsel im folgenden Bildungsschritt ggf. ihre Arbeitszufriedenheit steigern. Liegt einem Fachwechsel ein solcher individueller Matchingprozess zugrunde, könnten diese Arbeitnehmer einen Einkommensverlust aus Abschreibung des Humankapitals aus früheren Berufsbildungsschritten durch eine höhere Zufriedenheit vor allem mit inhaltlichen Aspekten der Erwerbstätigkeit ausgleichen.

2.3 Forschungsfokus

Obwohl existierende Studien Hinweise auf Effekte eines Fachwechsels während der Berufsbildung geben, wurde diese Fragestellung bisher nicht explizit thematisiert. Bislang fand entweder nur die fachliche Ausrichtung des höchsten berufsqualifizierenden bzw. letzten Berufsbildungsschrittes Berücksichtigung oder vorangegangene Berufsbildungen wurden lediglich hinsichtlich ihrer institutionellen Ausrichtung betrachtet. Die vorliegende Analyse möchte dagegen zeigen, dass es nicht nur eine Rolle spielt, ob mehrere Berufsbildungsschritte absolviert wurden und in welchen Bildungsinstitutionen sie stattfanden, sondern dass gerade der fachliche Zusammenhang der einzelnen berufsbildenden Elemente Auswirkungen im Erwerbsleben hat.

Drei aus der Literatur entwickelte Hypothesen sollen darum empirisch überprüft werden. Erstens, ob ein Fachwechsel während der Berufsbildung zu einem geringeren Einkommen führt, was z. B. aufgrund von Humankapitalabschreibungen der Fall sein kann. Hierzu wird die Wirkung eines Fachwechsels auf das Einkommensniveau überprüft. Zweitens soll getestet werden, ob ein – ggf. durch einen Fachwechsel bedingter – geringerer Ertrag der Bildungsinvestition analog zu effizienten Investitionen auf dem Kapitalmarkt durch ein niedrigeres Einkommensrisiko kompensiert werden kann. In einem zweiten Schritt wird darum das Einkommensrisiko als abhängige Variable betrachtet. Drittens soll schließlich geklärt werden, wie nicht-monetäre nutzenstiftende Elemente des Erwerbslebens durch einen Fachwechsel beeinflusst werden. Hier sind verschiedene Aspekte der Arbeitszufriedenheit von Interesse.

Die empirische Analyse erfolgt mittels der Daten der BIBB/IAB-Erhebung zu „Erwerb und Verwertung beruflicher Qualifikationen“ von 1998/99. Zur Untersuchung des Effektes der fachlichen Zusammensetzung einer Berufsbildung wird zunächst zwischen Einfach- und Mehrfachqualifikationen unterschieden, zudem zwischen Mehrfachqualifikationen mit und ohne Fachwechsel. Multivariate Methoden prüfen schließlich den Einfluss von Mehrfachqualifikationen sowie deren fachliche Zusammensetzung auf Einkommensniveau, Einkommensrisiko und Arbeitszufriedenheit.

Es zeigt sich, dass die Wirkung der fachlichen Zusammensetzung einer Berufsausbildung geschlechtsspezifisch unterschiedlich ist. Während für Frauen keine signifikanten Effekte auf Einkommensniveau und Einkommensrisiko zu verzeichnen sind, können Männer mit Mehrfachqualifikation nach einem Fachwechsel ein signifikant geringeres Einkommen realisieren als ihre mehrfachqualifizierten Kollegen ohne Fachwechsel. Allerdings weisen mehrfachqualifizierte Männer mit Fachwechsel nicht nur ein geringeres Einkommen, sondern auch ein geringeres Einkommensrisiko auf, weshalb analog zu effizienten Investitionen auf dem Finanzmarkt auch bei Berufsbildungsinvestitionen ein Trade-Off zwischen Ertrag und Risiko konstatiert werden kann.

Trotzdem stellt sich die Frage, ob bei der Wahl der fachlichen Zusammensetzung der Berufsbildung finanzielle Aspekte im Vordergrund stehen oder ob nicht-monetäre Anreize die Wahl einer bestimmten Fachkombination bedingen. Die empirische Analyse zeigt jedoch, dass die Zufriedenheit mit inhaltlichen Aspekten der Erwerbstätigkeit bei Mehrfachqualifikationen eher geringer ist. Dabei sind Männer mit Mehrfachqualifikationen – unabhängig von deren fachlicher Zusammensetzung – meist unzufriedener als Männer mit Einfachqualifikation, wohingegen bei Frauen vor allem Mehrfachqualifikationen mit Fachwechsel bei der Beurteilung der Arbeitszufriedenheit schlechter abschneiden als Einfachqualifikationen.

Somit wird deutlich, dass ein Trade-Off zwischen Ertrag und Risiko nur für Männer existiert. Ein Trade-Off zwischen objektiven Erfolgsgrößen wie Einkommen und subjektivem Erfolg, gemessen über die Arbeitszufriedenheit, zeigt sich hingegen weder bei Männern noch bei Frauen.

3 Daten

Zur empirischen Überprüfung der Fragestellung wird der Datensatz des „Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB)“ und des „Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)“ zu „Erwerb und Verwertung beruflicher Qualifikationen“ herangezogen, da dieser als einziger frei verfügbarer Datensatz für jedes Individuum alle Berufsbildungsschritte (bis zu fünf) retrospektiv mit ihrer Bildungsinstitution und – was für diese Untersuchung entscheidend ist – dem gewählten Fach erfasst.Footnote 2 Zudem sind in diesem Datensatz neben monetären Einkommensmaßen auch Maße der Arbeitszufriedenheit enthalten, was eine Untersuchung auf verschiedenen Ebenen des Erfolgs ermöglicht. Bei der BIBB/IAB-Erhebung handelt es sich um eine Querschnittsbefragung, die in vier Wellen (1979, 1985/86, 1991/92, 1998/99)Footnote 3 durchgeführt wurde. Die Grundgesamtheit dieser Befragung umfasst Erwerbspersonen in Deutschland, so dass die Ergebnisse nur für diese Bevölkerungsgruppe repräsentativ sind. Die Erhebungen weisen Fallzahlen zwischen 26.300 und 34.300 pro Welle auf.Footnote 4

Die vorliegende empirische Analyse beschränkt sich auf den jüngsten öffentlich verfügbaren Datensatz von 1998/1999. Im Rahmen der Untersuchung werden zudem nur Individuen mit Fachhochschulreife, fachgebundener Hochschulreife oder Hochschulreife betrachtet,Footnote 5 da diese Individuen formal zu allen in Deutschland realisierbaren Bildungswegen zugangsberechtigt sind und eine Einschränkung der wählbaren Bildungskarrieren aufgrund mangelnder Zugangsvoraussetzungen ausgeschlossen werden kann. Als weitere Einschränkung werden nur Individuen einbezogen, die mindestens einen beliebigen Bildungsschritt (außer „Sonstige berufliche Fort- und Ausbildung“) im kaufmännischen/wirtschaftswissenschaftlichen Bereich absolviert haben.Footnote 6 Diese Eingrenzung erfolgt zum einen, da kaufmännische Berufe eher „Investitionsberufe“ sind (siehe Christiansen et al. 2007)Footnote 7 und darum für eine Betrachtung von Ertrags- und Risikomaßen besonders günstig sind. Zum anderen eignet sich dieses Berufsfeld, da aufgrund häufig auftretender Mehrfachqualifikationen die nötigen Fallzahlen für eine quantitative Bearbeitung der Problematik gegeben sind. Zudem erhöht eine solche Eingrenzung die Homogenität der einbezogenen Personen und versucht unterschiedlichen Entscheidungsmustern bezüglich eines Fachwechsels in verschiedenen Fachdisziplinen Rechnung zu tragen. Insgesamt umfasst der Datensatz der Erhebung damit 1.498 Individuen (788 Männer und 710 Frauen), die den genannten Kriterien entsprechen.

Im Folgenden wird zunächst die Wirkung der fachlichen Zusammensetzung von Berufsbildungskarrieren auf finanzielle Determinanten des Erwerbslebens empirisch überprüft. Dabei stehen Einkommensniveau und Einkommensrisiko im Zentrum der Betrachtung. Kapitel 5 beschäftigt sich im Anschluss mit empirischen Erkenntnissen zur Wirkung der fachlichen Zusammensetzung einer Berufsbildung auf verschiedene Facetten der Arbeitszufriedenheit.

4 Monetärer Erfolg

Bezüglich des monetären Erfolges ist zu prüfen, ob ein Fachwechsel innerhalb einer Mehrfachqualifikation zu Einkommenseinbußen führt und ob – wie in anderen empirischen Studien gezeigt – auch an dieser Stelle ein Trade-Off zwischen Einkommensniveau und Einkommensrisiko existiert.

4.1 Empirischer Modellaufbau

Mehrfachqualifikationen und ihre fachliche Zusammensetzung sind im Folgenden die primär interessierenden unabhängigen Variablen. Unter Mehrfachqualifikationen werden alle Berufsbildungen verstanden, die aus mindestens zwei abgeschlossenen Berufsbildungsschritten bestehen. Dabei werden bewusst auch Berufsbildungen, die keinen eigenständigen berufsbildenden Abschluss darstellen wie z. B. Meister- oder Traineeausbildungen, als eigener Berufsbildungsschritt erfasst. Denn obwohl sie einem vorangegangenen Bildungsschritt nicht institutionell zwingend folgen, sondern aufgrund einer Entscheidung jedes Individuums gewählt werden, stellen sie eine erhebliche Aufwertung des vorangegangenen berufsqualifizierenden Bildungsschritts dar.

Fachwechsel werden über zuvor definierte Berufsfelder identifiziert. Mittels der Berufskennziffern des Statistischen Bundesamtes von 1992 wird jeder Berufsbildungsschritt fachlich einem von 15 Berufsfeldern zugeordnet (vgl. Anhang Tab. A1). Fachwechsel liegen dann vor, wenn eine zusammengesetzte Berufsbildungskarriere mehr als ein Berufsfeld umfasst. In diesem Fall wird von einer fachlich diversifizierten Berufsbildung gesprochen. Damit werden drei Fälle der fachlichen Zusammensetzung unterschieden: Zunächst fachliche Spezialisierung mit einem Berufsbildungsschritt (76,9%). Hier werden alle Fälle erfasst, die nur eine Berufsbildung absolvierten (z. B. Betriebliche Lehre als Bankkaufmann/-frau). Die zweite Kategorie, fachliche Spezialisierung mit zwei und mehr Berufsbildungsschritten (11,8%), umfasst Individuen, die mindestens zwei Berufsbildungen absolvierten, wobei alle Berufsbildungsschritte im gleichen Fachgebiet stattfanden. Da nur Fälle mit mindestens einem Berufsbildungsschritt im kaufmännisch/wirtschaftswissenschaftlichen Bereich zugelassen wurden, befinden sich in dieser Kategorie nur Individuen, die alle Berufsbildungsschritte in diesem Fachbereich absolvierten (z. B. Betriebliche Lehre als Bankkaufmann/-frau + VWL-Studium oder auch Betriebliche Lehre als Bankkaufmann/-frau + Bankbetriebswirt/-in). Die dritte Gruppe erfasst schließlich fachlich diversifizierte Individuen (11,3%). Hier werden alle Individuen berücksichtigt, die mindestens zwei Berufsbildungsschritte absolvierten und dabei mindestens einmal das Fachgebiet wechselten. Aufgrund der fachlichen Eingrenzung der Fälle befinden sich in dieser Kategorie Individuen, die mindestens eine kaufmännische Berufsbildung absolvierten, diese aber mit mindestens einer weiteren Berufsbildung in einem anderen Fachgebiet kombinierten (z. B. Betriebliche Lehre als Bankkaufmann/-frau + Germanistik-Studium oder auch Betriebliche Lehre als Industriemechaniker + Betriebliche Lehre als Bankkaufmann/-frau).

Als Kontrollvariable für den institutionellen Ablauf einer Berufsbildung dienen Bildungspfade, die mittels einer SequenzmusteranalyseFootnote 8 generiert werden. Sie dient der explorativen Identifikation „typischer“ Bildungskarrieren. Hierbei werden die gewählten Bildungsinstitutionen, deren Abfolge und Dauer berücksichtigt.Footnote 9Im Rahmen der Sequenzmusteranalyse mit anschließender Cluster-Analyse konnten 29 Bildungsmuster identifiziert werden (vgl. Anhang Tab. A2), die aufgrund der geringen Fallzahlen in einigen Bildungsmustern im Zuge der weiteren Analyse zu 10 Gruppen zusammengefasst wurden (vgl. Anhang Tab. A3). Als weitere Kontrollvariablen der Berufsbildung werden der höchste berufsqualifizierende Abschluss, die Dauer der Berufsbildung in Jahren sowie die Anzahl der absolvierten BerufsbildungenFootnote 10 erfasst. Auf diese Weise soll kontrolliert werden, ob allein die Dauer der Berufsbildung einen Einfluss auf das Einkommen hat. Ist dies nicht der Fall, wird deutlich, dass nicht die Dauer der Berufsbildung allein eine einkommenssteigernde Wirkung hat, sondern auch andere Faktoren eine Rolle spielen.

Neben Variablen der Berufsbildung werden weitere Einflussfaktoren auf Einkommensniveau und Einkommensrisiko kontrolliert, wie sie auch häufig in anderen Studien zur Erklärung des Einflusses der Berufsbildung auf das Einkommensniveau verwendet werden. Diese sind zum einen demographische Faktoren wie die Unterscheidung von West- und Ostdeutschland, die Staatsangehörigkeit und die Anzahl der Kinder im Haushalt. Letztere dient als Proxy für Erwerbsunterbrechungen bei Frauen, da diese bei Frauen mit Kindern besonders häufig vorkommen. Es ist jedoch zu erwarten, dass diese Variable Erwerbsunterbrechungen nicht valide erfasst, da Kinder, die nicht mehr bei ihren Eltern leben, nicht erhoben werden, obwohl sie durchaus in früheren Jahren zu Erwerbsunterbrechungen geführt haben können. Auf der anderen Seite ist nicht mit jedem Kind eine Erwerbsunterbrechung der Mutter verbunden. Als weitere Determinanten des Erwerbslebens werden die Dauer der Berufstätigkeit und der Betriebszugehörigkeit erfasst, da Erfahrung früheren Studien zu Folge einen positiven Einfluss auf das Einkommen hat (siehe z. B. Altonji u. Williams 2005; Williams 1991). Des Weiteren werden die Arbeitszeiten kontrolliert, um das Bruttoeinkommen vergleichbar zu machen. Da frühere Studien zeigen, dass das Lohnniveau mit der Größe des beschäftigenden Betriebes steigt, wird dieses über die Anzahl der Beschäftigten kontrolliert (siehe z. B. Brown u. Medoff 1989; van der Meer u. Wielers 1998). Auch werden interindustrielle Lohnunterschiede (siehe z. B. Krueger u. Summers 1988) über den Einbezug von Branchendummys berücksichtigt.

4.2 Ergebnisse

4.2.1 Einkommensniveau

Die abhängige Variable „Einkommensniveau“ wird analog zur Erhebung im Datensatz über 18 Einkommensklassen des Bruttomonatsgehalts erfasst. Aufgrund der ordinalen Datenstruktur empfiehlt sich ein ordinales Schätzmodell (vgl. Green 2008; Merz u. Paic 2005). Dieses bietet im Gegensatz zu Schätzungen mit Einkommensklassenmittelwerten, wie sie etwa bei Mincer- Einkommensschätzungen (vgl. Mincer 1974) genutzt werden, den Vorteil, dass auch die höchste Einkommensklasse in der Analyse berücksichtigt werden kann. Bei der Verwendung von Einkommensklassenmittelwerten kann dieser hingegen kein Wert zugeordnet werden, da sie nach oben offen ist (vgl. Merz u. Paic 2005). Im Folgenden werden desshalb ordinale Logit-Modelle verwendet.

Tabelle 1 zeigt in den Spalten (1) bis (4) die Ergebnisse der Ordered Logit-Modelle mit robusten Standardfehlern.Footnote 11 Die ersten drei Zeilen geben die Koeffizienten der drei Fälle „Einfachausbildung“, „Mehrfachqualifikation mit Fachwechsel“ und „Mehrfachqualifikation ohne Fachwechsel“ an, wobei abwechselnd Einfachqualifikationen und Mehrfachqualifikationen ohne Fachwechsel als Referenzkategorien dienen. Dies geschieht um einerseits mit Hilfe der Referenzgruppe „Einfachausbildung“ zu prüfen, ob Mehrfachqualifikationen einen Vorteil gegenüber Einfachqualifikationen aufweisen und ob dabei Unterschiede zwischen Fällen mit und ohne Fachwechsel bestehen. Zudem soll über die Referenzgruppe der Mehrfachqualifikationen ohne Fachwechsel geklärt werden, ob es bei der Wahl einer Mehrfachqualifikation einen Unterschied macht, ob sie ein einziges oder mehrere Fachgebiete beinhaltet.

Tab. 1 Einkommensniveau und Einkommensrisiko

Die unterschiedlichen Erwerbsverläufe von Männern und Frauen legen eine getrennte Betrachtung beider Geschlechter nahe. Die Analyse zeigt in Tab. 1 in den Spalten (2) und (4), dass im kaufmännisch/wirtschaftswissenschaftlichen Bereich eine Mehrfachqualifikation per se keinen finanziellen Vorteil bringt. Für beide Geschlechter kann weder bei Mehrfachqualifikationen mit einem noch bei Mehrfachqualifikationen mit mehreren Fachgebieten bezüglich des Einkommensniveaus ein signifikanter Unterschied zu Einfachqualifikationen festgestellt werden. Dieser Befund stützt die Ergebnisse von Büchel u. Helberger (1995) und Lewin et al. (1996), die keinen finanziellen Unterschied zwischen Studium und einer Kombination aus Betrieblicher Lehre und Studium feststellen. Betrachtet man jedoch die Spalten (1) und (3), zeigt sich, dass – sofern Personen eine Mehrfachqualifikation wählen – ein Fachwechsel die Wahrscheinlichkeit in eine höhere Einkommensklasse zu gelangen für Männer senkt. Der zugehörige Koeffizient ist auf dem 1%–Niveau signifikant und negativ. Für Frauen hingegen unterscheidet sich bei Mehrfachqualifikationen das Einkommensniveau nicht in Abhängigkeit von der fachlichen Zusammensetzung.

Die Kontrollvariablen bestätigen überdies die einkommenssteigernde Wirkung der Berufserfahrung. Sowohl die Dauer der Berufstätigkeit als auch die Dauer der Betriebszugehörigkeit weisen für Männer und Frauen signifikant positive Koeffizienten auf. Auch die Betriebsgröße hat einen signifikant positiven Effekt auf das Einkommen der Befragten. Ebenso bestätigt der positive Koeffizient des Ost-West-Dummys, dass das Lohnniveau in Westdeutschland höher ist als in Ostdeutschland. Die Kontrollvariablen zur Anzahl der Kinder im Haushalt erbringen hingegen für Männer und Frauen unterschiedliche Ergebnisse. Während sowohl die Anzahl der Kinder im Haushalt unter 6 Jahren als auch zwischen 6 und 17 Jahren bei Männern einen positiven Koeffizienten aufweist, weist der Koeffizient der Variable „Kinder zwischen 6 und 17 Jahren“ bei Frauen ein negatives Vorzeichen auf. Dies kann ein Hinweis auf die einkommenssenkende Wirkung längerer Erwerbsunterbrechungen sein, die bei Frauen aufgrund von Erziehungszeiten häufiger auftreten als bei Männern.

Vor allem der Befund der Männer zu Effekten der fachlichen Zusammensetzung einer Berufsbildung geht mit Erkenntnissen der Humankapitaltheorie konform, die bei einem Fachwechsel aufgrund der Abschreibung des erworbenen spezifischen Humankapitals aus der Berufsbildung ein geringeres Einkommen prognostiziert. Die Hypothese eines geringeren Einkommens infolge eines Fachwechsels kann darum nur für Männer bestätigt werden. Umso mehr stellt sich vor allem für Männer die Frage, warum Mehrfachqualifikationen dennoch gewählt werden.

Da die Höhe des Einkommens nicht die einzige Entscheidungskomponente bei der Wahl einer Berufsbildungskarriere ist, wird das geringere Einkommen bei Mehrfachqualifikationen mit Fachwechsel möglicherweise durch andere Elemente der Erwerbstätigkeit kompensiert. Es besteht die Möglichkeit, dass Einkommensverluste aufgrund eines Fachwechsels – analog zu effizienten Finanzinvestitionen auf dem Kapitalmarkt – durch ein geringeres Einkommensrisiko kompensiert werden können. Darum soll in einem nächsten Schritt das Einkommensrisiko in Abhängigkeit von der fachlichen Zusammensetzung der Berufsbildung betrachtet werden.

4.2.2 Einkommensrisiko

Zur Operationalisierung des Einkommensrisikos wird für jedes Individuum der Quotient aus dem Betrag der absoluten individuellen Abweichung vom durchschnittlichen Einkommen innerhalb eines Clusters und der Standardabweichung des jeweiligen Clusters gebildet.Footnote 12 Damit misst der Quotient die individuelle Abweichung relativ zur durchschnittlichen Abweichung vom Mittelwert innerhalb eines Clusters. Dabei wird analog zur Berechnung des Risikos bei Finanzportfolios die Richtung der Abweichung durch die Verwendung absoluter Beträge nicht berücksichtigt. Zudem berücksichtigt der Quotient über die Standardisierung auf die Standardabweichung der jeweiligen Gruppe einen Niveaueffekt. Cluster, die über einen hohen Erwartungswert verfügen, weisen aufgrund des höheren Niveaus der Einkommen auch eine höhere Standardabweichung auf als Cluster mit insgesamt geringerem Einkommensniveau. Die auf diese Weise „niveaubereinigten“ Quotienten sind somit zwischen den einzelnen Clustern vergleichbar.

Zur Berechnung der Clustermittelwerte und der zugehörigen Standardabweichung wurden verschiedene Berechnungsgrundlagen verwendet. Zum einen die mittels Sequenzmusteranalyse gebildeten 29 Cluster, zum anderen die zehn aus diesen Clustern zusammengefassten Bildungspfade, die in den Modellen als Kontrollvariablen für die institutionelle Zusammensetzung einer Berufsbildung dienen. Da beide Quotienten in Regressionsmodellen zu den gleichen Ergebnissen führten, werden aus Gründen der Übersichtlichkeit im Folgenden nur die Ergebnisse für Quotienten auf Basis der 10 Kontrollgruppen dargestellt. Die Ergebnisse zum Einkommensrisiko in Tab. 1 (Spalten (5) bis (8)) zeigen zunächst, dass Mehrfachausbildungen für beide Geschlechter kein geringeres Einkommensrisiko im Vergleich zu Einfachausbildungen aufweisen. Dieser Befund passt zu den aus der Theorie effizienter Finanzmarktinvestitionen abgeleiteten Erwartungen, da sich auch das Einkommensniveau von Einfach- und Mehrfachausbildungen nicht unterscheidet.

Wird jedoch eine Mehrfachausbildung gewählt, senkt ein Fachgebietswechsel für Männer das Einkommensrisiko (vgl. Tab. 1, Spalte (5)). Da sich in Spalte (1) zeigte, dass fachlich diversifizierte Männer im Vergleich zu fachlich spezialisierten mehrfach ausgebildeten Kollegen auch ein niedrigeres Einkommen aufweisen, kann für Männer mit Mehrfachqualifikation analog zu Finanzinvestitionen ein Trade-Off zwischen Ertrag und Risiko bestätigt werden.

Die Kontrollvariablen „Anzahl der Bildungsschritte mit Sonstiges“ und „Anzahl der Bildungsschritte ohne Sonstiges“ zeigen darüber hinaus, dass ein Berufsbildungsschritt, der keiner zertifizierten Berufsbildung zugeordnet werden kann, für Frauen das Einkommensrisiko steigert. Hingegen senkt eine höhere Arbeitszeit das Einkommensrisiko der Frauen, während sie das Einkommensrisiko der Männer positiv beeinflusst. Zudem ist das Einkommensrisiko der Frauen in Westdeutschland niedriger als in Ostdeutschland.

Entgegen bereits existierender Studien kann somit gezeigt werden, dass die Anzahl der Bildungsschritte durchaus einen Effekt im weiteren Erwerbsleben hat. Jedoch ist der Effekt von der fachlichen Zusammensetzung der einzelnen Berufsbildungsschritte abhängig und nur für Männer signifikant. Diese müssen bei Mehrfachqualifikationen mit fachlicher Diversifizierung mit signifikanten Einkommenseinbußen im Vergleich zu einer Mehrfachqualifikation im gleichen Fachgebiet rechnen, können diese aber durch ein geringeres Einkommensrisiko ausgleichen. Für Frauen hingegen hat die fachliche Zusammensetzung der Berufsbildung weder Einfluss auf das Einkommensniveau noch auf das Einkommensrisiko.

5 Immaterielle Erträge

Vor dem Hintergrund der beiden zentralen Ergebnisse, dass zum einen kaum Einkommenseffekte aus Mehrfachqualifikationen im Vergleich zu Einfachqualifikationen resultieren und zum anderen bei der Wahl einer Mehrfachqualifikation die fachliche Zusammensetzung nur für Männer eine Rolle spielt, stellt sich die Frage, ob bei der Wahl der fachlichen Zusammensetzung einer Berufsbildung statt finanzieller Überlegungen nicht-monetäre nutzenstiftende Elemente des Erwerbslebens im Vordergrund stehen (vgl. auch Mayrhofer et al. 2005). Als Maß für solche Einflussgrößen wird darum im Folgenden der Einfluss der fachlichen Zusammensetzung auf verschiedene Aspekte der Arbeitszufriedenheit untersucht.

5.1 Empirischer Modellaufbau

Mit Hilfe der vorliegenden Daten können mehrere Dimensionen der Arbeitszufriedenheit überprüft werden. Es ist zu klären, ob sich durch einen Fachwechsel das Matching der Individuen inhaltlich verbessert und somit die Zufriedenheit der Individuen steigt. Ist dies der Fall, könnten eventuelle finanzielle Einbußen aufgrund der Abschreibung von Humankapital bzw. mangelnde Möglichkeiten eines Mehrverdienstes kompensiert werden.

Die Operationalisierung der Zufriedenheitsdimensionen erfolgt auf einer ordinalen vierstufigen Skala von 1 (sehr unzufrieden) bis 4 (sehr zufrieden). Zur Erfassung der fachlichen und inhaltlichen Passung eines Individuums mit seinem Arbeitsplatz werden die Zufriedenheit mit der Art der Tätigkeit sowie die Zufriedenheit mit der Anwendbarkeit der eigenen Fähigkeiten als abhängige Variablen verwendet. Zudem soll in einem weiteren Modell mit der abhängigen Variable „Zufriedenheit mit dem eigenen Einkommen“ geprüft werden, wie fachlich diversifizierte Individuen ihr – vor allem für Männer – niedrigeres Einkommen bewerten. Da es sich um ordinal skalierte Variablen handelt, werden Ordered Logit-Modelle mit robusten Standardfehlern geschätzt.

Die verwendeten Kontrollvariablen berücksichtigen personen- und arbeitsbezogene Variablen. Dabei richtet sich die Auswahl der Kontrollvariablen nach den Erkenntnissen der Zufriedenheitsforschung und deren Ergebnissen zu den Zufriedenheit bestimmenden Faktoren (zum Einfluss personen- und arbeitsbezogener Faktoren siehe z. B. Miller 1980; Clark 1996; Gazioglu u. Tansel 2006; zum Einfluss des Alters siehe z. B. Clark et al. 1996; zum Einfluss des Geschlechts siehe z. B. Clark 1997; Kirchmeyer 1998; Sloane u. Williams 2000; Sousa-Poza u. Sousa-Poza 2000; zum Einfluss von Über- bzw. Unterqualifikation siehe z. B. Green u. Zhu 2008; Florit u. Vila 2007; Vaisey 2006; Vila u. García-Mora 2005; Pollmann-Schult u. Büchel 2004; Belfield u. Harris 2002; Battu et al. 1999).

Da auch diese Modelle mit den gleichen Variablen, aber mit zwei verschiedenen Referenzgruppen bezüglich der fachlichen Zusammensetzung einer Berufsbildung (Einfachqualifikation vs. Mehrfachqualifikation ohne Fachwechsel) geschätzt wurden, werden im Folgenden nur die Ergebnisse der Modelle mit der Referenzgruppe „Einfachqualifikation“ in Gänze dargestellt (vgl. Tab. 2). Da die Koeffizienten der übrigen Variablen unabhängig von der Wahl der oben gewählten Referenzgruppe sind, werden die Ergebnisse zur fachlichen Zusammensetzung mit beiden Referenzgrößen aus Gründen der Übersichtlichkeit noch einmal in einer gesonderten Tab. 3 zusammengefasst.

Tab. 2 Arbeitszufriedenheit
Tab. 3 Zufriedenheit mit Art der Tätigkeit und Anwendbarkeit der eigenen Fähigkeiten

5.2 Ergebnisse

5.2.1 Zufriedenheit mit der Art der Tätigkeit und der Anwendbarkeit der eigenen Fähigkeiten

Der Matching-Theorie folgend ist für fachlich diversifizierte Personen eine höhere Zufriedenheit oder zumindest ähnlich hohe Zufriedenheit mit den inhaltlichen Komponenten der ausgeübten Tätigkeit zu erwarten wie für Personen ohne Fachwechsel. Jedoch zeigen die Schätzungen in Tab. 3, dass die Hypothese des besseren subjektiven Matchings und der daraus resultierenden größeren Zufriedenheit durch einen Fachwechsel nicht zutrifft. Vielmehr weisen die Koeffizienten einer Mehrfachqualifikation mit Fachwechsel stets negative Vorzeichen auf, jedoch nicht immer im signifikanten Bereich. Zudem wird deutlich, dass auch hier die Effekte der fachlichen Zusammensetzung einer Berufsbildung geschlechtsabhängig sind. Vor allem Frauen weisen nach einem Fachwechsel eine geringere Zufriedenheit mit den inhaltlichen Aspekten ihrer Erwerbstätigkeit auf. Dies wird vor allem bei den Modellen zur Zufriedenheit mit der Art der Tätigkeit deutlich (Spalten (5) und (6)), wo ein Fachwechsel zu einer geringeren Zufriedenheit sowohl im Vergleich zu Einfachqualifikationen als auch im Vergleich zu Mehrfachqualifikationen ohne Fachwechsel führt. Bezüglich der Anwendbarkeit der Fähigkeiten kann nur im Vergleich zu Mehrfachqualifikationen ohne Fachwechsel ein negativer Effekt des Fachwechsels identifiziert werden (Spalte (7)).

Für Männer zeigt sich ein anderes Bild. Hier ist es weniger der Fachwechsel, der signifikante Unterschiede hervorruft, sondern die Mehrfachqualifikation an sich. Spalten (2) und (4) zeigen, dass bei beiden Arten von Mehrfachqualifikationen die Zufriedenheit mit den untersuchten inhaltlichen Aspekten der Erwerbstätigkeit niedriger ist als bei Einfachqualifikationen, wobei drei der vier Koeffizienten signifikant sind.

Diese Ergebnisse verdeutlichen zwei Dinge: Erstens ist auch hier der Effekt der fachlichen Zusammensetzung einer Berufsbildung abhängig vom Geschlecht der jeweiligen Person. Bei Männern ist die entscheidende Dimension die Mehrfachqualifikation an sich. Sowohl bei fachlicher Spezialisierung als auch Diversifizierung weisen die zugehörigen Koeffizienten (meist) signifikant negative Werte im Vergleich zu Einfachqualifikationen auf. Für Frauen hingegen bedingen nicht Mehrfachqualifikationen an sich eine geringere Zufriedenheit, sondern vor allem Mehrfachqualifikationen, die aus mehreren Fachgebieten bestehen. Diese schneiden meist sowohl im Vergleich zu Einfachqualifikationen als auch zu Mehrfachqualifikationen ohne Fachwechsel schlechter ab.

Zweitens wird durch obige Ergebnisse deutlich, dass ein Fachwechsel nicht die subjektive Passung der individuellen Fähigkeiten auf einen bestimmten Arbeitsplatz fördert. Im Gegenteil wird für beide Geschlechter häufig ein negativer Effekt eines Fachwechsels auf die Zufriedenheit mit der Art der Tätigkeit sowie der Anwendbarkeit der Fähigkeiten festgestellt. Vor allem Frauen, deren Einkommen von der fachlichen Zusammensetzung ihrer Berufsbildung unabhängig ist, sind meist unzufriedener mit der inhaltlichen Ausrichtung ihrer Erwerbstätigkeit als bei fachlicher Spezialisierung mit einer oder mehrere Berufsbildungen. Auch Männer beurteilen die inhaltlichen Aspekte ihrer Erwerbstätigkeit bei einem Fachwechsel geringer, vor allem im Vergleich zu Kollegen mit nur einer Berufsbildung. Allerdings sind sie – sofern eine Mehrfachqualifikation unternommen wurde – nach einem Fachwechsel nicht unzufriedener als ohne Fachwechsel. Damit weisen Männer –sofern sie sich für eine Mehrfachqualifikation entschieden haben – unabhängig von der fachlichen Zusammensetzung ein gleich gutes subjektives Matching auf, weshalb die Hypothese eines besseren Matchings durch einen Fachwechsel für Männer nicht ganz ausgeschlossen werden kann.

Die Koeffizienten der Kontrollvariablen bestätigen zum Großteil die Ergebnisse früherer Forschung. Wie in bereits durchgeführten Studien hat auch in Tab. 2 Unterforderung einen negativen Einfluss auf die Zufriedenheit. Auch bestätigt sich, dass eine unsichere Arbeitsmarktlage, in diesem Fall operationalisiert über Arbeitslosigkeit in der Vergangenheit und die Gefahr der Entlassung in der Zukunft, einen negativen Effekt auf die Zufriedenheit der Individuen hat (siehe z. B. Gazioglu u. Tansel 2006). Befristete Beschäftigung hat hingegen hier wie auch in vorangegangenen Studien keinen Einfluss auf die Zufriedenheit (siehe z. B. Sloane u. Williams 2000). Auch der Befund früherer Analysen einer geringeren Zufriedenheit bei steigender Betriebsgröße wird deutlich (siehe z. B. Clark 1996). Einkommen, wie bereits oft festgestellt, steigert die Zufriedenheit der Befragten (siehe z. B. Gazioglu u. Tansel 2006; Clark 1996).

5.2.2 Zufriedenheit mit dem Einkommen

Im nächsten Schritt soll geprüft werden, ob Einkommen eine geringere Relevanz für fachlich diversifizierte Individuen hat. Wenn das Einkommensniveau bei der Wahl einer Berufsbildung eine geringere Rolle spielt, müsste die Zufriedenheit mit dem Einkommen bei fachlich Diversifizierten höher oder zumindest gleich hoch sein wie bei fachlich Spezialisierten.

Tabelle 4 zeigt jedoch, dass gerade Männer, für die ein negativer finanzieller Effekt der fachlichen Diversifizierung im Vergleich zu fachlich spezialisierten Mehrfachausbildungen nachgewiesen wurde, bei gleichem Einkommen unzufriedener sind als ihre spezialisierten Kollegen (Spalte (1)). Sie sind demnach – selbst wenn sie gleich viel verdienen wie ihre mehrfachqualifizierten Kollegen ohne Fachwechsel – der Meinung, dass sie mehr verdienen sollten. Damit wird das ohnehin nach einem Fachwechsel niedrigere Einkommen subjektiv übermäßig negativ bewertet.

Tab. 4 Zufriedenheit mit dem Einkommen

Für Frauen ist kein Effekt der fachlichen Diversifizierung auf die Zufriedenheit mit dem Einkommen feststellbar. Dies ist nicht erstaunlich, da auch quantitativ kein Einkommensunterschied in Abhängigkeit von fachlichen Konstellationen festgestellt werden konnte.

Eine mögliche Erklärung für die überdurchschnittliche Einkommensunzufriedenheit der Männer und die Unzufriedenheit der befragten Personen mit den inhaltlichen Komponenten ihrer Erwerbstätigkeit bieten Studien zum Zusammenhang zwischen (Berufs-) Bildung und Arbeitszufriedenheit. Diese weisen meist einen negativen Zusammenhang zwischen Bildungsniveau und Arbeitszufriedenheit nach (siehe z. B. Gazioglu u. Tansel 2006; Clark 1996; Clark u. Oswald 1996). Als Erklärung für diesen im ersten Moment kontraintuitiven Befund führen die Autoren häufig an, dass Zufriedenheit stets in Relation wahrgenommen wird. Jedes Individuum misst den eigenen Erfolg an bestimmten Referenzgrößen.

Referenzpunkte können folglich andere Personen oder Personengruppen, aber auch aus der eigenen Vergangenheit gebildete Erwartungen über die persönliche Zukunft sein. Die Autoren gehen davon aus, dass im Zuge der Berufsbildung diese Erwartungen über den eigenen Erfolg immer weiter wachsen. Der Referenzpunkt verschiebt sich gleichsam nach oben und es wird immer schwieriger ihn zu erreichen. Empfindet ein Arbeitnehmer den eigenen Erfolg geringer als seinen individuellen Referenzpunkt, geht dies mit (der empirisch konstatierten) Unzufriedenheit einher (siehe z. B. King u. Hautaluoma 1987; Clark 1996; Clark u. Oswald 1996).

Dieser Mechanismus kann eine Erklärung für die Unzufriedenheit nach einem Fachwechsel sein. Beziehen diese Personen in ihre Erwartungsbildung zu adäquaten Verdienst- und Arbeitsplatzmöglichkeiten ihre gesamte Berufsbildungsdauer mit ein, überschätzen sie mitunter deren Wertschätzung am Arbeitsmarkt. Vor dem Hintergrund der zuvor dargestellten Ergebnisse könnte dies bedeuten, dass Männer sich bei der Beurteilung ihres Einkommens vor allem mit Personen mit gleicher Bildungsdauer vergleichen ohne dabei zu beachten, welche Fachkombination einer bestimmten Bildungsdauer zu Grunde liegt. Da bei Personen mit Mehrfachqualifikation in diesem Fall auch die Referenzgruppe aus Personen mit mehreren Qualifikationen besteht, ist der Erwartungswert der Referenzgruppe bei Personen mit einem Fachwechsel höher als das individuell zu erwartende Einkommen. Schließlich befinden sich in der Referenzgruppe auch Männer mit einer spezialisierten Mehrfachausbildung, die – wie die obige Analyse gezeigt hat – über ein höheres Einkommen verfügen und damit den Referenzpunkt nach oben verschieben. Bleibt das tatsächliche Einkommen fachlich diversifizierter Männer hinter diesem Referenzpunkt zurück – und das tut es, wie die Analyse zeigte – senkt dies ihre Zufriedenheit. Für Frauen hat die fachliche Zusammensetzung ihrer Berufsbildung hingegen keinen Effekt auf das Einkommensniveau, weshalb es auch die Höhe des Referenzpunktes bei fachlich diversifizierten Arbeitnehmerinnen nicht verzerrt und sie darum mit ihrem Einkommen auch nach einem Fachwechsel zufrieden sind.

Ein ähnlicher Mechanismus der Erwartungsbildung kann jedoch auch ihre subjektiv schlechte Beurteilung der Zufriedenheit mit der Art der Tätigkeit und der Anwendbarkeit der eigenen Fähigkeiten erklären. Vor allem ein Fachwechsel senkt die Zufriedenheit der Frauen in diesen beiden Bereichen. Das ist erstaunlich, da es zeigt, dass die subjektive Wertschätzung einer Mehrfachqualifikation der Individuen an diesem Punkt nicht mit der finanziellen Honorierung am Arbeitsmarkt übereinstimmt. Denn während sich das Einkommen von fachlich spezialisierten und fachlich diversifizierten Mehrfachqualifikationen im Vergleich zu Einfachausbildungen für Frauen nicht unterscheidet, sind diese vor allem bei fachlich diversifizierten Mehrfachqualifikationen mit dem, was sie für dieses Geld tun, unzufriedener. Jedoch kann auch dieses Phänomen über die Verschiebung eines individuellen Referenzpunktes bezüglich des im Zuge der Berufsbildung erworbenen „Einsatzspektrums“ erklärt werden. Ist auf dem Arbeitsmarkt für eine bestimmte Stelle nur ein Element ihrer Berufsbildung relevant, kann dies zur Folge haben, dass auch das Tätigkeitsfeld nur einen Teil der Fähigkeiten, die eine Person während einer fachlich diversifizierten Berufsbildung erworben hat, in Anspruch nimmt und die Person darum unzufrieden mit diesem Arbeitsplatz und seinen Anforderungen ist – hat sie doch das Gefühl, für weit mehr oder andere Tätigkeiten ausgebildet worden zu sein. Empfindet sich der Arbeitnehmer aufgrund seiner Mehrfachqualifikation zudem als überqualifiziert für seinen Arbeitsplatz, kann dies die Unzufriedenheit weiter erhöhen.Footnote 13

Ist diese Überlegung bei einem Fachwechsel noch sehr einleuchtend, verblüffen die Ergebnisse umso mehr, wenn man die Ergebnisse der Männer betrachtet. Bei ihnen liegt, was die Unzufriedenheit mit der Art der Tätigkeit und der Anwendbarkeit der eigenen Fähigkeiten angeht, das Problem nicht in der fachlichen Ausrichtung, sondern bei der Mehrfachqualifikation an sich, unabhängig davon, ob sie ein einziges oder mehrere Fachgebiete umfasst. Dies impliziert, dass die (subjektive) Anwendbarkeit einer kombinierten Berufsbildung, selbst wenn sie in einem Fachgebiet stattfand, für Männer begrenzt ist. Da jedoch nur bei einem Fachwechsel der Arbeitsmarkt mit einem geringeren Einkommen reagiert, wird auch hier die unterschiedliche Wahrnehmung einer fachlichen Kombination durch den Arbeitsmarkt und das Individuum deutlich.

6 Zusammenfassung und Ausblick

Rund ein Viertel aller Erwerbstätigen in Deutschland verfügt über eine Mehrfachausbildung. Da eine ausschließliche Berücksichtigung des höchsten berufsqualifizierenden Abschlusses damit für jede vierte Person in Deutschland alle Effekte vorangegangener Berufsbildungsschritte ignoriert, wird im Zuge dieser Analyse die gesamte Berufsbildungskarriere betrachtet. Im Fokus der Untersuchung steht dabei die Problematik der fachlichen Zusammensetzung einer Berufsbildung und deren Auswirkungen auf Einkommensniveau, Einkommensrisiko und Arbeitszufriedenheit eines Individuums im späteren Erwerbsleben. Dabei werden drei Fälle unterschieden: Einfachqualifikationen mit nur einem Berufsbildungsschritt sowie Mehrfachqualifikationen mit bzw. ohne Fachwechsel.

Drei Fragen stehen im Mittelpunkt der Untersuchung. Erstens, ob ein Fachwechsel mit einem geringeren Einkommensniveau verbunden ist, zweitens, ob auch bezüglich der fachlichen Zusammensetzung ein Trade-Off zwischen Einkommensniveau und –risiko besteht sowie drittens, ob fachliche Diversifizierung als Folge eines Matching-Prozesses zu höherer Arbeitszufriedenheit führt.

Aufgrund der Eingrenzung der Datengrundlage können nur Aussagen für erwerbstätige Personen gemacht werden, die mit einer (fachgebundenen) Hochschulreife mindestens einen berufsbildenden Schritt im kaufmännisch/wirtschaftswissenschaftlichen Bereich absolviert haben. Für diese Gruppe legen die empirischen Ergebnisse nahe, dass die fachliche Zusammensetzung der Berufsbildung für Männer und Frauen zu unterschiedlichen Ergebnissen führt. Zwar bietet eine Mehrfachqualifikation im kaufmännisch/wirtschaftswissenschaftlichen Bereich per se für beide Geschlechter keine Einkommenseffekte, jedoch ist bei der Wahl einer Mehrfachqualifikation ihr Effekt für Männer abhängig von der fachlichen Ausgestaltung. Wechseln sie im Zuge einer Mehrfachqualifikation das Fachgebiet, können zum einen geringere Einkommen realisiert werden, zum anderen müssen sie jedoch auch nur ein geringeres Einkommensrisiko in Kauf nehmen. Allerdings sind sie mit ihrem Einkommen überdurchschnittlich unzufrieden. Bezüglich der übrigen untersuchten Zufriedenheitsfaktoren (Art der Tätigkeit, Anwendbarkeit der Fähigkeiten) weisen sie keine signifikanten Unterschiede zu ihren spezialisierten Kollegen auf.

Für Frauen mit kaufmännisch/wirtschaftswissenschaftlichen Berufsbildungsinhalten hat die fachliche Zusammensetzung der Berufsbildung keine signifikanten Effekte das Einkommensniveau oder Einkommensrisiko betreffend. Weder unterscheiden sich Einfach- von Mehrfachqualifikationen noch kann bei Mehrfachqualifikationen ein Unterschied in Abhängigkeit von der fachlichen Zusammensetzung festgemacht werden. Allerdings sind sie vor allem nach einer fachlich diversifizierten Mehrfachqualifikation häufig unzufriedener mit der Art ihrer Tätigkeit und den Möglichkeiten, ihre erworbenen Fähigkeiten anzuwenden. Ein verbessertes inhaltliches Matching durch einen Fachwechsel kann demnach vor allem für Frauen nicht bestätigt werden.

Damit ergibt sich aus aktueller Sicht sowohl für Männer als auch für Frauen kein Trade-Off zwischen finanziellen Motiven und Aspekten der Arbeitszufriedenheit. Für fachlich diversifizierte Männer, die Einkommenseinbußen verzeichnen, konnte kein Aspekt des Erwerbslebens identifiziert werden, mit dem sie zufriedener sind als ihre spezialisierten Kolleginnen und Kollegen und der das geringere Einkommen kompensieren könnte. Fachlich diversifizierte Frauen, die unzufriedener mit ihrer Tätigkeit und der Anwendbarkeit ihrer Fähigkeiten sind, können auf der anderen Seite diese Unzufriedenheit nicht mit einem höheren Einkommen kompensieren.Footnote 14

Ein ernüchterndes Ergebnis für alle mit Mehrfachqualifikation? Die traurige Erkenntnis, dass die zusätzliche Berufsbildung keine oder sogar eine negative finanzielle Wirkung hat? Dass die Bemühung, sich fachlich flexibel und breit auszubilden in Unzufriedenheit gipfelt? Nicht unbedingt! Zunächst einmal bestätigen die Ergebnisse, dass Männer und Frauen ihre Erwerbssituation anhand verschiedener Kriterien beurteilen (siehe z. B. Manning 2003). Während für Männer vor allem der finanzielle Aspekt eine große Rolle spielt, bewerten Frauen inhaltliche Gesichtspunkte stärker. Des Weiteren verdeutlichen die Ergebnisse, dass die objektive Wahrnehmung einer Mehrfachqualifikation durch den Arbeitsmarkt von der subjektiven Wahrnehmung durch das Individuum häufig differiert.

Nichtsdestotrotz – obwohl Mehrfachqualifikationen mit kaufmännisch/wirtschaftswissenschaftlichen Anteilen an sich nicht mit geringeren Einkommen und höherer Unzufriedenheit verbunden sind – kann die negative Wirkung einer fachlichen Diversifizierung nicht abgestritten werden. Die empirischen Ergebnisse stützen die These einer Humankapitalabschreibung bei Fachwechseln innerhalb einer Berufsbildung. Für Frauen bedeutet dies nur keine Mehreinnahmen durch zusätzliche Berufsbildungsschritte, bei Männern wertet der Arbeitsmarkt einen Fachwechsel jedoch zusätzlich mit einem geringeren Einkommen ab.

Offen bleibt die Frage, warum die fachliche Zusammensetzung einer Berufsbildung diese stark geschlechtsabhängige Wirkung hat. Zukünftige Projekte sollten sich darum mit den unterschiedlichen Erwerbsverläufen von Männern und Frauen beschäftigen, um auf diese Weise den geschlechtsspezifischen Effekt der fachlichen Zusammensetzung einer Berufsbildung zu erörtern. Des Weiteren stellt sich die Frage, ob die Ergebnisse durch die Eingrenzung des betrachteten Fachgebiets auf Berufsbildungskarrieren, die kaufmännisch/wirtschaftswissenschaftliche Elemente aufweisen, beeinflusst werden. Eine ähnliche Untersuchung in einem anderen Fachgebiet wie z. B. Ingenieurwissenschaften könnte hier Aufschluss bieten. Zuletzt bleibt ungeklärt, ob die Wertigkeit von Mehrfachqualifikationen sich seit Erhebung der Daten vor zehn Jahren aufgrund eines sich wandelnden Bildungs- und Arbeitsmarktes verändert hat. Es ist denkbar, dass der technologische wie organisatorische Wandel am Arbeitsmarkt, der zunehmend Flexibilität und schnelle Anpassungsfähigkeit von Arbeitnehmern verlangt, eine fachlich diversifizierte Berufsbildung heute positiver bewertet.