1 Einleitung

Zur Behandlung der inhomogenen Differentialgleichung:

$$\begin{aligned} {\left\{ \begin{array}{ll} \frac{\mathrm {d}u(t)}{\mathrm {d}t}+A(t)u(t)+f(t)=0,\quad t_1<t<t_2\\ u(t_1)=\varphi \end{array}\right. } \end{aligned}$$
(1.1)

im abstrakten Hilbertraum H verwenden wir deren Integralgleichung:

$$\begin{aligned} u(t)=U(t,t_1)\varphi -\int _{t_1}^t U(t,s)f(s)\mathrm {d}s. \end{aligned}$$
(1.2)

Dabei ist U(ts) der von der Operatorenschar A(t) erzeugte Evolutionsoperator nach Kato  [3], Theorem 3, Seite 210. Das bedeutet als Erstes, dass wir uns mit dem hyperbolischen Fall befassen. Wir setzen voraus, dass iA(t), \(t\in [t_1,t_2]\), selbstadjungiert sind sowie deren Definitionsbereich \(D\bigl (A(t)\bigr )=D\) konstant ist.

Wie anhand von (1.2) zu sehen ist, gilt der ganze Einsatz dem Integralterm und dessen Regularität, was letztlich mit der Regularität der Funktion \(f:[t_1,t_2]\rightarrow H\) zusammenhängt.

In der Frage der Klassifizierung der Lösbarkeit von (1.1) unterscheidet die Literatur drei regularitätsbezogene Möglichkeiten (siehe Pazy [4], Seiten 105, 106, 109 und 139). Diese sind:

  1. 1.

    Die milde Lösung, die lediglich die Integralgleichung (1.2) erfüllt. Diese Lösung ist dann stetig in \([t_1,t_2]\), was die Integralgleichung (1.2) aufgrund der Eigenschaften des Evolutionsoperators U(ts) und des Integrals leistet. Man setzt hier in der Regel \(f(s)\in L^1\bigl ((t_1,t_2),H\bigr )\) voraus. Wie man sieht, genügt als Anfangswert \(\varphi \in H\).

  2. 2.

    Die starke Lösung, die die Differentialgleichung (1.1) in \([t_1,t_2]\) f. ü. erfüllt mit \(u'(t)\in L^1\bigl ((t_1,t_2),H\bigr )\) und \(u(t)\in D\), \(t\in [t_1,t_2]\) (Pazy [4], Seite 109).

  3. 3.

    Die klassische Lösung. Dann gilt für die Lösung der Differentialgleichung (1.1): \(u(t)\in C^0\bigl ([t_1,t_2], D\bigr )\cap C^1\bigl ([t_1,t_2],H\bigr )\) und u(t) erfüllt somit (1.1) voll.

von Wahl [7], Seite 175, untersuchte im Rahmen nichtlinearer Differentialgleichungen in einem abstrakten reflexiven Banachraum X auch unseren Aufgabentyp im Falle einer lipschitzstetigen Nichthomogenität \(f:[t_1,t_2]\rightarrow X\) und wies klassische Lösungen nach. Im Falle \(A(t)=A\) siehe Pazy [4], Seite 109.

Auf dem Feld des linearen Problemtyps (d.h. \(f(t) = 0\)) entstand nach der Einführung des Stabilitätsbegriffs durch die Arbeit von Kato aus dem Jahr 1970 (s. Tanabe [6] ab Seite 89) eine lebhafte Entwicklung, die im Wesentlichen zuließ, daß die Definitionsbereiche D(A(t)) im Gegensatz zur Arbeit von Kato [3], die die Grundlage unserer vorliegenden Arbeit bildet, nun nicht mehr konstant zu sein brauchen sowie, daß die Operatoren A(t) lediglich starke stetige Halbgruppen erzeugen statt der kontrahierenden bei Kato [3] und natürlich unter der Voraussetzung, daß die Operatoren A(t) den Stabilitätsbedingungen genügen. Zu dieser Entwicklung verweisen wir auf die Arbeit von Bárta [1].

In diesem Zusammenhang beschränken wir uns in der vorliegenden Arbeit auf die Arbeit von Kato [3] als Grundlage. In einer weiteren Arbeit wird später die Lösbarkeit im Kontext dieser Entwicklung untersucht werden.

In der vorliegenden Arbeit befassen wir uns sowohl mit der starken als auch mit der klassischen Lösbarkeit von (1.1) und zeigen, dass die starke Lösbarkeit im Hilbertraum und im Falle einer beschränkten Variation der Funktion \(f:[t_1,t_2]\rightarrow H\) über \([t_1,t_2]\) möglich ist, und dass diese Lösung sogar klassisch ist, wenn f(s) zusätzlich nur stetig ist. Das bedeutet, dass auf die Lipschitzstetigkeit für f(s) verzichtet werden kann. Unsere starke Lösung von (1.1) hat die Regularität:

$$\begin{aligned} u(t)\in C^{0,1}\bigl ([t_1,t_2],H\bigr ),\quad u(t)\in D, \quad t\in [t_1,t_2], \end{aligned}$$

und sie ist eindeutig in dieser Klasse. Diese Eindeutigkeit zeigen wir sogar für lediglich absolut stetige statt lipschitzstetiger Lösungen (Satz 5.1) (vgl. dazu Pazy [4], Seiten 129, 130).

für unser Ziel operieren wir zunächst mit dem Integralterm in (1.2) und beweisen im Satz 3.1(I) allein für den Fall der beschränkten Variation von f(s) die Relation:

$$\begin{aligned} v(t):=\int _{t_1}^t U(t,s)f(s)\mathrm {d}s\in D \end{aligned}$$

für alle \(t\in [t_1,t_2]\). Dafür war bisher \(f(s)\in D\) oder die Differenzierbarkeit von f(s) bzw. zumindest deren Lipschitzstetigkeit erforderlich (siehe dazu z.  Kato[3], Theorem 5, Seite 211). Ferner liefern wir mit (3.2) eine Abschätzung für \(||A(t)v(t)||\) in \([t_1,t_2]\).

Wir fahren dann mit der Regularität von v(t) fort, machen von der Tatsache Gebrauch, dass für f(t) wegen deren beschränkter Variation \(f(t\pm 0)\) für jedes \(t\in [t_1,t_2)\) bzw. \((t_1,t_2]\) existieren und zeigen im Satz 4.1(I) mithilfe der obigen Relation die Identitäten in \([t_1,t_2)\) bzw. \((t_1,t_2]\):

$$\begin{aligned} \frac{\mathrm {d}^\pm v(t)}{\mathrm {d}t}&=f(t\pm 0)-A(t)\int _{t_1}^tU(t,s)f(s)\mathrm {d}s\\&=f(t\pm 0)-A(t)v(t). \end{aligned}$$

Setzen wir mit \(\varphi \in D\) nun:

$$\begin{aligned} u(t):=U(t,t_1)\varphi -v(t), \end{aligned}$$

so ist zumindest \(u(t)\in D\), und es folgt:

$$\begin{aligned} \frac{\mathrm {d}^\pm u(t)}{\mathrm {d}t}&=-A(t)U(t,t_1)\varphi -f(t\pm 0)+A(t)\int _{t_1}^t U(t,s)f(s)\mathrm {d}s\\&=-A(t)u(t)-f(t\pm 0). \end{aligned}$$

D. h.

$$\begin{aligned} \frac{\mathrm {d}^\pm u(t)}{\mathrm {d}t}+A(t)u(t)+f(t\pm 0)= & {} 0,\quad t\in [t_1,t_2)\text { bzw. } (t_1,t_2]\\ u(t_1)= & {} \varphi . \end{aligned}$$

Beachtet man die Tatsache, dass die Funktion f(t) wegen deren beschränkter Variation beschränkt und f. ü. in \([t_1,t_2]\) stetig ist, so hat man:

$$\begin{aligned} u'(t)+A(t)u(t)+f(t)= & {} 0\quad \text {f.}{\ddot{\mathrm{u}}}.\,\,\, \mathrm{in }\, [t_1,t_2]\\ u(t_1)= & {} \varphi , \end{aligned}$$

und da wir im Satz 3.1(II) die Lipschitzstetigkeit von v(t) in \([t_1,t_2]\) beweisen, folgt also \(u'(t)\in L^1((t_1,t_2),H)\), so dass wir somit im Besitz einer starken, nicht aber einer klassischen Lösung für (1.1) sind, da \(u'(t)\) noch nicht stetig ist. Ist aber zusätzlich f(s) in \([t_1,t_2]\) stetig, dann wird u(t) eine klassische Lösung [zur Stetigkeit von A(t)v(t) in diesem Fall siehe (3.3)]. Somit erlangen wir die klassische Lösbarkeit für (1.1), ohne die Lipschitzstetigkeit für f(t) vorauszusetzen, und es reichen hierfür lediglich die einfache Stetigkeit von f(t) und deren beschränkte Variation aus.

In [2] befasste sich der Autor der vorliegenden Arbeit mit ähnlicher Problematik im Hilbertraum, nämlich u. a. mit dem Integral:

$$\begin{aligned} u(t):=\int _{t_1}^t {{\mathrm{e}}}^{\mathrm {i}C(t-s)}f(s)\mathrm {d}s. \end{aligned}$$

Dabei ist f(s) wie in unserem jetzigen Fall von beschränkter Variation über \([t_1,t_2]\) und C ein selbstadjungierter Operator im komplexen Hilbertraum X, so dass \({{\mathrm{e}}}^{\mathrm {i}Ct}\), \(t\in (-\infty ,\infty )\), eine unitäre Gruppe bildet. Er erzielte wie hier u. a. die Relationen:

$$\begin{aligned} u(t)= & {} \int _{t_1}^t {{\mathrm{e}}}^{\mathrm {i}C(t-s)} f(s)\mathrm {d}s\in D(C)\\ \frac{\mathrm {d}^\pm u(t)}{\mathrm {d}t}= & {} f(t\pm 0)+\mathrm {i}C\int _{t_1}^t {{\mathrm{e}}}^{\mathrm {i}C(t-s)} f(s)\mathrm {d}s\end{aligned}$$

sowie die Abschätzung

$$\begin{aligned} \left\| Cu(t)\right\| \le \left\| f(t)-{{\mathrm{e}}}^{\mathrm {i}C(t-t_1)} f(t_1)\right\| + \int _{t_1}^t\left\| df(s)\right\| , \end{aligned}$$

wobei der letzte Term in dieser Abschätzung die Variation der Funktion f(s) für beliebiges \(t\in [t_1,t_2]\) darstellt. Deswegen ist die vorliegende Arbeit auch eine Verallgemeinerung der Resultate aus [2] auf von t abhängige Operatoren A(t).

2 Vorbereitung

Wir formulieren nun die Bedingungen an die Operatoren A(t), \(t\in [t_1,t_2]\):

  1. (a)

    Für \(t\in [t_1,t_2]\) sei \(\mathrm {i}A(t)\) eine Schar selbstadjungierter Operatoren im Hilbertraum H. Dies bedeutet insbesondere:

    $$\begin{aligned} \left\| (I+\alpha A(t))^ {-1}\right\| \le 1, \quad \alpha >0. \end{aligned}$$

    Es wird zudem vorausgesetzt, daß die Operatoren A(t) beschränkte Inversen besitzen.

  2. (b)

    Der Definitionsbereich \(D\bigl (A(t)\bigr )\) sei konstant für alle \(t\in [t_1,t_2]\); also sei für \(t\in [t_1,t_2]\):

    $$\begin{aligned} D:=D\bigl (A(t_1)\bigr )=D\bigl (A(t)\bigr ). \end{aligned}$$
  3. (c)

    Für \(x\in D\) sei A(t)x in \([t_1,t_2]\) stetig differenzierbar.

Aus diesen Bedingungen folgt nach Kato [3], Theorem 3, Seite 210, dass zur Operatorenschar \(-A(t)\) der Evolutionsoperator \(U(t,s)\in L(H)\), \(t,s\in [t_1,t_2]\), \(t{\ge } s\), existiert mit den folgenden Eigenschaften:

$$\begin{aligned}&\displaystyle \left\| U(t,s)\right\| \le 1,\end{aligned}$$
(2.1)
$$\begin{aligned}&\displaystyle \text {F}{\ddot{\mathrm{u}}\mathrm{r}}\,\,\mathrm{jedes}\; x\in H\; ist\; U(t,s)x \;\text {simultan stetig in} \;t \;\text {und} \;s,\; \text {und es ist}\; U(t,t)=I,\nonumber \\ \end{aligned}$$
(2.2)
$$\begin{aligned}&\displaystyle U(t,r)U(r,s)=U(t,s),\quad s\le r\le t\end{aligned}$$
(2.3)
$$\begin{aligned}&\displaystyle \text {und}\nonumber \\&\displaystyle U(t,s)D\subset D. \end{aligned}$$
(2.4)

Lemma 2.1

Es gilt für \(t,s\in [t_1,t_2],\; s\le t\), und \(x\in D\):

$$\begin{aligned} \frac{\partial }{\partial t}\bigl \{U(t,s)x\bigr \}= & {} -A(t)U(t,s)x\end{aligned}$$
(2.5)
$$\begin{aligned}&\text {und}\nonumber \\ \frac{\partial }{\partial s}\bigl \{U(t,s)x\bigr \}= & {} U(t,s)A(s)x. \end{aligned}$$
(2.6)

Beweis Die Identität (2.5) ist die Aussage (1.10) aus Theorem 3 der Arbeit von Kato [3], Seiten 210, 211.

Bzgl. (2.6) zeigen wir dies für \(\frac{\partial ^-}{\partial s}\{U(t,s)x\}\) und \(\frac{\partial ^+}{\partial s}\left\{ U(t,s)x\right\} \). Es sei \(\varepsilon >0\). Wir zeigen für die Ableitung von links:

$$\begin{aligned}&\frac{1}{-\varepsilon }\Bigl \{U(t,s-\varepsilon )-U(t,s)\Bigr \}x\longrightarrow U(t,s)A(s)x\quad (\varepsilon \downarrow 0).\\&\text {Es ist:}\\&\frac{1}{-\varepsilon }\bigl \{U(t,s-\varepsilon )-U(t,s)\bigr \}x-U(t,s)A(s)x\\&\quad = -U(t,s)\left[ \frac{1}{\varepsilon }\bigl \{U(s,s-\varepsilon )-I\bigr \}x+A(s)x\right] , \end{aligned}$$

und dieser Ausdruck strebt nach der Relation (1.7) der Arbeit von Kato [3], Seite 210, gegen 0. Es ist also:

$$\begin{aligned} \frac{\partial ^-}{\partial s}\bigl \{U(t,s)x\bigr \}=U(t,s)A(s)x. \end{aligned}$$

Für rechts von s haben wir für \(\varepsilon >0\):

$$\begin{aligned}&\frac{1}{\varepsilon }\bigl \{U(t,s+\varepsilon )-U(t,s)\bigr \}x-U(t,s)A(s)x\\&\quad =U(t,s+\varepsilon )\frac{1}{\varepsilon }\bigl \{I-U(s+\varepsilon ,s)\bigr \}x-U(t,s)A(s)x\\&\qquad -\, U(t,s+\varepsilon )A(s)x+U(t,s+\varepsilon )A(s)x\\&\quad =-U(t,s+\varepsilon )\left[ \frac{1}{\varepsilon }\bigl \{U(s+\varepsilon ,s)-I\bigr \}x+A(s)x\right] \\&\qquad +\, \bigl \{U(t,s+\varepsilon )-U(t,s)\bigr \}A(s)x\longrightarrow 0+0\quad (\varepsilon \downarrow 0) \end{aligned}$$

nach Kato (1.7) und (1.5), Seite 210.

Es ist also auch hier:

$$\begin{aligned} \frac{\partial ^+}{\partial s}\bigl \{U(t,s)x\bigr \}=U(t,s)A(s)x, \end{aligned}$$

und es folgt insgesamt (2.6). \(\square \)

Hilfssatz 2.2

Für \(t,s\in [t_1,t_2]\) mit \(t_1\le s\le t\le t_2\) ist \(A(t)U(t,s)A^{-1}(s)\in L(H)\), und es gilt mit einer positiven Konstante \(k_1\) für alle \(t,s\in [t_1,t_2]\) mit \(s\le t\) die Abschätzung:

$$\begin{aligned} \left\| A(t)U(t,s)A^{-1}(s)\right\| \le k_1. \end{aligned}$$
(2.7)

Ist ferner \(x\in H\), dann ist darüber hinaus \(A(t)U(t,s)A^{-1}(s)x\) stetig in t und s.

Beweis

Siehe Kato [3], Seite 228. \(\square \)

Hilfssatz 2.3

Es ist \(A'(s)A^{-1}(s)\in L(H)\) für jedes \(s\in [t_1,t_2]\), und es existiert eine positive Konstante \(k_2\), so dass in \([t_1,t_2]\) gilt:

$$\begin{aligned} \left\| A'(s)A^{-1}(s)\right\| \le k_2. \end{aligned}$$
(2.8)

Ferner ist für \(x\in H\) der Ausdruck \(A'(s)A^{-1}(s)x\) in \([t_1,t_2]\) stetig.

Beweis

Die Operatoren A(s) sind stets abgeschlossen und besitzen beschränkte Inversen \(A^{-1}(s),\) \(s\in [t_1,t_2]\). Deswegen sind die Operatoren \(A(t)A^{-1}(s)\), \(t,s\in [t_1,t_2]\), abgeschlossen und im ganzen H erklärt, sind also beschränkt.

für \(x\in D\) ist ferner A(s)x in \([t_1,t_2]\) stetig differenzierbar. Das bedeutet, dass für jedes \(y\in H\) gilt:

$$\begin{aligned} \lim _{\varepsilon \rightarrow 0}\frac{1}{\varepsilon }\bigl \{A(s+\varepsilon )-A(s)\bigr \}A^{-1}(s)y=A'(s)A^{-1}(s)y. \end{aligned}$$

Mit festem \(s\in [t_1,t_2]\) konvergiert also die Familie beschränkter Operatoren:

$$\begin{aligned} \frac{1}{\varepsilon }\bigl \{A(s+\varepsilon )-A(s)\bigr \}A^{-1}(s) \end{aligned}$$

stark gegen \(A'(s)A^{-1}(s)\), so dass nach dem Satz von Banach-Steinhaus die gleichmäßige Beschränktheit:

$$\begin{aligned} \left\| \frac{1}{\varepsilon }\bigl \{A(s+\varepsilon )-A(s)\bigr \}A^{-1}(s)\right\| \le k_2 \end{aligned}$$

für \(s\in [t_1,t_2]\) und genügend klein \(\varepsilon \) mit \(s+\varepsilon \in [t_1,t_2]\) folgt.

Dies ergibt für \(x\in H\) und \(s\in [t_1,t_2]\):

$$\begin{aligned} \left\| A'(s)A^{-1}(s)x\right\|= & {} \lim _{\varepsilon \rightarrow 0}\left\| \frac{1}{\varepsilon }\bigl \{A(s+\varepsilon )-A(s)\bigr \}A^{-1}(s)x\right\| \\\le & {} k_2||x||\end{aligned}$$

und somit also (2.8).

Es bleibt noch, die Stetigkeit von \(A'(s)A^{-1}(s)x\) in \([t_1,t_2]\) und mit \(x\in H\) zu zeigen. Es ist zunächst für \(x\in H\) und \(s\in [t_1,t_2]\) mit \(s+\varepsilon \in [t_1,t_2]\):

$$\begin{aligned}&\left\{ A'(s+\varepsilon )A^{-1}(s+\varepsilon )-A'(s)A^{-1}(s)\right\} x\\&\quad =A'(s+\varepsilon )\left\{ A^{-1}(s+\varepsilon )-A^{-1}(s)\right\} x+\left\{ A'(s+\varepsilon )-A'(s)\right\} A^{-1}(s)x. \end{aligned}$$

Man setze \(y:=A^{-1}(s)x\in D\). Wegen der Stetigkeit von \(A'(t)y\) in \([t_1,t_2]\) gilt für den zweiten Term:

$$\begin{aligned} \left\{ A'(s+\varepsilon )-A'(s)\right\} A^{-1}(s)x=\left\{ A'(s+\varepsilon )-A'(s)\right\} y\longrightarrow 0\quad (\varepsilon \rightarrow 0). \end{aligned}$$

Für den ersten Term gilt durch die Anwendung von (2.8):

$$\begin{aligned}&\left\| A'(s+\varepsilon )\bigl \{A^{-1}(s+\varepsilon )-A^{-1}(s)\bigr \}x\right\| \\&=\left\| A'(s+\varepsilon )\bigl \{A^{-1}(s+\varepsilon )A(s)-I\bigr \}A^{-1}(s)x\right\| \\&=\left\| A'(s+\varepsilon )A^{-1}(s+\varepsilon )\bigl \{A(s+\varepsilon )-A(s)\bigr \}A^{-1}(s)x\right\| \\&\le k_2\left\| \bigl \{A(s+\varepsilon )-A(s)\bigr \}A^{-1}(s)x\right\| \\&=k_2\left\| \bigl \{A(s+\varepsilon )-A(s)\bigr \}y\right\| \longrightarrow 0 \quad (\varepsilon \rightarrow 0). \end{aligned}$$

Es gilt also insgesamt für \(s\in [t_1,t_2]\) und \(x\in H\):

$$\begin{aligned} \left\{ A'(s+\varepsilon )A^{-1}(s+\varepsilon )-A'(s)A^{-1}(s)\right\} x\longrightarrow 0\quad (\varepsilon \rightarrow 0) \end{aligned}$$

und damit die Stetigkeit von \(A'(s)A^ {-1}(s)x\).

Hilfssatz 2.3 ist damit bewiesen. \(\square \)

Hilfssatz 2.4

Für \(x\in D\) gilt in \([t_1,t_2]\):

$$\begin{aligned} {A^*}'(t)x=-A'(t)x={A'}^*(t)x. \end{aligned}$$
(2.9)

D. h. \({A^*}'(t)x\) und \({A'}^{*}(t)x\) sind auch stetig.

Beweis

klar. \(\square \)

Lemma 2.5

  1. (I)

    Es gilt für \(t_1 \le s \le t \le t_2\):

    $$\begin{aligned} U^*(t,s) = U^{-1}(t,s) = U(s,t). \end{aligned}$$
    (2.10)
  2. (II)

    Daraus folgt für \(t_1 \le s \le t \le t_2\) unmittelbar:

    $$\begin{aligned} U^*(t,s)D = U(s,t)D \subset D. \end{aligned}$$
    (2.11)

    Genauso folgt für \(x \in D\):

    $$\begin{aligned} \frac{\partial }{\partial t}\bigl \{U^*(t,s)x\bigr \}=U^*(t,s)A(t)x \end{aligned}$$
    (2.12)

    sowie

    $$\begin{aligned} \frac{\partial }{\partial s}\bigl \{U^*(t,s)x\bigr \}=-A(s)U^*(t,s)x. \end{aligned}$$
    (2.13)

Beweis

Da jeder der Operatoren iA(t) selbstadjungiert ist, erzeugt iA(t) die unitäre Gruppe \(\bigl \{e^{i\tau A(t)}\bigr \}_{-\infty<\tau <\infty }\). Die Bedingungen (b), (c) aus Reed [5], Theorem X.70, sind nach Hilfssatz 2.3 der vorliegenden Arbeit erfüllt, so daß demnach für die Halbgruppe \(\bigl \{e^{-i\tau A(t)}\bigr \}_{\tau \ge 0}\) der Evolutionsoperator V(ts), \(t_{1}\le s\le t\le t_{2}\) als Grenzelement der Folge unitärer Operatoren \(\bigl \{U_{k}(t,s)\bigr \}_{k=1}^\infty \) (Reed [5], Seite 284) existiert. V(ts) ist somit ebenfalls unitär. Da U(ts) nach Kato [3], Theorem 2, durch die Operatorenschar A(t) eindeutig bestimmt ist, ist \(U(t,s) = V(t,s)\). Dies bedeutet: \(U^{*}(t,s)=U^{-1}(t,s), t_{1}\le s\le t\le t_{2}\). Andererseits gilt in unserem Fall nach Tanabe [6], Theorem 4.4.4:   \(U^{-1}(t,s)= U(s,t), t_{1}\le t , s\le t_{2}\). Insgesamt folgt die Behauptung (2.10). \(\square \)

3 Einige Resultate zur Regularität von v

Satz 3.1

Die Funktion \(f:[t_1,t_2]\rightarrow H\) sei von beschränkter Variation über dem Intervall \([t_1,t_2]\) mit der Totalvariation:

$$\begin{aligned} V(f):=\int _{t_1}^{t_2}\left\| \mathrm {d}f(s)\right\| \end{aligned}$$

und der Variation:

$$\begin{aligned} V_f(t):=\int _{t_1}^t\left\| \mathrm {d}f(s)\right\| ,\quad t\in [t_1,t_2]. \end{aligned}$$
  1. (I)

    Dann gilt für jedes \(t\in [t_1,t_2]\) die Relation:

    $$\begin{aligned} v(t)=\int _{t_1}^t U(t,s)f(s)\mathrm {d}s\in D \end{aligned}$$
    (3.1)

    mit der Abschätzung in \([t_1,t_2]\):

    $$\begin{aligned} \left\| A(t)v(t)\right\|\le & {} \left\| f(t)-A(t) U(t,t_1)A^{-1}(t_1)f(t_1)\right\| \nonumber \\&+ \;k_1\int _{t_1}^t\left\| \mathrm {d} f(s)\right\| +k_1k_2\int _{t_1}^t\left\| f(s)\right\| \mathrm {d}s, \end{aligned}$$
    (3.2)

    \(k_1,k_2\) sind dabei aus Hilfssatz 2.2 und 2.3.

  2. (II)

    Die Funktion v(t) ist in \([t_1,t_2]\) lipschitzstetig.

  3. (III)

    Ist darüber hinaus \(f\in C^0\bigl ([t_1,t_2],H\bigr )\), dann ist:

    $$\begin{aligned} A(t)v(t)\in C^0\bigl ([t_1,t_2],H\bigr ). \end{aligned}$$
    (3.3)

Beweis

  1. (I)

    Es sei zunächst \(y\in D(A^2(t))\), dann gilt in \([t_1,t_2]\) durch die Anwendung von Lemma 2.5 und partielle Integration:

    $$\begin{aligned} \bigl (A(t)y,v(t)\bigr )= & {} \int _{t_1}^t\bigl (A(t)y,U(t,s)f(s)\bigr )\mathrm {d}s\\= & {} \int _{t_1}^t\bigl (U^*(t,s)A(t)y,f(s)\bigr )\mathrm {d}s\\= & {} \int _{t_1}^t\left( -A^{-1}(s)\frac{\partial }{\partial s} U^*(t,s)A(t)y,f(s)\right) \mathrm {d}s\\= & {} \int _{t_1}^t\left( -\frac{\partial }{\partial s}\left\{ A^{-1}(s)U^*(t,s)A(t)\right\} y,f(s)\right) \mathrm {d}s\\&- \int _{t_1}^t\bigl (A^{-1}(s)A'(s)A^{-1}(s)U^*(t,s)A(t)y,f(s)\bigr )\mathrm {d}s\\= & {} (-A^{-1}(s) U^*(t,s)A(t)y,f(s))\big \vert _{s=t_1}^t\\&+\int _{t_1}^t(A^{-1}(s)U^*(t,s)A(t)y,\mathrm {d}f(s))\\&-\int _{t_1}^t\bigl (A^{-1}(s)A'(s)A^{-1}(s)U^*(t,s)A(t)y,f(s)\bigr )\mathrm {d}s\\=: & {} T_1+T_2+T_3. \end{aligned}$$

    Es gilt für diese Terme (beachte \({A^{-1}}^*(s)=-A^{-1}(s)\)):

    $$\begin{aligned} T_1= & {} \left( -A^{-1}(s)U^*(t,s)A(t)y,f(s)\right) \big \vert _{s=t_1}^t\\= & {} \left( y,-A(t)U(t,s)A^{-1}(s)f(s)\right) \big \vert _{s=t_1}^t\\= & {} \left( y,-f(t)+A(t)U(t,t_1)A^{-1}(t_1)f(t_1)\right) , \end{aligned}$$

    und dies ergibt:

    $$\begin{aligned} |T_1|\le ||y||||f(t)-A(t)U(t,t_1)A^{-1}(t_1)f(t_1)||. \end{aligned}$$

    Für \(T_2\) gilt wegen \(y\in D\) und nach Hilfssatz 2.2 zunächst in \([t_1,t_2]\):

    $$\begin{aligned} \left\| A^{-1}(s)U^*(t,s)A(t)y\right\|= & {} \left\| \bigl \{A(t)U(t,s)A^{-1}(s)\bigr \}^*y\right\| \\\le & {} k_1\left\| y\right\| , \end{aligned}$$

    so dass folgt:

    $$\begin{aligned} |T_2|\le \left||y\right||k_1\int _{t_1}^t \left||\mathrm {d}f(s)\right||. \end{aligned}$$

    Für \(T_3\) haben wir durch die Anwendung von Hilfssatz 2.4 zunächst:

    $$\begin{aligned} T_3= & {} -\int _{t_1}^t\left( A^{-1}(s)A'(s)A^{-1}(s)U^*(t,s)A(t)y,f(s)\right) \mathrm {d}s\\= & {} -\int _{t_1}^t\Bigl (y,\bigl \{A(t)U(t,s)A^{-1}(s)\bigr \}\bigl \{A'(s)A^{-1}(s)\bigr \}f(s)\Bigr )\mathrm {d}s, \end{aligned}$$

    und es folgt somit nach Hilfssatz 2.2 und 2.3:

    $$\begin{aligned} |T_3|\le ||y||k_1k_2\int _{t_1}^t\left||f(s)\right||\mathrm {d}s, \end{aligned}$$

    wobei die Funktion f(s) in \([t_1,t_2]\) wegen deren beschränkter Variation beschränkt ist. Insgesamt haben wir für \(y\in D(A^2(t)), \; t\in [t_1,t_2]\):

    $$\begin{aligned} \left\| \left( A(t)y,v(t)\right) \right\|\le & {} \left\| y\right\| \Bigl (\left\| f(t)-A(t)U(t,t_1)A^{-1}(t_1)f(t_1)\right\| \\&+\; k_1\int _{t_1}^t\left\| \mathrm {d}f(s)\right\| +k_1k_2\int _{t_1}^t\left\| f(s)\right\| \mathrm {d}s\Bigr ). \end{aligned}$$

    Da \(D(A^2(t))\) dicht in D(A(t)) liegt, gilt diese Abschätzung für \(y\in D\) ebenfalls. Es folgt:

    $$\begin{aligned} v(t)\in D,\quad t\in [t_1,t_2], \end{aligned}$$

    die Relation (3.1) also, so dass wegen \(\left\| \bigl ( A(t)y,v(t)\bigr )\right\| =\left\| \bigl (y,A(t)v(t)\bigr )\right\| \) die obige Abschätzung für \(\left\| \bigl (y,A(t)v(t)\bigr )\right\| \) mit \(y \in H\) gilt , denn D liegt dicht in H. Es folgt also nach dem Satz von Riesz:

    $$\begin{aligned} \left\| A(t)v(t)\right\|= & {} \sup _{0\ne y\in H}\frac{\left\| \left( y,A(t)v(t)\right) \right\| }{||y||}\\\le & {} \left||f(t)-A(t) U(t,t_1)A^{-1}(t_1)f(t_1)\right||+ k_1\int _{t_1}^t\left\| \mathrm {d}f(s)\right\| \\&+\; k_1k_2\int _{t_1}^t\left\| f(s)\right\| \mathrm {d}s, \end{aligned}$$

    die Abschätzung (3.2) also.

  2. (II)

    Es ist durch die Anwendung von (2.3):

    $$\begin{aligned} v(t+\varepsilon )-v(t)= & {} \int _{t_1}^{t+\varepsilon }U(t+\varepsilon ,s)f(s)\mathrm {d}s-\int _{t_1}^tU(t,s)f(s)\mathrm {d}s\\= & {} U(t+\varepsilon ,t)\int _{t_1}^tU(t,s)f(s)\mathrm {d}s+\int _t^{t+\varepsilon }U(t+\varepsilon ,s)f(s)\mathrm {d}s\\&-\;\int _{t_1}^t U(t,s)f(s)\mathrm {d}s\\= & {} \bigl \{U(t+\varepsilon ,t)-I\bigr \}\int _{t_1}^tU(t,s)f(s)\mathrm {d}s+\int _t^{t+\varepsilon }U(t+\varepsilon ,s)f(s)\mathrm {d}s\\= & {} \bigl \{U(t+\varepsilon ,t)-I\bigr \}v(t)+\int _{t}^{t+\varepsilon }U(t+\varepsilon ,s)f(s)\mathrm {d}s. \end{aligned}$$

    Es gilt für den ersten Term durch die Anwendung von (2.7) und (3.2):

    Für den anderen obigen Integralterm gilt:

    Es gilt also die Lipschitzstetigkeit von v(t) in \([t_1,t_2]\).

  3. (III)

    Es sei darüber hinaus \(f(s)\in C^0\bigl ([t_1,t_2],H\bigr )\). Wir zeigen nun in \([t_1,t_2]\):

    $$\begin{aligned} A(t+\varepsilon )v(t+\varepsilon )-A(t)v(t)\longrightarrow 0\quad (\varepsilon \rightarrow 0). \end{aligned}$$

    Es ist für \(\varepsilon >0\) (für \(\varepsilon <0\) gilt es ähnlich):

    $$\begin{aligned}&A(t+\varepsilon )\int _{t_1}^{t+\varepsilon } U(t+\varepsilon ,s) f(s)\mathrm {d}s-A(t)\int _{t_1}^{t}U(t,s)f(s)\mathrm {d}s\\&\quad =A(t+\varepsilon )\int _{t_1}^t U(t+\varepsilon ,s)f(s)\mathrm {d}s-A(t)\int _{t_1}^t U(t,s)f(s)\mathrm {d}s\\&\qquad +\;A(t+\varepsilon )\int _t^{t+\varepsilon } U(t+\varepsilon ,s)f(s)\mathrm {d}s\\&\quad =\bigl \{A(t+\varepsilon )U(t+\varepsilon ,t)-A(t)\bigr \}\int _{t_1}^tU(t,s)f(s)\mathrm {d}s\\&\qquad +\;A(t+\varepsilon )\int _t^{t+\varepsilon } U(t+\varepsilon ,s)f(s)\mathrm {d}s\\&\quad =: T_1+T_2. \end{aligned}$$

    Der Teil (I) dieses Satzes zusammen mit dem Stetigkeitskriterium aus Hilfssatz 2.2 liefern für den ersten Term:

    $$\begin{aligned} T_1=\left\{ A(t+\varepsilon )U(t+\varepsilon ,t)A^{-1}(t)-I\right\} A(t)\int _{t_1}^t U(t,s)f(s)\mathrm {d}s\longrightarrow 0 \quad (\varepsilon \rightarrow 0). \end{aligned}$$

    Beim zweiten Term \(T_2\) wenden wir zunächst (3.2) an. Es ist:

    $$\begin{aligned} ||T_2||= & {} \left\| A(t+\varepsilon )\int _t^{t+\varepsilon } U(t+\varepsilon ,s)f(s)\mathrm {d}s\right\| \\\le & {} \left||f(t+\varepsilon )-A(t+\varepsilon )U(t+\varepsilon ,t) A^{-1}(t) f(t)\right||\\&+\; k_1\int _t^{t+\varepsilon }\left||\mathrm {d}f(s)\right||+k_1k_2\int _t^{t+\varepsilon }||f(s)||\mathrm {d}s. \end{aligned}$$

    Für den ersten Term der rechten Seite hier gilt wegen der Stetigkeit von f und nach dem Stetigkeitskriterium aus Hilfssatz 2.2:

    $$\begin{aligned}&\left||f(t+\varepsilon )-A(t+\varepsilon )U(t+\varepsilon ,t)A^{-1}(t)f(t)\right||\\&\le \left||f(t+\varepsilon )-f(t)\right||+\left||\left\{ I-A(t+\varepsilon )U(t+\varepsilon ,t)A^{-1}(t)\right\} f(t)\right||\longrightarrow 0\quad (\varepsilon \rightarrow 0). \end{aligned}$$

    Da f stetig ist, gilt auch:

    $$\begin{aligned} \int _t^{t+\varepsilon }\left||\mathrm {d}f(s)\right||\longrightarrow 0\quad (\varepsilon \rightarrow 0) \end{aligned}$$

    (siehe dazu den Autor [2], Lemma 2.2). Ebenfalls gilt also

    $$\begin{aligned} T_2\longrightarrow 0\quad (\varepsilon \rightarrow 0) \end{aligned}$$

    und damit die Stetigkeit von A(t)v(t) insgesamt. Satz 3.1 ist damit bewiesen.

\(\square \)

4 Einige Resultate zur Differenzierbarkeit von v

Weil die Funktion \(f:[t_1,t_2]\rightarrow H\) von beschränkter Variation ist, besitzt sie Grenzwerte von links und rechts eines jeden Punktes \(t\in (t_1,t_2]\) bzw. \([t_1,t_2)\), existieren also \(f(t\pm 0)\). Es gilt nun für unser Integral \(\displaystyle v(t)\) der folgende:

Satz 4.1

  1. (I)

    Unter den Voraussetzungen von Satz 3.1(I) (d. h. f ist nur von beschränkter Variation über \([t_1,t_2]\)) gilt für das Integral \(\displaystyle v(t)\):

    $$\begin{aligned} \frac{\mathrm {d}^\pm v(t)}{\mathrm {d}t}&= f(t\pm 0)-A(t)\int _{t_1}^t U(t,s)f(s)\mathrm {d}s\end{aligned}$$
    (4.1)
    $$\begin{aligned}&=f(t\pm 0)-A(t)v(t),\quad t\in [t_1,t_2) \text { bzw. } (t_1,t_2]. \end{aligned}$$
    (4.2)
  2. (II)

    Unter den Voraussetzungen von Satz 3.1(III) (d. h. zusätzlich \(f\in C^0([t_1,t_2],H))\) gilt für das Integral \(\displaystyle v(t)\):

    $$\begin{aligned} v(t)\in C^0\bigl ([t_1,t_2],D\bigr )\cap C^1\bigl ([t_1,t_2],H\bigr ) \end{aligned}$$
    (4.3)

    mit

    $$\begin{aligned} \frac{\mathrm {d}v(t)}{\mathrm {d}t}&= f(t)-A(t)\int _{t_1}^t U(t,s)f(s)\mathrm {d}s\end{aligned}$$
    (4.4)
    $$\begin{aligned}&=f(t)-A(t)v(t),\quad t\in [t_1,t_2]. \end{aligned}$$
    (4.5)

Beweis

(I) Sei \(\varepsilon >0\). Aus dem Beweis von Satz 3.1(II) übernehmen wir die Darstellung:

$$\begin{aligned} v(t+\varepsilon )-v(t)=\bigl \{U(t+\varepsilon ,t)-I\bigr \}v(t)+\int _t^{t+\varepsilon }U(t+\varepsilon ,s)f(s)\mathrm {d}s. \end{aligned}$$
(4.6)

Dabei ist nach (2.5) i. V. m. Satz 3.1(I):

$$\begin{aligned} \frac{1}{\varepsilon }\bigl \{U(t+\varepsilon ,t)-I\bigr \}v(t)\longrightarrow -A(t)v(t)\quad (\varepsilon \rightarrow 0). \end{aligned}$$
(4.7)

Im Zusammenhang mit (4.6) bleibt noch zu zeigen:

$$\begin{aligned} \frac{1}{\varepsilon }\int _t^{t+\varepsilon }U(t+\varepsilon ,s)f(s)\mathrm {d}s\longrightarrow f(t+ 0)\quad (\varepsilon \rightarrow 0). \end{aligned}$$
(4.8)

Hierzu ist zunächst:

$$\begin{aligned} \frac{1}{\varepsilon }\int _t^{t+\varepsilon }U(t+\varepsilon ,s)f(s)\mathrm {d}s&\overset{(s:=t+\tau )}{=} \frac{1}{\varepsilon }\int _0^\varepsilon U(t+\varepsilon ,t+\tau )\bigl \{f(t+\tau )-f(t+0)\bigr \}\mathrm {d}\tau \\&\overset{\phantom {(s:=t+\tau )}}{+} \frac{1}{\varepsilon }\int _0^\varepsilon U(t+\varepsilon ,t+\tau )f(t+0)\mathrm {d}\tau \\&\overset{\phantom {(s:=t+\tau )}}{=:} T_1(\varepsilon )+T_2(\varepsilon ). \end{aligned}$$

Dabei gilt:

$$\begin{aligned} \lim _{\varepsilon \rightarrow 0}||T_1(\varepsilon )||\le \lim _{\varepsilon \rightarrow 0}\frac{1}{\varepsilon }\int _0^\varepsilon \left\| f(t+\tau )-f(t+0)\right\| \mathrm {d}\tau =0. \end{aligned}$$

Wir müssen also nur noch zeigen:

$$\begin{aligned} \lim _{\varepsilon \rightarrow 0} T_2(\varepsilon )=\lim _{\varepsilon \rightarrow 0}\frac{1}{\varepsilon }\int _0^\varepsilon U(t+\varepsilon ,t+\tau )f(t+0)\mathrm {d}\tau =f(t+0), \end{aligned}$$

was äquivalent ist zu:

$$\begin{aligned} \lim _{\varepsilon \rightarrow 0}\frac{1}{\varepsilon }\int _{0}^\varepsilon \bigl \{U(t+\varepsilon ,t+\tau )-I\bigr \}f(t+0)\mathrm {d}\tau =0. \end{aligned}$$

Es ist in diesem Zusammenhang:

Zu jedem \(\varepsilon >0\) existiert also mindestens ein \(\varepsilon _0\in [0,\varepsilon ]\), so dass dieses gilt. Da andererseits für jedes \(x\in H\) die Funktion U(ts)x nach (2.2) simultan stetig ist in \(t,s\in [t_1,t_2]\) mit \(s\le t\), folgt also:

$$\begin{aligned}&\lim _{\varepsilon \rightarrow 0}\left\| \left\{ U(t+\varepsilon ,t+\varepsilon _0)-I\right\} f(t+0)\right\| \\&\quad = \lim _{\varepsilon _0\le \varepsilon \rightarrow 0}\left\| \left\{ U(t+\varepsilon ,t+\varepsilon _0)-I\right\} f(t+0)\right\| =0, \end{aligned}$$

so dass gilt:

$$\begin{aligned} \lim _{\varepsilon \rightarrow 0} T_2 (\varepsilon )= \lim _{\varepsilon \rightarrow 0}\frac{1}{\varepsilon }\int _0^\varepsilon U(t+\varepsilon ,t+\tau )f(t+0)\mathrm {d}\tau =f(t+0) \end{aligned}$$

und damit (4.8) folgt. (4.6), (4.7) und (4.8) liefern zusammen schließlich:

$$\begin{aligned} \frac{\mathrm {d}^+v(t)}{\mathrm {d}t}= & {} \lim _{\varepsilon \rightarrow 0}\frac{1}{\varepsilon }\bigl \{v(t+\varepsilon )-v(t)\bigr \}\\= & {} f(t+0)-A(t)v(t)\\= & {} f(t+0)-A(t)\int _{t_1}^t U(t,s)f(s)\mathrm {d}s. \end{aligned}$$

Bei \(\varepsilon <0\) folgt ähnlich:

$$\begin{aligned} \frac{\mathrm {d}^-v(t)}{\mathrm {d}t}= & {} f(t-0)-A(t)v(t)\\= & {} f(t-0)-A(t)\int _{t_1}^t U(t,s)f(s)\mathrm {d}s. \end{aligned}$$

Damit ist Teil (I) des Satzes bewiesen.

Der Beweis von Teil (II) des Satzes ist trivial, da wegen der Stetigkeit von f(s) einerseits \(f(t\pm 0)=f(t)\) gilt und andererseits A(t)v(t) nach Satz 3.1(III) stetig ist, so dass in diesem Fall (4.3) und (4.4) folgen.

Satz 4.1 ist somit bewiesen. \(\square \)

5 Die eindeutige starke und klassische Lösbarkeit von (1.1)

Wir sind inzwischen in der Lage, uns mit der Problematik der inhomogenen Differentialgleichung (1.1) aus der Perspektive unserer bisherigen Ergebnisse zu befassen. Wir weisen in diesem abschließenden Abschnitt sowohl starke als auch klassische Lösungen für (1.1) nach je nachdem, ob die Nichthomogenität f(t) lediglich von beschränkter Variation oder zusätzlich stetig ist. Unsere starke Lösung u(t) ist eine Folge deren Lipschitzstetigkeit (s. Satz 3.1(II)). Ferner zeigen wir die Eindeutigkeit der starken und somit auch der klassischen Lösungen. Diese Eindeutigkeit zeigen wir sogar für absolut stetige statt lipschitzstetiger Lösungen. Die übliche Forderung der Lipschitzstetigkeit der Nichthomogenität f(t) für den direkten Nachweis der klassischen Lösbarkeit erübrigt sich somit also (siehe äquivalent dazu Kato [3], Theorem 5, Seite 211).

Bzgl. der starken Lösbarkeit von (1.1) und deren Eindeutigkeit zeigen wir diese für die Differentialgleichung:

$$\begin{aligned} {\left\{ \begin{array}{ll} \displaystyle \frac{\mathrm {d}^\pm u(t)}{\mathrm {d}t}+A(t)u(t)+f(t\pm 0)=0,\quad t\in [t_1,t_2) \text { bzw. } (t_1,t_2]&{}\\ u(t_1)=\varphi \in D&{} \end{array}\right. } \end{aligned}$$
(5.1)

Wir erlangen hierbei genau eine Lösung:

$$\begin{aligned} u(t)\in C^{0,1}\bigl ([t_1,t_2],H\bigr ),\quad u(t)\in D \end{aligned}$$
(5.2)

mit der eindeutigen Darstellung in \([t_1,t_2]\):

$$\begin{aligned} u(t)=U(t,t_1)\varphi -\int _{t_1}^t U(t,s)f(s)\mathrm {d}s. \end{aligned}$$
(5.3)

Das bedeutet die Existenz genau einer lipschitzstetigen und somit einer starken Lösung für (1.1), wenn f von beschränkter Variation ist. Wir zeigen ferner, dass diese Lösung klassisch wird, wenn f zusätzlich stetig ist.

Die Definitionen der starken und der klassischen Lösung befinden sich in der Einleitung.

Satz 5.1

  1. (I)

    Die Bedingungen (a)–(c) an A(t) aus Abschnitt II seien erfüllt. Ferner seien die Funktion \(f:[t_1,t_2]\rightarrow H\) von beschränkter Variation und \(\varphi \in D\). Dann besitzt die Differentialgleichung (5.1) genau eine Lösung mit der Regularität (5.2). Diese Lösung ist durch (5.3) darstellbar. Diese Lösung ist somit eine starke Lösung von (1.1).

  2. (II)

    Es sei darüber hinaus \(f\in C^0\bigl ([t_1,t_2],H\bigr )\). Dann ist u(t) eine klassische Lösung von (1.1).

Beweis

  1. (I)

    Wir setzen in \([t_1,t_2]\):

    $$\begin{aligned} v(t):=\int _{t_1}^t U(t,s)f(s)\mathrm {d}s,\quad u(t):=U(t,t_1)\varphi -v(t). \end{aligned}$$

    Nach Satz 3.1(II) ist die Funktion v(t) und somit auch die Funktion u(t) in \([t_1,t_2]\;\;\) lipschitzstetig, da \(\varphi \in D\) ist. Die Anwendung der Sätze 3.1(I) und 4.1(I) i. V. m. (2.5) liefert:

    $$\begin{aligned} \frac{\mathrm {d}^\pm u(t)}{\mathrm {d}t}= & {} -A(t)U(t,t_1)\varphi -\frac{\mathrm {d}^\pm v(t)}{\mathrm {d}t}\\= & {} -A(t)U(t,t_1)\varphi -f(t\pm 0)+A(t)v(t)\\= & {} -f(t\pm 0)-A(t)\left\{ U(t,t_1)\varphi -v(t)\right\} \\= & {} -f(t\pm 0)-A(t)u(t). \end{aligned}$$

    Es gilt also (5.1). Weil f von beschränkter Variation ist, ist f in \([t_1,t_2]\) f. ü. stetig, so dass folgt:

    $$\begin{aligned} u'(t)+ & {} A(t)u(t)+f(t)=0\quad \text {f.}{\ddot{\mathrm{u}}}.\,\,\, \mathrm{in }\,\, [t_1,t_2],\\&u(t_1)=\varphi . \end{aligned}$$

    Da u(t) in \([t_1,t_2]\) lipschitzstetig ist, ist \(u'(t)\in L^1\bigl ((t_1,t_2),H\bigr )\). u(t) ist also eine starke Lösung von (1.1).

    Wir haben somit gezeigt, dass aus (5.3) die Differentialgleichung (5.1) folgt. Wir müssen noch zeigen, dass die Lösung u(t) von (5.1) durch (5.3) darstellbar ist. Dazu genügt allerdings die absolute Stetigkeit von u(t) anstelle der Lipschitzstetigkeit. Wir setzen also in (5.1) voraus, dass u(t) nur absolut stetig ist. Die Funktion u(t) ist somit f. ü. differenzierbar mit \(u'(t)\in L^1\bigl ([t_1,t_2],H\bigr )\). Da f(t) von beschränkter Variation und damit beschränkt ist, folgt:

    $$\begin{aligned} \frac{\partial }{\partial s}U(t,s)u(s)&{=} U(t,s)A(s)u(s)+U(t,s)u'(s)\quad \text {f.}{\ddot{\mathrm{u}}}.\,\,\, \mathrm{in }\,[t_1,t]\\&{=} U(t,s)\bigl \{A(s)u(s)+u'(s)\bigr \}\quad \text {f.}{\ddot{\mathrm{u}}}.\,\,\, \mathrm{in }\,[t_1,t]\\&\overset{(5.1)}{=} -U(t,s)f(t)\quad \text {f.}{\ddot{\mathrm{u}}}.\,\,\, \mathrm{in }\, [t_1,t] \end{aligned}$$

    Integration von \(t_1\) bis t liefert:

    $$\begin{aligned} u(t)=U(t,t_1)\varphi -\int _{t_1}^t U(t,s)f(s)\mathrm {d}s\end{aligned}$$

    und somit (5.3). Es bleibt noch der Nachweis der Eindeutigkeit von u(t). Hier genügt ebenfalls die absolute Stetigkeit der Lösung u(t). Es sei w(t) eine weitere absolut stetige Lösung von (5.1) mit \(w(t)\in D\). Mit

    $$\begin{aligned} h(s):=u(s)-w(s),\quad s\in [t_1,t_2] \end{aligned}$$

    ist:

    $$\begin{aligned} \frac{\mathrm {d}^\pm h(s)}{\mathrm {d}s}+A(s)h(s) =0,\quad s\in (t_1,t_2), \end{aligned}$$

    also

    $$\begin{aligned} \frac{\mathrm {d}^+ h(s)}{\mathrm {d}s}+ & {} A(s)h(s)=\frac{\mathrm {d}^- h(s)}{\mathrm {d}s}+A(s)h(s)=0,\quad s\in (t_1,t_2)\\&h(t_1)=0. \end{aligned}$$

    Das bedeutet insbesondere:

    $$\begin{aligned} \frac{\mathrm {d}^+ h(s)}{\mathrm {d}s} = \frac{\mathrm {d}^- h(s)}{\mathrm {d}s}=h'(s),\quad s\in (t_1,t_2), \end{aligned}$$

    und somit gilt:

    $$\begin{aligned} h'(s)+A(s)h(s)=0,\quad s\in (t_1,t_2). \end{aligned}$$

    Multiplikation mit U(ts) ergibt:

    $$\begin{aligned} U(t,s)h'(s)+U(t,s)A(s)h(s)=0, \end{aligned}$$

    und d. h.:

    $$\begin{aligned} \frac{\partial }{\partial s}\bigl \{U(t,s)h(s)\bigr \} = 0 \end{aligned}$$

    sowie

    $$\begin{aligned} U(t,s)h(s) = c\in H,\quad t_1<s\le t\le t_2. \end{aligned}$$

    Da \(h(t_1)=0\) und h(s) absolut stetig ist, gilt:

    $$\begin{aligned} c=\lim _{s\rightarrow t_1} U(t,s)h(s)=U(t,t_1)h(t_1)=0, \quad t\in [t_1,t_2]. \end{aligned}$$

    Es ist also:

    $$\begin{aligned} U(t,s)h(s)=0,\quad t_1\le s\le t\le t_2. \end{aligned}$$

    Mit \(t=s\) folgt

    $$\begin{aligned} h(s)=U(s,s)h(s)=0,\quad s\in [t_1,t_2], \end{aligned}$$

    und dies liefert:

    $$\begin{aligned} h(s)=u(s)-w(s)=0,\quad s\in [t_1,t_2]. \end{aligned}$$

    Unsere Lösung u(t) von (5.1) ist damit eindeutig.

  2. (II)

    Sei darüber hinaus \(f(t)\in C^0\bigl ([t_1,t_2],H\bigr )\). Dann ist nach Satz 4.1(II):

    $$\begin{aligned} v(t)=\int _{t_1}^t U(t,s)f(s)\mathrm {d}s\in C^0\bigl ([t_1,t_2],D\bigr )\cap C^1\bigl ([t_1,t_2],H\bigr ). \end{aligned}$$

    Wegen

    $$\begin{aligned} u(t)=U(t,t_1)\varphi -v(t)\in C^0\bigl ([t_1,t_2],D\bigr )\cap C^1\bigl ([t_1,t_2],H\bigr ) \end{aligned}$$

    folgt unter Einbeziehung von (4.4):

    $$\begin{aligned} u'(t)+ & {} A(t)u(t)+f(t)=0, \quad t\in [t_1,t_2]\\&u(t_1)=\varphi . \end{aligned}$$

    u(t) ist also eine klassische Lösung von (1.1). Satz 5.1 ist somit bewiesen.\(\square \)