Einleitung

Eine Aktualisierung der S3-Leitlinie „Langzeitanwendung von Opioiden bei nicht-tumorbedingten Schmerzen – LONTS“ (AWMF-Registernummer 145/003) war aufgrund des Ablaufs der Gültigkeit der ersten Version der Leitlinie (Mai 2014) notwendig.

Ziele der Leitlinie

Die Leitlinie gibt Behandlern und Patientinnen/Patienten mit chronischem nicht-tumorbedingtem Schmerz (CNTS) Orientierungshilfen zum möglichen Nutzen und Schaden von opioidhaltigen Analgetika. Ärzte erhalten konkrete Handlungsvorschläge für die Indikationsstellung, Durchführung und Beendigung einer Therapie mit opioidhaltigen Analgetika. Unter Berücksichtigung der Kriterien der evidenzbasierten Medizin entsprechen die Empfehlungen dem besten Stand der Erkenntnisse aus Wissenschaft (beste aktuell verfügbare Evidenz) und den Erfahrungen der klinischen Praxis. Diese Leitlinie strebt folgende krankheitsspezifische Ziele an:

Strukturqualität

Durch die Empfehlungen zu Kontraindikationen, möglichen Indikationen, zur Durchführung und Beendigung einer Therapie mit opioidhaltigen Analgetika sollen Schnittstellenprobleme bei der Überleitung von Patienten zwischen ambulantem, stationärem und rehabilitativem Sektor und zwischen hausärztlichem und fachärztlichem Bereich reduziert werden.

Prozessqualität

  1. 1.

    Die Leitlinie nennt Maßnahmen zur angemessenen Information von Patienten/Patientinnen mit CNTS zur Durchführung einer Therapie mit opioidhaltigen Analgetika.

  2. 2.

    Die Leitlinie stellt Praxiswerkzeuge für die Durchführung und Dokumentation einer Therapie mit opioidhaltigen Analgetika zur Verfügung.

  3. 3.

    Die Leitlinie gibt konkrete Handlungsanweisungen für Ärzte bei Problemen der Therapie mit opioidhaltigen Analgetika beim CNTS.

Ergebnisqualität

  1. 1.

    Die Leitlinie soll realistische Therapieziele und angemessenes Verhalten (z. B. beim Autofahren) von Menschen, die mit opioidhaltigen Analgetika behandelt werden, fördern.

  2. 2.

    Die Fehlversorgung von Patienten mit Fibromyalgiesyndrom und somatoformen Schmerzstörungen mit starken opioidhaltigen Analgetika soll reduziert werden.

  3. 3.

    Die Anzahl der Patienten mit missbräuchlicher Verwendung von rezeptierten opioidhaltigen Analgetika soll reduziert werden.

  4. 4.

    Die Patientensicherheit soll erhöht werden.

Patientenzielgruppe

Die Leitlinie wendet sich an alle Betroffenen (Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Männer, Frauen) mit CNTS und ihre Angehörigen.

Versorgungsbereich

Die Leitlinie ist für alle Versorgungsbereiche (Primär,- Sekundär- und Tertiärversorgung; ambulant und (teil-)stationär, Akut- und Rehabilitationsbereich) gültig.

Anwenderzielgruppe/Adressaten

Die Empfehlungen der Leitlinie richten sich an

  • alle medizinischen Berufsgruppen, die mit der Erkennung, Diagnostik und Behandlung von Patientinnen/Patienten mit CNTS befasst sind:

    • hausärztlicher Bereich (Gebiete Innere Medizin und Allgemeinmedizin oder Innere Medizin ohne Schwerpunktbezeichnung, Ärztinnen/Ärzte ohne Gebietsbezeichnung)

    • fachärztlicher Bereich (alle Gebiete der Medizin mit Patientenbezug);

  • behandlungsergänzende Fachberufsgruppen (z. B. Pharmazie, Ergotherapie, Physiotherapie, psychologische Psychotherapie, Sozialarbeit/Sozialpädagogik/Soziotherapie);

  • Angehörige von Menschen mit CNTS;

  • Entscheidungsträgerinnen/Entscheidungsträger im Gesundheitswesen;

  • die Öffentlichkeit zur Information über gute diagnostische/therapeutische Vorgehensweisen;

  • die Vertragsverantwortlichen von „strukturierten Behandlungsprogrammen“ und „integrierten Versorgungsverträgen“;

  • die medizinischen wissenschaftlichen Fachgesellschaften und andere Herausgeber von nationalen und internationalen Leitlinien.

Methoden

Zusammensetzung der Leitliniengruppe

Steuergruppe

Am 21.06.2013 beschloss das Präsidium der Deutschen Schmerzgesellschaft, die interdisziplinäre S3-Leitlinie „Langzeitanwendung von Opioiden bei nicht-tumorbedingten Schmerzen – LONTS“, AWMF-Registernummer 041/003 [23], zu aktualisieren. Auf einer Sitzung der Steuergruppe der ersten Version der Leitlinie am 24.10.2013 auf dem Deutschen Schmerzkongress wurde PD Dr. med. Winfried Häuser zum Sprecher der Gruppe gewählt. Ihm wurden die Literatursuche und die Erstellung der Evidenzberichte übertragen.

Das Präsidium der Deutschen Schmerzgesellschaft nominierte aus ihrer Gesellschaft 17 Mitglieder für eine Steuergruppe. Kriterien der Auswahl waren eine klinische und/oder wissenschaftliche Expertise in der Therapie von Patienten/Patientinnen mit CNTS sowie eine möglichst ausgewogene Vertretung der Gebiete der Medizin, welche besonders häufig Patienten/Patientinnen mit CNTS behandeln (Anästhesie, Innere Medizin, Neurologie, Orthopädie, Psychosomatische Medizin), sowie der klinischen Psychologie und themenrelevanter Teilgebiete bzw. Zusatzbezeichnungen wie Geriatrie und Palliativmedizin. Prof. Dr. med. Stein, Berlin, trat aus der Steuergruppe aus, weil er mit der Methodik der Aktualisierung der Leitlinienempfehlungen nicht einverstanden war. PD Dr. med. Matthias Schuler, Mannheim, wurde vom Präsidium der Deutschen Schmerzgesellschaft als Vertreter des Teilgebiets Geriatrie in die Steuergruppe berufen. Der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin wurde angeboten, einen Vertreter für die Steuergruppe zu benennen. Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin hat das Angebot nicht angenommen (E-Mail vom 14.02.2014).

Die Aufgaben der Steuerungsgruppe bestanden in der Erarbeitung von Schlüsselfragen der Leitlinie und in der Vorbereitung der Empfehlungen für die Konsensuskonferenzen. Die Mitglieder der Steuergruppe sind in Infobox 1 aufgeführt.

Konsensusgruppe

Das Präsidium der Deutschen Schmerzgesellschaft beschloss, alle medizinischen Fachgesellschaften, welche ein Gebiet der Erwachsenenmedizin der Weiterbildungsordnung (WBO) für Ärzte vertreten, zur Teilnahme einzuladen. Weiterhin wurden alle Fachgesellschaften, welche an der ersten Version der Leitlinie teilgenommen hatten, sowie die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin zur Teilnahme eingeladen. Berufsverbände wurden nicht zur Teilnahme eingeladen. Alle angesprochenen Fachgesellschaften mit Ausnahme der Deutschen Gesellschaft für Dermatologie und der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin nahmen die Einladung zur Teilnahme an. Drei Fachgesellschaften wollten sich nicht an der Konsensuskonferenz und den Delphi-Verfahren, jedoch als unterstützende Fachgesellschaft beteiligen. Für die psychologischen Fachgesellschaften wurde die Deutsche Gesellschaft für Psychologische Schmerzforschung und -therapie eingeladen. Die teilnehmenden Fachgesellschaften und ihre Delegierten der Steuerungsgruppe sind in Tab. 1 aufgeführt.

Tab. 1 Teilnehmende Fachgesellschaften

Beteiligung von Patienten

Von den drei angesprochenen Patientenselbsthilfeorganisationen (Deutsche Rheuma-Liga, Deutsche Schmerzliga, SchmerzLOS) lehnte die Deutsche Schmerzliga die Einladung ab (E-Mail vom 14.02.2014). Eine Vertreterin von SchmerzLOS war Mitglied der Steuerungsgruppe.

Redaktionelle Unabhängigkeit: Umgang mit Interessenkonflikten

Die Finanzierung der Leitlinienerstellung erfolgte durch die Deutsche Schmerzgesellschaft und die beteiligten Gesellschaften. Direkte oder indirekte finanzielle Unterstützungen jedweder Art von kommerziellen Einrichtungen wurden nicht verwendet. Die Kosten für die Leitlinienentwicklung (Programmierung der Internetplattform, Kosten der Literaturbeschaffung, externe Moderation der Konsensuskonferenzen) wurden von der Deutschen Schmerzgesellschaft übernommen. Die Fahrtkosten für die Konsensuskonferenzen wurden von den Teilnehmern bzw. ihren Fachgesellschaften getragen. Reisekosten und andere Auslagen wurden entsprechend dem Bundesdienstreisegesetz bzw. nach den im Hochschulbereich üblichen Richtlinien abgerechnet. Alle Mitglieder der Leitliniengruppe arbeiteten ehrenamtlich, eine Vergütung erfolgte nicht.

Darlegung von und Umgang mit potenziellen Interessenkonflikten

Die Entwicklung von Leitlinien für die medizinische Versorgung verlangt über die fachliche Expertise hinaus eine strikte Vermeidung kommerzieller Abhängigkeiten, welche Leitlinieninhalte beeinflussen können. Die Erklärung der Teilnehmer der Leitlinienentwicklung ist für ihre Qualitätsbeurteilung und ihre Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit entscheidend. Alle Teilnehmer der Leitlinienerstellung unterschrieben die Erklärung der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) über mögliche Interessenkonflikte. Finanzielle und sonstige Verbindungen bzw. Interessenkonflikte der Teilnehmer der Steuergruppe und der Konsensusgruppe mit möglicherweise an den Leitlinieninhalten interessierten Dritten sind in Tab. 2 und Tab. 3 dargestellt.

Tab. 2 Finanzielle und sonstige Verbindungen bzw. Interessenkonflikte der Teilnehmer der Leitlinienerstellung mit möglicherweise an den Leitlinieninhalten interessierten Dritten. (Nach den Richtlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)
Tab. 3 Interessenkonflikte der Delegierten der Fachgesellschaften (Konsensusgruppe)

Die angegebenen Interessenkonflikte der Steuergruppe wurden von zwei Mitgliedern des Präsidiums der Deutschen Schmerzgesellschaft, welche in den übrigen Leitlinienprozess nicht einbezogen waren (Prof. Dr. med. Heinz-Raimund Casser, PD Dr. phil. Regine Klinger), überprüft. Potenzielle Interessenkonflikte ergaben sich durch die Durchführung von Studien bei medikamentösen, physikalischen und psychologischen Therapieverfahren bei chronischen Schmerzen, durch die Zugehörigkeit zu psychotherapeutischen Schulen sowie durch die Leitung/Beschäftigung an klinischen Einrichtungen, in denen Patienten behandelt werden.

Die angegebenen Interessenkonflikte und ihre externe Bewertung wurden von der Steuergruppe bei einem persönlichen Treffen am 12.05.2014 bei Anwesenheit einer Vertreterin der AWMF, Frau Dr. med. Monika Nothacker, diskutiert. Die Steuergruppe kam zu dem Ergebnis, dass sie bezüglich ihrer Interessen (medikamentöse und psychologische Therapien bzw. „Schulenzugehörigkeit“) ausgewogen war.

Die angegebenen Interessenkonflikte der Konsensusgruppe wurden bei der Konsensuskonferenz am 04.07.2014 bei Anwesenheit einer Vertreterin der AWMF, Dr. med. Monika Nothacker, diskutiert. Die Konsensusgruppe kam zu dem Ergebnis, dass sie bezüglich ihrer Interessen ausgewogen war.

Eine Regulierung von Interessenkonflikten im Sinne eines Ausschlusses einzelner Teilnehmer von Diskussionen oder Abstimmungen wurde aufgrund des Einsatzes formaler Techniken zur Reduktion von Verzerrungsrisiken (ausgewogene Gruppenzusammensetzung mit Pluralität der Interessen, formale Konsensverfahren mit externer unabhängiger Moderation und systematische Bewertung der Literatur) nicht für erforderlich gehalten.

Methodik der Erstellung von Empfehlungen

Die Aktualisierung der Leitlinie folgte dem Regelwerk der AWMF [1] und den Anforderungen des Deutschen Instruments zur methodischen Leitlinienbewertung [2]. Die methodische Beratung erfolgte durch die Leiterin des AWMF-Instituts für medizinisches Wissensmanagement, Frau Prof. Dr. med. Ina Kopp.

Der zeitliche Verlauf des gesamten Entwicklungs- und Konsensusprozesses zur Aktualisierung der Leitlinie ist in Tab. 4 dargestellt.

Tab. 4 Arbeitsschritte und zeitlicher Ablauf der Entwicklungs- und Konsensusprozesse der Aktualisierung der Leitlinie

Schlüsselfragen

Folgende Schüsselfragen wurden von der Steuerungsgruppe in einem Delphi-Verfahren formuliert:

a. Schlüsselfragen, durch Metaanalysen randomisierter, kontrollierter klinischer Studien (RCT) und „open-label extension studies“ von RCTs beantwortbar

Für welche chronischen Schmerzsyndrome gibt es eine Evidenz der Wirksamkeit von opioidhaltigen Analgetika in der Langzeitanwendung?

Wie wirksam (Schmerzreduktion, Verbesserung körperlicher Funktionsfähigkeit) sind opioidhaltige Analgetika in der Langzeitanwendung?

Wie verträglich (Abbruchrate in RCTs wegen Nebenwirkungen) sind opioidhaltige Analgetika in der Langzeitanwendung?

Wie sicher (Rate von schweren Nebenwirkungen und Todesfällen) sind opioidhaltige Analgetika in der Langzeitanwendung?

Sind einzelne opioidhaltige Analgetika anderen opioidhaltigen Analgetika in Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit bei bestimmten chronischen Schmerzsyndromen überlegen? („head-to-head comparisons“)

Unterscheiden sich verschiedene Applikationsformen (oral vs. transdermal) von opioidhaltigen Analgetika in Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit bei bestimmten chronischen Schmerzsyndromen? („head-to-head comparisons“)

Sind opioidhaltige Analgetika nichtopioidhaltigen Analgetika in Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit bei bestimmten chronischen Schmerzsyndromen überlegen? („head-to-head comparisons“)

Mit welchen Verfahren lassen sich Patienten frühzeitig erkennen, bei denen langfristig keine durch Opioidanalgetika bewirkte klinisch bedeutsame Schmerzlinderung zu erwarten ist?

Mit welchen Verfahren lassen sich Patienten frühzeitig erkennen, bei denen langfristig eine durch Opioidanalgetika bewirkte klinisch bedeutsame Schmerzlinderung zu erwarten ist?

Nach welcher Behandlungsdauer ist eine Nutzen-Schaden-Abwägung als Grundlage für die Fortführung oder den Abbruch der Therapie sinnvoll?

b. Schlüsselfragen, durch Kohortenstudien beantwortbar

Wie häufig sind weitere relevante Nebenwirkungen der Langzeitanwendung von opioidhaltigen Analgetika (z. B. missbräuchliche Verwendung, Todesfälle durch Intoxikationen, endokrinologische Veränderungen, Stürze)?

Besteht Fahrsicherheit bei Patienten unter stabilen Dosen von opioidhaltigen Analgetika?

c. Schlüsselfragen zur klinischen Praxis der Langzeitanwendung von opioidhaltigen Analgetika, beantwortbar durch Expertenkonsens (klinischer Konsensuspunkt) und Extrapolation anderer Leitlinienempfehlungen (internationale Leitlinien zur Opioidtherapie, nationale Leitlinien zu verschiedenen chronischen Schmerzsyndromen)

Welche Kriterien sind bei der Auswahl von Medikamenten zur Langzeittherapie chronischer Schmerzen zu berücksichtigen?

Bei welchen klinischen Konstellationen kann eine Langzeitanwendung von opioidhaltigen Analgetika erwogen werden?

Bei welchen klinischen Konstellationen ist von einer Langzeitanwendung von opioidhaltigen Analgetika abzuraten?

Bei welchen klinischen Konstellationen ist eine fachpsychotherapeutische Diagnostik bei der Langzeitanwendung von opioidhaltigen Analgetika zu empfehlen?

Welche diagnostischen Maßnahmen werden vor der Langzeitanwendung von opioidhaltigen Analgetika empfohlen?

Welche Inhalte sollte eine Aufklärung vor der Langzeitanwendung von opioidhaltigen Analgetika beinhalten?

Welche Kriterien sind bei der Auswahl einzelner opioidhaltiger Analgetika bei der Langzeitanwendung von Opioiden zu berücksichtigen?

Wie sollte die Titrierung von opioidhaltigen Analgetika bei CNTS erfolgen?

Welche Maßnahmen zur Prophylaxe und Behandlung von Nebenwirkungen werden empfohlen?

Ist eine Bedarfsmedikation bei der Langzeitanwendung von opioidhaltigen Analgetika sinnvoll?

Sind Reduktionsversuche bei der Langzeitanwendung von opioidhaltigen Analgetika sinnvoll?

Sind Therapiepausen („drug holidays“) bei der Langzeitanwendung von opioidhaltigen Analgetika sinnvoll?

Bei welchen klinischen Konstellationen ist eine Langzeittherapie mit opioidhaltigen Analgetika sinnvoll?

Wie ist die Wirksamkeit und Verträglichkeit der Langzeitanwendung von opioidhaltigen Analgetika zu überprüfen und zu dokumentieren?

Welche Maßnahmen sind bei einer Schmerzzunahme unter Langzeitanwendung von opioidhaltigen Analgetika zu ergreifen?

Bei welchen klinischen Konstellationen sollte die Langzeitanwendung mit opioidhaltigen Analgetika beendet werden?

Wie kann eine missbräuchliche Verwendung (Fehlgebrauch) von opioidhaltigen Analgetika erkannt werden?

Welche Maßnahmen sind zur Prophylaxe missbräuchlicher Verwendungen von opioidhaltigen Analgetika sinnvoll?

Welche Maßnahmen sind bei der missbräuchlichen Verwendung (Fehlgebrauch) von opioidhaltigen Analgetika sinnvoll?

Welche Besonderheiten (z. B. Auswahl Präparate, Dosierung, Kontrolluntersuchungen) sind bei der Langzeitanwendung mit opioidhaltigen Analgetika bei besonderen Patientengruppen (Kinder, Jugendliche, Schwangere, Senioren, Patienten mit aktuellem Substanzmissbrauch oder -abhängigkeit) zu beachten?

Literaturrecherche nach Leitlinien

Eine systematische Übersichtsarbeit zu Leitlinien zur Therapie mit opioidhaltigen Analgetika bei chronischen Schmerzen (Literatursuche bis Juli 2013) mit methodischer Bewertung mit dem AGREE-Instrument wurde genutzt [20]. Einige Empfehlungen und das Konzept der Praxiswerkzeuge wurden von der als methodisch am hochwertigsten eingestuften kanadischen Praxisleitlinie [8] übernommen.

Literaturrecherche nach randomisierten, kontrollierten Studien

Datenbanken und Suchstrategie

Die Suchstrategie orientierte sich an der aktueller Cochrane-Reviews [5, 18] sowie der eines Protokolls für eine systematische Übersichtsarbeit zu RCTs von opioidhaltigen Analgetika beim CNTS [4]. Die Suchstrategie wurde von Frau Dr. phil. Petra Klose und PD Dr. med. Winfried Häuser erstellt. Die Suchstrategie wurde für die Datenbanken CENTRAL, MEDLINE und Scopus von Oktober 2008 bis Oktober 2013 angewendet. Die Suche wurde von Frau Dr. phil. Petra Klose durchgeführt. Die Suchstrategie für PubMed ist in Tab. 5 ausgeführt.

Tab. 5 Suchstrategie PubMed 18.11.2013

Auswahl und Ergänzung der gefundenen Arbeiten

Die Suchergebnisse wurden mit den Literaturverzeichnissen der kanadischen Leitlinie [8] sowie einer systematischen Übersichtsarbeit [9] abgeglichen und ggf. ergänzt. Die ausgewählten Arbeiten wurden den Mitgliedern der Steuergruppe vorgelegt. Aus Sicht der Steuergruppe relevante Studien, die bei der Suche nicht gefunden wurden, wurden ergänzt. Für die systematischen Übersichtsarbeiten und Empfehlungen der Leitlinie wurde die Literatur der ersten Version der Leitlinie (systematische Literatursuche in MEDLINE und CENTRAL von 1/1990 bis 09/2008) berücksichtigt [23]. Wenn Daten (z. B. Mittelwerte, Standardabweichungen, Studienprotokoll) von RCTs, die für die Metaanalysen verwendet wurden, in den Originalpublikationen nicht berichtet wurden, wurde überprüft, ob diese Daten in www.clinicaltrials.gov berichtet worden waren.

Archivierung

Die Suchstrategien wurden elektronisch gespeichert. Die Treffer der Suchstrategien wurden gespeichert. Alle Arbeiten, die in den Empfehlungen der Arbeitsgruppen verwendet wurden, wurden als Volltext allen Teilnehmern der Leitlinienentwicklung auf einer passwortgeschützten nicht-kommerziellen Internetplattform zur Verfügung gestellt.

Auswahl der Evidenz

Ein- und Ausschlusskriterien

Die Suchergebnisse wurden von PD Dr. Winfried Häuser und Dr. med. Patrick Welsch auf der Grundlage von Titeln und Abstracts unter Verwendung definierter Ein- und Ausschlusskriterien (Filter) für Verwendbarkeit für die Metaanalysen von RCTs analysiert. Filter 1 schloss Suchergebnisse bei folgenden Kriterien aus: Fragestellung nicht untersucht; keine kontrollierte Studie; Tierstudien; keine vollständige Publikation (z. B. Abstract); Fallberichte; Leserbriefe; Doppelpublikation. Die verbleibenden Studien wurden im Volltext bestellt. Filter 2 bedeutete „Ein- und Ausschluss aufgrund der Kriterien des Filters 1 nach Lektüre der Volltexte“.

Studiendesign

Die im Folgenden genannten Ein- und Ausschlusskriterien gelten für die durchgeführten Metaanalysen placebokontrollierter Studien.

Wir schlossen RCTs mit therapeutischer Zielsetzung (Schmerzreduktion) ein. Die Studien mussten in einer Zeitschrift mit Peer-review-Verfahren veröffentlicht sein. Studien, die nur als Abstracts oder Poster publiziert waren, wurden ausgeschlossen.

Wir schlossen Studien mit einem Parallel-, Cross-over- und Enriched-enrolment-randomized-withdrawal(EERW)-Design ein. Bei einem EERW-Design wird die erste Phase der Studie ohne Verblindung von Patient und Studienarzt durchgeführt. In die zweite, doppelblinde Phase der Studie, werden nur die Patienten aufgenommen, welche die Kriterien einer a priori definierten Response zeigen (z. B. 50 % Schmerzreduktion) und die eine weitere Präparateeinnahme nicht wegen Nebenwirkungen ablehnen. Ein Teil der Responder erhält weiter das Studienmedikament, ein anderer Teil Placebo. Die RCT wird also ausschließlich mit Respondern durchgeführt. Die Generalisierbarkeit der erzielten Ergebnisse auf die gesamte Population mit der jeweiligen Krankheit wird wegen dieser Selektion kritisch gesehen. Dennoch wird der EERW-Ansatz als geeignetes Studiendesign für Studien bei chronischen Schmerzen angesehen [8, 17]. Für die Beurteilung der Wirksamkeit einer analgetischen Substanz bei zeitlich längerer Einnahme spiegelt gerade diese Selektion die klinische Praxis wieder (ökologische Validität).

Studien mit Cross-over-Design wurden nur dann eingeschlossen wenn a) die Daten der beiden Behandlungsperioden getrennt berichtet wurden oder b) statistische Tests durchgeführt wurden, welche keinen Hinweis auf einen signifikanten Carry-over-Effekt zeigten oder c) statistische Anpassungen im Falle eines signifikanten Carry-over-Effekts durchgeführt wurden. Bei der quantitativen Datensynthese wurden Studien mit einem Parallel- bzw. Cross-over-Design und Studien mit einem EERW-Design getrennt analysiert, da die Patientenpopulation der Doppelblindphase im EERW-Design sich aufgrund der vorgenommenen Selektion von der von Studien mit einem Parallel- oder Cross-over-Design unterscheidet. Damit ist verbunden, dass die Verträglichkeit der Medikation im Vergleich zu Studien mit einem Parallel- oder Cross-over-Design günstiger eingeschätzt wird.

Wir schlossen Studien aus, welche die opioidhaltigen Analgetika nach einer unverblindeten Startphase vollständig ausschlichen und anschließend eine doppelblinde, placebokontrollierte, parallele Studie mit den Respondern der unverblindeten Startphase durchführten.

Wir schlossen Studien aus, deren primäres Ziel die Überprüfung der Wirksamkeit von opioidhaltigen Analgetika als Bedarfsmedikation war.

Wir schlossen Studien mit einem experimentellen Design aus, z. B. wenn das primäre Studienziel das Studium von Schmerzmechanismen und nicht therapeutische Ziele (Schmerzreduktion) waren.

Die Dauer der Therapiephase sollte mindestens 4 Wochen betragen (Aufdosierung und Erhaltungsphase bei Parallel- und Cross-over-Design; „double-blind withdrawal phase“ für EERW-Design).

Teilnehmer

Anzahl der Patienten: Die Studien sollten mindestens 10 Patienten pro Behandlungsarm haben.

Die Studien sollten mit Patienten (Frauen, Männer) aller Altersgruppen und Ethnien mit chronischen (mindestens 3 Monate bestehenden) nicht-tumorbedingten Schmerzen durchgeführt worden sein.

Interventionen

Wir schlossen Studien, die opioidhaltige Analgetika mit Placebo, einem nicht-opioidhaltigen Analgetikum oder mit einem anderen opioidhaltigen Analgetikum oder einer nicht-pharmakologischen Intervention verglichen, ein. Wir analysierten Studien mit oraler oder transdermaler Medikamentenapplikation. Studien mit anderen Applikationswegen (z. B. intrathekal) wurden ausgeschlossen.

Wir schlossen Studien ein, in denen das opioidhaltige Analgetikum mit „abuse deterrent formulations“ (ADF) (z. B. Naloxon) kombiniert wurde.

Wir schlossen Studien mit Tramadol, einem μ-Opioid-Rezeptor-Agonisten und Hemmer der Aufnahme von Noradrenalin und Serotonin, ein. Wir schlossen Studien mit Tapentadol, einem μ-Opioidrezeptor-Agonisten und Hemmer der Aufnahme von Noradrenalin, ein.

Wir schlossen Studien von der quantitativen Datensynthese aus, in denen das opioidhaltige Analgetikum in einem fixen Verhältnis mit einem nichtopioidhaltigen Analgetikum kombiniert war (sog. Kombinationspräparate). Wir schlossen Studien aus, in denen ein opioidhaltiges Analgetikum ohne ADF mit demselben opioidhaltigen Analgetikum mit ADF verglichen wurde (z. B. Oxycodon mit und ohne Naloxon) oder in denen die Kombination von zwei opioidhaltigen Analgetika mit einem opioidhaltigen Analgetikum verglichen wurde.

Wir schlossen Studien mit Propoxyphen aus, da dieses Medikament vom Markt genommen wurde (United States Food and Drug Administration, Pressemitteilung vom 19.11.2010).

Bewertung der Evidenz

Kriterien der Evidenzlevel

Zur Klassifikation der Evidenzlevel (EL) wurde die Oxford-Klassifikation, Version 2009, verwendet (Tab. 6, [21]).

Tab. 6 Methodische Qualität der wissenschaftlichen Belege: Klassifizierung der Evidenzgrade für Studien zu Therapie/Ätiologie/Prävention. (Nach [21])

Im Rahmen einer Evidenzhierarchie stellen bei dieser Leitlinie für therapeutische Verfahren Metaanalysen und systematische Übersichtsarbeiten von doppelblinden, randomisierten, kontrollierten Studien (RCTs) die höchste Evidenzstufe dar, weil diese das geringste Risiko eines Bias des Studienergebnisses aufweisen.

Kriterien der Qualität der Evidenz

Die Qualität der Evidenz wurde nach dem Cochrane Risk of Bias Table [13] und nach GRADE (Grading of Recommendations Assessment, Development and Evaluation; [3]) bestimmt. Die Operationalisierung der einzelnen GRADE-Kriterien orientierte sich an aktuellen Cochrane-Reviews ([5, 18], s. Infobox 2).

GRADE unterscheidet folgende Qualitäten der Evidenz [3]:

  • Hohe Qualität (++++): Wir sind sehr sicher, dass der wahre Behandlungseffekt nahe unserer Schätzung des Behandlungseffekts liegt.

  • Moderate Qualität (+++): Wir sind mäßig sicher bezüglich des Behandlungseffekts: Der wahre Behandlungseffekt liegt wahrscheinlich nahe unserer Schätzung des Behandlungseffekts. Es besteht aber die Möglichkeit, dass ein erheblicher Unterschied besteht.

  • Niedrige Qualität (++): Unser Vertrauen in unsere Schätzung des Behandlungseffekts ist beschränkt. Der wahre Behandlungseffekt kann sich erheblich von unserer Schätzung unterscheiden.

  • Sehr niedrige Qualität (+): Wir haben sehr geringes Vertrauen in unsere Schätzung des Behandlungseffekts. Der wahre Behandlungseffekt unterscheidet sich wahrscheinlich erheblich von unserer Schätzung.

Erstellung von Metaanalysen und Evidenztabellen

Von dem Sprecher der Steuergruppe wurden zusammen mit einigen Mitgliedern der Steuergruppe sowie der Steuergruppe nicht angehörenden Ärzten und Psychologen Metaanalysen für alle CNTS, für die mindestens eine RCT mit einer Studiendauer ≥ 4 Wochen gefunden wurde, durchgeführt [15, 22, 24, 27, 28]. Weiterhin wurde eine Metaanalyse von „open-label extension studies“ ≥ 26 Wochen von RCTs ≥ 4 Wochen durchgeführt [12]. Folgende Ergebnismaße für Wirksamkeit und Risiken wurden gewählt [19]:

Wirksamkeit („patient-reported outcomes“)

  1. 1.

    Schmerzintensität

  2. 2.

    Anzahl der Patienten mit einer 50 %igen Schmerzreduktion

  3. 3.

    Globales Befinden: Anzahl der Patienten mit einer starken bzw. sehr starken Verbesserung des allgemeinen Befindens

  4. 4.

    Körperliche Funktionsfähigkeit

  5. 5.

    Anzahl der Patienten, welche die Studie wegen mangelnder Wirksamkeit abbrachen

Verträglichkeit

  1. 1.

    Anzahl der Patienten, welche die Studie wegen Nebenwirkungen abbrachen

Sicherheit

  1. 1.

    Anzahl der Patienten mit schwerwiegenden Nebenwirkungen

  2. 2.

    Anzahl der verstorbenen Patienten

Statistische Maße

Die quantitative Datensynthese erfolgte mit der Software RevMan [28]. Als Effektmaße wurden absolute Risikodifferenzen für dichotome Variablen und standardisierte Mittelwertdifferenzen (SMD) für kontinuierliche Variablen gewählt, welche mittels eines Random-effects-Modells (Methode inverse Varianz) berechnet wurden. 95 %-Konfidenzintervalle für die Effektmaße wurden berechnet. Der Grenzwert für einen relevanten Nutzen bzw. Schaden wurde durch eine relative Risikoreduktion (RRR) bzw. durch einen relativen Risikoanstieg (RRI) ≥ 10 % für dichotome Variablen gesetzt [5]. Mithilfe der Kategorien nach Cohen ermittelten wir die Effektgröße, berechnet mit SMD, wobei Hedges-g-Werte von 0,2 als klein, Werte von 0,5 als moderat und Werte von 0,8 als groß angesehen wurden [6]. g-Werte < 0,2 betrachteten wir als unwesentliche Effektgröße. War der Hedges-g-Wert ≥ 0,2, gingen wir von einem Unterschied mit minimaler Bedeutung aus [7].

Die Heterogenität der gepoolten Effektstärken wurde anhand der I2-Statistik bestimmt; I2 > 50 wurde als substanzielle Heterogenität bewertet [13]. Die Evidenztabellen [Charakteristika der Studien (Art und Dosis der Therapie, Dauer der Therapie und Nachuntersuchung, Anzahl der Patienten in experimenteller und Kontrollgruppe; Ein- und Ausschlusskriterien; methodische Qualität)] sind in Zusatzdokumenten der für die Leitlinie durchgeführten systematischen Übersichtsarbeiten und Metaanalysen [12, 15, 22, 24, 26, 28] dargestellt.

Die systematischen Übersichtsarbeiten durchliefen ein anonymes Begutachtungsverfahren der Zeitschrift Der Schmerz. Kein Gutachter gehörte der Steuer- oder Konsensusgruppe an (persönliche Mitteilung der Redaktion).

Formulierung der Empfehlungen

Vergabe von Empfehlungsgraden

Die Graduierung der Empfehlungen (Empfehlungsstärke) erfolgt nach dem Regelwerk der AWMF [1]. Die Empfehlungen basieren auf der identifizierten Evidenz, der klinischen Expertise und den Patientenpräferenzen und schließen damit auch explizit subjektiv wertende Elemente ein. Bei S3-Leitlinien werden im Rahmen der formalen Konsensfindung zur Verabschiedung der Empfehlungen die methodisch aufbereitete Evidenz unter klinischen Gesichtspunkten gewertet und die Empfehlungen auf dieser Grundlage diskutiert. Abschließend wird die Stärke der Empfehlungen festgestellt und ein Empfehlungsgrad angegeben. Bei der Diskussion und Vergabe der Empfehlungsgrade sollten neben der zugrunde liegenden Evidenz konkret die folgenden Kriterien berücksichtigt werden:

  • Konsistenz der Studienergebnisse

  • Klinische Relevanz der Endpunkte und Effektstärken

  • Nutzen-Risiko-Verhältnis

  • Ethische, rechtliche, ökonomische Erwägungen

  • Patientenpräferenzen

  • Anwendbarkeit auf die Patientenzielgruppe und das deutsche Gesundheitssystem

  • Umsetzbarkeit im Alltag/in verschiedenen Versorgungsbereichen (Abb. 1)

Abb. 1
figure 1

Verhältnis Evidenz- und Empfehlungsgrad [1]. *Nach Oxford Centre of Evidence-Based Medicine [21]. **Empfehlungsgraduierung im Programm für Nationale Versorgungsleitlinien [10]

Die Empfehlungsstärken wurden gemäß dem Regelwerk der AWMF [1] formuliert (Tab. 7).

Tab. 7 Empfehlungsgrade für eine Therapie

Kriterien für Abstufung und Höherstufung von Empfehlungsgraden

Die Evidenzebenen (nach Oxford) sind maßgeblich für die Ableitung von Empfehlungsgraden: Je höher die Evidenzebene, desto stärker auch die Empfehlung. In der Regel wird ein Empfehlungsgrad A (starke Empfehlung) bei einem Evidenzgrad I, ein Empfehlungsgrad B (Empfehlung) bei einem Evidenzgrad II und eine offene Empfehlung bei einem Evidenzgrad III, IV und V ausgesprochen (Abb. 1).

Andererseits berücksichtigt die Vergabe der Empfehlungsgrade neben der Evidenz auch ethische Verpflichtungen, die klinische Relevanz der Effektivitätsmaße der Studien, die Anwendbarkeit der Studienergebnisse auf die Patientenzielgruppe, Präferenzen der Patienten und die Umsetzbarkeit in der Versorgung. Entsprechend diesen Konsensusaspekten kann eine Auf- oder eine Abwertung des Empfehlungsgrades gegenüber dem Evidenzgrad erfolgen (Abb. 1). Die Vergabe der Empfehlungsstärke enthält explizit und implizit wertende Elemente und erfolgt im Rahmen des mehrstufigen Konsensusverfahrens (nominaler Gruppenprozess durch Delphi-Verfahren der Steuerungsgruppe, Onlineabstimmung der Steuerungs- und Konsensusgruppe und Konsensuskonferenz der Konsensusgruppe). Um vorgenommene Auf- und Abwertungen von Empfehlungen transparent zu machen, wurden von der Steuerungsgruppe a priori mögliche Kriterien einer Auf- und Abwertung in einem Delphi-Verfahren festgelegt:

Höherstufung des Empfehlungsgrades einer Maßnahme

  • Um einen Grad: Patientenpräferenzen oder ethische Verpflichtungen (Patientencharta und ärztliches Standesrecht)

  • Um zwei Grade: Patientenpräferenzen und ethische Verpflichtungen

Abstufung des Empfehlungsgrades einer Maßnahme

  • Um einen Grad: keine randomisierten, kontrollierten Studien (Placebo und/oder Nichtopioidanalgetikum) ≥ 12 Wochen oder Anzahl Patienten in Metaanalyse < 400 und/oder bzw. nur eine RCT [19] oder ungünstigeres Nutzen-Risiko-Verhältnis im Vergleich zu anderen medikamentösen oder nicht-medikamentösen Therapiealternativen

  • Um zwei Grade: zwei der drei Kriterien

  • Um drei Grade: alle drei Kriterien

Als weitere Empfehlungskategorie wurde von den nationalen Versorgungsleitlinien der klinische Konsenspunkt (KKP) übernommen, d. h. eine Empfehlung als gute klinische Praxis im Konsens und aufgrund der klinischen Erfahrung der Leitliniengruppe als ein Standard der Behandlung, bei dem keine experimentelle wissenschaftliche Erforschung möglich oder angestrebt ist [10].

Gesundheitsökonomische Aspekte wurden bei den Empfehlungen nicht explizit berücksichtigt.

Nach Konsentierung der Empfehlungen wurde durch die Steuergruppe der Volltextentwurf überarbeitet, Schlüsselempfehlungen identifiziert, Qualitätsziele formuliert und eine Kurzversion erstellt. Die endgültige Abstimmung erfolgte im Delphi-Verfahren der Steuerungsgruppe.

Klassifikation der Konsensusstärke

Da aufgrund der Literaturkenntnisse der Mitglieder der Steuerungsgruppe abzusehen war, dass einige Themen der Leitlinie nicht auf der Grundlage von Studien beantwortet werden konnten bzw. kontroverse Ansichten bei einigen Themen möglich schienen, wurde beschlossen, zusätzlich zu den Evidenz- und Empfehlungsgraden die Konsensusstärke bei den einzelnen Empfehlungen anzugeben [14]. Die zusätzliche Angabe der Konsensstärke für jede Empfehlung gibt den Leitlinienanwendern einen Eindruck vom Ausmaß der Zustimmung der Beteiligten (Hoffmann). Die Konsensusstärke wurde wie folgt klassifiziert [14]:

  • Starker Konsens: Zustimmung von > 95 % der Teilnehmer

  • Konsens: Zustimmung von 75–95 % der Teilnehmer

  • Mehrheitliche Zustimmung: Zustimmung von 50–75 % der Teilnehmer

  • Kein Konsens: Zustimmung von < 50 % der Teilnehmer

  • Ein Minderheitenvotum mit Begründung war möglich.

Vorlagen für die Empfehlungen durch die Steuergruppe wurden bei deren Delphi-Runden bei einfacher Mehrheit angenommen. Der Sprecher der Steuergruppe (PD Dr. med. Winfried Häuser) war bei den Delphi-Runden nicht stimmberechtigt.

Bei der Onlineabstimmung hatte jede teilnehmende Fachgesellschaft und Patientenorganisation je eine Stimme. Alle Vertreter der Fachgesellschaften und Patientenorganisationen nahmen an der Onlineabstimmung teil. Bei der Berechnung der Stärke des Konsensus wurden Stimmenthaltungen als „nein“ gewertet. Bei der Konsensuskonferenz wurden nur die Empfehlungen neu abgestimmt, die eine Zustimmung von ≥ 95 % erreicht hatten.

Um eine nachvollziehbare Grundlage für die Stimmenverteilung bei der Konsensuskonferenz zu haben, beschloss das Präsidium der Deutschen Schmerzgesellschaft, dass es pro Gebiet der Musterweiterbildungsordnung (WBO) für Ärzte eine Stimme gibt, d. h., Fachgesellschaften aus dem gleichen Gebiet der WBO mussten sich bei der Stimmabgabe absprechen. Die DGPSF erhielt eine Stimme. Die beiden Selbsthilfeorganisationen erhielten bei der Konsensuskonferenz gemeinsam eine Stimme. Im Falle eines fehlenden Konsensus von Gesellschaften, die sich eine Stimme teilen mussten, wurde diese Situation als Enthaltung gewertet. An der Konsensuskonferenz nahmen 20 Vertreter von Fachgesellschaften und Patientenorganisationen teil. Diese 20 Vertreter verfügten über 14 Stimmen (12 Stimmen für Gebiete der Muster-WBO, je eine Stimme für psychologische Fachgesellschaften und Patientenvertreter). Vier Vertreter von Fachgesellschaften (davon drei Vertreter von Gebieten der Muster-WBO) fehlten entschuldigt. Die drei nicht anwesenden Vertreter von Gebieten der Muster-WBO hatten ihre Voten mitgeteilt. Die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft enthielt sich bei allen Empfehlungen. Die Deutsche Gesellschaft für Urologie stimmte allen Empfehlungen der Onlineabstimmung zu. Die Voten der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie der Onlineabstimmung lagen vor. Bei Empfehlungen, deren Inhalte bei der Konsensuskonferenz nicht verändert wurden, wurden die vorliegenden Voten der drei fehlenden Fachgesellschaften in die Berechnung der Konsensusstärke einbezogen. Bei Empfehlungen, deren Inhalt bei der Konsensuskonferenz geändert wurde, wurden die drei fehlenden Fachgesellschaften mit Vertretung eines Gebietes der Muster-WBO bei der Berechnung der Konsensusstärke nicht mitgezählt. Enthaltungen der bei der Konsensuskonferenz anwesenden Fachgesellschaften wurden nicht in der Stärke des Konsensus berücksichtigt, d. h., es wurden nur Ja- und Nein-Stimmen in die Berechnung der Konsensusstärke miteinbezogen.

Die Deutsche Schmerzgesellschaft hatte bei der Onlineabstimmung, nicht jedoch bei der Konsensuskonferenz ein Stimmrecht.

Ergebnisse

Delphi-Runden und Konsensuskonferenzen

Aus zeitökonomischen Gründen wurden Vorschläge für Empfehlungen durch den Sprecher der Steuergruppe erstellt und in insgesamt 20 Delphi-Runden (per E-Mail) der Steuergruppe modifiziert und konsentiert (mit mehrheitlicher Zustimmung). Am 12.05.2014 fand ein abschließendes persönliches Treffen der Steuergruppe unter Moderation der AWMF (Dr. med. Monika Nothacker) statt.

Vom 23.05. bis 06.06.2014 erfolgte eine Onlineabstimmmung der Mitglieder der Steuergruppe und der Delegierten der Fachgesellschaften. Die Ergebnisse der Onlineabstimmung mit den abgegebenen Kommentaren sowie die auf deren Basis von der Steuergruppe erstellten Vorschläge für Empfehlungen wurden den Teilnehmern der Konsensuskonferenz per E-Mail übermittelt. Die abschließende Konsensuskonferenz unter Moderation der AWMF (Dr. med. Monika Nothacker) am 04.07.2014 in Berlin hatte folgenden Ablauf:

Teil 1: Kurzvortrag

  • Einführung in die Technik des formalen Konsensusverfahrens durch die Moderatorin

  • Gelegenheit zu Rückfragen zum methodischen Vorgehen

  • Diskussion der Interessenkonflikte

Teil 2: Strukturierte Konsensfindung

  • Kapitelweises Vorgehen, Aufruf jeder Kernaussage bzw. jeder Empfehlung einzeln durch die Moderatorin

  • Registrierung von Stellungnahmen aus dem Plenum durch die Moderatorin

  • Klarstellung und Begründung alternativer Vorschläge

  • Vorherabstimmung über Erstentwurf und alle Alternativen

  • Feststellung von Diskussionspunkten und Dissens

  • Debattieren und Diskutieren

  • Endgültige Abstimmung

Die Diskussion und Abstimmung wurde von Dr. med. Monika Nothacker geleitet. Die Abstimmung erfolgte mittels Handzeichen. Die Auszählung erfolgte durch Herrn Isenberg, Geschäftsführer der Deutschen Schmerzgesellschaft. Die Dokumentation der Abläufe und der Ergebnisse der Abstimmung erfolgte parallel durch Dr. med. Monika Nothacker und PD Dr. med. Winfried Häuser.

Externe Begutachtung und Verabschiedung

Das finale Manuskript wurde den Vorständen der beteiligten Fachgesellschaften mit der Bitte um Stellungnahme und Autorisierung gesandt. Alle Präsidien der beteiligten Fachgesellschaften stimmten der Leitlinie zu mit Ausnahme der Deutschen Gesellschaft für Osteologie, die sich erst nach Klärung der Absicherung der Haftungsrisiken inhaltlich zu LONTS äußern will. Eine externe Begutachtung erfolgte durch die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, der Schweizer Gesellschaft zum Studium des Schmerzes und der Österreichischen Schmerzgesellschaft. Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin wurde um eine Begutachtung gebeten. Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin hat das Angebot nicht angenommen (Brief vom 16.06.2014). Formale Änderungswünsche der Gutachter und der Fachgesellschaften für den Leitlinientext wurden berücksichtigt.

Die öffentliche Kommentierungsphase der Leitlinie wurde von der Geschäftsstelle der Deutschen Schmerzgesellschaft über die Medien angekündigt und fand vom 14.07.–30.08.2014 statt. Die Relevanz der öffentlichen Kommentare wurde von der Steuergruppe in einem Delphi-Verfahren bewertet. Eine Empfehlung wurde aufgrund der öffentlichen Kommentare in einem Delphi-Verfahren der Steuer- und Konsensusgruppe ergänzt sowie vier Kommentare in einem Delphi-Verfahren der Steuergruppe erweitert.

Formale Änderungswünsche der Gutachter für den Leitlinientext wurden berücksichtigt. Die Kommentare der Fachgesellschaften und Gutachter sowie der öffentlichen Kommentierungsphase sind im Anhang des Methodenreports der Leitlinie auf der AWMF-Homepage veröffentlicht (www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/145-003m_S3_LONTS_2014-09.pdf).

Eine Kitteltaschenversion wird zusammen mit der DEGAM im Herbst 2014 entwickelt werden.

Die Patientenleitlinie wurde in Zusammenarbeit mit den beiden Delegierten der an der Leitlinie beteiligten Patientenselbsthilfeorganisationen und dem Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ; Frau Corinna Schäfer, M. A.) entwickelt. Eine Pilotversion der Patientenleitlinie wurde bei einem Treffen einer Selbsthilfegruppe von SchmerzLOS verteilt. Die 8 Teilnehmer des Treffens (7 Frauen, 1 Mann) meldeten zurück, dass der Text laienverständlich geschrieben sei und die wichtigsten Patientenfragen beantworte.

Annahme durch AWMF

Die Leitlinienaktualisierung wurde am 15.09.2014 bei der AWMF eingereicht und am 30.09.2014 von der AWMF angenommen (AWMF-Registernummer 145/003).

Diskussion

Anwendbarkeit und Nachvollziehbarkeit

Gesundheitsökonomische Aspekte wurden bei spärlicher Datenlage nicht umfassend bearbeitet. Die explizite Berücksichtigung der Kosten erfolgte nicht.

Die behandelten Fragestellungen wurden thematisch gegliedert in den Kapiteln der Leitlinie abgehandelt. Nach den Empfehlungen erfolgen die Kommentare, in denen Erläuterungen sowie die Literaturstellen, die als Evidenzbasis herangezogen wurden, enthalten sind. Die Evidenztabellen (Inhalte, methodische Qualität und externe Validität der Studien) sowie die quantitativen Datensynthesen (Metaanalysen) mit ihren Forest Plots sind frei auf der Homepage der AWMF sowie über PubMed als Electronic Supplementary Material der durchgeführten Metaanalysen zugänglich [12, 15, 22, 24, 26, 28].

Disseminierung und Implementierung

Die Leitlinie (Kurzversion, Vollversion), der Methodenreport und der Evidenzbericht sind auf den Internetseiten der AWMF (http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/145-003.html) einsehbar.

Die vollständige wissenschaftliche Version der Leitlinie erfolgt in diesem Themenheft. Eine Kurzversion der Leitlinie wurde vom Deutschen Ärzteblatt im Oktober 2014 publiziert (www.aerzteblatt.de/archiv/162926/Langzeitanwendung-von-Opioiden-bei-nichttumorbedingten-Schmerzen).

Die Patientenversion der Leitlinie (Kurz- und Langversion) wird auf den Homepages der Selbsthilfeorganisationen (http://www.schmerzlos-ev.de; http://www.rheuma-liga.de) aufrufbar sein. Die Inhalte der neuen Leitlinie werden in den Mitgliederzeitschriften der beiden Selbsthilfeorganisationen dargestellt. Das ÄZQ entwickelte im Oktober 2014 – basierend auf der wissenschaftlichen und Patientenleitlinie der Aktualisierung von LONTS – die Patienteninformation „Opioide bei chronischen Schmerzen“ (http://www.patienten-information.de/mdb/downloads/kip/aezq-version-kip-opioide-bei-chronischen-schmerzen.pdf).

Die Präsentation der Empfehlungen der Leitlinie erfolgte in einem Hauptsymposium des Deutschen Schmerzkongresses im Oktober 2014 in Hamburg. Die Mitglieder der Leitliniengruppe werden die Leitlinienempfehlungen auf regionalen Fortbildungsveranstaltungen und Qualitätszirkeln vorstellen.

Für die internationale Verbreitung der Leitlinie sind folgende Maßnahmen geplant: Sämtliche Beiträge des Themenhefts von Der Schmerz zur Leitlinie sind „open access“ auf Englisch via PubMed verfügbar. Die englischsprachige Kurzversion der Leitlinie ist über das Dtsch Ärztebl Int verfügbar. Die Leitlinie wird über die Homepage des Internationalen Leitliniennetzwerks http://www.g-i-n.net verfügbar sein.

Evaluation der Leitlinie

Die Implementierung der Leitlinie soll die Behandlungsqualität verbessern. Da eine Leitlinie formal als These aufzufassen ist, soll sie in einem angemessenen Zeitraum dahingehend evaluiert werden, ob diese Ziele erreicht werden. Folgende Evaluationsmaßnahmen sind geplant:

  1. a)

    Analyse der Daten der Barmer Ersatzkasse, ob sich die Häufigkeit nicht-leitlinienkonformer Verschreibungen von opioidhaltigen Analgetika bei funktionellen/somatoformen Störungen [11, 16, 25] reduziert hat.

  2. b)

    Im Rahmen von Audits von Teilnehmern der Leitliniengruppe mit lokalen Qualitätszirkeln (Schmerztherapie) sowie stationären Einrichtungen (Schmerztherapie) sollen von der Leitlinie nicht bearbeitete Bereiche sowie wahrgenommene Barrieren diskutiert und gemeinsame Strategien für eine bessere Leitlinienimplementierung entwickelt werden.

Methodische Unterschiede zur 1. Version der Leitlinie

Der Steuergruppe gehörten auch Vertreter der Allgemeinmedizin, Geriatrie sowie Psychosomatischen Medizin an. Die Vorformulierung der Empfehlungen erfolgte interaktiv durch zahlreiche Delphi-Runden der Steuergruppe. In der Konsensusgruppe waren alle Gebiete der Musterweiterbildungsordnung mit Bezug zu erwachsenen Patienten beteiligt. Die Konsensustreffen wurden durch eine Vertreterin der AWMF moderiert. Die Stärke des Konsensus wurde erfasst. Die externe Begutachtung erfolgte durch Fachgesellschaften.

Eine Definition von „Langzeitanwendung“ von Opioiden erfolgte. Die Ein- und Ausschlusskriterien der RCTs wurden analysiert. Neben Schmerz wurden weitere Maße der Wirksamkeit als auch Maße für Risiken in die quantitative Datensynthese einbezogen. Die Beurteilung der Wirksamkeit von opioidhaltigen Analgetika im Vergleich zu anderen Analgetika erfolgte durch eine Metaanalyse von Direktvergleichen und nicht mehr durch getrennte Metaanalysen von RCTs mit opioidhaltigen Analgetika und von RCTs mit nichtopioidhaltigen Analgetika bei CNTS-Syndromen. Für die Beurteilung von Langzeitwirksamkeit und -risiken wurde eine Metaanalyse von „open-label extension studies“ ≥ 26 Wochen von RCTs durchgeführt. Für die Beurteilung von Langzeitrisiken wurden auch Kohortenstudien berücksichtigt.

Die Qualität der Evidenz wurde mit GRADE statt mit SIGN (Scottish Intercollegiate Guidelines Network) bewertet. Für die Leitlinienempfehlungen wurde keine RCT mehr aufgrund niedriger methodischer Qualität ausgeschlossen. Die Graduierung der Empfehlungsstärken und Formulierung der Empfehlungen erfolgte nach dem AWMF-Regelwerk und nicht mehr nach SIGN. Die A-priori-Definition von Kriterien der Abstufung des Evidenzgrades und Ab- und Höherstufung des Empfehlungsgrades wurde gewählt, um Entscheidungen des Konsensusprozesses transparent zu machen und den Einfluss von Einzelmeinungen bei den Konsensuskonferenzen zu minimieren.

Inhaltliche Unterschiede zur 1. Version der Leitlinie

Folgende Empfehlungen wurden nicht mehr erneuert:

  1. a)

    Eine langfristige Therapie mit opioidhaltigen Analgetika soll nur durchgeführt werden, wenn andere medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapiemaßnahmen versagt haben. (Empfehlung)

  2. b)

    Ein Anwendungsversuch mit opioidhaltigen Analgetika von dreiwöchiger bis zu dreimonatiger Dauer ist bei Patienten mit CNTS wegen der geringen Einzelwirkung nur bei Inanspruchnahme zusätzlicher schmerzlindernder (z. B. kognitiv-behavioraler, konflikt- und problemlösender, physikalischer, soziotherapeutischer) Maßnahmen zu erwägen. (Starke Empfehlung)

  3. c)

    Kognitiv-behaviorale Verfahren sind bei der Langzeitbehandlung chronischer Schmerzen analgetisch wirksam und sollten zur Unterstützung der Opioidanwendung in Erwägung gezogen werden. (Starke Empfehlung)

Es wurden mögliche Indikationen sowie Kontraindikationen (Krankheitsbilder mit ICD-10) einer Therapie mit opioidhaltigen Analgetika benannt.

Empfehlungen für spezielle Patientengruppen (z. B. Kinder, Schwangere) wurden gegeben.

Grenzen evidenzbasierter Medizin

Die Datenextraktion bei den Studien war aus folgenden Gründen eingeschränkt: In vielen Studien wurde die Art der Randomisierung, der Behandlungszuordnung und der Verblindung der Auswerter nicht beschrieben. Wir fragten bei den Studienautoren nicht nach den nicht berichteten Studiendetails nach. Es ist daher möglich, dass die tatsächliche methodische Studienqualität höher als die berichtete Studienqualität war.

Die Ein- und Ausschlusskriterien waren in vielen Studien nicht präzise definiert. Die umfangreichen Ein- und Ausschlusskriterien der meisten Studien schränken die Repräsentativität der RCTs für die Patienten der klinischen Routineversorgung deutlich ein, da viele Studien hochbetagte (> 75 Jahre), Patienten mit relevanten körperlichen Erkrankungen (Herz, Leber, Niere) und schweren seelischen Störungen ausschlossen.

Um die Frage der Langzeitwirksamkeit (> 12 Wochen) von opioidhaltigen Analgetika zu klären, ist ein Teil der Steuergruppe der Ansicht, dass randomisierte, kontrollierte (Placebo, anderes aktives Verfahren) Studien mit einer Dauer von 26–52 Wochen durchgeführt werden sollen. Ein Teil der Steuergruppe ist der Ansicht, dass solche Studien aus ethischen und organisatorischen Gründen nicht durchführbar sind.

Barrieren bei der Umsetzung der Leitlinie und mögliche Lösungsmöglichkeiten

Mögliche Barrieren der Anwendung der Leitlinienempfehlungen können bei den Betroffenen, Angehörigen, Personen des Gesundheitswesens und Medien identifiziert werden:

Betroffene: Unwissen (z. B. von potenziellen Nebenwirkungen der Therapie); unrealistisch hohe Therapieerwartungen an bzw. irrationale Ängste vor einer längerfristigen Therapie mit opioidhaltigen Analgetika

Angehörige: Unwissen (z. B. von potenziellen Nebenwirkungen der Therapie); unrealistisch hohe Therapieerwartungen an bzw. irrationale Ängste vor einer längerfristigen Therapie mit opioidhaltigen Analgetika

Personen des Gesundheitswesens (Ärzte, Psychologen, Physiotherapeuten): Unwissen (z. B. von potenziellen Nebenwirkungen der Therapie); emotionale Vorbehalte gegen opioidhaltige Analgetika; erhöhter Zeitaufwand bei Ausstellung von Betäubungsmittelrezepten; unrealistisch hohe Therapieerwartungen an bzw. pauschale Ablehnung einer längerfristigen Therapie mit opioidhaltigen Analgetika; Wahrnehmung von Leitlinienempfehlungen als Einmischung in die ärztliche Therapiefreiheit und als „Kochbuchmedizin“

Medien: Fördern von unangemessen hohen Erwartungen an bzw. Angst vor einer längerfristigen Therapie mit opioidhaltigen Analgetika

Mögliche Lösungsmöglichkeiten sind eine wirksame Verbreitung und Implementierung der Leitlinie sowie ausgewogene Berichte von Medien nach Beratung durch medizinische Experten.

Gültigkeitsdauer und Aktualisierungsverfahren

Die Leitlinie hat eine Gültigkeit bis 10/2019, zu diesem Zeitpunkt ist eine Aktualisierung vorgesehen. Zwischenzeitliche Erkenntnisse, die eine Aktualisierung einzelner Abschnitte oder Empfehlungen erforderlich machen können, werden von der Steuerungsgruppe beobachtet. Relevante Abstracts aller neuen Publikationen zur Therapie mit opioidhaltigen Analgetika beim CNTS in MEDLINE werden vom Leitliniensekretariat auf Relevanz für die Leitlinie gesichtet. Hinweise sind auch von den Adressaten der Leitlinie ausdrücklich erwünscht und können an den Koordinator (whaeuser@klinikum-saarbruecken.de) gerichtet werden bzw. über die Kommentierungsfunktion der Homepage der AWMF eingereicht werden. Bei neuen, relevanten und anerkannten Erkenntnissen, die im Gegensatz zur Aussage der Leitlinie stehen, sind Benachrichtigungen innerhalb von 3 Monaten in den Fachzeitschriften der beteiligten Gesellschaften sowie ein Addendum der Leitlinie auf der Homepage der AWMF vorgesehen.

Das Datum der Veröffentlichung, das Datum der nächsten geplanten Überarbeitung sowie die Anmeldung der geplanten und/oder zwischenzeitlichen Aktualisierungen werden im öffentlich zugänglichen Verzeichnis der AWMF (http://www.awmf-leitlinien.de) ausgewiesen. Gültig ist nur die jeweils neueste Version gemäß dem AWMF-Register.