Hintergrund und Fragestellung

Schmerztherapie sollte von jedem Arzt geleistet werden können, für chronifizierungsgefährdete oder chronische Schmerzpatienten müssen jedoch in verschiedenen Therapieverfahren versierte und spezialisierte Ärzte zur Verfügung stehen. „Spezielle Schmerztherapie“ ist eine Qualifikation, die auf Basis verschiedener Facharztqualifikationen mit einer Zusatzbezeichnung zu erwerben ist. Die Qualitätssicherungsvereinbarung mit den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) ermöglicht die Abrechnung ambulanter schmerztherapeutischer Leistungen. Diese Qualifikation formuliert Anforderungen, die nicht deckungsgleich mit denen der Zusatzbezeichnung sind. Eine persönliche oder institutionelle Ermächtigung können ambulante Einrichtungen an Kliniken ebenfalls von ihrer KV erhalten. Eine zusätzliche Qualifikation vergeben die beiden schmerztherapeutischen Gesellschaften „Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie“ (DGS) und „Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes“ (DGSS).

Für die Verhandlungen um ausreichende Vergütung schmerztherapeutischer Leistungen mit Politik und Kostenträgern ist es notwendig, die besonderen Qualitätsmerkmale zur Versorgung der Patienten darzustellen [1].

Bisher gibt es keine einrichtungsbezogenen Informationen zu Qualifikation und Leistungsfähigkeit ambulanter spezieller Schmerztherapie in Praxen und Kliniken. Die Information zu Organisationsmodellen ambulanter Schmerztherapie [2] musste daher dringend aktualisiert werden. Die Umfrage erfasst die ambulante Schmerztherapie auch an Kliniken, die in einer früheren Aktion weniger ausführlich befragt worden waren [3]. Die schmerztherapeutischen Gesellschaften haben ausschließlich Informationen über die Mitgliedschaft und die Facharztqualifikation ihrer Mitglieder.

Daher initiierte die berufspolitische Kommission der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin (DGAI) und dem Berufsverband der Anästhesisten (BDA) eine Umfrage bei ihren Mitgliedern und bei Ärzten, die von ihren Kassenärztlichen Vereinigungen mit einer schmerztherapeutischen Qualifikation geführt werden. Besonderer Wert wurde auf Ausstattung, Vorgehen in der Versorgung und interdisziplinäre multiprofessionelle Zusammenarbeit gelegt.

Methoden

Um möglichst alle ambulant schmerztherapeutisch Tätigen zu erfassen, diese aber aus den Mitgliederverzeichnissen nicht hervorgehen, wurden alle Mitglieder der Gesellschaften DGSS, BDA sowie ausgewählte Mitglieder der DGAI – z. T. wegen Doppelmitgliedschaften mehrfach – per Post oder E-Mail angeschrieben. Zusätzlich gab es auf der DGSS-Homepage eine Internetversion. Die DGS verwandte parallel den gleichlautenden Fragenkatalog bei der jährlichen Umfrage zu ihrem Mitgliederverzeichnis.

Mit einem personenbezogenen Fragebogen wurden die persönliche Qualifikation, mit einem einrichtungsbezogenen Bogen die personelle Ausstattung, der Versorgungsumfang und die Arbeitsweise erfasst. Einrichtungen konnten mehrere Mitarbeiter mit personenbezogenen Bögen zugeordnet sein, ausnahmsweise schmerztherapeutisch qualifizierte Personen mehreren Einrichtungen.

Die Erfassung erfolgte nicht anonym, um eine regionale Zuordnung zu ermöglichen und die Informationen auch berufspolitisch nutzen zu können. Auf beiden Fragebögen waren nur wenige antwortende Kollegen mit der Benennung ihrer Angaben nicht einverstanden.

Datensammlung

Insgesamt wurden 6660 Mitglieder der Gesellschaften und 519 von 956 KV-Mitgliedern mit einer Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“, die nicht Mitglied einer der Gesellschaften sind, befragt. Die meisten der insgesamt 672 Rückmeldungen (Tab. 1) kamen per Fax. Die Bögen waren häufig nicht vollständig ausgefüllt oder Angaben wurden wegen Missverständnissen an mehreren Stellen gleich lautend gemacht. Während der Auswertung wurden fehlende Angaben z. T. sinngemäß ersetzt, wenn entsprechende Informationen im Fragebogen vorhanden waren.

Tab. 1 Adressaten der Umfrage und antwortende Schmerztherapeuten nach Mitgliedschaft

Persönliche Qualifikation

Bei der persönlichen Qualifikation (Abb. 1) war die Zusatzbezeichnung die häufigst genannte Qualifikation (75%), nächsthäufig mit 41% die Qualitätssicherungsvereinbarung, allerdings hatten mehr als die Hälfte der Antwortenden mehr als eine der genannten Qualifikationen. Bei den Algesiologiezertifikaten gibt es ebenfalls Überschneidungen, bei insgesamt ähnlicher Häufigkeit mit je 1/5 der Antwortenden haben 62 (10%) beide Qualifikationen von DGSS und DGS. Keine der genannten Qualifikationen haben 113 (16,8%) antwortende Personen angegeben, 16 (2,4%) alle 5.

Abb. 1
figure 1

Persönliche Qualifikation der 672 Antwortenden

Auswertung

Die Auswertung erfolgte deskriptiv über Excel-Listen, wie die Mitgliederlisten der beiden Gesellschaften geführt werden, sowie über SPSS, Version 12. Dabei wurden die in Tab. 2 dargestellten Organisationsmodelle zur Gruppenbildung herangezogen.

Tab. 2 Organisationsmodelle der schmerztherapeutischen Einrichtungen, eindeutig zugeordnet

Ergebnisse

Daten

Aus 545 Einrichtungen – 19 ohne, 526 mit personenbezogenen Antworten – und von 672 Personen – 143 Personen ohne, 526 mit Einrichtungen – liegen Informationen zu Patientenversorgung bzw. persönlicher Qualifikation vor.

Schmerztherapeutische Einrichtungen

Zum Teil ordneten sich 526 Einrichtungen mehreren im Fragebogen genannten Organisationsmodellen zu. Daher wurden eindeutige Zuordnungen eingeführt (Tab. 2). 133 Schmerzpraxen wurden primär als solche gezählt, 199 Praxen in Einzel- oder Gemeinschaftspraxen, 162 Klinikambulanzen, wenn sie nicht an neuen Formen beteiligt waren. 32 Medizinische Versorgungszentren (MVZ) und Polikliniken wurden unter „neue Formen“ summiert.

Mitarbeiter und Qualifikation

Von 494 Einrichtungen mit Angaben zu Mitarbeitern und deren Qualifikation verfügt knapp 1/3 nur über bis zu 2 Mitarbeiter, etwa 20% über 8 mit bis zu 78 Mitarbeiter (Abb. 2). Dabei sind Praxen die größte Gruppe bei den kleinen, die neuen Formen bei den größten Einrichtungen, die Klinikambulanzen sind mit wenigen großen sonst etwa gleich verteilt.

Abb. 2
figure 2

Mitarbeiter nach Einrichtungsart in Prozent nach Einrichtungsart

Personelle Ausstattung

Am häufigsten, in etwa 2/3 der Einrichtungen, haben Anästhesisten die Leitung, gefolgt von Orthopäden und Allgemeinmedizinern zu jeweils etwa 5%, Neurochirurgen, Neurologen, Psychologen und Physikalisch-Rehabilitativen Medizinern zu jeweils knapp 2%. 181 Einrichtungen haben bei der personellen Ausstattung Angaben zu Psychotherapeuten gemacht, davon haben 14 keinen. Es wird davon auszugehen sein, dass die Einrichtungen ohne Angaben auch keine Mitarbeiter dieser Berufsgruppen beschäftigen. Danach haben etwa 30% der antwortenden Einrichtungen einen Psychotherapeuten zur Verfügung. Zu Physiotherapeuten gab es 100 Angaben, davon haben 24 keinen, 87 Angaben zu Sozialarbeitern, davon haben 22 keinen.

Räume, Ausstattung für Schmerztherapie

Die angegebene Gesamtzahl der Räume lag im Mittel bei 5,5, mit 4 am niedrigsten in den Klinikambulanzen, mit 9,7 am höchsten in den neuen Formen.

Die diagnostisch-therapeutische Ausstattung ist ebenfalls sehr unterschiedlich. Die meisten (74%) haben ein EKG oder Ultraschall, über die Hälfte der Ambulanzen können ein CT/MRT nutzen. Etwa 1/4 der Schmerzpraxen und der neuen Formen nutzt Biofeedbackverfahren. Der Anteil der Einrichtungen mit einer vollständigen Notfallausstattung liegt bei 73,9%.

Patientenversorgung

Anzahl und Art betreuter Patienten

In den Einrichtungen werden im Mittel 280 neue Schmerzpatienten im Jahr betreut, in den neuen Formen mit 547 im Mittel die meisten (Tab. 3). Es gibt 123 spezialisierte Einrichtungen ausschließlich für Schmerzpatienten und solche, die Schmerzpatienten neben anderen großen Patientengruppen (z. B. Anästhesisten) oder einem Spektrum anderer Patienten (z. B. Allgemeinmediziner) betreuen. 376 Einrichtungen (71,5%), darunter auch die meisten Schmerzpraxen, bieten Sprechstunden für z. T. sehr viele Nichtschmerzpatienten an. 214 (39,2%) der Einrichtungen, meist Praxen (101) und Schmerzpraxen (75), machen Haus- bzw. Hospizbesuche, allerdings variieren die Stundenangaben stark zwischen 0,5 und 30 h/Woche oder auch „rund um die Uhr“.

Tab. 3 Schmerztherapeutische Einrichtungen und Anzahl schmerztherapeutisch betreuter Patienten sowie Nichtschmerzpatienten im Jahr

In allen Einrichtungsarten, v. a. in Schmerzpraxen und den neuen Versorgungsformen, werden häufig Patienten länger als 2 Jahre betreut, das sind etwa 50% aller Patienten, allerdings mit vielen „missing values“.

Öffnungszeiten

Die Öffnungszeiten unterscheiden sich in den Einrichtungsarten, aber auch innerhalb dieser Gruppen erheblich. Die für Schmerzeinrichtungen geforderten 16 h erreichen Schmerzpraxen und neue Formen in über 90%, andere Praxen und Klinikambulanzen jedoch nur zu gut 70%.

Dokumentation

Der Anamnesebogen wird etwa 75% der Patienten bei der Anmeldung zugeschickt oder ausgehändigt, deutlich weniger Einrichtungen dokumentieren die verantwortlichen Therapeuten und die angewandten Therapiemodule (Tab. 4). Die Datenerfassung erfolgt in 64 Einrichtungen mit QUAST, in 250 mit anderen Programmen, davon 236 in der Praxis-EDV mit Schmerzkriterien, 19 mit unterschiedlichen Versionen des DGS-Programms und 4 mit i-Suite. In der Praxis-EDV ist der Schmerzfragebogen nicht enthalten. Schriftliche Erläuterungen zur Schmerztherapie werden mehr als der Hälfte der Patienten im Mittel, am häufigsten in Schmerzpraxen und neuen Formen an die Patienten ausgegeben.

Tab. 4 Dokumentation: Einsatz eines Anamnesebogens (Deutscher Schmerzfragebogen DSF) bzw. des Verlaufsfragebogens, weitere Dokumentation von Therapeuten und Maßnahmen (alsTherapiemodule), schriftlichen Erläuterungen in % nach Einrichtungsart

Als Informationsgrundlage für die schmerztherapeutische Versorgung wurden von über 90% der Einrichtungen die Erfassung, aber auch die Dokumentation der Kriterien Schmerzdiagnose ICD, Komorbidität ICD, psychische Komorbidität, Therapieziele, Diagnostik- und Therapieplan, Therapieverlauf, Medikamente, Verlaufsdokumentation und zu über 80% Chronifizierung und Abschlussbericht angegeben. Abschlussgespräche werden zu 94% geführt, Zufriedenheitsbefragungen der Patienten zu 72% – oft nicht standardisiert, nicht bei allen Patienten oder mit anderen Einschränkungen – und von 92,6% der Einrichtungen Empfehlungen an die weiterbehandelnden Ärzte gegeben.

In den Bemerkungen werden an verschiedenen Stellen Schwierigkeiten beschrieben, dass die Patienten nicht abgegeben werden können bzw. die Weiterführung des Therapiekonzepts schwierig sei (Tab. 5).

Tab. 5 Kriterien für die Beendigung der Schmerztherapie, gruppierte Freitextangaben (n=419 Angaben aus 364 Einrichtungen), in % nach Einrichtungsart

Wartezeiten

Zeit zwischen Anmeldung und Beginn der Schmerztherapie. Im Mittel muss ein Patient mit chronischen Schmerzen 5 Wochen auf einen Termin warten. Die Spanne reicht von 0 Tagen bis über ein Jahr und ist am niedrigsten in Praxen, im Mittel am höchsten in den neuen Formen.

In vielen (397) Einrichtungen gibt es Notfalltermine für bestimmte Patientengruppen. Dies sind v. a. akute (175) und Tumorschmerzen (171) sowie Herpes-zoster-Schmerz (119) und „complex regional pain syndrome“ (CRPS, 63).

Therapieverfahren

Etwa 80% aller Einrichtungen bieten multimodale Schmerztherapieverfahren für Patienten mit Kopf-, Rücken- und weiteren Schmerzen an. Es gibt aber auch Einrichtungen, die sich auf bestimmte Patientengruppen spezialisiert haben, z. B. 91, die keine Patienten mit Kopfschmerzen behandeln, und 160 Einrichtungen, die keine Patienten mit Kopfschmerzen multimodal behandeln. Knapp 43% der Einrichtungen bieten die 3 zentralen Therapien ergänzt um weitere Verfahren wie invasive, Akupunktur oder beides an, bei 48,3% fehlt jedoch eine der 3 zentralen Kombinanten aus Physio-, Psycho- und medizinischer Therapie (Tab. 6). Keine Einrichtung bietet ausschließlich invasive Verfahren oder Akupunktur an.

Tab. 6 Therapieverfahren und Kombinationen nach Einrichtungsart in %

Zusammenarbeit mit Zuweisern und Mitbehandlern

Als Zuweiser werden am häufigsten Hausärzte (60,3%) und Orthopäden (56,1%) benannt, gefolgt von der eigenen Klinik (38,2%), Neurologen (14,9%) und Schmerztherapeuten (28 Einrichtungen mit 5%). 35,5% der Patienten kommen ohne Überweisung. Als Mitbehandler wurden benannt: Neurologie (183), Orthopädie (169), Physiotherapie (79), Psychologie (71) und Psychotherapie (70), in ähnlicher Reihenfolge in allen Einrichtungen. In etwa 50% der Einrichtungen werden feste Zeiträume zur Therapie vereinbart, zu denen die Schmerztherapie beendet wird und die Patienten zu ihren Überweisern zurückkehren.

Schmerzkonferenzen

80% der Einrichtungen haben eine interdisziplinäre Schmerzkonferenz zur Verfügung, die sich im Mittel deutlich häufiger als einmal monatlich trifft, 2-mal monatlich bei den neuen Formen. Minimum ist einmal jährlich, Maximum täglich. Knapp die Hälfte wird protokolliert.

Regionale Verteilung von Praxen und Ambulanzen mit ambulanter Schmerztherapie

Insgesamt werden in den Einrichtungen aus dieser Umfrage mehr als 444.000 Schmerzpatienten betreut, denn 84 haben ihre Patientenzahlen nicht beziffert. Die regionale Verteilung ist jedoch sehr unterschiedlich (Tab. 7, Abb. 3) mit einem Minimum von 2,8 versorgten Schmerzpatienten auf 1000 Einwohner in Bayern bis maximal 9,4 in Thüringen.

Tab. 7 Ambulante schmerztherapeutische Versorgung nach Bundesländern – Anzahl der Einrichtungen, der versorgten Patienten/Jahr, zusätzlich bezogen auf Einwohnerzahl, Wartezeit in Tagen
Abb. 3
figure 3

Ambulante schmerztherapeutische Versorgung nach Bundesländern – Anzahl der versorgten Patienten/Jahr und bezogen auf 1000 Einwohner der Länder (Tab. 7)

Kriterien für Struktur- und Prozessqualität ambulanter schmerztherapeutischer Einrichtungen

Wünschenswerte Kriterien wurden am Gesamtdatensatz überprüft (Tab. 8). Diese wurden ausgewählt und zusammengestellt nach den Anforderungen zur Erlangung des Algesiologiezertifikats der Deutschen Schmerzgesellschaft DGSS [4], den Vorgaben der internationalen Schmerzgesellschaft IASP [5] und der Schmerztherapievereinbarung aus 1994, beschrieben im letzten gemeinsamen „Wegweiser Schmerztherapie“ der Schmerzgesellschaften [6]. Nach dieser Auswertung werden sinnvolle und notwendige Kriterien von einem unterschiedlichen Anteil schmerztherapeutischer Einrichtungen erfüllt. Wenn alle Qualitätskriterien kombiniert werden, verringert sich der Anteil der Einrichtungen mit erfüllten Kriterien weiter.

Tab. 8 Qualitätskriterien für schmerztherapeutische Einrichtungen nach Einrichtungsart in % der Einrichtungen mit Einhaltung der Kriterien

Diskussion

Methoden

Zusätzlich zu den bei der KV gelisteten Ärzten mit der Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“ wurden die Mitglieder der Schmerzgesellschaften angeschrieben, um einen möglichst vollständigen Katalog ambulanter schmerztherapeutischer Einrichtungen zu erhalten. BDA und DGAI können ausschließlich die anästhesiologischen Schmerztherapeuten aufnehmen, während die DGSS allen Fachrichtungen und in der Schmerztherapie wichtigen Berufsgruppen wie z. B. Physiotherapeuten und Psychologen offen steht. Es ist in dieser Umfrage gelungen, über den Mitgliederkreis der Gesellschaften hinaus Antworten zu erhalten. Allerdings ist es zu bedauern, dass nur 265 DGS-Mitglieder mit Einrichtungen geantwortet haben. Dies ist durch die zeitlich versetzte Umfrage der DGS verursacht, deren Daten trotz weitgehender Übereinstimmung der Fragen bisher leider nicht berücksichtigt werden konnten.

Die Methodik bietet auch insofern eine Einschränkung der Aussagen, da es sich um eigene Darstellungen handelt. Dies gilt auch für die Gruppenzuordnung, die wegweisend für die Auswertung war.

Interdisziplinarität

Einrichtungen, die eine multimodale Schmerztherapie anbieten, sollten in der eigenen Einrichtung schmerztherapeutisch qualifiziertes Personal zur Verfügung haben: Fachärzte mit unterschiedlicher Fachrichtung, Physiotherapeuten und Psychotherapeuten sind erforderlich, um die notwendige Interdisziplinarität darzustellen. Praxen sollten mit diesen Berufsgruppen verbindlich kooperieren, z. B. sollten für ein multimodales Programm beim Kopfschmerz ein neurologischer oder anästhesiologischer Schmerztherapeut, ein Psychologe, bedarfsweise ein Internist, Radiologe, Neurochirurg oder ein Kieferchirurg hinzugezogen werden, beim Rückenschmerz ein orthopädischer oder anästhesiologischer Schmerztherapeut, ein Psychologe, ein Physiotherapeut, bedarfsweise ein Radiologe, Neurologe oder Internist.

Anhand der Daten ist zu vermuten, dass diese Anforderung meist nicht erfüllt wird.

Auch wegen des hohen personellen Aufwands für einzelne Konsile wurden Schmerzkonferenzen eingeführt, um mit Vertretern unterschiedlicher Fachrichtungen über und mit therapieresistenten Patienten sprechen zu können. Ein wichtiges Merkmal für eine gelebte Interdisziplinarität stellt daher die Teilnahme an einer sog. institutionalisierten „Schmerzkonferenz“ dar. Diese bis zur Einführung des neuen EBM meist unbezahlte Leistung hat als interdisziplinärer Baustein der Versorgung von Schmerzpatienten nicht nur Problemlösungs- sondern auch Fortbildungscharakter. Viele der antwortenden Einrichtungen bedienen sich dieser auch im EBM eingeforderten Konsiliarkonferenzen, nur relativ wenige werden allerdings protokolliert.

Patientenversorgung

In Anbetracht einer großen Zahl von geschätzt etwa 600.000 problematischen Schmerzpatienten [3, 7] kann auf Grund der Art der vorliegenden Daten keine Aussage darüber getroffen werden, ob die Anzahl der ambulanten schmerztherapeutischen Einrichtungen ausreicht. Sicher gibt es große regionale Unterschiede, die zu Engpässen in der Versorgung führen können.

Zudem erscheint die multimodale Betreuung zu spät und gesundheitsökonomisch nicht sinnvoll zu erfolgen, wenn die Chronifizierung bereits fortgeschritten ist. Hier ist eine abgestufte Versorgung, wie sie für andere Krankheitsbilder eine Selbstverständlichkeit darstellt, dringend vonnöten. Es scheint allerdings derzeit nicht möglich zu sein, dass schmerztherapeutisch spezialisierte Einrichtungen ausschließlich Schmerzpatienten betreuen. Mit dieser Umfrage sollte und konnte nicht geklärt werden, ob eine solche Ausschließlichkeit aus finanziellen Gründen nicht durchführbar ist. Zudem ist eine qualifizierte Suche über die Zusatzvereinbarung hinaus nach spezifischen aus der Sicht der Schmerzgesellschaften sinnvollen Qualitätskriterien bisher nicht möglich, ggf. sollten diese ein entsprechendes Verzeichnis führen.

Nach den hier vorgelegten Daten kann dargestellt werden, dass zur Zeit etwa 50% der Patienten über mehr als 2 Jahre betreut werden. Bei den Patienten, die bereits hoch chronifiziert sind, ist eine oft lebenslange Begleitung notwendig und nützlich. Die zur Zeit im EBM angegebene fakultative Begrenzung der Behandlung auf 2 Jahre ist nicht sinnvoll und sollte aufgehoben werden.

Dokumentation, Anamnese

Als Standard sollte der Einsatz des Anamnesebogens (Deutscher Schmerzfragebogen (DSF), s. [8] in der aktualisierten Version mit Handbuch [9]) bei allen chronischen Schmerzpatienten gelten, die in die schmerztherapeutisch spezialisierten Einrichtungen kommen. Eine standardisierte Dokumentation erfolgt auch im weit überwiegenden Anteil der Einrichtungen. Eine elektronische Datenerfassung ist notwendig, auch zur Auswertung wichtiger Instrumente wie der Fragen zu Lebensqualität, dem Schweregrad nach von Korff und den Fragen nach Angst und Depressivität. Diese erfolgt jedoch meist nicht.

Durch die bereits in der Qualitätssicherungsvereinbarung und ihren Vorgängern angegebenen Qualitätskriterien (Verschlüsselung nach ICD, Verschlüsselung der Komorbiditäten in allen Bereichen, Nennung der Therapieziele, Aufstellung eines Diagnostik- und Therapieplans, Dokumentation des Therapieverlaufs, Ermittlung der Chronifizierung, Abschlussbereicht), sind diese bei einem Großteil der Einrichtungen bereits erfüllt.

Therapieverfahren

Im einrichtungsbezogenen Fragebogen war nach multimodalen Therapieprogrammen gefragt worden. Im stationären Bereich wurde eine Kodierung für die multimodale Schmerztherapie eingeführt und dort sowohl die Patienten als auch strukturelle und prozessuale Voraussetzungen definiert [10]. Damit gibt es eine eindeutige Definition der „multimodalen“ Schmerztherapie [11].

In der Schmerztherapievereinbarung werden mehrere Therapieverfahren gefordert. Schmerztherapeutische Einrichtungen sollten obligat die 3 Bausteine Physiotherapie, medizinische und psychologische Therapie anbieten. Invasive Therapie kann hinzukommen, sollte aber nicht allein mit nur einem anderen Verfahren kombiniert werden.

Repräsentativität der Daten

Für eine Bewertung der Schmerztherapieangebote und der schmerztherapeutischen Versorgung in Deutschland können die Daten herangezogen werden, jedoch ist die relative Unvollständigkeit zu beachten. Es handelt sich bei den angeschriebenen Mitgliedern der Gesellschaften allerdings nicht um eine Gesamtzahl, von der ein Rücklauf erwartet werden konnte. Die Mitglieder bieten nicht alle eine ambulante Schmerztherapie an. Man kann sogar davon ausgehen, dass die Untersuchung ein fast vollständiges Bild der ambulanten Schmerztherapie in Deutschland bietet. Ausgehend von den bisherigen Schätzungen von 450 ambulanten schmerztherapeutischen Einrichtungen im Jahr 2003 [12] stellen die hier präsentierten 545 eine deutliche Steigerung dar. Auch gibt es ist eine Entwicklung z. B. gegenüber den 164 Einrichtungen im Schmerztherapieführer von 1989 und der Bestandsaufnahme in Universitätskliniken [13].

Es ist zudem davon auszugehen, dass diejenigen, die diese Umfrage nicht beantwortet haben, tendenziell eher eine schlechtere Versorgung repräsentieren. Allerdings kann die parallele Befragung der DGS-Mitglieder die Antwort auf die gemeinsam verabredete Befragung gemindert haben. Von der DGS wurden jedoch auch die Fragen zur qualitativen Bewertung der Versorgung gestellt und man kann auf die Ergebnisse gespannt sein.

Fazit für die Praxis

Aufgrund der vorgelegten Daten ist es erstmals möglich, das Label „Schmerztherapie“ Politik und Kostenträgern gegenüber darzustellen, z. B. durch den inzwischen gegründeten gemeinsamen Berufsverband BVSD. Allerdings werden die über die Schmerztherapievereinbarung bzw. die Schmerzgesellschaften definierten Strukturqualitätsmerkmale und die für eine sinnvolle Therapie bei chronischen Schmerzen für notwendig gehaltene multimodale Prozessqualität [14] oft nicht eingehalten.

Die regionalen Unterschiede und die Spreizung der Angebote sind in der uneinheitlichen Etablierung z. B. der Zusatzbezeichnung und den falschen Anreizen begründet. Letztere fördern invasive, facharztbezogene Leistungen und sind historisch gewachsen mit großer Trägheit gegenüber verteilungspolitischen Veränderungen. Die derzeitigen Bedingungen für die ambulante schmerztherapeutische Versorgung werden den multifaktoriellen Ursachen von Schmerzen nicht gerecht und zögern die notwendigen leitliniengestützten, interdisziplinären multiprofessionellen Therapieoptionen für die Patienten hinaus.