Die subjektive Selbsteinschätzung ihres emotionalen Erlebens, psychosozialen und körperlichen Wohlbefindens ist für die Lebensqualität von Pflegeheimbewohnern von zentraler Bedeutung. Um die subjektive Bewertung der Heimbewohner näher zu untersuchen, wurde eine persönliche Befragung von kognitiv unbeeinträchtigten und an Demenz erkrankten Heimbewohnern zu deren selbst erlebten körperlichen und psychosozialen Aktivitäten sowie deren Wohlbefinden durchgeführt.

Hintergrund und Fragestellung

Die demografische Entwicklung in Deutschland zeigt eine deutliche Zunahme alter und pflegebedürftiger Menschen. Im Jahr 2013 waren 2,6 Mio. Personen pflegebedürftig, davon wurden 764.000 stationär in Heimen versorgt (29 %, [24]). Die Datenlage zur subjektiven Einschätzung der körperlichen Beschwerden und psychosozialen Befindlichkeit von Heimbewohnern gilt derzeit als wenig aussagekräftig. Allerdings betonen verschiedene Studien deren besondere Bedeutung hinsichtlich der Lebenszufriedenheit und -dauer eines Menschen [13, 19, 27] und Pflegende tendieren zu negativeren Einschätzungen als die Bewohner selbst [9]. In der bereits 2007 veröffentlichten bundesweiten Studie Möglichkeiten und Grenzen selbständiger Lebensführung in stationären Einrichtungen (MuG IV, [22]) wurden v. a. Pflegekräfte umfassend zu demografischen Merkmalen, Umfang vorhandener Aktivitätseinschränkungen, Versorgungs- und Betreuungssituation sowie sozialen Kontakten von Heimbewohnern befragt [22]. Eine systematische Befragung von Heimbewohnern selbst – unabhängig von deren kognitiven Status und unter Berücksichtigung möglicher Zusammenhänge zwischen der subjektiven Einschätzung der körperlichen Beschwerden und der psychosozialen Befindlichkeit – war bisher jedoch nicht Bestandteil der wissenschaftlichen Forschung. Deshalb wurde als Teilprojekt im Rahmen der Querschnittstudie „Bündnis 70 Plus – Medizinische Versorgung von Pflegeheimbewohnern“, die von der Paracelsus Medizinische Privatuniversität Nürnberg durchgeführt wird, die subjektive Bewertung der Bewohner untersucht.

Untersuchungspopulation und Methode

Das Klinikum Nürnberg ist eines der größten kommunalen Großkrankenhäuser Europas, das 2 Standorte (Nord und Süd) in Nürnberg hat. Im Projekt „Bündnis 70 Plus“ wird die Situation von Pflegeheimbewohnern aus verschiedenen Perspektiven untersucht (medizinische Versorgung, psychosoziale Faktoren etc.). Ein Bestandteil des Gesamtprojekts war die Untersuchung der Schnittstelle Pflegeheim-Krankenhaus [11]. Daher wurden für diesen ersten Studienabschnitt exemplarisch 2 Heime des NürnbergStifts, einem kommunalen Betreiber von Einrichtungen der Altenhilfe, ausgewählt. Diese ließen aufgrund von veröffentlichten Strukturdaten [16] im Vergleich zur bundesweiten Studie MuG IV [21, 22] für Deutschland eine ähnliche Bewohnerstruktur erwarten. Des Weiteren befinden sie sich jeweils in der Nähe eines Klinikumstandorts, um bei einer Erkrankung eine hohe Aufnahmewahrscheinlichkeit ins Klinikum gewährleisten zu können. Für die vorliegende Studie wurden alle Bewohner dieser beiden Heime (n = 368) um ihr Einverständnis zur Teilnahme gefragt. Insgesamt erklärten sich 256 Heimbewohner zur Studienteilnahme bereit (schriftlicher „informed consent“). Es lehnten 35 Heimbewohner die Befragung ab, 77 Bewohner waren nicht mehr kommunikationsfähig und wurden daher ausgeschlossen. Der Fragebogen wurde in einem Expertengremium zusammengestellt bzw. entwickelt. Hierbei kamen die standardisierten Fragebogen Short Form mit 36 Fragestellungen (SF-36, [4]) und Euro Quality mit den 5 Dimensionen Mobilität, Selbstversorgungsfähigkeit, tägliche Aktivitäten, Schmerzen, Angst oder Depression (EQ-5D, [6]) zu Gesundheitszustand und Lebensqualität zur Anwendung sowie die Kurzform der Geriatric Depression Scale (GDS-K, [28]) und der Mini Mental Status Test (MMST, [7]). Die GDS-K besteht aus einem Fragebogen mit 15 Fragen, die jeweils mit „ja“ oder „nein“ zu beantworten sind. Ein Summenwert von bis zu 4 Punkten gilt als unauffällig, 5 bis 10 Punkte deuten auf eine leichte bis mäßige Depression hin, 11 oder mehr Punkte weisen auf eine schwere depressive Symptomatik hin [8]. Die GDS-K liefert zwar keine Diagnosen, zeigt aber für Depressionen eine gute diagnostische Validität [1]. Beim MMST können maximal 30 Punkte erzielt werden. Personen mit Werten zwischen 30 und 27 Punkten gelten als kognitiv unauffällig [8]. Bei Werten ≤26 Punkte wird von einer demenziellen Entwicklung ausgegangen [5]. Der MMST ist zur Unterscheidung von kognitiv gesunden, gering beeinträchtigten und deutlich beeinträchtigten Personen gut geeignet [15, 20]. Eine spezifischere Diagnostik bzw. die Überprüfung der Einnahme von Antidepressiva oder Antidementiva war nicht Inhalt der Befragung. Die Bewohner wurden aufgefordert, eine Selbsteinschätzung hinsichtlich ihrer gesundheitsbezogenen Lebensqualität (subjektive Gesundheit, regelmäßige Schmerzen, depressive Stimmung) und ihres allgemeinen Wohlbefindens mit maximal 5 Antwortmöglichkeiten zwischen „sehr gut“ und „sehr schlecht“ bzw. „keine Schmerzen“ bis „starke Schmerzen“ vorzunehmen. Außerdem wurden die selbst berichteten psychosozialen Aktivitäten der Heimbewohner erfasst. Dazu zählten die Teilnahme an Heimangeboten (z. B. Gruppenbewegungstraining, Gedächtnistraining, Musikgruppe), selbstständige Beschäftigungen (z. B. persönliche Hobbys, Mediennutzung), Betreuung und Besuche von Angehörigen im weitesten Sinn (z. B. Verwandte, Bekannte, ehemalige Nachbarn oder Kollegen). Die Aussagen der Heimbewohner wurden auf dem standardisierten Fragebogen mithilfe der vorgegebenen Antwortmöglichkeiten dokumentiert. Um den Umfang körperlicher, geistiger oder emotionaler Aktivitäten und deren Auswirkungen untersuchen zu können, wurden durch das Expertengremium für die Auswertungen in dieser Studie zusätzlich 3 übergeordnete Variablen aus inhaltlich ähnlichen selbst berichteten Aktivitäten gebildet. Diese 3 Variablen beschreiben in der vorliegenden Studie also jeweils zusammenfassend körperliche, geistige bzw. emotionale Aktivitäten. Als körperlich aktiv galten jene Heimbewohner, die berichteten, an Physiotherapie und/oder Gruppenbewegungstraining teilzunehmen, selbstständig Gymnastikübungen bzw. Spaziergänge im Sinne eines Lauftrainings durchzuführen (maximal 4 körperliche Aktivitäten). Zu den geistigen Aktivitäten gehörten das Lesen von Büchern und Zeitschriften und/oder die Pflege weiterer persönlicher Hobbys, wie z. B. Handarbeiten oder das Lösen von Kreuzworträtseln (maximal 2 geistige Aktivitäten). Emotionale Aktivitäten beinhalteten Gespräche mit anderen Heimbewohnern, Angehörigenbesuche und/oder die Nutzung von Heimangeboten (maximal 3 emotionale Aktivitäten).

Für eine möglichst vollständige Rekrutierung und Befragung der Heimbewohner und zur Vermeidung von Fehlern, z. B. aufgrund von Seh- oder Verständnisproblemen, wurden die oben genannten standardisierten Fragebogen ebenso wie MMST und GDS-K im semistrukturierten Interviewstil und Einzelsetting von Interviewerinnen eingesetzt, die im geriatrischen Bereich erfahren und geschult sind. Diese Befragungen dauerten – je nach kognitiver Leistungsfähigkeit und Redebedarf der Bewohner – zwischen 30 und 60 min und konnten auf Wunsch des Bewohners jederzeit vorzeitig beendigt werden.

Die statistische Auswertung der Ergebnisse erfolgte in anonymisierter Form mithilfe der Software SPSS anhand deskriptiver Analysen und Verfahren für Stichprobenvergleiche. Die Ergebnisse der Datenanalyse wurden mit inhaltlich ähnlichen, aber methodisch unterschiedlichen Studien verglichen. Dies erfolgte insbesondere, um mögliche Unterschiede zwischen der Selbsteinschätzung der Heimbewohner in dieser Studie und der Fremdeinschätzung von Heimbewohnern durch Pflegefachkräfte in anderen Studien zu eruieren.

Ergebnisse

Stichprobe

Die Stichprobe bestand aus 80 Männern (31,2 %) mit einem Durchschnittsalter von 76 Jahren (Standardabweichung [SD] ± 11,1 Jahre) und 176 Frauen (68,8 %) mit einem mittleren Alter von 84 Jahren (SD ± 9,0 Jahre). Nachfolgende Häufigkeitsangaben beziehen sich jeweils auf Männer und Frauen zusammengefasst, in den Abbildungen wird zur differenzierten Betrachtung zwischen Frauen und Männern unterschieden. Es waren 36,7 % der Befragten vor weniger als einem Jahr ins Heim gezogen, knapp die Hälfte lebte seit einem bis 5 Jahren und 13,8 % seit mindestens 6 Jahren im Pflegeheim.

Befinden

Ihr allgemeines Wohlbefinden schätzten über die Hälfte der Heimbewohner als gut bis sehr gut und ein Viertel der Befragten als schlecht bis sehr schlecht ein (Abb. 1). Das allgemeine Wohlbefinden stieg mit zunehmender Wohndauer signifikant an (r = −0,17; p = 0,014). Drei Viertel der Heimbewohner beschrieben eine allgemeine Lebenszufriedenheit. Mehr als die Hälfte schätzte ihren körperlichen Gesundheitszustand als gut bis sehr gut ein, jeder Fünfte als reduziert und jeder Vierte als schlecht bis sehr schlecht. Die Ergebnisse der GDS-K ergaben bei 44,6 % der Bewohner Hinweise auf eine depressive Symptomatik. Von den Befragten hatten 19,5 % Anzeichen einer leichten, 16,0 % einer mittelschweren und 9,1 % einer schweren depressiven Symptomatik. Bei 76,1 % der Befragten zeigte sich anhand der Ergebnisse des MMST eine demenzielle Entwicklung, bei 27,8 % eine leichte, 30,5 % eine mittelschwere und 17,8 % eine schwere Symptomatik. Nahezu zwei Drittel (60,2 %) der Heimbewohner verspürten keine regelmäßigen Schmerzen, 20,9 % andauernde leichte bis mäßige Schmerzen und 18,9 % andauernd starke Schmerzen (Abb. 2).

Abb. 1
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Wohlbefinden der Heimbewohner

Abb. 2
figure 2

Beschwerden der Heimbewohner

Aktivitäten

Es berichteten 43,9 % der Befragten, regelmäßig im Sinne eines Lauftrainings spazieren zu gehen, 22,0 % führten selbstständig Gymnastikübungen aus. Nahezu unabhängig von ihrer Mobilität (Abb. 3) nahmen 44,1 % der Bewohner regelmäßig an einem wöchentlich stattfindenden Gruppenbewegungstraining teil. Knapp ein Drittel der Heimbewohner berichtete, Physiotherapie zu erhalten. Physiotherapie schien unabhängig von einer regelmäßigen Teilnahme am Bewegungstraining, aber unter Berücksichtigung der noch vorhandenen Mobilität und des Schmerzempfindens in Anspruch genommen zu werden. Nahezu 80 % der Heimbewohner waren in irgendeiner Form regelmäßig körperlich aktiv (35,9 % eine, 28,9 % zwei, 12,5 % drei und 1,6 % vier verschiedene körperliche Aktivitäten). Etwa 87 % pflegten regelmäßig emotionale Aktivitäten (34,0 % eine, 29,3 % zwei und 23,8 % drei verschiedene emotionale Aktivitäten), zwei Drittel waren regelmäßig geistig aktiv (49,6 % eine, 17,2 % zwei geistige Aktivitäten; (Abb. 4)).

Abb. 3
figure 3

Mobilität der Heimbewohner

Abb. 4
figure 4

Aktivitäten der Heimbewohner

Die Gruppenangebote wurden von knapp der Hälfte aller befragten Bewohner genutzt, der Anteil der Frauen lag mit 56 % hochsignifikant höher als der Anteil der Männer mit 32,5 % (t = −3,629; p < 0,001).

Von den Heimbewohnern erhielten 44,7 % einmal wöchentlich oder öfter Besuch durch Angehörige, ein Fünftel mindestens einmal monatlich und ein Drittel seltener als einmal monatlich (Abb. 5). Bei subjektiv schlechtem körperlichen Gesundheitszustand bestand eine höhere Besuchsfrequenz (r = −0,151; p = 0,018).

Abb. 5
figure 5

Angehörigenbesuche

Zusammenhänge

Wie andere Heimaktivitäten auch, stand das Bewegungstraining als psychosoziale Aktivität zwar tendenziell mit einer erhöhten Zufriedenheit (r = 0,127; p = 0,052) im Zusammenhang, nicht aber mit einer verbesserten emotionalen Befindlichkeit (Zusammenfassung von Stimmung, depressiver Symptome, Wohlbefinden). Geistige Aktivitäten (r = −0,180; p = 0,007), das Schmerzempfinden (r = 0,271; p < 0,001) sowie der subjektiv erlebte körperliche Gesundheitszustand (r = 0,512; p < 0,001) zeigten einen hochsignifikanten und die Mobilität (r = 0,136; p = 0,040) einen signifikanten Zusammenhang mit der emotionalen Befindlichkeit. Mit abnehmender Mobilität (r = 0,250; p < 0,001), reduziertem selbstständigem Lauftraining (r = −0,132; p = 0,037) und erhöhtem Schmerzempfinden (r = 0,171; p = 0,007) stieg die Zunahme der berichteten physiotherapeutischen Behandlung. Insgesamt war die Teilnahme an Heimaktivitäten positiv korreliert mit der Lebenszufriedenheit (r = 0,171; p = 0,008), ebenso wie Letztere (r = 0,170; p = 0,008) signifikant korrelierte mit der Mobilität (r = −0,131; p = 0,045), der emotionalen Aktivität (r = 0,136; p = 0,038), dem subjektiv erlebten körperlichen Gesundheitszustand (r = −0,420; p < 0,001), dem regelmäßigen Schmerzempfinden (r = 0,178; p = 0,006), der depressiven Verstimmung (r = −0,617; p < 0,001) und der kognitiven Leistungsfähigkeit (r = 0,251; p = 0,001). Zwischen depressiven Symptomen und kognitiver Leistungsfähigkeit konnte ein signifikanter Zusammenhang festgestellt werden (r = −0,161; p = 0,033). Kognitiv unauffällige Bewohner äußerten eine tendenziell signifikant häufigere depressive Symptomatik als Bewohner mit kognitiven Einschränkungen. Geschlechtsspezifische Unterschiede zeigen sich dahingehend, dass Frauen eine signifikant bessere Stimmung (t = 2,342; p = 0,021), ein signifikant höheres allgemeines Wohlbefinden (t = 2,103; p = 0,036) und eine hochsignifikant höhere Lebenszufriedenheit (t = −3,042; p = 0,003) bei den persönlichen Interviews berichteten als Männer.

Aufgrund einer möglichen Abhängigkeit der subjektiven Einschätzung des Wohlbefindens, der Zufriedenheit, des Schmerzempfindens, der emotionalen, körperlichen und geistigen Aktivität von dem kognitiven Status (MMST) bzw. der depressiven Symptomatik (Tab. 1) wurden partielle Korrelationen unter Kontrolle der jeweils möglicherweise abhängigen Variable durchgeführt. Emotionale Aktivitäten korrelierten dann jeweils nicht mit der Zufriedenheit der Bewohner. Bei Kontrolle der depressiven Symptomatik zeigte sich kein Zusammenhang zwischen der Teilnahme an Heimangeboten und der Lebenszufriedenheit der Heimbewohner. Die Kontrolle des kognitiven Status bestätigte den Zusammenhang zwischen diesen Variablen, d. h., Bewohner, die regelmäßig an Heimaktivitäten teilnahmen, zeigten unabhängig von ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit mehr Lebenszufriedenheit.

Tab. 1. Partielle Korrelation zwischen Befindlichkeitsvariablen und Aktivitäten mit kontrollierter Störvariable „kognitiver Status nach MMST“ und „depressive Symptomatik nach GDS-K“

Diskussion

Diese Querschnittstudie untersucht die subjektive Versorgungssituation von Bewohnern zweier Pflegeheime. Die Stichprobe ist hinsichtlich des Alters (Mittelwert [MW] der weiblichen Teilnehmer: FBünd.70+ 84 Jahre, FMuGIV 84 Jahre, MW der männlichen Teilnehmer: MBünd.70+ 76 Jahre, MMuGIV 77 Jahre) repräsentativ für eine deutsche Pflegeheimpopulation [21, 22]. In der Stichprobe fand sich ein etwas höherer Anteil an männlichen Heimbewohnern (FBünd.70+ 68,8 % vs. FMuGIV 73 %, MBünd.70+ 31,3 % vs. MMuGIV 27 %). Der höhere Anteil an kognitiven Einschränkungen von Bewohnern in der Stichprobe (Hinweis auf DemenzBünd.70+ 76,1 %, Hinweis auf DemenzMuGIV 69 %) ist v. a. unter dem Aspekt der Unterschiede in den kognitiven Assessments zu sehen, die in dieser Studie bzw. in der MuG-IV-Studie zur Anwendung kamen. In den beiden Heimen zeigte sich außerdem beim sozialen Status ein höherer Anteil an Sozialhilfeempfängern als im bundesweiten Vergleich (SozialhilfeempfängerBünd.70+ 49 %, SozialhilfeempfängerMuGIV 36 %); dies könnte mit der Aufgabe kommunaler Heime zur Daseinsvorsorge insbesondere für sozial Schwache zusammenhängen.

Insgesamt decken sich die Ergebnisse der persönlichen Befragung mit den Angaben der Pflegekräfte der 2007 publizierten bundesweiten Studie MuG IV hinsichtlich der Mobilität, des Anteils an Bewohnern mit demenzieller Entwicklung und depressiver Symptomatik, der Besuchshäufigkeit von Angehörigen, der Teilnahme an einzelnen Heimangeboten und Häufigkeit von physiotherapeutischer Behandlung [22].

Bezüglich der Einschätzung der gesundheitlichen und psychosozialen Befindlichkeit der Heimbewohner zeigen sich zwischen den Einschätzungen der Pflegekräfte in der oben genannten Studie und den Beurteilungen der Bewohner selbst deutliche Unterschiede. Während die Studie MuG IV [22] nach Befragung der Pflegenden von insgesamt 20,7 % aller Heimbewohner mit regelmäßigen Schmerzäußerungen berichtet, weist die persönliche Befragung der Bewohner auf ein nahezu doppelt so häufiges regelmäßiges Schmerzempfinden (39,8 %) hin, was durch andere Studien bestätigt wird [14]. Der große Unterschied zwischen den befragten Gruppen könnte auch durch die Aufmerksamkeitslenkung auf die Schmerzsymptomatik mitbedingt sein. Entgegen den Ergebnissen einer systematischen Übersichtsarbeit von Takai et al. [25] hängt das Schmerzempfinden der Heimbewohner in dieser Studie nicht mit ihren körperlichen oder emotionalen Aktivitäten zusammen. Entsprechend den Ergebnissen anderer Untersuchungen [3, 23] scheint unter psychologischen Aspekten die Mobilität, insbesondere das Wissen um die eigene Bewegungsfähigkeit und damit die Möglichkeit des selbstbestimmten Aktivseins, einen größeren Einfluss auf das Wohlbefinden der Heimbewohner zu haben als die Umsetzung in Form tatsächlicher körperlicher Aktivitäten. Einschätzungen von Pflegekräften zufolge zeigen 40,3 % der Heimbewohner regelmäßige Gefühle der Niedergeschlagenheit oder Traurigkeit und 76,7 % regelmäßige Gefühle der Freude [22]. Bei der persönlichen Befragung berichten nur 21,6 % der Bewohner, regelmäßig traurig oder niedergeschlagen zu sein. Es beschreiben sich 49,2 % der Befragten als überwiegend fröhlich und gut gelaunt.

Der Vergleich mit Studien hinsichtlich der Lebenszufriedenheit bei Heimbewohnern in Südeuropa bzw. Südamerika [17, 18] ergibt, dass diese insgesamt eine höhere allgemeine Lebenszufriedenheit und bessere Stimmungslage als diese Stichprobe aufzuweisen scheinen. Eventuell wird dies von Faktoren, wie z. B. einer anderen Lebenseinstellung der südländischen Bevölkerung beeinflusst.

Das im Rahmen der Interviews anhand der GDS-K [28] durchgeführte Screening zur affektiven Symptomatik bestätigte mit einem Anteil von 44,6 % der befragten Heimbewohner die Ergebnisse anderer Studien [2, 14, 26] und auch die Einschätzung von Pflegekräften [22]. Dieses Ergebnis untermauert die Annahme des 2008 veröffentlichten GEK-Pflegereports, dass gemäß den Diagnosen, die bei den deutschen Krankenkassen dokumentiert sind, mindestens 38 % der Heimbewohner unter Depressionen leiden [19]. Signifikante Unterschiede in der Häufigkeit zwischen Männern (50,0 %) und Frauen (42,0 %) bestanden nicht. Entsprechend anderer Studien [22] zeigten drei Viertel der Bewohner eine demenzielle Entwicklung mit unterschiedlichen Schweregraden. Eine hohe diagnostische Validität weisen die GDS-K insbesondere im Bereich der mittleren und der schweren depressiven Symptomatik sowie der MMST zur Unterscheidung von kognitiv gesunden, gering und deutlich beeinträchtigten Personen auf [1, 15, 20]. Eine Bewohnerstichprobe der untersuchten Heime erhielt keine psychotherapeutische Behandlung und nur ein kleiner Teil eine antidepressive bzw. antidementive Medikation [11]. Davon ausgehend, ist eine deutliche therapeutische Unterversorgung im Bereich der affektiven und kognitiven Störungen anzunehmen. Die bei kognitiv unbeeinträchtigten Bewohnern häufiger vorkommenden depressiven Symptome könnten damit erklärt werden, dass sich kognitiv Unbeeinträchtigte ihrer altersbedingten körperlichen und geistigen Abbauprozesse sowie damit verbundener Einbußen von Selbständigkeit und Selbstbestimmung mehr bewusst sind.

Die geschlechtsspezifischen Unterschiede hinsichtlich allgemeinem Wohlbefinden, guter Stimmung und Lebenszufriedenheit deuten darauf hin, dass Frauen sich mit einer veränderten Wohn- und Lebens- oder Gesundheitssituation bei Pflegebedürftigkeit im Alter möglicherweise besser arrangieren und Umweltressourcen nutzen können [12]. Ansonsten bestanden keine Unterschiede. Die von Frauen hochsignifikant häufigere Nutzung der Heimangebote konnte entgegen der Studie von Knesebeck [10] keinen signifikanten Hinweis auf deren bessere subjektiv empfundene Gesundheit oder emotionale Befindlichkeit erbringen.

Ausblick

Insgesamt lassen die Ergebnisse vermuten, dass lebenszufriedene Heimbewohner weniger Schmerzen empfinden, sich als mobiler erleben, ihren Gesundheitszustand positiver einschätzen, weniger depressive Symptome zeigen und aufgeschlossener für soziale Heimaktivitäten sind. Es kann angenommen werden, dass die regelmäßige Teilnahme an Heimangeboten und andere emotionale Aktivitäten zu mehr Zufriedenheit führen. Aufgrund des signifikanten Unterschieds der Teilnahme an Heimangeboten zwischen Männern und Frauen ist zu überlegen, ob die Angebote für Männer möglicherweise weniger geeignet sind und welche für Männer attraktive Heimangebote (z. B. handwerkliche Tätigkeiten, Kicker, Kegeln) geschaffen werden könnten. Hierbei wäre vorab zu untersuchen, inwieweit Männer geschlechtsspezifischere Angebote nutzen würden. Depressive Symptomatik und allgemeines Wohlbefinden scheinen durch die Teilnahme an Heimangeboten oder selbständige körperliche bzw. emotionale Aktivitäten nicht beeinflussbar bzw. die Angebote und Aktivitäten nicht adäquat zu sein. Insbesondere für depressiv verstimmte Patienten sollten störungsspezifische Angebote geschaffen werden (z. B. Psychotherapie, Gruppenangebote).

Aufgabe weiterer Forschung könnte demnach sein, den Stellenwert psychotherapeutischer Unterstützung in Pflegeheimen zu untersuchen sowie zufriedene Heimbewohner mit gutem allgemeinem Wohlbefinden zu charakterisieren, um neben medizinisch-pflegerischen Aspekten weitere Faktoren (z. B. Persönlichkeitsstrukturen und Interessensschwerpunkte der Heimbewohner) für ein positives Wohlbefinden und eine gute Lebensqualität bei Pflegeheimbewohnern identifizieren und fördern zu können.

Limitationen

  • Dies ist eine Querschnittstudie, es ist somit unklar, ob die beschriebenen Auffälligkeiten Ursache oder Folge sind.

  • Diese Untersuchung beruht auf der Befragung der Heimbewohner. Andere Einflussfaktoren, wie z. B. Medikation, Zahl der Diagnosen etc. wurden hier nicht berücksichtigt.

  • Es wurden nur 2 Pflegeheime desselben Trägers evaluiert.

Fazit für die Praxis

  • Die persönliche Befragung von Heimbewohnern zeigt ein nahezu doppelt so häufiges regelmäßiges Schmerzempfinden wie die Befragung des Pflegepersonals zu Heimbewohnern. Dies könnte auf Schulungsbedarf der betreuenden Professionen hinweisen.

  • Insgesamt weisen 44,6 % der Heimbewohner Anzeichen einer depressiven Symptomatik und 76,1 % einer demenziellen Entwicklung auf. Störungsspezifische Maßnahmen sind indiziert.

  • Bei weiblichen Heimbewohnern besteht insgesamt eine höhere Lebenszufriedenheit als bei männlichen. Heimangebote für Männer mit entsprechenden Interessenschwerpunkten sollten entwickelt und geprüft werden.

  • Persönlichkeitsgebundene Faktoren und sinnvolle psychotherapeutische Maßnahmen sollten weiter erforscht werden, um Gesundheit und Wohlbefinden von Pflegeheimbewohnern zu verbessern.

  • Valide standardisierte Erhebungsinstrumente zur Untersuchung von Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität von Pflegeheimbewohnern sollten weiterentwickelt werden.