Die kontinuierliche Alterung der Gesellschaft wirkt sich zunehmend auf die gesetzliche Rentenversicherung aus, die der Lebensstandard- und Statuserhaltung über die Rentengrenze hinaus dient [27]. Gleichzeitig gilt die gesetzliche Rente als HaupteinnahmequelleFootnote 1 in der Altersphase, die aber oftmals nicht für einen finanziell ausreichenden Lebensunterhalt im Alter sorgt [23]. Daher wird öffentlich und politisch diskutiert, dass viele Rentner arbeiten müssen, um finanzielle Armut zu vermeiden. Aus diesem Grund untersuchen wir die Frage, ob die Erwerbstätigkeit im Rentenbezug tatsächlich wegen eines notwendigen Zuverdiensts erfolgt oder ob andere Faktoren die Beschäftigung in der Rente beeinflussen. Da Deutsche und Personen mit Migrationshintergrund in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht die gleichen Voraussetzungen vorfinden, werden die Analysen im Hinblick auf den MigrationshintergrundFootnote 2 der Altersrentner näher betrachtet.

Hypothese 1a: Die Erwerbstätigkeit im Ruhestand dient als Zuverdienst für Personen, die verstärkt dem Risiko der Altersarmut ausgesetzt sind.

Die ausschließliche Absicherung im Alter durch den gesetzlichen Rentenbezug gestaltet sich bereits heute für viele Personen schwierig. Oftmals decken die ausgezahlten Beträge nicht den Lebensunterhalt. Deutlich wird dies u. a. an der Anzahl der Personen, die Grundsicherung entweder im Alter oder bei Erwerbsminderung beziehen. Zum 31.12.2010 waren dies bereits 412.081 Personen über 65 Jahre, davon knapp 22% ausländische Empfänger [29]. Hiervon betroffen sind ganz bestimmte Personen, die in ihrer Erwerbsbiographie vor allem kurze Beitragszeiten aufweisen oder geringere Erwerbseinkommen beziehen. Dies geht einher mit brüchigen Erwerbsverläufen, mit der Ausübung von eher gering qualifizierten Tätigkeiten oder der Betroffenheit von Langzeitarbeitslosigkeit. All dies hat zur Folge, dass die Betroffenen beim Eintritt in den Ruhestand nur eine geringe Anzahl an persönlichen Entgeltpunkten aufweisen, eine geringere Rente beziehen und somit armutsgefährdet oder von Altersarmut betroffen sind. Dies kann dazu führen, dass die armutsgefährdeten oder von der Altersarmut betroffenen Personen in der Ruhestandphase einer beruflichen Aktivität nachgehen, um ihre gesetzliche Rente aufzustocken. Es ist daher anzunehmen, dass Personen, die über eine geringe gesetzliche Rente verfügen, im Ruhestand eine berufliche Aktivität aufweisen, da die ausgezahlte gesetzliche Rente nicht zur Sicherung des Lebensstandards ausreicht. Wir gehen dabei davon aus, dass Personen vor Inanspruchnahme der Grundsicherung zunächst durch eigene Aktivität versuchen, ihre finanzielle Situation zu verbessern.

Hypothese 1b: Personen mit Migrationshintergrund gehen häufiger einer beruflichen Aktivität im Ruhestand nach als Personen ohne Migrationshintergrund.

Die skizzierte Situation unter Hypothese 1a findet sich verstärkt bei Personen mit Migrationshintergrund. Sie sind im Durchschnitt schlechter in den Arbeitsmarkt integriert als Personen ohne Migrationshintergrund [6]. Migranten beziehen eine geringere gesetzliche Rente, da sie häufig geringere Erwerbseinkommen erhalten. Ältere Migranten gehen aufgrund ihrer fehlenden oder nicht anerkannten Qualifikation zudem meist gering qualifizierten Beschäftigungsverhältnissen nach [18]. Des Weiteren weisen Migranten der 1. Generation – bedingt durch ihre eigene Migrationsgeschichte – kürzere Erwerbsphasen in Deutschland und somit kürzere vollwertige Beitragszeiten auf. (Spät-)Aussiedler sind hiervon jedoch ausgeschlossen. In Bezug auf das deutsche Rentensystem nehmen sie eine Sonderrolle im Vergleich zu anderen Personen mit Migrationshintergrund ein. Sie fallen aufgrund der anerkannten deutschen Staatsbürgerschaft unter das deutsche Fremdrentengesetz. Dem Fremdrentengesetz liegt ein Eingliederungsgedanke zugrunde: Die Berechtigten werden so behandelt, als hätten sie ihr Versicherungsleben nicht im Herkunftsland, sondern in Deutschland verbracht. Somit fließen im Gegensatz zu den anderen Personengruppen mit Migrationshintergrund auch die Beschäftigungszeiten im Herkunftsland, allerdings mit Abschlägen im Vergleich zu Deutschen, in die Rentenberechnung ein.Footnote 3 Dies bewirkt höhere Rentenzahlungen als bei Migranten, aber geringere als bei Deutschen. Es ist daher anzunehmen, dass sowohl Migranten als auch (Spät-)Aussiedler häufiger als Personen ohne Migrationshintergrund einer beruflichen Aktivität im Ruhestand nachgehen. Die Sonderrolle der (Spät-)Aussiedler hat zur Folge, dass diese in einem geringeren Ausmaß im Rentenbezug erwerbstätig sind als Migranten.

Hypothese 2: Die Erwerbsbiographie, insbesondere die bisherigen persönlichen Erwerbsmuster, setzen sich im Rentenbezug fort.

Alternativ gehen wir davon aus, dass der Erwerbsverlauf bis zur Rente das spätere Ruhestandsverhalten beeinflusst. Personen, die bereits Schwierigkeiten haben, in der aktiven Erwerbsphase auf dem Arbeitsmarkt zu bestehen, werden auch in der Rente Schwierigkeiten haben, eine Beschäftigung zu finden [10]. Als Ergänzung zu den bereits genannten Hypothesen ist daher anzunehmen, dass gerade Personen, die von Altersarmut betroffen sind, keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, da die ihnen zugesprochenen Merkmale die Suche nach einem geeigneten Arbeitsplatz im Ruhestand erschweren. Wenn man von der Fortsetzung des bisherigen Erwerbsverlaufs ausgeht, müssten vielmehr die Personen eine Beschäftigung im Ruhestand ausüben, die in ihrer aktiven Erwerbsphase stabil und gut auf dem Arbeitsmarkt positioniert waren. Dieser Tatbestand trifft wiederum vermehrt auf höher Qualifizierte oder Rentner zu, denen es möglich ist, ihrer bisherigen Tätigkeit weiter nachzugehen. Brussig [7] zeigt mit Daten des Mikrozensus eine steigende Erwerbsbeteiligung im Rentenalter auf, die diese Annahme bestätigen. Im Rentenalter erreichen Hochqualifizierte mit etwa 10% eine etwa doppelt so hohe Erwerbsbeteiligung wie Niedrigqualifizierte. Er vermutet, dass diese im Rentenalter die individuellen Voraussetzungen erfüllen, um ihren bisherigen Tätigkeiten nachzugehen [7]. Ob diese erfüllt sind, hängt zudem von dem beschäftigenden Betrieb und der körperlichen Leistungsfähigkeit der Individuen ab.

Datengrundlage und methodische Umsetzung

Die Stichprobe: BASiD

Die Analysen beruhen auf dem Datensatz im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts BASiD: „Biografiedaten ausgewählter Sozialversicherungsträger in Deutschland“.Footnote 4 Die Entwicklung des Datensatzes erfolgte in Kooperation des Forschungsdatenzentrums der Deutschen Rentenversicherung und des Forschungsdatenzentrums der Bundesagentur für Arbeit im Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Erstmalig wurden administrative Daten der Bundesagentur für Arbeit mit den Versichertenkonten der Deutschen Rentenversicherung verknüpft. Ziel des Projekts war es, vorhandene Informationslücken in den einzelnen Datenquellen zu schließen und so das Informationsspektrum von administrativen Daten zu erhöhen [17]. Der BASiD-Datensatz basiert auf der Versichertenkontenstichprobe der Deutschen Rentenversicherung. Hierfür wird eine disproportional geschichtete Zufallsauswahl aus den Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung im Alter von 15 bis 65 Jahren, die am Stichtag 31.12.2007 ein Versichertenkonto mit Beitragszeiten aufweisen, getroffen. Aufgrund der Schichtung sind keine repräsentativen Analysen im Zeitverlauf möglich. Jedoch liegt für das Jahr 2007 ein Hochrechnungsfaktor vor, der die Vergleichbarkeit mit der Grundgesamtheit des Versichertenbestands zum 31.12.2007 gewährleistet [16]. Der Datensatz bringt neue Potenziale für die Altersforschung mit sich, da mittels der kombinierten Daten erstmals die Identifikation von Rentnern, die parallel zum Bezug ihrer Altersrente eine Beschäftigung ausüben, in administrativen Daten möglich ist. Die bisherigen Forschungsergebnisse zum Erwerbsverhalten während des Rentenbezugs sind größtenteils über Befragungsdaten entstanden [2, 12, 18, 23]. Ein Nachteil von Befragungsdaten, der auf das Analysepotenzial Einfluss nimmt, sind die vergleichsweise geringen Fallzahlen, fehlende Angaben und Erinnerungsprobleme. Dies ist im BASiD-Datensatz nicht der Fall. Für die Analysen werden die kompletten Biographien von 25.304 rentenversicherungspflichtigen PersonenFootnote 5, die zum 31.12. des Berichtsjahres 2007 eine Altersrente beziehen, untersucht.

Methodische Umsetzung

Zu beantworten ist die Frage, welche Faktoren die Erwerbstätigkeit im Rentenalter beeinflussen. Da bisher nur begrenzt Forschungsarbeiten zu diesem Thema existieren, liefern zunächst deskriptive Analysen erste Hinweise. Betrachtet werden Personen, die zum Stichtag 31.12.2007 eine Regelaltersrente beziehen, ungeachtet dessen, ob die Personen zum gesetzlichen Renteneintrittsalter oder bereits verfrüht eine Altersrente mit Abschlägen beziehen. Ziel ist eine umfassende Beschreibung der Situation auf dem Arbeitsmarkt für die betrachteten Rentnergruppen. Es werden vergleichende Deskriptionen für berentete Personen, die einer beruflichen Aktivität bzw. keiner beruflichen Aktivität nachgehen, durchgeführt. Darüber hinaus wird dieser Vergleich für Deutsche, (Spät-)Aussiedler und Migranten getrennt dargestellt. Um weiterführende Aussagen über die formulierten Hypothesen bezüglich der beruflichen Aktivität im Ruhestand zu treffen, erfolgt die Schätzung eines Logit-Modells. Der Migrationshintergrund wird über Interaktionsterme modelliert. Für die betrachteten Merkmale zeigt sich somit, ob sie einen Beitrag zur Erwerbstätigkeit im Rentenalter liefern und inwieweit sich Migranten und (Spät-)Aussiedler von Deutschen ohne Migrationshintergrund unterscheiden. Die Merkmale, die als Kontrollvariablen in die Schätzung mit einfließen, werden nachfolgend beschrieben.

Merkmale zu den betrachteten Personengruppen

Als persönliche Charakteristika werden das Geschlecht, die Qualifikation und der Migrationshintergrund in den Schätzmodellen berücksichtigt. Die Trennung von Deutschen und Migranten wird über die Staatsbürgerschaft vorgenommen. Eingebürgerte werden hierbei den Migranten zugeordnet.Footnote 6 (Spät-)Aussiedler werden über die mit dem Fremdrentengesetz bewerteten Beitragszeiten identifiziert. Qualifikation bestimmt als individuelle Leistung die Position in der sozialen Schichtung und dient als Indikator für den sozialen Status. Eine stärkere Qualifizierung in früheren Lebensphasen und kontinuierliche, die Berufsbiographie begleitende Lernprozesse sind Garanten längerer Erwerbskarrieren und höherer Rentenanwartschaften. Sie steht außerdem für mehr Flexibilität bei der individuellen Gestaltung des Austritts aus dem Erwerblebens und des Ruhestands [10]. Wir messen die Qualifikation über die Information hinsichtlich der Bildung einer Person aus dem Meldeverfahren zur Sozialversicherung.Footnote 7 Weitere im Modell berücksichtigte Indikatoren sind die berufliche Stellung und das jeweilige Erwerbseinkommen der letzten Beschäftigung vor dem Renteneintritt.

Merkmale zum Erwerbsverlauf

Das Ruhestandsverhalten ist primär von den individuellen Erwerbsverläufen geprägt, die sich auf die Höhe der erreichten Entgeltpunkte und damit auf die finanzielle Situation im Lebensalter auswirken. Daher liefern diese Merkmale einen entscheidenden Erklärungsgehalt für die Wahrscheinlichkeit einer Beschäftigung während des Ruhestands. Eine hohe Erwerbsneigung erhöht die Chance auf eine kontinuierliche Erwerbsbiographie [8]. Damit wird gleichzeitig eine höhere finanzielle Absicherung im Alter erreicht, was eine Beschäftigung im Rentenbezug nicht nötig macht. Bei langen und häufigen Arbeitslosigkeitsphasen zeigt sich folglich das umgekehrte Bild: vorzeitiger Rentenbezug mit Abschlägen und die Notwendigkeit einer Beschäftigung, um der Altersarmut zu entkommen. Dies lässt Rückschlüsse auf soziale Unterschiede in der Alterserwerbstätigkeit zu. Um die Erwerbsbiographie zu modellieren, werden für die Schätzung Quotienten gebildet, die Aussagen über Beschäftigungs- und Arbeitslosigkeitsanteile, gemessen an den letzten 10 Jahren bzw. am Erwerbsverlauf vor dem Renteneintritt, beinhalten. Zudem wird die Krankheitsdauer über den kompletten Erwerbsverlauf aufsummiert. Das letzte Beschäftigungsverhältnis vor dem Renteneintritt kann als Weichensteller für die Erwerbsneigung während des Rentenbezugs gesehen werden [17]. Um den Einfluss von diesem zu schätzen, werden die Art der Beschäftigung, die Stellung im Beruf, die Einkommenshöhe, die Branche und die berufliche Tätigkeit in das Modell aufgenommen. Informationen zum beschäftigenden Betrieb wie die Betriebsgröße und der Anteil der über 50-Jährigen im Betrieb helfen, diese Beschäftigung auf einer betrieblichen Ebene zu charakterisieren.

Merkmale zum Ruhestandsverhalten

Des Weiteren werden Merkmale zum Austritt aus dem Erwerbsleben in das Modell aufgenommen. Neben der Anzahl der logarithmierten kumulierten Entgeltpunkte geht das Alter zum Renteneintritt, das als wichtiger sozialer und biographischer Orientierungspunkt gesehen wird [25], in die Schätzung mit ein. Auf diesem Weg ist es zudem möglich, den verfrühten Eintritt in die Regelaltersrente in das Modell zu integrieren. Da wir Renteneintrittskohorten von 2000 bis 2007 in den Daten vorfinden, wird zusätzlich hierfür kontrolliert.

Merkmal Geschlecht/Geschlechterunterschiede

Bisherige Studien zeigen, dass in Bezug auf das Renteneintrittsverhalten geschlechtsspezifische Verhaltensmuster auftreten [3, 9, 15, 31]. Diese werden auf unterschiedliche Erwerbsbiographien von Frauen und Männern zurückgeführt. Ob dies auch auf die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit im Rentenbezug zutrifft, kann durch bisherige Studien nicht eindeutig bestätigt werden. Es liegen sowohl Untersuchungen, die Geschlechterunterschiede feststellen, als auch Analysen, die keinen signifikanten Einfluss feststellen, vor [24, 28, 32]. Eine geschlechtsdifferenzierte Betrachtung ist in Bezug auf die Gestaltung der Erwerbstätigkeit unabdingbar, jedoch weniger bedeutend hinsichtlich der Aufnahme einer Beschäftigung, die den Schwerpunkt dieses Beitrags bildet. Da wir in unseren multivariaten Analysen Kontrollvariablen zur Charakterisierung der bisher durchlaufenen Erwerbskarriere einführen, wird die Wahrscheinlichkeit der Beschäftigung im Rentenbezug, gegeben identischer Erwerbsmuster, geschätzt. Wir erwarten daher keine Unterschiede, die auf unterschiedliche Erwerbsmuster von Frauen und Männern zurückzuführen sind. Eine geringere Wahrscheinlichkeit der beruflichen Aktivität, die z. B. auf die Rollenverteilung der betrachteten Generation zurückzuführen ist, sollte sich im Geschlechterdummy des Modells niederschlagen. Als Robustheitschecks wurden separate Modelle berechnet. Die Ergebnisse bestätigen unsere Vermutungen. Daher werden in diesem Beitrag (auch wegen der Übersicht) lediglich das Gesamtmodell und das Modell für Frauen ausgewiesen.Footnote 8

Ergebnisse

Deskriptive Auswertungen

Von den 25.304 Beziehern einer Altersrente sind gut 20% (5041) der Rentner zeitgleich beschäftigt.Footnote 9 Während bei den (Spät-)Aussiedlern und Deutschen rund ein Fünftel der Rentner einer Beschäftigung nachgeht, sind es bei den Migranten lediglich 17%. Auf den ersten Blick erscheint dieser Anteil sehr hoch, vergleicht man ihn mit den ausgewiesenen Beschäftigungsquoten des Mikrozensus. Dies liegt allerdings an der Berechnungsgrundlage. Bezieht man den Beschäftigungsanteil auf die erwerbstätige Bevölkerung, zeigt sich für die betrachteten Rentner eine Beschäftigungsquote zum 31.12.2007 von ca. 10%.

Bei Betrachtung der Beschäftigungsverhältnisse im Detail zeigt sich, dass es sich dabei fast ausschließlich um geringfügige Beschäftigungen handelt. Von den beschäftigten Rentnern sind 62% im selben Betrieb tätig wie vor der Rente. Die Charakterisierung der untersuchten Personen hochgerechnet auf die Grundgesamtheit anhand einiger ausgewählter Merkmale zeigt Tab. 1. Die betrachteten Rentner stammen aus den Geburtskohorten von 1940 bis 1947 und sind zum betrachteten Stichtag zwischen 60 und 67 Jahre alt.Footnote 10

Tab. 1 Personen mit Bezug einer Altersrente zum Stichtag 31.12.2007. (BASiD; eigene Berechnungen)

Auffällig ist, dass sich das durchschnittliche Renteneintrittsalter kaum für die Gruppen unterscheidet und unter dem gesetzlich festgelegten Renteneintrittsalter liegt. Unterschiede finden sich jedoch in den erzielten Entgeltpunkten und den erreichten Beschäftigungsanteilen in den letzten 10 Jahren vor dem Renteneintritt. In beiden Fällen schneiden die Deutschen am besten und die Migranten am schlechtesten ab. Eine detaillierte Beschreibung dieser Unterschiede findet sich in Abb. 1, Abb. 2. Die Verteilung der erreichten Entgeltpunkte für die unterschiedlichen Gruppen zeigt Abb. 1.

Abb. 1
figure 1

Erreichte Entgeltpunkte im Berichtsjahr 2007 (Altersrentner, nach Nationalität). (Quelle: BASiD, eigene Berechnungen; n  = 25.304; Kernel-Schätzung)

Es fällt auf, dass sich die Verteilungen der Entgeltpunkte bei (Spät-)Aussiedlern für die betrachteten Erwerbsstatus nur geringfügig unterscheiden. In beiden Fällen erreichen die meisten Personen etwas über 20 Entgeltpunkte, während sich für Migranten die Verteilungen deutlich unterscheiden. Unter denen, die im Ruhestand nicht erwerbstätig sind, finden sich vermehrt jene mit geringeren Entgeltpunkten. Deutsche weisen die größte Spannweite hinsichtlich der Verteilung der Entgeltpunkte auf und sind unabhängig vom Erwerbsstatus am höchsten einzustufen. Bei den erwerbstätigen Rentnern erreichen Deutsche im Durchschnitt die höchste Anzahl an Entgeltpunkten (33,7) mit einem deutlichen Abstand zu Migranten (30,6) und (Spät-)Aussiedlern (28,0). Deutsche sind bei den nichterwerbstätigen Rentnern ebenfalls jene mit der höchsten Anzahl an Entgeltpunkten (36,2), während (Spät-)Aussiedler (28,6) und Migranten (26,4) deutlich abgeschlagen sind. Die deskriptiven Ergebnisse sind nicht eindeutig: Nur bei der Gruppe der deutschen Rentner sind jene mit einer durchschnittlich geringeren Anzahl an Entgeltpunkten erwerbstätig. Bei den Migranten verhält es sich genau umgekehrt: Erwerbstätig sind hier jene Rentner mit einer deutlich höheren Anzahl an Entgeltpunkten. Bei den (Spät-)Aussiedlern sind keine Unterschiede bezüglich der Punkteanzahl der erwerbstätigen und nichterwerbstätigen Rentner festzustellen. Die Auswertungen zeigen somit deutliche ethnische Unterschiede. Der dargestellte Sachverhalt bestätigt die Analysen zur Situation von Berenteten von Mika u. Tucci [23].

Einen weiteren zentralen Bestandteil unserer Analysen bildet die bisherige Erwerbsbiographie. Um diese deskriptiv abzubilden, werden Beschäftigungsanteile nach Alter für Personen, die sich zum 31.12.2007 im Altersrentenbezug befinden, für jedes Altersjahr zum Stichtag 30. Juni 2007 berechnet (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Beschäftigungsanteil nach Alter am 30. Juni 2007 (Altersrentner, nach Nationalität). (Quelle: BASiD, eigene Berechnungen; n = 25.304)

Wie in den vorherigen Ergebnissen unterscheiden sich die Migranten hinsichtlich der Beschäftigungsanteile ebenfalls deutlich von Deutschen und (Spät-)Aussiedlern. Ihre Anteile sind geringer als bei den anderen Gruppen. Für den Beginn der Erwerbsbiographie ist folgender Sachverhalt dafür verantwortlich: Die Migranten dieser Generation treten im Durchschnitt erst mit Ende zwanzig in den deutschen Arbeitsmarkt ein; erst mit diesem Eintritt sind Informationen zum Erwerbseintritt vorhanden.Footnote 11 Bei (Spät-)Aussiedlern sind die Anteile in jungen Jahren höher, da die Beschäftigung im Herkunftsland angerechnet wird. Vergleicht man die Erwerbsbiographien nach unterschiedlichem Erwerbsstatus, zeigt sich für (Spät-)Aussiedler das bereits bekannte Bild: Die Erwerbsverläufe ähneln sich. Die Beschäftigungsanteile bewegen sich in beiden Fällen trotz kleiner Schwankungen auf einem sehr hohen Niveau. Auch der umgekehrte Sachverhalt bei Deutschen und Migranten findet sich wieder. Während nichterwerbstätige Deutsche in ihrer Erwerbsbiographie höhere Beschäftigungsanteile aufweisen als erwerbstätige deutsche Rentner, ist die Situation bei Migranten genau umgekehrt.

Multivariate Analyse

Die deskriptiven Unterschiede beim Erwerbsverhalten im Ruhestand finden sich in den Schätzergebnissen wieder (Tab. 2). Die Hypothese, dass eine Berufstätigkeit im Rentenbezug aufgenommen wird, um sich finanziell abzusichern, wird durch die Schätzergebnisse bestätigt. Die finanzielle Situation beeinflusst die berufliche Tätigkeit im Ruhestand. Die Höhe der erreichten Entgeltpunkte im Erwerbsleben wirkt sich für Deutsche negativ auf eine Beschäftigung im Ruhestand aus. Personen, die mehr Entgeltpunkte in ihrem Erwerbsleben ansammeln, weisen eine geringere Wahrscheinlichkeit auf, im Rentenbezug einer Beschäftigung nachzugehen. (Spät-)Aussiedler weichen nicht signifikant von den Deutschen ab. Für Migranten zeigt sich im Vergleich zu Deutschen das gegenteilige Bild. Hier wirkt ein Anstieg der persönlichen Entgeltpunkte beschäftigungsfördernd. Beim Betrachten des Bildungsabschlusses zeigen sich, anders als vermutet, keine signifikanten Einflüsse für die betrachteten Gruppen. Der Bildungshintergrund ist demnach nicht als ein Einflussfaktor der beruflichen Aktivität im Rentenbezug zu sehen. Vielmehr sind Personen, deren Erwerbskarrieren durch Unterbrechungen gekennzeichnet sind, im Rentenbezug erwerbstätig. Die Wahrscheinlichkeit, im Rentenalter beschäftigt zu sein, erhöht sich für Personen, die in ihrem Erwerbsleben Arbeitslosigkeitserfahrungen gesammelt haben. Bei Personen, die mehr als 2 Jahre arbeitslos waren, besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit, im Rentenalter zu arbeiten, als Personen, die in dieser Zeit nicht arbeitslos waren. Es zeigen sich keine signifikanten Unterschiede von (Spät-)Aussiedlern und Migranten zu Deutschen. Mit der Dauer der Arbeitslosigkeit geht allerdings das Ausmaß des Effekts zurück, vor allem für Frauen. Erwerbsunterbrechungen aufgrund längerer Krankheitsphasen weisen hingegen keinen signifikanten Effekt auf. Die deskriptiven Analysen haben gezeigt, dass die Anteile in Beschäftigung für nichterwerbstätige Rentner weitaus niedriger liegen als für erwerbstätige Rentner. Die multivariate Analyse zeigt allerdings, dass sich (Spät-)Aussiedler und Migranten hier nicht signifikant von Deutschen unterscheiden. Es zeigen sich Einflüsse für zwei unterschiedlich am Arbeitsmarkt positionierte Gruppen: Bei Personen, die einen Beschäftigungsanteil von lediglich bis zu 25% aufweisen, besteht eine geringere, bei Personen, die im Vergleich zu ständig Beschäftigten einen Anteil von 50–75% aufweisen, eine höhere Wahrscheinlichkeit, in der Rente erwerbstätig zu sein. Hinsichtlich des Renteneintrittsalters zeigen sich ethnische Unterschiede. Während bei den Deutschen die Wahrscheinlichkeit der beruflichen Aktivität im Rentenbezug vor allem für diejenigen Personen erhöht ist, die vorzeitig in den Rentenbezug eingetreten sind, zeigt sich bei den Migranten für die Frührentner ein abweichendes Verhalten. Der Einfluss des Geschlechts ist bei den Migranten signifikant unterschiedlich zu den Deutschen, bei denen die Wahrscheinlichkeit, im Rentenbezug erwerbstätig zu sein, für Frauen im Vergleich zu Männern niedriger ist. Bei den Migranten kommt dieser Effekt nicht allzu stark zum Tragen. Dies zeigt sich auch, wenn man die Modelle getrennt nach Geschlecht schätzt. Es finden sich die gleichen Einflussmerkmale, nur die Stärke der Effekte variiert.

Tab. 2 Durchschnittliche marginale Effekte der Logit-Schätzung. (BASiD, eigene Berechnung und Darstellung)

Für die Alternativhypothese, die davon ausgeht, dass in der Rente der bisherige Erwerbsverlauf fortgesetzt wird, lassen sich ebenso Anhaltspunkte finden. Wir bestätigen mit unseren Ergebnissen bisherige qualitative Studien, die eine höhere Erwerbsneigung älterer Arbeitnehmer im Vergleich zu jenen, die bereits in Altersteilzeit beschäftigt sind, ausweisen [11, 12, 22, 26]. Für Personen, die vor der Rente nur geringfügig beschäftigt waren, ist die Wahrscheinlichkeit einer Beschäftigung im Ruhestand höher, für Personen, die vor dem Rentenbezug schon in Altersteilzeit waren, geringer als für sozialversicherungspflichtige Beschäftigte. Auch hier zeigen sich keine signifikanten Abweichungen der betrachteten Migrantengruppen von den Deutschen.

Es scheint zudem spezifische Branchen zu geben, die die Erwerbstätigkeit während des Rentenbezugs beeinflussen. Der Bergbau und das verarbeitende Gewerbe, das Kredit- und Versicherungsgewerbe und der öffentliche Dienst wirken sich, im Vergleich zur Land- und Forstwirtschaft, positiv auf die Wahrscheinlichkeit der Beschäftigung aus. Das zentrale Merkmal hier ist die Dauer zwischen der letzten ausgeübten Beschäftigung und dem Rentenbeginn. Diese beeinflusst in allen Fällen die Wahrscheinlichkeit der Beschäftigung im Rentenbezug negativ. Während kurze Dauern, im Vergleich zum direkten Übergang, mit einer um 29% geringeren Wahrscheinlichkeit verbunden sind, sind es bei Dauern von über 3 Jahren schon mindestens 35%. Die im Modell enthaltenen Betriebsmerkmale erklären die Beschäftigung im Ruhestand nicht.

Diskussion

Unsere Ergebnisse zeigen, dass ein beträchtlicher Anteil der Altersrentner im Alter von 60 bis 67 Jahren erwerbstätig ist. Beruflich aktiv sind vor allem jene Rentner, die eine geringe Anzahl an persönlichen Entgeltpunkten aufweisen. Im Durchschnitt haben diese ein geringeres Qualifikationsniveau, was mit geringeren persönlichen Entgeltpunkten einhergeht. Zusätzlich weisen diese Personen im Durchschnitt höhere Arbeitslosigkeitszeiten auf. Insgesamt sind folglich jene Variablen, die als Indikatoren für eine potenzielle Altersarmut zu werten sind [18], verantwortlich für die berufliche Aktivität im Ruhestand.

Ethnische Unterschiede sind bei der beruflichen Aktivität im Ruhestand ebenfalls vorhanden. Migranten, die im Alter finanziell schlechter gestellt sind, weisen eine niedrigere Wahrscheinlichkeit für die Beschäftigung im Rentenbezug auf. Dies kann u. a. auf den stärkeren familiären Zusammenhalt von Migranten oder die Rückkehrmigration zurückzuführen sein.

(Spät-)Aussiedlern wird im Fremdrentengesetz eine Sonderrolle zugeschrieben. Fast alle Merkmale ihrer Erwerbsbiographie und ihrer Qualifikation sind allerdings nichtsignifikant unterschiedlich zu denen von Deutschen. Da sich keine Abweichungen zu den Deutschen zeigen, muss der Sonderstatus der (Spät-)Aussiedler in weitergehenden Analysen nicht berücksichtigt werden.

Es lassen sich zum anderen Anhaltspunkte für die Fortsetzung der Erwerbsbiographie im Rentenalter finden, da die höchsten Beschäftigungswahrscheinlichkeiten für Personen mit einem nahtlosen Übergang von der Erwerbstätigkeit vor der Rente zu der Erwerbstätigkeit in der Rente auftreten.

Das Ausmaß der beruflichen Aktivität wird nach Studien, die die zukünftige Entwicklung prognostizieren, zunehmen und an Bedeutung gewinnen. Brussig [8] vermutet, dass die berufliche Aktivität von Rentnern Ausdruck einer abnehmenden Leistungsfähigkeit der Alterssicherung ist und dass durch die sinkenden Renten die Notwendigkeit für einen Zuverdienst steigen wird. Immer mehr Erwerbstätige sind dem Risiko „Altersarmut“ ausgesetzt, da das Erreichen eines vollständigen Arbeitszyklus durch strukturelle Veränderungen des Arbeitsmarkts erschwert wird [14, 21]. Eine Mikrosimulationsstudie von Steiner u. Geyer [30] verweist auf die Gefahr, dass 32% der ostdeutschen Männer (Kohorte 1952–1971) lediglich eine Rente beziehen werden, die unter 600 EUR liegt – was dem heutigen Niveau der Leistungen der Grundsicherung im Alter entspricht.

Um das steigende Risiko von Altersarmut zu senken, schlagen Kumpmann et al. [19] zwei Ansätze vor, die sich gegenseitig eher ergänzen als ersetzen: Im ersten Ansatz ist das Versicherungssystem so weiterzuentwickeln, dass es armutsfest ist, und im zweiten Ansatz sind die Einflussfaktoren der geringen Alterseinkommen zu verringern bzw. zu beheben. Der erste Ansatz beinhaltet die Handlungsfelder gesetzliche Rentenversicherung des Alterssicherungssystems, private und betriebliche Vorsorge des Alterssicherungssystems und das Grundsicherungssystem, während der zweite Ansatz im Handlungsfeld Erwerbssystem ansetzen muss [20, 14].Footnote 12 Beispielhafte Stellschrauben im Erwerbssystem sind die Höhen der Arbeitsentgelte, Maßnahmen zum Abbau der (Langzeit-)Arbeitslosigkeit und Maßnahmen, die einen längeren Verbleib im Erwerbsleben durch Ausbau und Erhalt der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit ermöglichen – also durch Förderstrategien und langfristig angelegte Konzepte der Humankapitalinvestitionen. Brussig [8] diskutiert des Weiteren die Weiterentwicklung der Altersteilzeit in ihrer bisherigen Form, um Beschäftigten zusätzliche Optionen für den Verbleib in Erwerbstätigkeit und den Übergang in Altersrente zu bieten. In unseren Analysen zeigt sich jedoch eine geringere Wahrscheinlichkeit, eine berufliche Aktivität im Ruhestand auszuüben für Personen, die die Altersteilzeit in Anspruch nehmen.

Fazit

Diskutiert wurden potenzielle Erklärungen für eine berufliche Aktivität im Ruhestand.

  • Rund 20% der untersuchten Altersrentner sind beruflich aktiv.

  • Erwerbstätig sind vor allem jene Rentner, die Charakteristika aufweisen, die im Zusammenhang mit einem erhöhten Altersarmutsrisiko stehen.

  • Notwendig ist es daher, einen längeren Verbleib im Erwerbsleben durch den Ausbau und Erhalt der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit zu ermöglichen. Hier sind sämtliche Akteure – vor allem auch die Unternehmen – gefordert.

Die bisherigen Ergebnisse werfen auch neue Forschungsfragen auf:

  • Zukünftige Studien sollten sich mit unterschiedlichen Beschäftigungsformen und deren Dauern im Rentenbezug auseinandersetzen.

  • Zudem sind die Beschäftigungsverhältnisse im Ruhestand zu charakterisieren: Welche Entgelte erzielen die berufstätigen Rentner? Sind diese Entgelte lediglich ein kleiner Zuverdienst oder ein erhebliches Einkommen zur Sicherung des Lebensstandards im Alter?

  • Haben Migranten mit mehr erreichten Entgeltpunkten als vergleichbare Nichtmigranten eine andere Arbeitsmarktorientierung?