Hintergrund und Fragestellung

Das Glaukom ist eine fortschreitende Erkrankung des Sehnervs und die zweithäufigste Erblindungsursache weltweit [1]; 64,3 Mio. Menschen leiden am grünen Star [2]. Die permanente lebenslange topische antiglaukomatöse Therapie wird von über 50 % der Patienten nicht konsequent eingehalten, wenn mehrere unterschiedliche drucksenkende Augentropfen angewendet werden müssen [3,4,5]. Der Goldstandard der Glaukomchirurgie, die Trabekulektomie, ist invasiv und geht mit einer signifikanten okulären Morbiditäts- und Versagerrate einher [6,7,8,9,10,11,12,13,14,15].

Im Jahr 1999 wurde erstmals eine drucksenkende Wirkung nach Implantation eines L‑förmig abgewinkelten iStents in den Schlemm-Kanal berichtet [16,17,18], 2012 wurde eine Drucksenkung mit einem neuen kleineren Stentdesign, iStent inject (Glaukos Corporation, San Clemente, CA, USA), beschrieben und auch, dass die Implantation von 2 iStents inject in humanen Donoraugen den Kammerwasserabfluss stärker erleichtert als die Implantation von nur 1 iStent inject [18,19,20]. Der iStent inject erhielt in der EU eine CE-Kennzeichnung, in der US-FDA (Food and Drug Administration) hat er eine Investigational Device Exemption (IDE) für klinische Studien ([21,22,23]; Abb. 1). Der iStent inject hat 2 Enden: Das eine Ende mit der Einflussöffnung ragt in die Vorderkammer, das andere Ende mündet spitz konisch zulaufend in den Schlemm-Kanal. An diesem zweiten distalen Ende gibt es zusätzlich 4 seitliche Ausflussöffnungen. Der mittlere Teil des Stents sitzt im Trabekelmaschenwerk.

Abb. 1
figure 1

Der iStent inject ist mit 360 µm × 230 µm das kleinste Medizinprodukt, das beim Menschen eingesetzt wird. Er ist aus Titan, nicht ferromagnetisch, die Oberfläche ist Heparin-beschichtet. Es werden immer 2 iStents inject in den Schlemm-Kanal implantiert. Sie dienen als Bypass für das Kammerwasser durch das Trabekelmaschenwerk und senken den Augendruck. Sie überbrücken die Stelle des höchsten Abflusswiderstandes, das juxtakanalikuläre Trabekelmaschenwerk, die Fontana-Räume, und erleichtern dort den Kammerwasserabfluss. Aus dem unten links abgebildeten vorgeladenen Injektor werden 2 Kammerwinkelimplantate freigesetzt, sie drainieren zwischen der Vorderkammer und dem Schlemm-Kanal und umgehen so den Abflussweg durch das Trabekelmaschenwerk

Es gibt prospektive randomisierte multizentrische Studien über die Drucksenkung bei Stand-alone-Eingriffen [24,25,26,27,28]. In einer vorausgegangenen eigenen Studie [29] betrug der drucksenkende Effekt nach trabekulärer Mikro-Bypass-Stent-Implantation in 39 phaken Augen mit primär chronischem Offenwinkelglaukom durchschnittlich 4,8 mm Hg bzw. 21,1 % (p < 0,001). Kontrollierte klinische Studien über die Drucksenkung bei kombinierten Eingriffen, Kataraktoperation mit iStent inject-Implantation, gibt es derzeit nur wenige [30]. Aus diesem Grund haben wir eine eigene Studie erstellt. In dieser prospektiven randomisierten, einfach verblindeten Studie haben wir die Langzeitergebnisse nach trabekulärer Mikro-Bypass-Stent-Implantation im Rahmen von Routinekataraktoperationen in Augen mit chronischem Offenwinkelglaukom untersucht.

Patienten und Methoden

In die Studie aufgenommen wurden 65 Augen von insgesamt 56 Patienten mit einem milden bis moderaten primären chronischen Offenwinkelglaukom. Die Patienten waren zwischen 66 und 81 Jahre alt. Die Augen standen unter einer lokalen medikamentösen Kombinationstherapie mit mindestens 2 verschiedenen drucksenkenden Wirkstoffen. Alle Augen erhielten vor 12 bis 24 Monaten eine selektive Lasertrabekuloplastik (SLT).

Die 65 Augen wurden in 2 Gruppen aufgeteilt, in die Phako + iStent-Gruppe und in die Phako-Gruppe. Die Zuteilung der Augen zu den beiden Gruppen erfolgte randomisiert und einfach verblindet. Wir haben darauf geachtet, dass bei der Zuteilung der Augen in jeder Gruppe annähernd die gleichen Glaukomdiagnosen, Glaukomstadien und Pigmentierungsgrade des Trabekelmaschenwerks vorlagen. Es wurde die Klassifizierung der Glaukomstadien nach Jonas zugrunde gelegt [31]. Die Phako + iStent-Gruppe umfasste 31 Augen von 27 Individuen, die Phako-Gruppe 34 Augen von 29 Individuen. Die Phako + iStent-Gruppe hatte präoperativ einen durchschnittlichen Ausgangsdruck von 25,1 mm Hg, die Phako-Gruppe von 22,0 mm Hg.

Die Augen der Phako + iStent-Gruppe erhielten im Zeitraum Oktober 2014 bis März 2017 eine kombinierte Kataraktoperation mit Phakoemulsifikation und Hinterkammerlinsenimplantation mit anschließender Implantation von jeweils 2 iStents inject GTS-400 (Fa. Glaukos). Im gleichen Zeitraum erhielten die Augen der Phako-Gruppe lediglich eine Standardkataraktoperation ohne Stentimplantation. Zur sicheren Identifizierung und Verifizierung des Schlemm-Kanals induzierten wir vor der Implantation eine Strömungsumkehr von den episkleralen Gefäßen in Richtung Sammelkanäle und Schlemm-Kanal. Die Strömungsumkehr erreichten wir, indem wir mit einer Kolibri-Pinzette etwas auf die Sklera drückten und massierten. Der Schlemm-Kanal färbte sich dann infolge des Blutrefluxes einige Minuten lang leicht rötlich. Es wurden jeweils 2 iStents inject ab interno implantiert im Abstand von 30–60° oder 1 bis 2 Uhrzeiten im nasal unteren Quadranten, weil dort die Dichte der abführenden Sammelkanäle am höchsten ist (Abb. 2). Der Abstand zwischen den beiden Stents durfte nicht kleiner sein, damit genug Sammelkanäle erreicht wurden. Unmittelbar nach Implantation kam es regelmäßig durch die zentrale Öffnung der implantierten iStents inject hindurch zu einer kleinen Refluxblutung aus dem Schlemm-Kanal in die Vorderkammer, ein erwünschtes Erfolgskriterium für eine gute Positionierung im Kanal. Das zuvor eingegebene Viskoelastikum wurde entfernt. Um etwaige postoperative Druckspitzen zu kupieren, wurden den Patienten der Phako + iStent-Gruppe 4 Tabletten Acetazolamid 250 mg mit nach Hause gegeben mit der Empfehlung, alle 4 h eine Tablette einzunehmen.

Abb. 2
figure 2

Zwei in den Schlemm-Kanal zwischen dem pigmentierten und dem unpigmentierten Trabekelmaschenwerk implantierte iStents inject. Die Implantation erfolgt ab interno nasal unten, weil dort die Dichte der abführenden Sammelkanäle am höchsten ist

In beiden Gruppen, in der Phako + iStent-Gruppe als auch in der reinen Phako-Gruppe, erhielten die Augen ein identisches Schema einer topischen Steroid-Antibiotikum-Kombination 6 Wochen lang in absteigender Tropffrequenz. Bei allen Augen wurde postoperativ die jeweilige bisherige präoperative drucksenkende Lokaltherapie unverändert fortgesetzt. Falls nach der vierten postoperativen Woche in einem Auge der Augendruck 20 mm Hg oder tiefer war, wurde die drucksenkende Lokalmedikation um einen Wirkstoff reduziert. Bei persistierend niedrigem Augeninnendruck unter 20 mm Hg nach 4‑wöchiger Auswaschphase wurde die drucksenkende Lokalmedikation jeweils um einen weiteren Wirkstoff reduziert. Die drucksenkende Lokalmedikation wurde so weit reduziert, bis ggf. alle drucksenkenden Wirkstoffe abgesetzt waren. Falls der Augendruck in 2 aufeinanderfolgenden Kontrollen wieder über 20 mm Hg anstieg, wurde die lokale drucksenkende Medikation wieder angesetzt bzw. erhöht. Es wurden die gleichen Wirkstoffe und Präparate, die bereits vor dem Eingriff gegeben wurden, wieder ordiniert. Bei jedem Besuch kam jeweils nur eine Wirkstoffklasse hinzu, und zwar in der Reihenfolge Betablocker – Karboanhydrasehemmer – Prostaglandinanaloga – α‑Agonisten.

Die statistischen Analysen erfolgten mit dem Zweistichproben-t-Test unter der Annahme gleicher Varianzen. Für Alpha wurde 0,05 bzw. 5 % gewählt. Analysentool war das Add-in „Datenanalyse“ der Software Excel 2016.

Ergebnisse

Beide Gruppen, die Phako + iStent-Gruppe und die Phako-Gruppe, wurden von Oktober 2014 bis Dezember 2017 prospektiv beobachtet. Bei hoher Compliance konnte ein „loss of follow-up“ vermieden werden. Die maximale Nachbeobachtungszeit betrug 38 Monate, die mittlere Nachbeobachtungszeit 14 Monate. In der Phako + iStent-Gruppe betrug der durchschnittliche präoperative Augeninnendruck 25,1 mm Hg, in der Phako-Gruppe 22,0 mm Hg. Eine Woche postinterventionell war der Augeninnendruck in allen Augen bereits deutlich reduziert, nach Phako + iStent stärker als nach Phako alleine. In der Phako + iStent-Gruppe zeigte sich nach der ersten Woche eine durchschnittliche Augeninnendrucksenkung von 3,8 mm Hg bzw. 15,1 % (p < 0,001) und in der Phako-Gruppe von 1,4 mm Hg bzw. 6,4 % (p < 0,001). Im weiteren Verlauf mit anfangs wöchentlichen, ab der vierten Woche dann monatlichen Druckmessungen zeigten beide Gruppen einen sehr ähnlichen Drucksenkungsverlauf (Abb. 3; Tab. 1). Nach 4 Monaten hatte die Phako + iStent-Gruppe ihre maximale Drucksenkung von 7,2 mm Hg (28,7 %, p < 0,001) erreicht. Die Phako-Gruppe erreichte ihre maximale Drucksenkung von 3,2 mm Hg (14,5 %, p < 0,001) nach 12 Monaten. Die stärkste Drucksenkung in einem singulären Fall betrug 8,7 mm Hg (34,7 %, p < 0,001) 3 Monate nach Phako + iStent.

Abb. 3
figure 3

Rote Kurve: zeitabhängiger Druckverlauf in der Phako + iStent-Gruppe nach kombinierter Kataraktoperation mit anschließender Implantation von jeweils 2 iStents inject GTS-400 (Glaukos Corporation, San Clemente, CA, USA) in den Schlemm-Kanal bei 31 Augen mit primär chronischem Offenwinkelglaukom. Die durchschnittliche Augeninnendrucksenkung betrug 5,9 mm Hg bzw. 23,5 % (p < 0,001). Grüne Kurve: zeitabhängiger Druckverlauf in der Phako-Gruppe, nach Standardkataraktoperation ohne iStent inject-Implantation bei 34 Augen mit primär chronischem Offenwinkelglaukom. Die durchschnittliche Augeninnendrucksenkung betrug 2,1 mm Hg bzw. 9,5 % (p < 0,001)

Tab. 1 Augendrucksenkung nach kombiniertem Eingriff Phako+HKL+iStent inject sowie nach Standardkataraktoperation Phako+HKL ohne iStent inject-Implantation

Innerhalb der mittleren Nachbeobachtungszeit von 14 Monaten erzielte die kombinierte Operation in der Phako + iStent-Gruppe eine durchschnittliche Augeninnendrucksenkung von 5,9 mm Hg bzw. 23,5 % des Ausgangsdrucks (p < 0,001), die alleinige Standardkataraktoperation in der Phako-Gruppe eine durchschnittliche Augendrucksenkung von 2,1 mm Hg bzw. 9,5 % des Ausgangsdrucks (p < 0,001). Nach einer anfangs steilen Drucksenkung blieb der Druck in beiden Gruppen im zeitlichen Verlauf dann plateauartig, mit leichten Schwankungen überwiegend verlaufsstabil. Jedoch bestand nach den anfänglich guten Drucksenkungen im ersten Jahr wieder die Tendenz eines geringfügigen nichtsignifikanten Druckanstiegs im zweiten Jahr, und zwar in beiden Gruppen, in der Phako-Gruppe etwas stärker als in der Phako + iStent-Gruppe (p > 0,05). Der Korrelationskoeffizient war 0,52 in der Phako-Gruppe und 0,50 in der Phako + iStent-Gruppe (Abb. 3).

Die Anzahl der lokal drucksenkenden Wirkstoffe lag in der Phako + iStent-Gruppe präinterventionell bei 2,8 und 4 Monate postinterventionell bei 1,5. Sie konnte also signifikant gesenkt (p < 0,001), nahezu halbiert werden (Abb. 4). Bei 13 (41,9 %) Augen konnte nach 4 Monaten die drucksenkende Lokalmedikation um einen Wirkstoff reduziert werden, bei 4 (12,9 %) Augen konnten alle drucksenkenden Augentropfen abgesetzt werden. Die Anzahl der lokal drucksenkenden Wirkstoffe lag nach Standardkataraktoperation in der Phako-Gruppe ohne mikroinvasive Glaukomchirurgie (MIGS) präinterventionell bei 2,6 und 4 Monate postinterventionell bei 2,1. In der Phako-Gruppe konnte nach 4 Monaten bei 4 (11,8 %) Augen die lokal drucksenkende Medikation um einen Wirkstoff reduziert werden (p < 0,001), in keinem Fall konnten in dieser Gruppe alle drucksenkenden Tropfen abgesetzt werden. Im weiteren Verlauf blieb dann die Anzahl der drucksenkenden topischen Wirkstoffe innerhalb der Nachbeobachtungszeit in beiden Gruppen konstant.

Abb. 4
figure 4

a Anzahl lokal drucksenkender Wirkstoffe präoperativ und 4 Monate postoperativ in der Phako + iStent-Gruppe nach kombinierter Kataraktoperation mit anschließender Implantation von jeweils 2 iStents inject GTS-400 (Fa. Glaukos) in den Schlemm-Kanal in 31 Augen mit primär chronischem Offenwinkelglaukom. b Anzahl lokal drucksenkender Wirkstoffe präoperativ und 4 Monate postoperativ in der Phako-Gruppe nach Standardkataraktoperation ohne iStent inject-Implantation in 34 Augen mit primär chronischem Offenwinkelglaukom

Komplikationen

In einem Fall kam es intraoperativ unmittelbar nach der Implantation des ersten iStents inject durch dessen zentrale Öffnung zu einer deutlich verstärkten Refluxblutung, viel stärker als üblich. Sie sistierte schnell, koagulierte aber auch schnell, sie verklebte dabei auch etwas mit dem Trokar des Injektors und beeinträchtigte den weiteren Einblick in den Kammerwinkel. Die Blutung wurde mittels Irrigation/Aspiration entfernt, der Trokar unter dem Operationsmikroskop gereinigt, bevor der zweite iStent gesetzt werden konnte. Antikoagulanzien oder Thrombozytenaggregationshemmer waren nicht eingenommen worden, Gerinnungsstörungen waren ausgeschlossen. Die postoperative Routinegonioskopie ergab eine gute Positionierung der Implantate ohne Anhalt für Vaskularisationen.

Zwei Augen der Phako + iStent-Gruppe hatten am ersten postoperativen Tag mit 29 mm Hg einen deutlich erhöhten Augeninnendruck mit leichten Schmerzen. Nach kurzfristiger oraler Acetazolamid-Gabe war der Druck ab dem dritten postoperativen Tag dann bereits auf das Zieldruckniveau normalisiert. In der Phako-Vergleichsgruppe ohne Stentimplantation kam es nicht zu postoperativen Schmerzen oder Druckanstiegen.

In keinem Fall kam es während oder nach den Eingriffen zu einer Dislokation, Luxation oder Verlust eines Implantats. In keinem Fall musste ein Implantat mit dem Trokar wieder aufgefädelt oder mit einem Vitrektomiezängchen entfernt werden. Ein postoperatives Hyphäma, flache Vorderkammer, choroidale Effusion oder Aderhautamotio trat in keinem Fall ein. In allen Augen kam es postoperativ zu einem deutlichen Visusanstieg, in keinem Fall wurde postoperativ ein Makulaödem diagnostiziert. Die in allen Fällen der Phako + iStent-Gruppe nach der ersten Woche durchgeführte postoperative Routinegonioskopie ergab keinen Hinweis auf Fehlpositionierung oder Stentokklusion, die eine Nd:YAG-Laser-Behandlung erforderlich machte [32].

Diskussion

Alle in unsere Studie aufgenommenen Augen erhielten in der Vergangenheit vor 12 bis 24 Monaten eine selektive Lasertrabekuloplastik (SLT). Da nahezu alle unsere Glaukompatienten in unserer Praxis eine SLT erhalten, wäre es uns kaum möglich gewesen, für die Studie eine ausreichende Zahl an Augen zu finden, die noch keine SLT erhielten. Die Arbeitsgruppe um Maier untersuchte den Einfluss der SLT auf die Ergebnisse der iStent inject-Implantation. Sie kam zu dem Schluss, dass eine zuvor durchgeführte SLT keinen negativen Einfluss auf die Ergebnisse der iStent inject-Implantation bei Patienten mit primärem Offenwinkelglaukom zu haben scheint [33].

Nach iStent inject-Implantation werden initiale Erfolgsraten von 91 % angegeben [34]. Zweijahresdaten belegen eine Erfolgsrate von 53–61 %, abhängig von der Definition des Erfolgs [32, 35]. Klamann beschreibt bei 17 Stand-alone-Eingriffen bei chronischem Offenwinkelglaukom und bei 15 Stand-alone-Eingriffen bei Pseudoexfoliationsglaukom nach 6 Monaten eine Drucksenkung von 33 % respektive 35 %. In allen seinen 3 Stand-alone-Implantationen bei Pigmentglaukom kam es nach einer anfänglich guten Drucksenkung jedoch innerhalb von 4 Wochen postoperativ zu einem Druckanstieg auf über 30 mm Hg, der eine Trabekulektomie erforderlich machte [32]. Die Arbeitsgruppe Fea erzielte eine intraokulare Drucksenkung von 8 mm Hg nach Implantation von 2 iStents inject ohne begleitende Kataraktoperation [26]. In einer vorausgegangenen eigenen Studie von Oktober 2014 bis Dezember 2016 [29] betrug der drucksenkende Effekt nach trabekulärer Mikro-Bypass-Stent-Implantation in 39 phaken Augen mit primär chronischem Offenwinkelglaukom, unter Ausschluss von Pseudoexfoliations- und Pigmentglaukomen, durchschnittlich 4,8 mm Hg bzw. 21,1 % (p < 0,001). Es handelte sich dabei um Stand-alone-Eingriffe in der gleichen oben beschriebenen Operationstechnik, lediglich ohne eine begleitende Kataraktoperation. Unsere durchschnittliche Drucksenkung bei Stand-alone-Eingriffen erreichte somit nicht das Niveau der anderen Literaturangaben.

Es gibt prospektive randomisierte multizentrische Studien über die Drucksenkung bei Stand-alone-Eingriffen. Kontrollierte klinische Studien über die Drucksenkung bei kombinierten Eingriffen, Kataraktoperation mit iStent inject-Implantation, gibt es derzeit nur wenige [30]. Bei unseren kombinierten Eingriffen konnten wir einen signifikanten drucksenkenden Effekt erzielen (p < 0,001). Innerhalb der mittleren Nachbeobachtungszeit von 14 Monaten erzielte die kombinierte Operation bei der Phako + iStent-Gruppe eine durchschnittliche Augeninnendrucksenkung von 5,9 mm Hg bzw. 23,5 % des Ausgangsdrucks (p < 0,001). Die in der Literatur von anderen Autoren angegebenen Drucksenkungen für den Stand-alone-Eingriff konnte auch bei unseren kombinierten Eingriffen nicht ganz erzielt werden [26, 32, 34, 35]. Der kombinierte Eingriff bei der Phako + iStent-Gruppe erbrachte gegenüber der Phako-Gruppe auch im langfristigen Follow-up einen deutlicheren drucksenkenden Effekt.

Mit kombinierten Eingriffen konnte ein signifikanter drucksenkender Effekt erzielt werden

Die alleinige Standardkataraktoperation ohne Stentimplantation erzielte ebenfalls eine signifikante Augeninnendrucksenkung (p < 0,001). In der Phako-Gruppe wurde 14 Monate postoperativ ein mittlerer Augeninnendruck von 19,9 mm Hg entsprechend einer mittleren Drucksenkung von 2,1 mm Hg (p < 0,001) bei einem mittleren präoperativen Ausgangsdruck von 22,0 mm Hg gemessen (Tab. 1). Mit diesen Werten befinden wir uns in guter Übereinstimmung mit den internationalen Studien. In der Literatur wird 1 Jahr postoperativ nach einer Standardkataraktoperation eine durchschnittliche Drucksenkung von 1,8 mm Hg angegeben [36]. Ein höherer präoperativer Augendruck, eine tiefere Vorderkammer und ein höheres Lebensalter sind mit einer stärkeren Drucksenkung assoziiert. Die milde Augendrucksenkung infolge einer Kataraktoperation ist sehr willkommen bei Augen mit Katarakt und Glaukom [19, 36,37,38,39]. Mitunter kann es nach einer Kataraktoperation bei Glaukompatienten auch einen Druckanstieg geben, dessen Genese noch nicht abschließend geklärt ist [36, 40]. Das Risiko besteht grundsätzlich immer, dass keine Drucksenkung, sondern eine Druckerhöhung eintritt. Slabaugh beschreibt in 38 % der Augen innerhalb des ersten Jahres nach Phakoemulsifikation bei gleichzeitig bestehendem Offenwinkelglaukom einen relevanten Druckanstieg, der eine zusätzliche drucksenkende Medikation oder Laserbehandlung erforderte [36]. Auch aufgrund dieses Risikos erscheint ein kombinierter Eingriff Phako + MIGS sinnvoll.

Auffallend war, dass der Ausgangsdruck in den beiden Gruppen deutlich differierte. Er betrug bei den 31 Augen der Phako + iStent-Gruppe 25,1 mm Hg und bei den 34 Augen der Phako-Gruppe 22,0 mm Hg. Die Zuteilung der Augen zu den beiden Gruppen erfolgte einfach verblindet. Wir haben darauf geachtet, dass bei der Zuteilung der Augen in jeder Gruppe annähernd die gleichen Glaukomdiagnosen, Glaukomstadien und Pigmentierungsgrade des Trabekelmaschenwerks vorlagen. Dabei ergaben sich in den beiden Gruppen unterschiedlich hohe Ausgangsdruckwerte. Die präoperative Druckdifferenz hatte sich postoperativ dann mehr als ausgeglichen. Die Phako + iStent-Gruppe mit dem anfänglich höheren Ausgangsdruck hatte dann postoperativ sogar etwas niedrigere Werte als die reine Phako-Gruppe. Nach der mittleren Nachbeobachtungszeit von 14 Monaten erhielten wir einen durchschnittlichen Augeninnendruck von 19,2 mm Hg in der Phako + iStent-Gruppe und 19,9 mm Hg in der Phako-Gruppe.

Wünschenswert wäre ein gleichgroßer Ausgangsdruck gewesen. Der höhere Ausgangsdruck in der Phako + iStent-Gruppe lässt hypothetisieren, dass dieser eine Hauptursache für die hier bessere Drucksenkung gewesen sein könnte. Inwieweit beeinflusste die Höhe des Ausgangsdrucks das Ausmaß der Drucksenkung? Wir haben innerhalb der Phako + iStent-Gruppe 2 Subgruppen gebildet. In 9 der 31 Augen lag das mittlere Ausgangsdruckniveau bei 23,5 mm Hg (Range 22,9–24,6 mm Hg), im Mittel 1,6 mm Hg niedriger als im gesamten Phako + iStent-Kollektiv. In der zweiten Subgruppe mit 8 der 31 Augen lag das mittlere Ausgangsdruckniveau bei 27,1 mm Hg (Range 24,0–33,1 mm Hg), im Mittel 2,0 mm Hg höher als im gesamten Phako + iStent-Kollektiv. In der Subgruppe mit dem 1,6 mm Hg niedrigeren Ausgangsdruck betrug die Drucksenkung nach dem Eingriff 5,6 mm Hg, also 0,3 mm Hg weniger als in der gesamten Phako + iStent-Gruppe. In der Subgruppe mit dem 2,0 mm Hg höheren Ausgangsdruck betrug die Drucksenkung nach dem Eingriff 6,0 mm Hg, also 0,1 mm Hg mehr als in der gesamten Phako + iStent-Gruppe. Der Unterschied in der Drucksenkung zwischen den beiden Subgruppen war bei der geringen Fallzahl nicht signifikant (p > 0,05). Ob das Ausmaß der Drucksenkung durch den kombinierten Eingriff von der Höhe des Ausgangsdrucks abhängt, lässt sich mit unseren Daten nur als Tendenz abbilden. Es ist zu vermuten, dass bei einem niedrigeren Ausgangsdruck mit einer niedrigeren Augendrucksenkung zu rechnen wäre. Analog wäre bei einem höheren Ausgangsdruck ein höherer drucksenkender Effekt zu erwarten. Bei einem hypothetischen Ausgangsdruck von 14 mm Hg wäre gar kein drucksenkender Effekt mehr zu erwarten, da wir gegen den episkleralen Venendruck arbeiten. Der episklerale Venendruck limitiert das Ausmaß der Augendrucksenkung des iStents inject. Die deutlich höhere Drucksenkung in der Phako + iStent-Gruppe im Vergleich zur Phako-Gruppe ist in dem untersuchten Druckniveau nur zu einem geringen Teil auf den höheren Ausgangsdruck zurückzuführen. Die höhere Drucksenkung in der Phako + iStent-Gruppe ist in erster Linie durch die iStent-Implantation bedingt. Auch in der Standard-Phako-Vergleichsgruppe ohne Stent-Implantation konnten wir eine geringe tendenzielle Abhängigkeit der Drucksenkung vom Ausgangsdruckniveau feststellen, jedoch ebenfalls nicht signifikant (p > 0,05).

Das Ausmaß der Drucksenkung ist tendenziell abhängig von der Höhe des Ausgangsdrucks und von der Höhe des episkleralen Venendrucks. Der intraokulare Druck und der episklerale Venendruck arbeiten gewissermaßen als Gegenspieler. Ein hoher intraokularer Druck und ein niedriger episkleraler Venendruck schaffen einen hohen Druckgradienten und versprechen ein gutes Drucksenkungspotenzial. Demgegenüber werden ein niedrigerer intraokularer Augendruck und ein erhöhter episkleraler Venendruck nur eine geringere Drucksenkung bewirken. Krankheitsbilder, die mit einem erhöhten episkleralen Venendruck einhergehen, wie z. B. Sturge-Weber-Syndrom, Sinus-cavernosus-Syndrom, Pseudotumor orbitae oder eine schwere endokrine Orbitopathie, stellen eine Kontraindikation für eine iStent-Implantation dar.

Zwei unserer Augen der Phako + iStent-Gruppe hatten am ersten postoperativen Tag mit 29 mm Hg einen deutlich erhöhten Augeninnendruck. Nach kurzfristiger oraler Acetazolamid-Gabe war der Druck ab dem dritten postoperativen Tag dann bereits auf das Zieldruckniveau normalisiert. Wir führten den transitorischen Druckanstieg auf eine nicht ganz vollständige Entfernung des Viskoelastikums am Operationsende zurück. Um künftig Druckspitzen in der unmittelbaren postoperativen Phase sicher zu verhindern und um den glaukomatös kompromittierten Sehnerv nicht noch weiter zu belasten, erhielten alle iStent-Patienten postoperativ 4 Tabletten Acetazolamid 250 mg mit nach Hause mit der Empfehlung, alle 4 h eine Tablette einzunehmen. Mit Ausnahme der Druckspitze in der frühen postoperativen Phase in 2 Augen – kam es in allen Augen ab dem zweiten postoperativen Tag zu einer merklichen Drucksenkung. In keinem Fall waren ab dem dritten postoperativen Tag gegenüber präoperativ zusätzliche drucksenkende Medikamente erforderlich, in keinem Fall war postoperativ ein weiterer drucksenkender Eingriff oder gar ein fistulierender Eingriff erforderlich, in keinem Fall kam es zu einem Visusverlust. Wir würden deshalb das potenzielle Komplikationsrisiko einer iStent inject-Implantation als gering einstufen.

Wir wissen aus der Glaukomchirurgie, dass die Kombination Trabekulektomie mit Kataraktoperation bei der Drucksenkung auf Dauer nicht so erfolgreich ist. Der kombinierte Eingriff Phako + Trabekulektomie führt öfter zu einem vernarbten Filterkissen, sodass man die zweizeitige Operation bevorzugt. Die minimal-invasive Glaukomchirurgie (MIGS) hingegen lässt sich gut mit einer Kataraktoperation kombinieren. Die bisherigen Studien und auch unsere eigenen Ergebnisse zeigen eine bessere Drucksenkung beim kombinierten Eingriff [40]. In vorausgegangenen eigenen Untersuchungen [29] betrug der drucksenkende Effekt nach trabekulärer Mikro-Bypass-Stand-alone-Implantation in phaken Augen durchschnittlich 4,8 mm Hg bzw. 21,1 % (p < 0,001). In der aktuellen Studie erreichte die alleinige Standardkataraktoperation in der Phako-Gruppe eine durchschnittliche Augendrucksenkung von 2,1 mm Hg bzw. 9,5 % (p < 0,001). Die kombinierte Operation in der Phako + iStent-Gruppe erzielte eine durchschnittliche Augeninnendrucksenkung von 5,9 mm Hg bzw. 23,5 % (p < 0,001). Die Summe der Drucksenkungen der Einzeleingriffe, Stand-alone-Implantation (4,8 mm Hg) plus Standardkataraktoperation (2,1 mm Hg) lag somit 1,0 mm Hg über der Drucksenkung des kombinierten Eingriffs (5,9 mm Hg). Beim kombinierten Eingriff addiert sich die Drucksenkung durch die Kataraktoperation zur Drucksenkung durch die Stentimplantation. Trotz des leicht unteradditiven Effektes mit einer 1,0 mm Hg geringeren Drucksenkung erweist sich der kombinierte Eingriff Phako + iStent als eine sinnvolle Kombination.

Die minimal-invasive Glaukomchirurgie lässt sich gut mit einer Kataraktoperation kombinieren

Die Glaukomchirurgie ist in jüngster Zeit in Bewegung geraten. Signifikante Drucksenkungen bei deutlich reduziertem Komplikationspotenzial sind durch Mikroimplantate zu einer Realität geworden [41]. Die MIGS ist eine gute Option für den Therapie-Zwischenbereich, in dem man nicht mehr ausreichend medikamentös therapieren kann und bevor man eine Trabekulektomie durchführt [42]. Sie ist eine wertvolle Erweiterung des Spektrums glaukomchirurgischer Eingriffe. Die Stents haben heute einen definitiven Stellenwert mit einem hohen intra- und postoperativen Sicherheitsprofil. Weitere In-vivo-Langzeitstudien zur Bestimmung der langfristigen Sicherheit und Effektivität sind erforderlich.

Weiterhin wäre interessant zu untersuchen, ob die Stand-alone-Implantation von iStents inject in phaken Augen ein gleich hohes Drucksenkungspotenzial erzielt wie in pseudophaken Augen, bei denen die Kataraktoperation schon längere Zeit zurückliegt. In pseudophaken Augen nach abgeschlossener Kapselsackschrumpfung sind die Traktionskräfte der Fibrae zonulares (Zonula ciliaris) geringer als in phaken Augen. Da diese Traktionskräfte wahrscheinlich die Abflusskanäle im Trabekelmaschenwerk, den Schlemm-Kanal und die Sammelkanäle komprimieren [39, 43, 44], nehmen wir an, dass in pseudophaken Augen die Abflusswege im Trabekelmaschenwerk weniger stark komprimiert werden als in phaken Augen. Daher dürfte der drucksenkende Effekt der iStent inject-Implantation in pseudophaken Augen geringer sein als in phaken Augen.

Fazit für die Praxis

  • Die mikroinvasive Glaukomchirurgie senkt den Augendruck moderat.

  • Sie ist indiziert für frühe und mittlere Glaukomstadien, beim primären Weitwinkelglaukom, beim Pseudoexfoliationsglaukom und beim Pigmentglaukom.

  • Sie erlaubt ein frühzeitiges Eingreifen in die Glaukomprogression und reduziert die Medikamentenbelastung.

  • Das Ausmaß der Drucksenkung ist vergleichbar mit 2 drucksenkenden Wirkstoffen. Es liegt zwischen einer SLT und einer Trabekulektomie.

  • Über eine Inzision werden 2 Stents implantiert. Die Implantate überbrücken das juxtakanalikuläre Trabekelmaschenwerk, die Stelle des höchsten Abflusswiderstands, und verbessern so den Kammerwasserabfluss.

  • Die Implantation ist als eigenständiger Stand-alone-Eingriff oder in Kombination mit einer Kataraktoperation möglich.

  • Die MIGS lässt sich mit einer mikroinzisionalen Kataraktchirurgie kombinieren. Eine Implantation ist auch noch nach einer konventionellen Glaukomoperation möglich.

  • Krankheitsbilder, die mit einem erhöhten episkleralen Venendruck einhergehen, sollten nicht vorliegen.