Historische Betrachtungen zeigen, dass vaskuläre (chorio)retinale Erkrankungen unbehandelt zu einer irreversiblen Schädigung der Photorezeptoren führen, verbunden auch mit einer Erblindungsrate [12]. Die Hemmung des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors (VEGF) kann den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Ein rascher Therapiebeginn schien in Studien von Bedeutung zu sein [6]. Daten der größten deutschen prospektiven ophthalmologischen Versorgungsstudie OCEAN (Observation of Treatment Patterns with Lucentis and Real Life Ophthalmic Monitoring, Including Optional OCT in Approved Indications) wurden im Rahmen einer Interimanalyse hinsichtlich einer möglichen Behandlungsverzögerung ausgewertet.

Hintergrund und Fragestellung

Zur Behandlung einer choroidalen Neovaskularisation (CNV) sowie Makulaödemen verschiedener Ursachen wurden Medikamente entwickelt, die gegen VEGF gerichtet sind. Seit 2007 ist Ranibizumab als Anti-VEGF-Medikament zur Behandlung am Auge zugelassen. Die aktuelle Zulassung beinhaltet die Behandlung von neovaskulärer, altersabhängiger Makuladegeneration (nAMD), diabetischem Makulaödem (DMÖ), Makulaödem bei Venenast- (VAV) oder Zentralvenenverschlüssen (ZVV) sowie myoper choroidaler Neovaskularisation (mCNV) [11].

In den klinischen Zulassungsstudien hat die Behandlung mit Ranibizumab eine deutliche Visusverbesserung im Mittel erreichen können, die unter entsprechender Weiterbehandlung für mindestens 2 Jahre gehalten werden konnte [6, 26]. Dabei scheint ein zügiger Behandlungsbeginn von möglicher Bedeutung für den Erfolg zu sein [23]. Entsprechend wurde in früheren Studien ein Einfluss der Erkrankungsdauer beschrieben [3, 13].

Die Ergebnisse klinischer Studien können unter anderem wegen strenger Ein- und Ausschlusskriterien nicht ohne Einschränkungen auf den Praxisalltag übertragen werden. So können beispielsweise andere Begleiterkrankungen oder organisatorische Umstände die Behandlung verzögern [18, 21, 27]. Ein verspäteter Einstieg in die Behandlung wurde in Fallserien als mögliche Ursache für schlechtere funktionelle Ergebnisse diskutiert [23]. Intraretinale Flüssigkeit kann auf Dauer zu einer irreversiblen Verschlechterung der Sehkraft führen [15]. Außerdem nimmt die Größe choroidaler Neovaskularisationen unbehandelt zu; größere CNV-Läsionen weisen aber eine schlechtere funktionelle Prognose auf [6].

Für diese Interimanalyse der multizentrischen Beobachtungsstudie OCEAN wurden daher mögliche Ursachen und Auswirkungen einer Behandlungsverzögerung in der täglichen Praxisroutine evaluiert.

Methodik

Studiendesign

OCEAN ist die bisher größte deutsche, nichtinterventionelle, multizentrische, prospektive Studie, in die erwachsene Patienten mit einer Anti-VEGF-Therapie mit Ranibizumab und bestätigter Diagnose aller zugelassenen Indikationen gemäß Fachinformation eingeschlossen wurden [11]. Die Therapie erfolgte ausschließlich nach medizinisch-therapeutischer Notwendigkeit nach Maßgabe des behandelnden Augenarztes.

Als Basis der vorliegenden Publikation wurde eine Interimanalyse im Dezember 2014 durchgeführt. Hierbei wurden nur die Patienten berücksichtigt, die vor dem 01.07.2014 eine erstes Upload mittels intravitrealer operativer Medikamentenapplikation (IVOM) innerhalb der Studie erhielten, d. h., die Rekrutierung erfolgte von Dezember 2011 bis Juni 2014. Somit fanden sämtliche Untersuchungen und Ranibizumab-Behandlungen, die in die Analyse eingegangen sind, vor der Einführung der Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM)-Ziffer zum 01.10.2014 statt. Zudem wurden nur behandlungsnaive Patienten mit 3 IVOMs (Upload) innerhalb der ersten 3 Monate sowie je einer Visusmessung in den ersten 4 Monaten hinsichtlich einer Behandlungsverzögerung analysiert. So erklärt sich die angesichts der insgesamt 5760 Patienten relativ kleine Stichprobe.

Die Studie (NCT02194803) wurde vor Beginn der zuständigen Bundesoberbehörde angezeigt und durch eine nach Landesrecht gebildete Ethikkommission vor Beginn genehmigt. Die Durchführung der Studie erfolgt gemäß aktuellen Anforderungen und Empfehlungen. Eine schriftliche Einwilligungserklärung wurde von jedem Patienten vor Studieneinschluss eingeholt.

Untersuchungsmethoden

Patientendaten zu Demografie, Diagnose, Visus, Ranibizumab-IVOMs und fachärztlichen Untersuchungen und Behandlungen wurden für diese Publikation ausgewertet. Ein möglicher Einfluss der optischen Kohärenztomographie (OCT)-Untersuchung wurde in dieser Interimanalyse noch nicht gezielt untersucht. Die Abfrage der Visuswerte erfolgte als Dezimalvisus, ETDRS-Score oder Snellen-Äquivalent oder auch Fingerzählen/Handbewegung/Lichtwahrnehmung, wobei meist der Dezimalvisus angegeben wurde. In der Analyse wurden die Daten in logMAR umgerechnet. Eine anschließende Umrechnung in ein ETDRS-Korrelat sollte eine anschaulichere Vergleichbarkeit mit Studiendaten ermöglichen. Dabei entsprach eine Änderung von 0,1 logMAR einer Änderung von 5 ETDRS-Buchstaben.

Bei der Analysepopulation handelte es sich um behandlungsnaive Patienten, bei denen maximal 90 Tage zwischen der Diagnose und der ersten IVOM lagen. Als behandlungsnaiv wurde definiert, dass gemäß dem Ausschlusskriterium „keine Anti-VEGF-Vorbehandlung des zu behandelnden Auges in den letzten 3 Monaten“ erfolgt war.

Als Behandlungsverzögerung galt das Zeitintervall zwischen der ersten augenärztlichen Visusmessung und der ersten Ranibizumab-IVOM. Zur Darstellung der Verzögerung wurde jeweils die gesamte Population angegeben, wobei der Patientenanteil mit fehlender Angabe jeweils aus dem Abbildungsteil B hervorgeht.

Die statistische Auswertung erfolgte rein deskriptiv. Signifikanzen der kategorisierten Behandlungsverzögerung wurden explorativ mittels χ2-Test untersucht, sofern sich ein Hinweis auf eine mögliche Abhängigkeit zeigte.

Ergebnisse

Von den inzwischen 5760 OCEAN-Patienten erfüllten 1333 Betroffene ohne Vorbehandlung die Analysekriterien. Dokumentiert wurden diese Patienten von 252 teilnehmenden Ärzten (201 Ophthalmochirurgen, 51 konservativ tätige Augenärzte). Von diesen Patienten litten 882 (66 %) an nAMD, 258 (19 %) an DMÖ, 185 (14 %) an venösem Gefäßverschluss (RVV) und 8 (1 %) an einer mCNV. Der Ablauf des Behandlungsbeginns, von der ersten Terminvereinbarung bis zur ersten IVOM, variierte in Abhängigkeit davon, ob der Patient einen Termin bei einem Ophthalmochirurgen vereinbart hatte oder von einem konservativ tätigen Augenarzt dorthin überwiesen worden war (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Zeitlicher Ablauf für einen Patienten mit Visusverschlechterung: von ersten Symptomen bis zum Behandlungsbeginn, Erstkonsultation bei einem konservativ tätigen Augenarzt (oben) oder Ophthalmochirurgen (unten). IVOM intravitreale operative Medikamentenapplikation

Behandlungsverzögerung

Eine Verteilungsanalyse der Behandlungsverzögerung ergab, dass bei 47 % der Patienten eine Behandlung innerhalb von 2 Wochen erfolgte, für 19 % sogar innerhalb der ersten 2 Tage. Für 28 % der Patienten verzögerte sich der Behandlungsbeginn dagegen um über 1 Monat. Die Behandlungsverzögerung betrug im Median 15 Tage, im Mittel betrug sie 20,9 ± 19,6 Tage (95 %-Konfidenzintervall: 19,9 bis 22,0 Tage; Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Zeitdauer bis Behandlungsbeginn. a Verteilungsanalyse der Zeitdauer bis Behandlungsbeginn (Patientenanteil in %). b Zeitdauer im Median (Tage) ± 1./3. Quartil mit Angabe des Mittelwertes. c Kategorisierung der Zeitdauer (Patientenanteil in %)

Eine Untersuchung des Einflusses der Behandlungsverzögerung auf die Effektivität der Therapie innerhalb der ersten 3 Monate zeigte, dass Patienten mit der geringsten Verzögerung (0 bis 14 Tage) den größten Visusgewinn hatten, während Patienten mit der größten Verzögerung (> 28 Tage) den geringsten Visusgewinn aufwiesen (Abb. 3). Bereits innerhalb der ersten 3 Monate beeinflusste die Zeitdauer bis Behandlungsbeginn demnach die Effektivität der Therapie.

Abb. 3
figure 3

Einfluss der Behandlungsverzögerung auf die Effektivität der Therapie (Visuswerte als Differenz zum Basisvisus (als logMAR sowie ETDRS-Korrelat): Mittelwerte mit 95 %-Konfidenzintervall)

Analyse möglicher Einflussfaktoren auf die Behandlungsverzögerung

Demografische Faktoren wie Alter und Geschlecht wiesen in der Analysepopulation folgende Verteilung auf: 26 % der Patienten waren ≤ 70 Jahre (n = 343), 42 % der Patienten waren > 70 bis ≤ 80 Jahre (n = 563), und 32 % waren > 80 Jahre (n = 425). In der jüngsten Altersgruppe betrug die Behandlungsverzögerung im Median 17 Tage (6/33), in der mittleren Altersgruppe waren es 15 Tage (6/31) und in der ältesten Altersgruppe 16 Tage (7/33). In die Untersuchung gingen Daten von 589 Männern (44 %) und 743 Frauen (56 %) ein. Die Verzögerung betrug bei Männern im Median 17 Tage (6/33), bei Frauen 15 Tage (7/30). Insgesamt gab es somit bezüglich Alter und Geschlecht keine ungleiche Verteilung der Behandlungsverzögerung.

Auch der mögliche Einfluss des Ausgangsvisus auf die Verzögerung wurde in folgenden Gruppen untersucht: Visus unter 0,2 (< 50 Buchstaben, n = 342, 26 %), zwischen 0,2 und 0,4 (50 bis 65 Buchstaben, n = 417, 31 %) und über 0,4 (> 65 Buchstaben, n = 574, 43 %). In der Gruppe mit einem Visus unter 0,2 begann die Behandlung im Median nach 16 Tagen (6/34), bei einem Visus von 0,2 bis 0,4 nach 15 Tagen (5/32) und bei einem Visus von über 0,4 nach 15 Tagen (7/31). Der Ausgangsvisus eines Patienten schien somit keinen Einfluss auf den Behandlungsbeginn zu haben.

Für die Spezialisierung des Facharztes wurde ein möglicher Einfluss auf den Behandlungsbeginn gefunden (Abb. 4). Demnach wurde eine Verzögerung bei einer Überweisung nach vorheriger Konsultation eines konservativ tätigen Augenarztes häufiger beobachtet. Hier lag die Wartezeit im Median bei 27 Tagen. Erfolgte die erste Untersuchung durch den Ophthalmochirurgen, betrug sie 14 Tage. Es ergab sich eine signifikante Abweichung in der Verteilungsanalyse (p-Wert χ2 < 0,0001).

Abb. 4
figure 4

Analyse des möglichen Einflussfaktors Spezialisierung des Facharztes. a Zeitdauer im Median (Tage) ± 1./3. Quartil mit Angabe des Mittelwertes (MW). b Kategorisierung der Zeitdauer (Patientenanteil in %)

Als weiterer möglicher Einflussfaktor wurde die Durchführung einer Fluoreszenzangiographie untersucht, die gemäß den Empfehlungen der Fachgesellschaft zumeist im Rahmen der Basisdiagnostik erforderlich ist (Abb. 5; [2]). Es machte keinen Unterschied für die Behandlungsverzögerung, ob eine Angiographie durchgeführt wurde (n = 1048, 79 %) oder nicht (n = 285, 21 %). Allerdings war die Verzögerung größer (Median: 24 Tage), wenn der Patient für eine Angiographie überwiesen werden musste (n = 284, 27 %). Eine Angiographie war in der eigenen Praxis früher möglich (n = 762, 73 %, Median: 14 Tage). Es ergab sich eine signifikante Differenz in der Verteilungsanalyse (p-Wert χ2 < 0,0001).

Abb. 5
figure 5

Analyse des möglichen Einflussfaktors Durchführung einer Fluoreszenzangiographie (FLA). a Zeitdauer im Median (Tage) ± 1./3. Quartil mit Angabe des Mittelwertes (MW). b Kategorisierung der Zeitdauer (Patientenanteil in %)

Die behandelten Indikationen wurden auch als möglicher Einflussfaktor für eine Verzögerung analysiert (Abb. 6). Die Diagnose diabetisches Makulaödem (DMÖ) war mit einer im Median größeren Verzögerung assoziiert als die Diagnosen neovaskuläre altersabhängige Makuladegeneration (nAMD), Makulaödem infolge eines venösen Gefäßverschlusses (RVV) und myope choroidale Neovaskularisation (mCNV). Dazu erfolgte eine Analyse, bei wie vielen Patienten eine Laserbehandlung parallel zu Beginn der IVOM-Therapie durchgeführt wurde. Eine solche Behandlung wurde für 1 nAMD-Patienten (0,1 %), 14 DMÖ-Patienten (5 %) und 3 RVV-Patienten (2 %) dokumentiert. Eine vergleichende Darstellung der Indikationen nAMD und DMÖ lässt vermuten, dass DMÖ-Patienten trotz größerer Behandlungsverzögerung nicht immer einen geringeren Visusgewinn – vergleichbar den AMD-Patienten nach 3 Monaten – aufweisen (Abb. 7).

Abb. 6
figure 6

Analyse des möglichen Einflussfaktors Diagnose. a Zeitdauer im Median (Tage) ± 1./3. Quartil mit Angabe des Mittelwertes (MW). b Kategorisierung der Zeitdauer (Patientenanteil in %). nAMD altersabhängige Makuladegeneration, DMÖ diabetisches Makulaödem, RVV retinaler Venenverschluss, mCNV myope choroidale Neovaskularisation

Abb. 7
figure 7

Analyse des möglichen Einflussfaktors Diagnose auf die Behandlungsverzögerung und die Effektivität der Therapie [Visuswerte als Differenz zum Basisvisus (als logMAR sowie ETDRS-Korrelat): Mittelwerte mit 95 %-Konfidenzintervall]. a Diagnose neovaskuläre, altersabhängige Makuladegeneration (nAMD). b Diagnose diabetisches Makulaödem (DMÖ)

Daten zu Details eines notwendigen Verfahrens zur Kostenübernahme (bis zum 01.10.2014) wurden im Rahmen der Studie nicht erfasst.

Diskussion

Von den deutschen Fachgesellschaften wurde bereits seit 2012 ein zeitnaher Behandlungsbeginn mit Anti-VEGF-IVOMs bei allen Indikationen empfohlen [1]. Auch die britische Fachgesellschaft empfiehlt, die Behandlung innerhalb von 14 Tagen zu beginnen: „Ideally new patients with AMD should not have to wait more than 1 week from referral to clinic and not more than 1 week from clinic to treatment if needed“ [10]. Im Rahmen der OCEAN-Studie wurde aber gezeigt, dass die mittlere Zeitdauer von erster Visusmessung bis zur ersten IVOM im deutschen Behandlungsalltag deutlich länger sein kann.

Verschiedene Studien haben bereits Hinweise darauf gegeben, dass die Zeitdauer bis zum Beginn der Anti-VEGF-Therapie kritisch ist, unabhängig von der behandelten Indikation [7, 17, 20, 22, 23, 25, 28, 30]. Die hier gezeigten Ergebnisse der OCEAN-Studie untermauern den negativen Einfluss einer Behandlungsverzögerung auf die Effektivität der Therapie. Dass die Auswirkungen selbst in einer versorgungswissenschaftlichen Studie in diesem Ausmaß bereits nach dem ersten Upload deutlich werden, ist von besonderer Relevanz. Für die behandelten Patienten muss von einer großen Heterogenität der Vorschädigung (Fibrose einer CNV, Atrophie der Netzhaut und/oder des retinalen Pigmentepithels) ausgegangen werden. Wenn sich dennoch solch deutliche Unterschiede ergeben, unterstreicht dies die Stärke des Einflussfaktors Zeit.

In dieser Interimanalyse wurde der Visusanstieg nach den ersten 3 IVOMs (Upload) beobachtet. Für diesen Zeitraum wurde in anderen Studien je nach Indikation der größte Anteil der später erreichten Verbesserung beobachtet [5, 29, 30]. Somit ist mit großer Sicherheit davon auszugehen, dass die beschriebenen Unterschiede auch bezüglich der langfristigen Ergebnisse von Bedeutung sind.

Mögliche Faktoren für die Verzögerung wurden in der OCEAN-Studie näher betrachtet. Bei den Patienten handelt es sich größtenteils um ein älteres, multimorbides Patientenkollektiv, sodass man annehmen könnte, dass das Risiko für Behandlungsverzögerungen generell erhöht ist [24], beispielsweise durch eine eingeschränkte Mobilität oder geringere Bereitschaft zu Arztbesuchen. Die Tatsache, dass in den OCEAN-Daten kein genereller Zusammenhang mit dem Alter gefunden wurde, lässt vermuten, dass besonders ältere Menschen unter Umständen auch eine bevorzugte Behandlung erfahren könnten oder der Allgemeinzustand und das Lebensalter in der OCEAN-Studienpopulation zumindest keine allein entscheidenden Parameter sein dürften.

Unterschiede zwischen den Geschlechtern können durch unterschiedliche Lebenssituationen wie familiäre Anbindung und eine ungleiche Altersverteilung bedingt sein [14, 19]. Anhand der OCEAN-Daten konnte aber kein Trend für eine allgemeine Benachteiligung eines Geschlechts festgestellt werden.

Auch der gemessene Ausgangsvisus könnte sich auf den subjektiven Leidensdruck und somit den Behandlungsbeginn auswirken. In der Interim-Analyse der OCEAN-Studie hat sich diesbezüglich kein Einfluss gezeigt. Möglicherweise ist dies durch den Visus des Partnerauges beeinflusst. Dieser wurde in der OCEAN-Studie jedoch nicht erhoben, sodass diese Frage nicht abschließend beantwortet werden kann.

Die Ausrichtung des Facharztes, bei dem der Patient initial betreut wird, zeigte in der OCEAN-Studie einen deutlichen Unterschied. So wurden Verzögerungen häufiger beobachtet, wenn ein Patient zuerst durch einen konservativ tätigen Augenarzt betreut wurde. Das Zeitintervall wird vermutlich allein durch die dabei erforderliche Terminvereinbarung in einer chirurgischen Praxis bedingt. Eventuell spielen hier zwar auch Praxisdichte und zeitliche Kapazität der Ophthalmochirurgen in dichter oder geringer besiedelten Regionen eine Rolle. Die Erfahrung des klinischen Alltags zeigt allerdings, dass die Terminauswahl durch Patienten selbst nicht selten die Organisation des Arztbesuches stark einengt. Patienten einer Augenarztpraxis sind aufgrund der Pupillenerweiterung auf eine Mitnahmegelegenheit oder einen Chauffeur in die Arztpraxis angewiesen, wenn angesichts der Mobilität oder der Lage des Wohnorts der öffentliche Nahverkehr ausscheidet.

Dieser Umstand wird auch dadurch bestätigt, dass ein späterer Behandlungsbeginn beobachtet wurde, wenn die Angiographie nicht vor Ort, sondern erst nach Überweisung erfolgte. Nicht alle Fachärzte verfügen über die entsprechenden technischen Voraussetzungen. Zudem erfolgten möglicherweise erst nach entsprechender Befundung die Klärung der Behandlungskosten und die anschließende Terminvergabe für die erste IVOM.

Ebenso konnte in den OCEAN-Daten ein Einfluss der Behandlungsindikation auf die Verzögerung gezeigt werden. Für DMÖ war die Verzögerung größer als bei nAMD, RVV oder mCNV. Dabei waren zwischen den Erkrankungen keine Unterschiede in Abhängigkeit einer zusätzlichen Laserbehandlung zu beobachten. Für das DMÖ wird die Dringlichkeit eines schnellen Therapiebeginns möglicherweise anders bewertet als bei der nAMD, nachdem in klinischen Studien gezeigt wurde, dass DMÖ-Patienten auch bei verzögertem Behandlungsbeginn von der Ranibizumab-Therapie profitieren [29]. Zudem kann Diabetes als Grunderkrankung eine intensivere ärztliche Betreuung bedingen, was mögliche Terminkonflikte für Patienten bedeuten kann. Auch in anderen Zusammenhängen wurde bei Menschen mit Diabetes eine geringere Therapietreue beobachtet [16].

Ausblick

Behandlungsverzögerungen sollten möglichst vermieden werden, weil sich eine relevante Auswirkung auf den Nutzen der Behandlung ergibt. In der Konsequenz sollte daher jedem Patienten mit den entsprechenden Erkrankungen ein Behandlungsbeginn innerhalb von 14 Tagen ermöglicht werden.

Seit dem 01.10.2014 sind für gesetzlich Versicherte die Genehmigungsverfahren entfallen, die vermutlich für den beschriebenen Zeitraum eine mögliche Ursache für weitere Verzögerungen in Deutschland darstellten [20, 22, 23]. Allerdings verlangen nach wie vor einige private Krankenversicherungen eine vorherige Bestätigung der Behandlungsnotwendigkeit. Unabhängig vom Versicherungsstatus belegt diese Interimanalyse, dass für die betroffenen Erkrankungen Zeitintervalle von 3 bzw. 5 Wochen, wie sie das Patientenrechtegesetz [9] als Obergrenze vorsieht, nicht akzeptabel sind und daher auch nicht abgewartet werden dürfen.

Für die behandelnden Ärzte unterstreichen die eindeutigen Ergebnisse die haftungsrechtliche Verantwortung. Entsprechende Terminkapazitäten müssen – trotz steigender Patientenzahlen im Zuge des demografischen Wandels – vorgehalten werden. Äußert ein Patient im Rahmen einer Terminvereinbarung entsprechende Symptome (Metamorphopsien, Sehverschlechterung), für die eine der untersuchten Erkrankungen nicht ausgeschlossen werden kann, sollten die Patienten entsprechend schnell untersucht werden. Der Patient sollte ggf. sogar bereits telefonisch darüber informiert werden, dass nur für einen Behandlungsbeginn innerhalb von 2 Wochen der vollständige Behandlungseffekt erreicht werden kann.

Ein strikter Zeitablauf kann zur Qualitätssicherung beitragen. Verbesserungen könnten durch Vorhalten einer entsprechenden Reservekapazität erzielt werden, indem eine entsprechende Priorisierung beachtet wird. Es bleibt kritisch abzuwarten, ob politisch initiierte zentrale Terminvergabestellen gut etablierte Strukturen vor Ort nicht auch behindern können [8]. Eine verbesserte Infrastruktur wie Netzwerke zwischen Kliniken, Behandlern und Fachärzten dürften die Diagnosestellung und Behandlung dagegen beschleunigen [4].

Fazit für die Praxis

  • Eine Behandlungsverzögerung wirkt sich negativ auf die Effektivität der Therapie aus.

  • Insgesamt waren in Deutschland die Wartezeiten bis zum Behandlungsbeginn bis ins Jahr 2014 hinein zu lang.

  • Folgende Einflussfaktoren auf die Behandlungsverzögerung konnten gezeigt werden: Spezialisierung des Facharztes, bei dem die Erstkonsultation erfolgt (Notwendigkeit einer Überweisung zur IVOM), Notwendigkeit einer Überweisung zur Angiographie, Art der zugrunde liegenden Diagnose. Diese Einflussfaktoren weisen auf Kapazitätsengpässe hin.

  • Jedem Patienten mit entsprechenden Symptomen sollte ein zeitnaher Untersuchungstermin und ein Behandlungsbeginn innerhalb von 14 Tagen ermöglicht werden. Dabei kann auch eine umfassende Aufklärung der Patienten helfen, Verzögerungen seitens der Patienten zu minimieren.